BT-Drucksache 16/2902

Nutzung LKW-Mautdaten für Fahndungszwecke

Vom 10. Oktober 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/2902
16. Wahlperiode 10. 10. 2006

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Jan Korte, Kersten Naumann, Petra Pau
und der Fraktion DIE LINKE.

Nutzung von LKW-Mautdaten für Fahndungszwecke

Die LKW-Maut in Deutschland wurde am 1. Januar 2005 eingeführt. Für die
technische Umsetzung durch die entsprechende Datenerhebung ist die deutsche
Firma Toll Collect GmbH zuständig. Im Rahmen des entwickelten Erfassungs-
systems werden durch eine von Laserscan ausgelöste Ablichtung zunächst alle
passierenden Fahrzeuge erfasst, um daraufhin die mautpflichtigen Lastwagen
aus der Datenmenge herauszufiltern. Ziel ist die Berechnung und Erhebung von
Gebühren proportional zu den jeweils zurückgelegten Streckenabschnitten. Die
in den LKW installierten „On Board Units“ (OBU) ermöglichen, dass die Fahr-
daten über Mobilfunk an Toll Collect weitergeleitet werden. Der Standort der
Wagen wird über das Global Positioning System GPS bestimmt.

Nach der Ermordung einer Kasseler Schülerin im Juli dieses Jahres entstanden
erneut Diskussionen um die fahndungstechnische Nutzung der Mautdaten. Noch
in diesem Jahr soll dafür eine gesetzliche Grundlage geschaffen werden (vgl.
DIE WELT, 5. August 2006). In Bayern, Hessen, Thüringen und Rheinland-
Pfalz wird das Kennzeichen-Scanning bereits zur Erfassung von in Straftaten in-
volvierte PKW eingesetzt.

Das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein (ULD)
warnte bereits im letzten Jahr vor einer Aufhebung der strikten Zweckbindung
der LKW-Mautdaten. Nicht nur Straftäter, sondern alle vom System erfassten
Verkehrsteilnehmer würden von staatlichen Auskunftsrechten betroffen, ins-
besondere unbeteiligte Dritte und solche Personen, die über ein Zeugnisverwei-
gerungsrecht verfügen. Zu befürchten sei, dass die Durchbrechung der Zweck-
bindung erst der Beginn ihrer völligen Auflösung sein wird (Pressemitteilung
ULD vom 28. November 2005).

Wir fragen die Bundesregierung:

1. a) Welche gesetzlichen Grundlagen für eine derartige Regelung sind derzeit
gegeben?

b) Sofern keine gesetzliche Grundlage besteht: Befürwortet die Bundesregie-
rung eine Regelung zur Aufhebung der Zweckbindung von Mautdaten?
2. a) An welche in- und ausländischen Stellen würden die Daten übermittelt
werden?

b) Für welche Straftaten bzw. bei welchem Schweregrad der betreffenden
Straftat soll im Falle einer Aufhebung der strikten Zweckbindung die
Übermittlung zu Fahndungszwecken möglich sein?

Drucksache 16/2902 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

3. a) Wie lang sollen im Falle der Übermittlung von Mautdaten zu Fahndungs-
zwecken die Löschfristen für die Datenspeicherung sein?

b) Wie sollen die Löschfristen gesichert und Missbrauch der Daten ausge-
schlossen werden?

c) Wie soll bei einer Nutzung der Mautdaten zu Fahndungszwecken die
Transparenz der Datenerfassung zur Gewährleistung des Rechts auf infor-
mationelle Selbstbestimmung gesichert werden?

4. a) Inwiefern werden die Mautdaten bereits heute weiteren Telematik-Anbie-
tern oder anderen Stellen zur Verfügung gestellt?

b) Welche sind die gesetzlichen Grundlagen für diese Übermittlung?

c) In welchem Rahmen können die Daten genutzt werden?

5. a) In welchen Fällen wird das Ortungsverfahren durch so genannte stille
SMS, die unter anderem die Berliner Polizei verwendet, im Rahmen des
Mautsystems genutzt?

b) Was sind hier die rechtlichen Grundlagen?

Wie lässt sich dieses Verfahren mit dem Recht auf informationelle Selbst-
bestimmung vereinbaren?

6. a) Wie beurteilt die Bundesregierung die Genauigkeit der Ortung durch die
so genannten stillen SMS?

b) Wie hoch ist die Fehlerquote bzw. Genauigkeit bei diesem Verfahren?

c) Inwiefern können durch eine ungenaue Ortung unbeteiligte Dritte invol-
viert werden?

7. Wie bewertet die Bundesregierung die Umkehrung von Kennzeichenerhe-
bung und Fahrzeugvermessung im Mautsystem der Toll Collect GmbH (im
Gegensatz zu ausländischen Erfassungssystemen, die zunächst den gesamten
Verkehr mit Videokameras aufzeichnen) insbesondere im Hinblick auf den
Grundsatz der Datensparsamkeit?

8. a) Welcher zusätzliche Nutzen zur Strafverfolgung ergibt sich nach Ein-
schätzung der Bundesregierung durch die Nutzung von Mautdaten?

b) Auf welcher Grundlage kommt die Bundesregierung zu der Einschätzung,
dass der entstehende Nutzen eine Aufhebung der strikten Zweckbindung
der Daten und die dadurch stattfindende Einschränkung der Grundrechte
rechtfertigt?

9. Werden über das Toll-Collect-System IMSI-Catcher zur Standortbestim-
mung zum Einsatz gebracht?

Wenn ja,

a) von welchen Stellen und unter welchen gegebenen Voraussetzungen wer-
den diese durchgeführt,

b) in welchem rechtlichen Rahmen geschieht dies,

c) wie bewertet die Bundesregierung die Verantwortbarkeit dieses Verfah-
rens in Anbetracht der Tatsache, dass während einer Ortung über IMSI-
Catcher Mobiltelefone im Umfeld des Catchers nicht mehr in der Lage
sind zu senden und somit selbst Notrufe zu Polizei, Feuerwehr oder ärzt-
lichem Notdienst nicht mehr abgesetzt werden können?

Berlin, den 9. Oktober 2006

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.