BT-Drucksache 16/3117

Bekämpfung des internationalen Terrorismus und Staatsterrorismus

Vom 26. Oktober 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/3117
16. Wahlperiode 26. 10. 2006

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Sevim Dagdelen und der Fraktion DIE LINKE.

Bekämpfung des internationalen Terrorismus und Staatsterrorismus

Die Konferenz der Innenminister von Bund und Ländern hat am 4. September
2006 die Einführung einer so genannten Antiterrordatei gefordert. Proble-
matisch daran ist nicht nur, dass diese Datei das Trennungsgebot von Polizei-
behörden und Geheimdiensten weiter einschränkt. Genauso schwer wiegt der
Umstand, dass die Bundesregierung bislang keine präzise Definition von „Ter-
rorismus“ vorgelegt hat.

Zuletzt hat die Bundesregierung am 8. September 2006 der Resolution A/60/
L.62 der Generalversammlung der Vereinten Nationen zur Bekämpfung des
Terrorismus zugestimmt. Doch auch hierin findet sich keine Definition dessen,
was unter Terrorismus verstanden werden soll. Die Vertreterinnen und Vertreter
Kubas und Venezuelas haben darauf hingewiesen, dass ihre Regierungen auch
den von Staaten ausgehenden Terror für bekämpfenswert halten (http://
www.un.org/News/Press/docs/2006/ga10488.doc.htm).

In den bisherigen Debatten über die Antiterrorbemühungen der Bundesregie-
rung fehlt eine solche Präzisierung. Im Gesetzentwurf zur Antiterrordatei, der
die Innenministerkonferenz am 4. September 2006 grundsätzlich zugestimmt
hat, ist die Rede von „Personen, die rechtswidrig Gewalt als Mittel zur Durch-
setzung international ausgerichteter politischer oder religiöser Belange an-
wenden oder eine solche Gewaltanwendung unterstützen, befürworten oder
durch ihre Tätigkeiten vorsätzlich hervorrufen.“

Das Problem des internationalen Terrorismus würde jedoch nicht im erforder-
lichen Maße angegangen, wenn man den von Regierungen betriebenen Terror
ausklammern wollte. Bedauerlicherweise lässt sich feststellen, dass auch die
Bundesregierung bereits rechtswidrig Gewalt als Mittel zur Durchsetzung
international ausgerichteter politischer Belange angewandt hat; besonders
augenfällig wurde dies 1999 mit dem Angriff auf die damalige Bundesrepublik
Jugoslawien, der ohne UN-Mandat erfolgte. Auch in Zusammenhang mit dem
Irak-Krieg hat die Bundesregierung eine solche rechtswidrige Gewaltanwen-
dung unterstützt, wie das Bundesverwaltungsgericht mit seiner Entscheidung
vom 21. Juni 2005 festgestellt hat. Mit Blick auf die Gewährung von Überflug-
rechten für US-Militärflugzeuge, die Bewachung von US-Kasernen und andere
Unterstützungsleistungen für den völkerrechtswidrigen Angriff auf den Irak

hielt das Gericht fest: „Eine Beihilfe zu einem völkerrechtlichen Delikt ist
selbst ein völkerrechtliches Delikt“ (Urteil des 2. Wehrdienstsenats vom
21. Juni 2005 BVerwG 2 WD 12.04).

Versteht man unter Terrorismus die widerrechtliche Anwendung von Gewalt
zur Erreichung politischer Ziele, so fallen dem Staatsterrorismus weit mehr
Menschen zum Opfer als terroristischen Vereinigungen, wie sie etwa im Straf-

Drucksache 16/3117 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

gesetzbuch beschrieben sind. Hierbei müssen nicht nur völkerrechtswidrige
Kriege gefasst werden, sondern auch solche Kriege, die zwar mit einem UN-
Mandat legitimiert sind, in deren Verlauf die Kriegsparteien aber immer wieder
vorsätzlich oder grob fahrlässig Zivilisten töten, wie etwa beim Enduring-Free-
dom-Einsatz in Afghanistan. Im weiteren Sinne ist die gewaltförmige Aufrecht-
erhaltung einer Weltordnung, die Milliarden von Menschen in Elend hält, eben-
falls geeignet, Gewalt hervorzurufen. Ernsthaften Willen zur Bekämpfung jeder
Form des Terrorismus vorausgesetzt, ergeben sich daraus erhebliche Konse-
quenzen für die Politik der Bundesregierung.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Stellt nach Ansicht der Bundesregierung die widerrechtliche Anwendung
von Gewalt zur Erreichung politischer Ziele auch dann eine Form des
Terrorismus dar, wenn sie von Regierungen demokratischer Staaten aus-
geht?

Wenn nein, warum nicht?

Wenn ja, welche Konsequenzen ergeben sich daraus für die Mitarbeit der
Bundesrepublik Deutschland in EU und Nato?

2. Sind nach Ansicht der Bundesregierung Krieg eine Form des Terrorismus,
insbesondere ein völkerrechtswidriger Krieg, und wie begründet sie ihre
Position?

3. Sind nach Ansicht der Bundesregierung jahrelange Freiheitsberaubung von
Menschen ohne Rechtsgrundlage sowie ihre Demütigung und Misshandlung
durch staatliche Behörden eine Form des Terrorismus, und wie begründet sie
ihre Position?

4. Will die Bundesregierung zur Bekämpfung des Terrorismus auch diejenigen
bekämpfen, die ihrer Ansicht nach rechtswidrige Gewaltanwendung unter-
stützen, und wenn ja, wie definiert sie den Begriff der Unterstützung?

5. Versteht die Bundesregierung unter „Unterstützung“ des Terrorismus auch
die Mitwirkung an der Operation Enduring Freedom, weil in Afghanistan
immer wieder unschuldige Zivilisten durch die dortigen Nato-Truppen ge-
tötet werden, und wie begründet sie ihre Position?

6. Versteht die Bundesregierung unter „Unterstützung“ des Terrorismus auch
die Gewährung von Überflugrechten für fremde Militärflugzeuge, wenn
diese an völkerrechtswidrigen Angriffskriegen wie denjenigen auf den Irak
im Jahr 2003 beteiligt sind, und wenn nein, welchen grundsätzlichen Unter-
schied sieht die Bundesregierung zwischen einer völkerrechtswidrigen
Bombardierung durch staatliches Militär und rechtswidrigen Bombenan-
schlägen nichtstaatlicher Akteure?

7. Will die Bundesregierung zur Bekämpfung des Terrorismus auch diejenigen
bekämpfen, die ihrer Ansicht nach rechtswidrige Gewaltanwendung zur
Erreichung politischer Ziele befürworten, und wie definiert sie den Begriff
des Befürwortens?

8. Versteht die Bundesregierung unter der „Befürwortung“ von Terrorismus
auch das öffentliche Eintreten zu Gunsten von Regierungen, die wie etwa in
Afghanistan oder im Irak immer wieder die Tötung unschuldiger Zivilisten
zu verantworten haben, und wie begründet sie ihre Position?

9. Will die Bundesregierung zur Bekämpfung des Terrorismus auch diejenigen
bekämpfen, die ihrer Ansicht nach die rechtswidrige Anwendung von Ge-
walt hervorrufen, und wie definiert sie den Begriff des Hervorrufens?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/3117

10. Teilt die Bundesregierung die Ansicht der Fragesteller, das Führen eines
völkerrechtswidrigen Angriffskrieges, das Töten unschuldiger Zivilisten
etwa in Afghanistan durch die Nato-Truppen oder jahrelanges Festhalten
von Menschen ohne Rechtsgrundlage durch staatliche Behörden seien ge-
eignet, Gewaltanwendung hervorzurufen, und wie begründet sie ihre Posi-
tion?

11. Teilt die Bundesregierung die Ansicht der Fragesteller, die herrschende
Weltordnung mit ihrer ungerechten Verteilung des Reichtums sei geeignet,
Gewalt hervorzurufen, und wie begründet sie ihre Position?

12. Beurteilt die Bundesregierung die Anwendung von Gewalt zur Stabilisie-
rung der weltweiten Vorherrschaft der kapitalistischen Industriestaaten
anders als die Anwendung von Gewalt zur Destabilisierung dieser Vorherr-
schaft, und wie begründet sie ihre Position?

13. Will die Bundesregierung zur Bekämpfung des Terrorismus auch diejeni-
gen bekämpfen, die ihrer Ansicht nach mit Terroristen oder Terrorverdäch-
tigen in Verbindung stehen, und wenn ja, was versteht sie darunter?

14. Steht die Bundesregierung nach eigener Einschätzung mit Kräften, die völ-
kerrechtswidrige Kriege führen, Menschen jahrelang ohne Rechtsgrund-
lage ihrer Freiheit berauben oder auf andere Weise rechtswidrig Gewalt als
Mittel zur Durchsetzung international ausgerichteter politischer oder reli-
giöser Belange anwenden oder eine solche Gewaltanwendung unterstüt-
zen, befürworten oder durch ihre Tätigkeiten vorsätzlich hervorrufen, in
Verbindung, und wenn ja, mit welchen, und auf welche Weise?

Berlin, den 25. Oktober 2006

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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