BT-Drucksache 16/3103

Internationales Treffen von Rechtsextremisten auf dem Ulrichsberg in Österreich

Vom 26. Oktober 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/3103
16. Wahlperiode 26. 10. 2006

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Sevim Dagdelen und der Fraktion DIE LINKE.

Internationales Treffen von Rechtsextremisten auf dem Ulrichsberg in Österreich

Seit 1958 findet auf dem Ulrichsberg in Kärnten/Österreich jedes Jahr im Herbst
eine Gedenkfeier statt, an der zahlreiche ehemalige Angehörige der Wehrmacht
und der SS teilnehmen. Veranstalter der Feier ist der Verein für die Heimkeh-
rergedenkstätte „Ulrichsberg“ (kurz: Ulrichsberggemeinschaft). In dieser wie-
derum sind Wehrmachts- und SS-Veteranenverbände organisiert, zu den Mit-
gliedsverbänden gehört beispielsweise die „Kameradschaft IV Kärnten“. Der
Vereinsname steht für den angeblich vierten Teil der Wehrmacht, die SS. Die
Kameradschaft IV wird von den österreichischen Sicherheitsorganen überwacht
(http://www.parlinkom.gv.at/pls/portal/docs/page/PG/DE/XXII/AB/AB_04553/
FNAMEORIG_069679.HTML). Auch die Kameradschaft der Ritterkreuz-
träger, die Kameradschaft ehemaliger Gebirgsjäger und die „Volksdeutschen
Landsmannschaften“ gehören der Ulrichsberggemeinschaft an.

Am Ulrichsbergtreffen nehmen regelmäßig Abordnungen rechtsextremistischer
Organisationen aus dem Ausland teil. Ehemalige SS-Angehörige aus Öster-
reich treffen sich mit Gleichgesinnten aus anderen europäischen Verbänden
am Vorabend der Ulrichsbergfeier zu einem „Europatreffen“ in Krumpendorf/
Kriva Vrba am Wörthersee.

Das Bekenntnis zur Waffen-SS als „ehrbarem“ Teil der Wehrmacht gehört zum
Konsens der Teilnehmer der Feier. Dies wurde im vergangen Jahr deutlich, als
erstmals ein Gastredner, der Landesrat Dr. Josef Martinz (ÖVP), mit Blick auf
die SS ausführte, diese habe „ganz bewusst Verbrechen begangen“. Aus der
Versammlung wurde hier Protest geäußert, und der Präsident der Ulrichsberg-
gemeinschaft, der sozialdemokratische Politiker Rudolf Gallob, sah sich dazu
veranlasst, sich ausdrücklich mit der Waffen-SS zu solidarisieren. Er führte aus:

„Wir machen nämlich zwischen der so genannten Totenkopf-SS und den Sol-
daten der Waffen-SS einen Unterschied. Das ist jetzt kein Vorwurf, sondern nur
eine Klarstellung, weil die ehemaligen Teilnehmer der Waffen-SS sind Soldaten
und sie sind am Ulrichsberg gerne willkommen.“

Das Bündnis „AK gegen den Kärntner Konsens“, das seit dem vergangenen Jahr
Proteste gegen das Treffen der Rechtsextremisten organisiert, weist in diesem
Zusammenhang auf die Feststellung des Nürnberger Gerichtshofes hin: „Es ist
unmöglich, irgendeinen Teil der SS herauszugreifen, der nicht an diesen ver-

brecherischen Handlungen beteiligt gewesen wäre.“ (http://www.u-berg.at/
archiv2005/gallob02.htm)

In diesem Jahr hat die Beteiligung von politischer Prominenz Medienberichten
zufolge nachgelassen. „Die Jüdische“ berichtet am 19. September 2006, den ide-
ologischen Standpunkt der Versammlung habe der Obmann des „Kärntner Ab-
wehrkämpferbundes“ verdeutlicht: „Schretter rechnete es allen Ernstes der nati-

Drucksache 16/3103 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

onalsozialistischen Wehrmacht als Verdienst an, dass sie die Befreiung Kärntens
durch die PartisanInnen verzögert hatte.“ (http://www.juedische.at/TCgi/_v2/
TCgi.cgi?target=home&Param_Kat=3&Param_RB=2&Param_Red=6477)

Im Jahr 2001 hatte der damalige Direktor des Bundesrates, Georg-Bernd
Oschatz, als Festredner an der Ulrichsbergfeier teilgenommen (vgl. Bundes-
tagsdrucksache 14/7897).

Laut Verfassungsschutzbericht 2005 haben an der Ulrichsbergfeier im vergan-
genen Jahr 35 Rechtsextremisten aus der Bundesrepublik Deutschland teilge-
nommen. Die Kameradschaft IV als Hauptorganisatorin der Ulrichsbergfeiern
unterhält gute Kontakte zu einigen rechtsextremen Vereinigungen aus Deutsch-
land, die auch an der Ulrichsbergfeier teilnehmen, so die Hilfsgemeinschaft auf
Gegenseitigkeit für ehemalige Angehörige der Waffen-SS (HIAG) und die
Ordensgemeinschaft der Ritterkreuzträger. Die „Kameradschaft vom Edelweiß“
ist nach Angaben des AK gegen den Kärntner Konsens „vernetzt“ mit deutschen
Gebirgsjägerorganisationen. Am Ulrichsberg befindet sich eine Gedenktafel für
die „Edelweiß-Division“, die verantwortlich für das Massaker auf Kephallonia
ist. Einem Bericht des antifaschistischen Informationsdienstes „blick nach
rechts“ zufolge (Ausgabe 20/06) war an der Ulrichsbergfeier der stellvertreten-
de Präsident des Bayerischen Soldatenbundes 1874 e.V., W. K., anwesend und
legte einen Kranz nieder. Der Bayerische Soldatenbund gehört dem Beirat Frei-
willige Reservistenarbeit beim Verband der Reservisten der Deutschen Bundes-
wehr an und erhielt im Jahr 2005 staatliche Fördermittel (Bundestagsdruck-
sache 16/1282, S. 4). Die Kranzschlaufe habe ein Mitglied der Burschenschaft
Danubia aus München getragen. Außerdem sollen anlässlich des „Europa-
abends“ Neonazis aus Rheinland-Pfalz um den Gemeindesaal von Krumpen-
dorf/Kriva Vrba patrouilliert haben. An der Saalversammlung selbst habe die
Tochter von Heinrich Himmler, G. B. aus München, teilgenommen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche rechtsextremen Parteien, Organisationen, Kameradschaften oder be-
kannte rechtsextreme Persönlichkeiten aus welchen Ländern nahmen nach
Kenntnis der Bundesregierung in den Jahren seit 2002 an der Ulrichsberg-
feier teil (bitte für jedes Jahr einzeln aufführen)?

2. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Teilnahme von
SS- Veteranenorganisationen an der Ulrichsbergfeier in den Jahren seit 2002
(bitte für jedes Jahr einzeln aufführen)?

3. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Teilnahme von Mit-
gliedern deutscher Burschenschaften an der Ulrichsbergfeier in den Jahren
seit 2002 (bitte für jedes Jahr einzeln aufführen)?

4. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Teilnahme von Ver-
triebenenverbänden an der Ulrichsbergfeier in den Jahren seit 2002 (bitte für
jedes Jahr einzeln aufführen)?

5. Aus welchen Parteien oder Organisationen stammten die deutschen Teil-
nehmer der Ulrichsbergfeier in den Jahren seit 2002 (bitte detailliert aufglie-
dern)?

6. Welche Bedeutung hat nach Einschätzung der Bundesregierung die jährliche
Ulrichsbergfeier für den internationalen Rechtsextremismus?

7. Ist es in den Jahren seit 2002 auf der Ulrichsbergfeier zu Äußerungen gekom-
men, die den Holocaust oder die deutsche Schuld am Zweiten Weltkrieg leug-
neten oder relativierten oder ist es zu anderen revisionistischen Äußerungen
gekommen (bitte ggf. detailliert darlegen)?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/3103

8. Welche Festredner traten in den Jahren seit 2002 auf der Ulrichsbergfeier
auf?

9. Haben in den Jahren seit 2002 hochrangige Beamte des Bundes teilgenom-
men, und wenn ja, welche und wie bewertet die Bundesregierung dies?

10. Steht die Bundesregierung in Bezug auf das Ulrichsbergtreffen in Kontakt
mit österreichischen Behörden, und wenn ja, in welcher Form?

11. In welcher Verbindung stehen deutsche Organisationen zu den Ausrichtern
der Ulrichsbergfeier?

12. In welcher Verbindung stehen insbesondere die HIAG, die Ordensgemein-
schaft der Ritterkreuzträger, der Kameradenkreis der Gebirgstruppe und der
Bayerische Soldatenbund 1874 e.V. zu den Ausrichtern der Ulrichsberg-
feier?

13. Nimmt der Kameradenkreis der Gebirgstruppe an der Ulrichsbergfeier teil,
und wenn ja, welche Konsequenzen ergeben sich daraus für die Zusammen-
arbeit zwischen Bundeswehr und Kameradenkreis?

14. Welche Konsequenzen ergeben sich aus der in der Vorbemerkung erwähn-
ten Beteiligung des Bayerischen Soldatenbundes 1874 e.V. an der Ulrichs-
bergfeier für die Zusammenarbeit zwischen Bundeswehr und Bayerischem
Soldatenbund?

Berlin, den 25. Oktober 2006

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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