BT-Drucksache 16/292

Auswirkungen der Ostseegaspipeline auf die Bundesrepublik Deutschland

Vom 15. Dezember 2005


Deutscher Bundestag Drucksache 16/292
16. Wahlperiode 15. 12. 2005

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Rainder Steenblock, Hans Josef Fell und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Auswirkungen der Ostseegaspipeline auf die Bundesrepublik Deutschland

E.ON, BASF und Gazprom unterzeichneten am 8. September 2005 eine
Absichtserklärung zum Bau einer Erdgaspipeline durch die Ostsee. Die rund
1 200 km lange Unterwasserleitung auf dem Grund der Ostsee soll vom russi-
schen Wyborg bei St. Petersburg nach Greifswald führen und ab 2010 das russi-
sche Gaspipelinenetz mit dem deutschen Leitungsnetz verbinden. Über die Gas-
pipeline sollen ab 2010 etwa 20 Prozent aller Erdgasimporte nach Deutschland
eingeführt werden. Das Projekt stößt aus außenpolitischen, ökologischen und
energiepolitischen Gründen auf scharfen Protest, insbesondere bei den osteuro-
päischen Nachbarstaaten. Es bestehen auch Befürchtungen hinsichtlich der auf
dem Meeresgrund der Ostsee lagernden mehreren hunderttausend Tonnen
chemischer Kampfstoffe, Bomben und Granaten, die aus den Zeiten des Ersten
und Zweiten Weltkriegs stammen (vgl. FAZ vom 21. November 2005).

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wird die Bundesregierung das Projekt der Ostseegaspipeline unverändert
fortführen? Wenn ja, aus welchen Gründen? Wenn nein, wie wird die Bun-
desregierung das Projekt fortführen?

2. Wie beurteilt die Bundesregierung die wirtschaftlichen Auswirkungen der
Ostseegaspipeline auf die Bundesrepublik Deutschland?

3. Wie beurteilt die Bundesregierung die außenpolitischen Auswirkungen der
Ostseegaspipeline auf die Bundesrepublik Deutschland?

4. Wie beurteilt die Bundesregierung die Einschätzung von Experten, wonach
die Kosten der Pipeline auf dem Seeweg doppelt so hoch sind wie beim Aus-
bau der bestehenden Landpipelines?

5. Wie beurteilt die Bundesregierung die Kosten alternativer Landrouten

a) über die Ukraine,

b) die durch Belarus und Polen laufende „Jamal-Europa“ Gasfernleitung
oder

c) die „Amber-Pipeline“ über Lettland, Litauen, Polen?
6. Welche Auswirkungen hat austretendes Erdgas auf die Meeresorganismen in
der Ostsee, speziell auf die bodenbewohnenden Organismen (Benthos)?

7. Wie wird sichergestellt, dass ein Leck in der Unterwasserleitung rechtzeitig
entdeckt werden wird, und wie groß wären die betroffenen Bereiche bei
einem Bruch der Leitung?

8. Inwieweit wurden die tektonischen Spezifika der Ostsee berücksichtigt?

Drucksache 16/292 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
9. Ist der Bundesregierung bekannt, welche Rüstungsaltlasten sich auf der ge-
planten Trasse befinden? Wenn ja, welche sind das? Wenn nein, wie wird
die Bundesregierung herausfinden, welche Munition auf dem Meeresboden
lagert?

10. Welche Sicherheitsvorkehrungen werden bei der Routenführung hinsicht-
lich dieser Kampfstoffe getroffen?

11. Welche Pläne hat die Bundesregierung für eine sichere und kostengünstige
deutsche Energieversorgung angesichts der Tatsache, dass sich der Anteil
der Gaslieferungen Deutschlands aus Russland mit der Ostseegaspipeline
auf über 40 Prozent erhöhen wird und die Preise für russissches Gas durch
den zunehmenden Binnenverbrauch in Russland steigen werden?

12. Gibt es Pläne, die deutsche Energieversorgung zu diversifizieren, und wenn
ja, über welche Staaten wird diese Diversifizierung sichergestellt werden?

13. Hat die Bundesregierung darüber Auskunft erhalten, aus welchen zusätzli-
chen spezifischen Erdgasquellen die Erdgasmengen kommen sollen, die
über die Ostseepipeline fließen sollen, da nach Aussage der Stiftung Wis-
senschaft und Politik (Roland Götz; Russlands Erdgas und die Energie-
sicherheit der EU, SWP 2002) die russische Erdgasförderung aus den be-
stehenden Feldern etwa ab 2010 rückläufig sein wird und gleichzeitig
Russland seinen Abnehmerkreis über Pipelines nach Fernost sowie über
Erdgasverflüssigungsterminals differenziert, und wenn ja, welche zusätz-
lichen Quellen sollen das sein?

14. Beurteilt die Bundesregierung diese zusätzlichen Quellen als ausreichend,
um den Förderrückgang in älteren Quellen auszugleichen und die neue
Pipeline zusätzlich zu den vorhandenen Pipelines zu versorgen, und wenn
nein, soll der Durchfluss bei den anderen Pipelines zurückgeführt werden?

15. Liegt ein Antrag für ein Planfeststellungsverfahren für die Ostseegaspipe-
line vor? Wenn ja, wie sieht dieser Antrag aus? Wenn nein, wann wird dieser
Antrag eingereicht werden?

16. Welchen genauen Trassenverlauf wird die Ostseegaspipeline haben, insbe-
sondere wird die Trasse durch das EU-Schutzgebiet Greifswalder Bodden
verlaufen?

17. Hat sich Deutschland dazu verpflichtet, die Regeln der Espoo-Konvention
und die Empfehlungen von HELCOM im Fall der Pipeline für das Gesamt-
projekt in vollem Umfang anzuwenden? Wenn ja, wurde dies zu einer Ver-
tragsbedingung erklärt? Wenn nein, warum nicht?

18. Wird die Bundesregierung für das gesamte Projekt auf Durchführung einer
Strategischen Umweltprüfung (SUP) und Umweltverträglichkeitsprüfung
(UVP) nach EU-Recht bestehen? Wenn ja, liegen bereits Anträge für dieses
Vorhaben für den deutschen Bereich (ausschließlich Wirtschaftszone und
Küstenmeer) bei den Behörden Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydro-
graphie und Bergamt Stralsund vor?

19. Falls diese Anträge noch nicht vorliegen, wann sollen sie gestellt werden?

20. Wird die Bundesregierung sicherstellen, dass die Ergebnisse der UVP vor-
liegen müssen, bevor ein Baubeginn an einem Trassenabschnitt auch außer-
halb des deutschen Zuständigkeitsbereiches erfolgt?

21. Wird die Bundesregierung sicherstellen, dass die Ergebnisse der UVP be-
rücksichtigt werden?

Berlin, den 14. Dezember 2005

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion
Kleine Anfrage
Auswirkungen der Ostseegaspipeline auf die Bundesrepublik Deutschland

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.