BT-Drucksache 16/2607

Möglichkeiten der Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden des Bundes

Vom 18. September 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/2607
16. Wahlperiode 18. 09. 2006

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Petra Pau, Kersten Naumann, Jan Korte,
Sevim Dagdelen und der Fraktion DIE LINKE.

Möglichkeiten der Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden des Bundes

Nach den mutmaßlichen Anschlagsversuchen auf zwei Regionalzüge am 1. Au-
gust 2006 in Nordrhein-Westfalen standen eine Reihe politischer Forderungen
erneut auf der Tagesordnung. Dazu gehörte unter anderem die Einrichtung einer
„Anti-Terror-Datei“, auf die alle Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern
einschließlich der Geheimdienste Zugriffsrechte haben sollen. Bei den öffent-
lichen Diskussionen konnte man den Eindruck gewinnen, als gebe es bisher
weder eine direkte Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden noch gemeinsame
Dateien. Dabei sind die Geheimdienste verpflichtet, bei drohender Gefahr für
Leib und Leben Informationen an die Polizei weiterzugeben. Im Rahmen der
Amtshilfe werden Informationen zwischen den Behörden ausgetauscht. Mit
dem Gemeinsamen Terror-Abwehrzentrum des Bundeskriminalamtes (BKA) in
Berlin-Treptow besteht bereits eine Einrichtung, in der alle Behörden mit Si-
cherheitsaufgaben und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF)
in einem für die Öffentlichkeit unkontrollierbaren Raum Informationen austau-
schen. Auf Länderebene wird die Zusammenarbeit von Verfassungsschutz,
Polizei und Ausländerbehörden bzw. BAMF in immer mehr Ländern (Bayern,
Nordrhein-Westfalen) institutionalisiert. Ziel ist dabei, Terrorismus-Verdächtig-
te auf dem Wege des Aufenthaltsrechts zu treffen: „Erkenntnisse der Sicher-
heitsbehörden, die nicht ausreichen, um einem Strafverfahren zum Erfolg zu
verhelfen, können jedoch den Widerruf einer Asylanerkennung oder eine Aus-
weisungsverfügung tragen.“ stellt das BAMF in seiner Stellungnahme zum
Praktiker-Erfahrungsaustausch zum Zuwanderungsgesetz fest.

Von den Befürwortern solcher gemeinsamer Dateien und der Datenerfassung auf
breiter Basis überhaupt werden immer wieder die Grenzen dieser Art „Sicher-
heitspolitik“ beklagt. Die Kritik richtet sich im Wesentlichen gegen datenschutz-
rechtliche Bestimmungen. Von Datenschützern wiederum wird genau im Ge-
gensatz dazu beklagt, die zahlreichen vorhandenen Dateien und Abfragerechte
der Behörden verletzten die Datenschutzrechte der Bürgerinnen und Bürger.
Beklagt wird von dieser Seite auch die fehlende wissenschaftliche, kriminolo-
gische Evaluation der bereits bestehenden Befugniserweiterungen der Geheim-
dienste durch das Terrorismusbekämpfungsgesetz. Trotz des Fehlens einer
solchen Evaluation sollen in den kommenden Wochen Befugnisse der Geheim-

dienste mit einem „Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetz“ nochmals er-
weitert werden, für die Einrichtung einer „Anti-Terror-Datei“ liegt ebenfalls
schon ein Gesetzentwurf des Bundesministeriums des Innern und ein Rahmen-
beschluss der Innenministerkonferenz vor.

Drucksache 16/2607 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Dateien bestehen derzeit beim Bundeskriminalamt, die der Unterstüt-
zung der Prävention, der Gefahrenabwehr oder der Strafverfolgung dienen
(bitte Auflistung mit Datum der Einrichtung der Dateien, Rechtsgrundlage,
Zweck, Zahl der Datensätze, Speicherfrist, ggf. Aufhebung und Löschung
der Datei)?

a) Welche Behörden dürfen auf diese Dateien zugreifen?

b) Welche Behörden sind verpflichtet, Daten für diese Dateien zu übermit-
teln?

c) Welche Behörden dürfen nach eigenem pflichtgemäßen Ermessen Daten
für diese Dateien auf Anfrage zur Verfügung stellen?

d) Welche Behörden dürfen auf eigene Initiative Daten für diese Dateien zur
Verfügung stellen?

2. Welche Dateien bestehen derzeit beim Bundesamt für den Verfassungs-
schutz, die der Beobachtung extremistischer oder terroristischer Organisatio-
nen oder Einzelpersonen dienen (bitte Auflistung mit Datum der Einrichtung
der Dateien, Rechtsgrundlage, Zweck, Zahl der Datensätze, Speicherfrist,
ggf. Aufhebung und Löschung der Datei)?

a) Welche Behörden dürfen auf diese Dateien zugreifen?

b) Welche Behörden sind verpflichtet, Daten für diese Dateien zu übermit-
teln?

c) Welche Behörden dürfen nach eigenem pflichtgemäßen Ermessen
Daten für diese Dateien auf Anfrage zur Verfügung stellen?

d) Welche Behörden dürfen auf eigene Initiative Daten für diese Dateien
zur Verfügung stellen?

3. Welche Dateien mit Inlandsbezug bestehen derzeit beim Bundesnachrichten-
dienst, die der Beobachtung extremistischer, terroristischer und völkerver-
ständigungswidriger Organisationen und Einzelpersonen dienen (bitte Auf-
listung mit Datum der Einrichtung der Dateien, Rechtsgrundlage, Zweck,
Zahl der Datensätze, Speicherfrist, ggf. Aufhebung und Löschung der Datei)?

a) Welche Behörden dürfen auf diese Dateien zugreifen?

b) Welche Behörden sind verpflichtet, Daten für diese Dateien zu übermit-
teln?

c) Welche Behörden dürfen nach eigenem pflichtgemäßen Ermessen Daten
für diese Dateien auf Anfrage zur Verfügung stellen?

d) Welche Behörden dürfen auf eigene Initiative Daten für diese Dateien zur
Verfügung stellen?

4. Welche Dateien bestanden oder bestehen bei anderen Behörden und Ein-
richtungen des Bundes, in denen Daten zum Zweck der Terrorismus-
bekämpfung, der Gefahrenabwehr usw. gesammelt, gespeichert und ausge-
wertet wurden bzw. werden (bitte Auflistung mit Datum der Einrichtung
der Dateien, beteiligte Behörden bzw. Einrichtungen, Rechtsgrundlage,
Zweck, Zahl der Datensätze, Speicherfrist, ggf. Aufhebung und Löschung
der Datei)?

5. Welche gesetzlichen und untergesetzlichen Grundlagen bestehen für die
Zusammenarbeit von Polizei und Geheimdiensten auf Bundes- und Landes-
ebene, und was ist ihr wesentlicher Inhalt (bitte Auflistung mit Ort der Ver-
öffentlichung)?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/2607

6. Welche Einrichtungen, Koordinierungsgruppen, „information boards“ etc.
bestehen und bestanden beim BKA oder im Bundesministerium des Innern
zur Bekämpfung von Terrorismus und Extremismus mit welcher konkreten
Zielsetzung und unter Beteiligung welcher Behörden?

7. Inwiefern sieht die Bundesregierung im Trennungsgebot von Polizei und
Geheimdiensten eine Schranke für eine effektive Bekämpfung des Terroris-
mus?

8. a) Sieht die Bundesregierung das Trennungsgebot bereits dann als erfüllt,
wenn Polizei und Geheimdienste auf unterschiedlicher Rechtsgrund-
lage handeln?

b) Sieht die Bundesregierung das Trennungsgebot bereits dann als erfüllt,
wenn Polizei und Geheimdienste mit unterschiedlichen Zuständigkeiten
und Befugnissen ausgestattet sind (vgl. Antwort der Bundesregierung
auf Bundestagsdrucksache 16/2420, 1.)?

c) Welche Schranke setzt nach Ansicht der Bundesregierung das Tren-
nungsgebot dem Austausch von Daten und anderem relevanten Material
zwischen Polizei und Geheimdiensten (unbeschadet einer hierfür beste-
henden gesetzlichen Grundlage)?

d) Welche Schranke setzt das Trennungsgebot nach Ansicht der Bundes-
regierung der operativen Zusammenarbeit von Polizei und Geheim-
diensten (bitte jeweils begründen)?

9. Auf welcher Grundlage und in welchem Umfang stellt bereits jetzt der
Bundesnachrichtendienst geheimdienstlich gewonnene Erkenntnisse auf
eigene Initiative oder pflichtgemäß den Strafverfolgungsbehörden zur
Verfügung?

10. Teilt die Bundesregierung die Bedenken, die vor dem Hintergrund des
Trennungsgebotes gegen die Einrichtung einer Datenbank beim BKA als
einer polizeilichen Behörde bestehen, in die von Nachrichtendiensten weit
im Vorfeld eines konkreten Tatverdachts erhobene Daten eingespeichert
werden?

11. In welchem Umfang verfügen BKA und Bundespolizei bereits heute über
nachrichtendienstliche Befugnisse (Einsatz von V-Leuten, verdeckter Ein-
satz von technischen Mitteln für Lausch- und Spähangriffe, längerfristige
Observationen etc.)?

Berlin, den 18. September 2006

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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