BT-Drucksache 16/2803

Überprüfung der datenschutzrechtlich relevanten Aspekte des Kfz-Kennzeichen-Scannings

Vom 26. September 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/2803
16. Wahlperiode 26. 09. 2006

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Jan Korte, Petra Pau, Ulla Jelpke, Kersten Naumann,
Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und der Fraktion DIE LINKE.

Überprüfung der datenschutzrechtlich relevanten Aspekte des
Kfz-Kennzeichen-Scannings

Das Kfz-Kennzeichen-Scanning ist eine anlassunabhängige Maßnahme zur
Erfassung von Kraftfahrzeugen. Eine durch Laserscan ausgelöste Ablichtung
des Wagens ermöglicht die Erfassung des Kennzeichens und Identifizierung der
Fahrer sämtlicher passierender Fahrzeuge. Derzeit wird dieses Verfahren in der
Bundesrepublik Deutschland bereits umfassend im Rahmen der LKW-Maut ge-
nutzt.

In Pilot-Projekten in Bayern, Hessen, Thüringen und Rheinland-Pfalz wird das
Kennzeichen-Scanning auch für Personenkraftwagen eingesetzt. Hier werden
die Daten jedes einzelnen Fahrzeuges vor Ort erhoben und abgeglichen, um im
Falle einer Diebstahlsmeldung oder Involvierung in Strafhandlungen ein Ermitt-
lungsverfahren einzuleiten. Hingegen sollen die Daten gelöscht werden, wenn
keine Meldungen zum betreffenden PKW vorliegen.

In Schleswig-Holstein und im Saarland haben die Pläne zur Novellierung des
Polizeirechts, die eine gesetzliche Grundlage für das Scannen von Kfz-Kenn-
zeichen schaffen sollen, erhebliche Kritik ausgelöst. Das unabhängige Landes-
zentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein (ULD) bezeichnete die geplanten
Änderungen im Bundesland als verfassungswidrig und wies diesbezüglich auf
den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zur Rasterfahndung hin (1 BvR
518/02), der das Kennzeichen-Scanning in seinem Moment der verdachtsunab-
hängigen Totalerfassung ähnele (Pressemitteilung des ULD vom 26. April 2006
und Mitteilung zur Rasterfahndung). Auch der Schleswig-Holsteinische Rich-
terverband, die Polizeigewerkschaft und der ADAC sprachen sich gegen das
Kfz-Kennzeichen-Scanning aus.

Für die Fraktion DIE LINKE. stellt sich im Zusammenhang mit der möglichen
bundesweiten Schaffung einer technischen und gesetzlichen Infrastruktur für
derart weitgehende Überwachungsmaßnahmen die Frage nach der Vereinbarkeit
mit dem informationellen Selbstbestimmungsrecht und der Verhinderung einer
mit der Würde des Menschen unvereinbaren Registrierung und Katalogisierung.
Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie beurteilt die Bundesregierung die Möglichkeit einer zukünftigen bun-
desweiten Nutzung der Autobahn-Maut-Daten zur flächendeckenden polizei-
lichen Straßenüberwachung?

a) Befürwortet die Bundesregierung eine Regelung zur bundesweiten Ein-
führung des Kfz-Kennzeichen-Scannings?

Drucksache 16/2803 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

b) Inwieweit bestehen zurzeit die gesetzlichen Grundlagen für eine derar-
tige Regelung bzw. soll eine Schaffung derselben stattfinden?

c) Welche Einsatzmöglichkeiten des Kfz-Kennzeichen-Scannings sieht die
Bundesregierung, und welche Erfahrung wurde mit diesem Verfahren
bisher in der Bundesrepublik Deutschland gemacht?

2. Inwiefern ist nach Einschätzung der Bundesregierung ein anlassunabhängi-
ges Kennzeichen-Scanning mit dem informationellen Selbstbestimmungs-
recht zu vereinbaren?

3. Werden im Verfahren des Kfz-Kennzeichen-Scannings Methoden zur Iden-
tifizierung der Fahrer und Fahrerinnen/Gesichtserkennung verwendet (bitte
aufschlüsseln nach Bundesländern und Art des Verfahrens)?

a) Wie effizient sind diese nach bisherigen Erfahrungen und wie hoch sind
die Fehlerquoten?

b) Wie bewertet die Bundesregierung die gleichzeitige Erfassung etwaiger
unbeteiligter Beifahrer und Beifahrerinnen im Hinblick auf die Wahrung
des Datenschutzrechtes?

c) Wie bewertet die Bundesregierung hier die Möglichkeit der Involvierung
unbeteiligter Dritter und dadurch entstehende Verletzungen des informa-
tionellen Selbstbestimmungsrechts in Anbetracht der Tatsache, dass die
Fälschung von Kennzeichen oder der Diebstahl von Fahrzeugen insbe-
sondere in Zusammenhängen der organisierten Kriminalität nur einen ge-
ringen Aufwand bedeuten, um der Erfassung der Fahrzeuge zu entgehen?

4. Wie lang sind die Löschfristen für die Datenspeicherung im Rahmen des
Kfz-Kennzeichen-Scannings?

Wie werden diese Löschfristen gesichert und Missbrauch der Daten ausge-
schlossen?

5. Inwiefern findet eine Benachrichtigung der betroffenen Personen über die
Erhebung ihrer Daten bzw. deren Löschung statt, um die Transparenz der
Erfassung individualisierter Daten zu sichern?

6. Ist die Bundesregierung der Ansicht, dass die Strafprozessordnung (insbe-
sondere § 111) eine geeignete Rechtsgrundlage für das Scannen von Kraft-
fahrzeugen bietet?

7. Inwiefern und in welchem Ausmaß werden derzeit verdachtsunabhängige
Kontrollen von Kraftfahrzeugen in der Bundesrepublik Deutschland prak-
tiziert (bitte Aufschlüsselung nach Bundesländern und Art der Erfassung)?

8. Welche Auswirkungen hat die Entwicklung neuer polizeilicher Vorgangsbe-
arbeitungssysteme auf das Ausmaß und die Art der erfassten Daten von
Fahrzeugen und Personen sowie die Zugriffsmöglichkeiten von polizei-
dienstlichen und anderen Stellen zu individualisierten Daten?

9. Wie bewertet die Bundesregierung das Potential des Verfahrens bei der Be-
kämpfung terroristischer Zusammenhänge oder Aktionen vor dem Hinter-
grund, dass in organisierten illegalen Zusammenhängen das Ändern eines
Kfz-Kennzeichens eine simple Möglichkeit ist, der Erfassung des Fahrzeu-
ges zu entgehen?

10. Sieht die Bundesregierung im Verfahren des Kennzeichen-Scannings eine
ausreichende Transparenz der Erhebung und Verwendung der Daten ge-
währleistet?

Wenn ja, welche Regelungen leisten dies?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/2803

11. Wie viele Straftaten bzw. Ordnungswidrigkeiten konnten im Rahmen des
Kennzeichen-Scannings bis jetzt erfolgreich geahndet werden (bitte auf-
schlüsseln nach Bundesland und Vergehen)?

12. Welchen Behörden oder Institutionen werden die Daten zur Verfügung ge-
stellt, die durch das Kennzeichen-Scanning erhoben werden?

Berlin, den 26. September 2006

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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