BT-Drucksache 16/2790

Umgehend Konzept für eine ergebnisoffene Standortauswahl für ein nationales Atommüllendlager vorlegen

Vom 27. September 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/2790
16. Wahlperiode 27. 09. 2006

Antrag
der Abgeordneten Hans-Josef Fell, Cornelia Behm, Ulrike Höfken,
Winfried Hermann, Peter Hettlich, Sylvia Kotting-Uhl, Renate Künast, Fritz Kuhn,
Undine Kurth (Quedlinburg) und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Umgehend Konzept für eine ergebnisoffene Standortauswahl für ein nationales
Atommüllendlager vorlegen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Nutzung der Atomenergie verursacht große Mengen von hoch-, mittel- und
schwachradioaktivem Atommüll. Durch den Atomausstieg wurden die anfallen-
den Abfallmengen in Deutschland zwar begrenzt. Trotzdem fallen bis zum Jahr
2030 rund 24 000 m3 hochradioaktiver und rund 256 000 m3 schwach- und mit-
telradioaktiver Abfälle an. Dies verpflichtet uns zur Suche, zur Errichtung und
zum Betrieb eines Endlagers in Deutschland, welches den maximalen Anforde-
rungen an Sicherheit sowie an der notwendigen politischen Legitimation gerecht
wird. Um Mensch und Umwelt für eine Million Jahre effektiv vor der schäd-
lichen Wirkung radioaktiver Abfälle zu schützen, müssen die Abfälle in einem
bestmöglichen Endlager in tiefen geologischen Formationen eingelagert wer-
den. Es muss sichergestellt werden, dass die Isolation der radioaktiven Abfälle
von der Biosphäre weder durch gesellschaftliche Veränderungen, Änderungen
der oberflächennahen Nutzung des Standortes noch durch Klimaveränderungen
gefährdet wird. Die sichere Endlagerung ist eine nationale Aufgabe, die von
unserer Generation und im Inland gelöst werden muss. Schon aus Gründen der
Generationengerechtigkeit muss die Endlagerung so sicher sein, dass sie unab-
hängig vom Weiterbestand der wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Mög-
lichkeiten und Fähigkeiten der Gesellschaft funktioniert. Menschliches Eindrin-
gen muss auch im Kriegsfall, bei terroristischen Angriffen oder anderen unvor-
hersehbaren Ereignissen – soweit möglich – ausgeschlossen sein.

Diese Aufgabe wurde bislang von keiner Nation zufrieden stellend gelöst. Welt-
weit gibt es kein einziges genehmigtes Endlager für hochradioaktive Abfälle. Es
setzt sich mehr und mehr die Erkenntnis durch, dass die Auswahl eines End-
lagerstandorts nicht nur ein rein technisch-wissenschaftliches Problem ist. Bis
heute hat auch deswegen keines der in den siebziger Jahren begonnenen na-
tionalen Auswahlverfahren für hochradioaktive Abfälle zur Inbetriebnahme
eines Endlagers geführt, weil viel zu lange gesellschaftliche Widerstände, demo-
kratische Partizipation und Transparenz bei der Standortwahl missachtet oder
verweigert wurden. Dies trifft auch für die bisherige Endlagersuche in Deutsch-
land zu. Seit dem Ende der siebziger Jahre sind mit dem Salzstock Gorleben und
dem Schacht Konrad zwei Standorte für die Endlagerung von Atommüll in
Deutschland im Gespräch. Ihre Erkundung wurde von verschiedenen Landes-
und Bundesregierungen und der Energiewirtschaft vorangetrieben. Bis heute ist
unklar, anhand welcher Kriterien der Standort ausgewählt wurde. Parallel zur

Drucksache 16/2790 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
Benennung von Gorleben wurde das Planfeststellungsverfahren für Schacht
Konrad eingeleitet. Ökonomische und beschäftigungsmotivierte Interessen des
unrentablen Schachtes waren wesentlicher Teil der Überlegungen für ein natio-
nales Endlagerkonzept. Die Festlegung der Standorte Gorleben und Schacht
Konrad hat nicht den Anforderungen an ein gerechtes und transparentes Such-
verfahren entsprochen, weder aus damaliger und erst recht nicht aus heutiger
Sicht. Bei der Frage, ob die Standorte als Endlager überhaupt geeignet seien,
wurden geowissenschaftliche und sicherheitstechnische Aspekte nachrangig be-
handelt. Strukturpolitische und ökonomische Interessen standen im Fokus. Nach
heutigem Kenntnisstand und den hier vorgeschlagenen Kriterien für ein Such-
verfahren muss die Eignung dieser beiden Standorte als denkbar bestmögliche
Lösung für ein Atommüllendlager angezweifelt werden.

In Deutschland hat die rot-grüne Bundesregierung die Konsequenzen aus diesen
Fehlern gezogen und im Herbst 1998 eine Neuausrichtung der Endlagerpolitik
eingeleitet. Am 1. Oktober 2000 wurden die Vorfestlegungen auf die Standorte
Gorleben und Schacht Konrad gestoppt. Im Rahmen des Atomausstiegs wurde
das Moratorium für den Standort Gorleben und die Aussetzung des Sofortvoll-
zug für den Endlagerstandort Schacht Konrad vereinbart. Das Bundesministe-
rium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit beauftragte bereits 1999
den Arbeitskreis Auswahlverfahren Endlagerstandorte (AkEnd) damit, Empfeh-
lungen für ein alternatives Auswahlverfahren zu erarbeiten. Der Endbericht des
AkEnd vom Dezember 2002 hat wichtige Grundlagen für ein wissenschaftliches
und kriteriengestütztes Auswahlverfahren gelegt.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

einen Gesetzentwurf für die Suche nach einem Endlager für radioaktive Abfälle
in nationalen Grenzen noch in diesem Jahr vorzulegen, damit bis ca. 2030 ein
Endlager an dem bestmöglichen Standort in Betrieb gehen kann. Das Gesetz
sollte den folgenden Eckpunkten gerecht werden:

1. Für die Endlagerung radioaktiver Abfälle muss der Vorrang der Sicherheit
gelten, die die Regelungen zum Standortauswahlverfahren maßgeblich be-
stimmt. Daher muss der bestmögliche Standort für ein Endlager in einem
bundesweiten Auswahlverfahren ermittelt werden. Dieses Auswahlverfahren
muss sich an den Ergebnissen des AkEnd orientieren.

2. Bei der Finanzierung der Suche, der Bereitstellung und dem Betrieb des End-
lagers gilt das Prinzip der Verursacherverantwortung. Die Verursacher des
Atommülls (Betreiber) sind verpflichtet, alle durch die Abfallerzeugung ent-
stehenden Kosten zu tragen. Dazu gehört auch die Suche nach dem bestmög-
lichen Standort in einem Standortauswahlverfahren.

3. Die Entscheidung über den bestmöglichen Standort für ein Endlager liegt
beim Deutschen Bundestag.

Ein zentrales Ziel muss es sein, ein faires und transparentes Verfahren mit
Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Standortsuche von Beginn an zu ge-
währleisten.

4. Das Auswahlverfahren soll in Anlehnung an die Vorschläge des AkEnd und
die Vorarbeiten des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reak-
torsicherheit nach dem „Prinzip der weißen Landkarte“ in einem kriterienge-
steuertes Verfahren die zu vergleichenden Standorte ermitteln.

Berlin, den 27. September 2006

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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