BT-Drucksache 16/2794

Nachhaltige Ressourcennutzung durch Agroforstwirtschaft

Vom 27. September 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/2794
16. Wahlperiode 27. 09. 2006
Antrag
der Abgeordneten Cornelia Behm, Ulrike Höfken, Bärbel Höhn, Hans-Josef Fell,
Peter Hettlich, Winfried Hermann, Dr. Anton Hofreiter, Sylvia Kotting-Uhl,
Undine Kurth (Quedlinburg), Dr. Reinhard Loske und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

Nachhaltige Ressourcennutzung durch Agroforstwirtschaft

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

die nötigen Maßnahmen zu ergreifen, damit sich moderne Agroforstsysteme als
nachhaltige Landnutzungsform in Deutschland etablieren können. Dazu gehört
insbesondere,

– als Bundesregierung einen finanziellen Beitrag dazu zu leisten, die For-
schung zum Thema Agroforstsysteme in Deutschland auszubauen bzw. zu
etablieren, so dass dieses Forschungsthema an den Agrarfakultäten und den
außeruniversitären Agrarforschungseinrichtungen zukünftig verstärkt bear-
beitet wird; Ziel dieser Forschung sollte es sein, die ökologischen Zusam-
menhänge zu erforschen und regional und betriebswirtschaftlich angepasste
Agroforstsysteme zu entwickeln und zu optimieren;

– im Bundeswaldgesetz Agroforstsysteme gegenüber Wald abzugrenzen und
dort festzulegen, dass Agroforstsysteme nicht Wald im Sinne des Bundes-
waldgesetzes sind, um auszuschließen, dass landwirtschaftliche Nutzflächen,
die zu Agroforstsystemen aufgewertet werden, zukünftig den Vorgaben des
Bundeswaldgesetzes unterliegen;

– die Förderung von extensiven Agroforstsystemen in die Gemeinschafts-
aufgabe Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes (GAK)
aufzunehmen, damit die Anlage von extensiven Agroforstsystemen und die
Pflege der Gehölzpflanzungen und Baumkulturen gefördert werden können,
bis die Baumkulturen die ersten Erträge abwerfen;

– eine Förderung von Agroforstsystemen aus Agrarumweltprogrammen an
deren extensive und nachhaltige Ausgestaltung (z. B. keine Hybridbäume,
Mindestbreite des Baumstreifens, Baumartenwahl) und an ihre Gentechnik-
freiheit zu koppeln;

– zu prüfen, wie im Pachtrecht die Stellung des Pächters im Zusammenhang

mit der Anpflanzung von Gehölzen gestärkt werden kann;

Drucksache 16/2794 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

– eine „Informations- und Koordinationsstelle Agroforstwirtschaft“ einzurich-
ten, um die vorliegenden Erkenntnisse über Agroforstsysteme der Fach-
öffentlichkeit und der Landwirtschaft bekannt zu machen und um Maßnah-
men der aktiven Öffentlichkeitsarbeit für die Agroforstwirtschaft und der
Forschungsförderung zu koordinieren.

Berlin, den 27. September 2006

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

Begründung

Agroforstsysteme, in denen auf landwirtschaftlichen Nutzflächen (Ackerflächen
und Grünlandflächen) auch Gehölze genutzt werden, sind nicht nur eine ökolo-
gisch sinnvolle Option für die Landwirtschaft, sondern können auch wirtschaft-
lich interessant sein. Dies hat das im Jahr 2005 abgeschlossene EU-Forschungs-
projekt „Agroforstwirtschaft für Europa“ (Silvoarable Agroforestry for Europe,
SAFE) gezeigt. Es ist von daher sinnvoll, diese Form der Landbewirtschaftung
in Deutschland und Europa zu etablieren und zu fördern.

Das Prinzip als solches ist nicht neu, aber in Deutschland gibt es heute kaum
mehr Agroforstsysteme. Bekannte Beispiele für traditionelle Agroforstsysteme
sind Streuobstwiesen und Hecken, die seit jeher zur Agrarkulturlandschaft ge-
hören. Nahezu in Vergessenheit geraten sind Hudewälder und Hudelandschaften
als Form der Weidewirtschaft in Wäldern und auf baumbestandenem Grünland.
Seit Beginn der Industrialisierung der Landwirtschaft im letzten Jahrhundert
sind allerdings immer mehr Bäume aus unserer Agrarlandschaft verschwunden.
Sie standen der Mechanisierung mit immer größeren Landmaschinen im Wege.

Moderne und gleichzeitig nachhaltige Agroforstsysteme müssen daher so an-
gelegt werden, dass sowohl betriebswirtschaftliche als auch ökologische Erfor-
dernisse berücksichtigt werden. Dazu gehört, dass der Einsatz moderner Land-
technik möglich ist. Für Ackerflächen wird dazu in der Regel die Arbeitsbreite
moderner Landmaschinen berücksichtigt werden müssen. Für die Gehölze ist
zumeist eine Nutzung als Energie- oder Wertholz sinnvoll. Zum Teil können sie
auch Früchte wie Holunder, Hasel- oder Walnüsse liefern. Auf den Ackerstrei-
fen können ganz unterschiedliche landwirtschaftliche Kulturen angebaut wer-
den.

Der ökologische Nutzen der Agroforstwirtschaft ist vielfältig: Wind- und Ero-
sionsschutz, Schutz vor Nährstoffverlusten, Senke für Kohlendioxid, Lebens-
raum für Pflanzen und Tiere und Schaffung einer unvergleichlichen Land-
schaftsästhetik. Gehölze auf Weideflächen stellen einen wichtigen Witterungs-
schutz für die Weidetiere dar und erhöhen auch dort nachweislich die Biodiver-
sität. Der ökonomische Nutzen ergibt sich daraus, dass Agroforstsysteme, wie
sich in England und Frankreich gezeigt hat, in der Summe aus Ertrag der Acker-
und der Baumkultur das heute übliche hohe Ertragsniveau erreichen bzw. in
günstigen Fällen sogar übertreffen können. Der Grund liegt darin, dass Bäume
und Ackerkulturen unterschiedliche Wasser- und Nährstoffressourcen aus unter-
schiedlichen Bodenhorizonten nutzen. Wenn eine entsprechende Pflanzenkom-
bination gewählt wird, konkurrieren sie also kaum miteinander, sondern gehen
eher eine Symbiose zum gegenseitigen Nutzen ein.

Bisher ist der Kenntnisstand über Agroforstsysteme in Mitteleuropa noch zu

gering, um den Landwirten hinreichend viele Optionen mit einer gesicherten
wirtschaftlichen Perspektive bieten zu können. Um die Landwirte überzeugen

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/2794

zu können, auf Agroforstsysteme zu setzen, ist es allerdings notwendig, ihnen
Faustzahlen über Erträge liefern zu können. Diese Daten müssen durch For-
schungsarbeiten erarbeitet und bereitgestellt werden.

Die im Jahr 2005 beschlossene ELER-Verordnung, die für die Förderperiode
2007 bis 2013 für die EU förderfähige Maßnahmen im Bereich der Agrar- und
Forstwirtschaft festlegt, sieht in Artikel 44 vor, dass Beihilfen zur Verbesserung
der Umwelt und der Landschaft zur Einrichtung von Agroforstsystemen auf
landwirtschaftlichen Flächen gewährt werden können. Agroforstsysteme sind
dort definiert als Landnutzungssysteme, die extensive land- und forstwirtschaft-
liche Bewirtschaftungssysteme kombinieren und bei denen eine Fläche von
Bäumen bewachsen ist und gleichzeitig landwirtschaftlich genutzt wird. Ausge-
nommen sind Weihnachtsbaumkulturen und Kulturen von schnell wachsenden
Arten mit kurzer Umtriebszeit (Kurzumtriebsplantagen). Die Beihilfehöchst-
sätze liegen zwischen 70 und 85 Prozent. Die Anlage von extensiven Agro-
forstsystemen kann also von der EU kofinanziert werden. Eine Förderung mit
Mitteln der GAK ist bisher allerdings nicht möglich. Dementsprechend ist eine
Förderung der Anlage von Agroforstsystemen für Landwirte in Deutschland
auch ab 2007 noch nicht möglich. Die Voraussetzungen für eine Förderung in
Deutschland mit ELER- und GAK-Mitteln sollten geschaffen werden.

Bisher sind in Europa und Deutschland keine gentechnisch veränderten Baum-
und Gehölzsorten zugelassen. Sofern dies auch zukünftig so bleibt, bedarf es
keiner zusätzlichen Regelungen, um eine Verwendung gentechnisch veränderter
Gehölze in Agroforstsystemen auszuschließen. Sofern in Zukunft gentechnisch
veränderte Sorten zugelassen werden sollten, stellt sich das anders dar. Der
Politik bleibt dann allerdings noch die Möglichkeit, im Rahmen der Förderung
die Einhaltung eines höheren ökologischen Standards zu verlangen als den ge-
setzlichen Mindeststandard.

Pächter haben das Problem, dass sie nur mit dem Einverständnis des Verpächters
Agroforstsysteme anlegen können. Darüber hinaus verlieren sie die Investition
in die Anlage von Agroforstsystemen durch Pflanzung von Gehölzen bei der
Rückgabe der Pachtfläche. Im ungünstigen Fall sind sie sogar verpflichtet, die
Gehölze wieder zu entfernen. Dem können sie nur entgehen, wenn bei Ab-
schluss des Pachtvertrags bereits die Zweckbestimmung als Agroforstsystem
festgelegt bzw. nachträglich vertraglich vereinbart wurde und bezüglich der
möglichen Vergütung des Wertes der Gehölze entsprechende Vereinbarungen
ausgehandelt wurden. Dies ist bisher aber fast ausnahmslos noch nicht der Fall.
Deshalb ist es sinnvoll, im Pachtrecht die Stellung des Pächters im Zusammen-
hang mit der Anpflanzung von Gehölzen zu stärken.

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.