BT-Drucksache 16/2738

zu dem Antrag der Abgeordneten Cornelia Pieper, Uwe Barth, Miriam Gruß, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP -16/386- Voraussetzungen für Entwicklung, Bau und Betrieb einer Europäischen Spallations-Neutronenquelle in Deutschland schaffen - Deutsche Bewerbung vorantreiben

Vom 26. September 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/2738
16. Wahlperiode 26. 09. 2006

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung
(18. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Cornelia Pieper, Uwe Barth, Miriam Gruß,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
– Drucksache 16/386 –

Voraussetzungen für Entwicklung, Bau und Betrieb einer Europäischen
Spallations-Neutronenquelle in Deutschland schaffen – Deutsche Bewerbung
vorantreiben

A. Problem

Die Europäische Spallations-Neutronenquelle (ESS) wird als unverzichtbares
Großgerät zur Erforschung der atomaren und molekularen Struktur der Materie
angesehen. Mit einer Standortbewerbung wird Deutschland seiner Verantwor-
tung für die in der Lissabon-Strategie festgelegten forschungspolitischen Ziele
Europas gerecht.

Von einer Ansiedlung in Deutschland – möglichst in den neuen Bundesländern
– werden positive Effekte auf die nationale natur- und technikwissenschaftliche
Forschung erwartet sowie wichtige Impulse für die regionale Infrastruktur,
Wirtschaft und Arbeitsmarkt gesetzt.

B. Lösung

Die Bundesregierung wird aufgefordert, mit einem Bündel von Maßnahmen
auf europäischer und nationaler Ebene Zeichen für die Unterstützung der Be-
werbung Deutschlands um den Standort der ESS zu setzen und die Vorausset-
zungen für die Entwicklung, den Bau und Betrieb des Großgerätes zu schaffen.

Ablehnung des Antrags auf Drucksache 16/386 mit den Stimmen der Frak-
tionen CDU/CSU, SPD, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
gegen die Stimmen der Fraktion der FDP

C. Alternativen

Annahme des Antrags.

D. Kosten

Wurden nicht erörtert.

Drucksache 16/2738 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag auf Drucksache 16/386 abzulehnen.

Berlin, den 31. Mai 2006

Der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung

Ulla Burchardt
Vorsitzende

Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land)
Berichterstatter

Jörg Tauss
Berichterstatter

Cornelia Pieper
Berichterstatterin

Dr. Petra Sitte
Berichterstatterin

Krista Sager
Berichterstatterin

Ausschüsse
reicht werden solle.
Der mitberatende Ausschuss für Wirtschaft und Techno-
logie und der Haushaltsausschuss haben jeweils mit den
Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD, DIE LINKE. und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Frak-

Unter finanziellen Gesichtspunkten sei die Einrichtung rea-
lisierbar. Von den erforderlichen 900 Mio. Euro müsste die
Hälfte von Deutschland aufgebracht werden. Es wären min-
destens zwei Bundesländer beteiligt, so dass der Bund 250
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/2738

Bericht der Abgeordneten Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land), Jörg Tauss,
Cornelia Pieper, Dr. Petra Sitte und Krista Sager

I. Überweisung

Der Deutsche Bundestag hat den Antrag auf Drucksache
16/386 in seiner 32. Sitzung am 6. April 2006 beraten und
an den Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfol-
genabschätzung zur federführenden Beratung und an den
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie sowie den Haus-
haltsausschuss zur Mitberatung überwiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage

Nach Auffassung der Fraktion der FDP würde Deutschland
mit der Ansiedlung einer Europäischen Spallations-Neutro-
nenquelle (ESS) einen wesentlichen Beitrag zum Erreichen
der auf der Ratstagung der EU am 24. März 2000 in Lissa-
bon formulierten forschungspolitischen Ziele leisten. Eine
leistungsstarke Neutronenquelle ermöglicht wesentliche
neue Einblicke in die molekulare Struktur der Materie und
eröffnet mehreren tausend Wissenschaftlern pro Jahr neue
Forschungsmöglichkeiten.

Wirtschaft, Arbeitsmarkt und Infrastruktur der Standort-
region erhalten wertvolle Wachstumsimpulse während der
langjährigen Betriebszeit des Großgerätes. Nordrhein-West-
falen, Sachsen und Sachsen-Anhalt halten ihre Bewerbun-
gen um den Standort der ESS aufrecht. Im Koalitionsvertrag
wurde der Wille bekräftigt, in Ostdeutschland eine neue
Großforschungseinrichtung anzusiedeln.

Die Bundesregierung wird daher aufgefordert, die deutsche
Bewerbung gegenüber der EU zu bekräftigen und auf natio-
naler Ebene die Voraussetzungen für die Entwicklung, den
Bau und Betrieb der ESS zu schaffen.

Im Einzelnen soll

● der Wissenschaftsrat zu einem zweiten Begutachtungs-
verfahren aufgefordert werden,

● der Deutsche Bundestag angemessen und zeitnah an den
Informations- und Entscheidungsprozessen beteiligt wer-
den,

● den Forschungseinrichtungen der Helmholtz-Gemein-
schaft freigestellt werden, die Bewerbungen der Bundes-
länder wissenschaftlich zu begleiten.

III. Stellungnahmen der mitberatenden

IV. Beratungsverlauf und -ergebnisse im
federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfol-
genabschätzung hat die Vorlage auf Drucksache 16/386 in
seiner 12. Sitzung am 31. Mai 2006 beraten und empfiehlt:

Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen
CDU/CSU, SPD, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktion der FDP.

Von Seiten der Fraktion der CDU/CSU wird ausgeführt,
dass die Ausstattung Deutschlands mit Forschungseinrich-
tungen ausreichend sei und es andere Prioritäten bei der zu-
sätzlichen Einrichtung von Großgeräten gebe. Zudem gebe
es die Notwendigkeit, im Bundeshaushalt Einsparungen
vorzunehmen. Vor diesem Hintergrund sollten die laufenden
Projekte vorangetrieben und die Marktentwicklung abge-
wartet werden. Daher werde der Antrag abgelehnt.

Von Seiten der Fraktion der SPD wird die Finanzierung als
Hauptproblem hervorgehoben. Für die Annahme der An-
tragstellerin, dass die EU Mittel für die Großforschungsein-
richtung zur Verfügung stellen werde, gebe es keine Hin-
weise. Es sei deshalb erforderlich, die laufenden Großpro-
jekte zu unterstützen. Der Wissenschaftsrat habe im Übri-
gen der Förderung anderer strategischer Schwerpunkte den
Vorzug gegeben.

Die Fraktion der SPD halte die Einrichtung der ESS in
Deutschland zurzeit nicht für realisierbar und lehne daher
den Antrag ab.

Von Seiten der Fraktion der FDP wird an das Mega-
science-Forum der Organisation für wirtschaftliche Zusam-
menarbeit und Entwicklung (OECD) erinnert, das 1998 den
Bau von Spallations-Neutronenquellen im Megawattbereich
in Asien, Amerika und Europa empfohlen habe. Dieser
Empfehlung sei Deutschland beim OECD-Ministertreffen
1999 gefolgt.

In Deutschland lägen die Bewerbungen der Bundesländer
Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Sachsen-Anhalt vor. Im
Zuge der Evaluierung der ESS habe der Wissenschaftsrat
das Projekt auf eine Warteliste gesetzt. Man wisse aber, dass
er bereit sei, auf Antrag der Bundesländer und auf Initiative
der Bundesregierung eine neue Evaluierung durchzuführen.
Die Fraktion der FDP plädiere dafür, dass die Bundesregie-
rung das Großgerät im Rahmen des 7. Forschungsrahmen-
programms unterstützt. Der Vorwurf, dass das Projekt zu
teuer und nicht finanzierbar sei, sei nicht haltbar, wenn
gleichzeitig ein 6 Mrd. Euro teures Innovationsprogramm
auf den Weg gebracht werde und darüber hinaus auch das
Drei-Prozent-Ziel im Rahmen der Lissabon-Strategie er-
tion der FDP empfohlen, den Antrag auf Drucksache 16/386
abzulehnen.

bis 300 Mio. Euro finanzieren müsse. Die ESS sei unter den
ersten sieben Projekten des 7. EU-Forschungsrahmenpro-

Drucksache 16/2738 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

gramms angesiedelt, und diese würden meist mit EU-Mit-
teln gefördert.

Der Koalitionsvertrag sähe die Ansiedlung einer Großfor-
schungseinrichtung in den neuen Bundesländern vor. Sie
bitte deshalb vor diesem Hintergrund, noch einmal über die
Realisierung des Projekts nachzudenken, insbesondere weil
eine Ansiedlung den regionalen Strukturen zugute käme.

Es wird an die Aussage der Bundesministerin Dr. Annette
Schavan im Ausschuss erinnert, wonach sie eine Bewer-
bung Deutschlands für möglich halte. Es wird gefragt, ob
die Aussage der Bundesregierung aufrechterhalten werde.

Von Seiten der Fraktion DIE LINKE. wird auf die Fest-
stellung des Wissenschaftsrates im Jahr 2002 hingewiesen,
dass eine Ansiedlung der Neutronenquelle für den Wissen-
schaftsstandort Deutschland eine eher geringere Bedeutung
habe und die bisherige Deckung des deutschen Bedarfs an
Neutronenquellen der oberen Leistungsklasse durch eine
europäische Neutronenquelle mit Sitz in Frankreich nicht zu
strukturellen Nachteilen für die deutsche Neutronenfor-
schung geführt habe. Darüber hinaus könnten deutsche For-

deshaushalt vorhanden, würde die Fraktion DIE LINKE. es
eher in die Bildung und Ausbildung investieren wollen.

Der Wissenschaftsrat habe das Projekt im Kontext anderer
Großprojekte geprüft und die Neutronenquellen nur in die
dritte von drei Prioritätenklassen gesetzt.

Er habe ein zweites Prüfungsverfahren nicht ausgeschlos-
sen, aber Bedingungen gestellt. Er habe auch verlangt, dass
alternative Entwicklungen berücksichtigt werden müssten.
Eine Antragstellung auf dieser Grundlage liege bis heute
nicht vor. Die in den neunziger Jahren durch das Abschalten
älterer Reaktoren entstandene „Neutronenlücke“ sei zwi-
schenzeitlich geschlossen worden. Aus diesem Grunde be-
stehe nicht die Notwendigkeit, das Projekt jetzt zu begin-
nen.

Von Seiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
wird der Überlegung zugestimmt, dass Großprojekte Kris-
tallisationspunkte auch für die Regionalentwicklung in den
neuen Bundesländern werden könnten. Hinsichtlich der An-
siedlung einer Spallations-Neutronenquelle müssten aber
die getroffenen Entscheidungen akzeptiert werden. Der
Wissenschaftsrat habe 2002 das größere Potential im Syn-
scher alternative Möglichkeiten in England, in der Schweiz
und in Deutschland nutzen.

Die ESS sei nie ein Projekt der EU gewesen. Sie habe ledig-
lich einige Vorarbeiten und Studien finanziert. Das 7. For-
schungsrahmenprogramm sei inzwischen festgelegt. Der
Bau und Betrieb dieser Quelle sollte einem Konsortium ein-
zelner europäischer Staaten obliegen. Es sei bekannt, dass
das spätere Betreiberland erhebliche Mittel für den Bau und
Betrieb aufbringen müsste. Angesichts der Summe von
525 Mio. Euro, die beispielsweise Sachsen-Anhalt für den
gesamten Bereich Hochschule und Wissenschaft zur Verfü-
gung habe, wäre das Aufbringen der genannten Summe von
300 Mio. Euro völlig illusorisch. Wäre dieses Geld im Bun-

chrotonstrahlungsprojekt und im Röntgenlaser XFEL gese-
hen. Der Röntgenlaser sei ebenso wie das internationale Be-
schleunigerzentrum für die Forschung mit Ionen- und Anti-
protonenstrahlen (FAIR) ein Projekt von europäischer Di-
mension. Hier werde die Chance einer Mitfinanzierung
durch die EU gesehen und nicht bei Projekten, denen kein
Vorrang eingeräumt worden sei.

Von Seiten der Bundesregierung wird davon ausgegangen,
dass die EU keine wesentliche Rolle bei der Finanzierung
und Standortentscheidung spielen werde. Der Standort
müsse unter den interessierten Partnern verhandelt werden,
und das Sitzland werde einen wesentlichen Finanzierungs-
anteil tragen müssen.

Berlin, den 31. Mai 2006

Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land)
Berichterstatter

Jörg Tauss
Berichterstatter

Cornelia Pieper
Berichterstatterin

Dr. Petra Sitte
Berichterstatterin

Krista Sager
Berichterstatterin

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.