BT-Drucksache 16/2603

Folgen der Munitionstests auf dem belgischen Truppenübungsplatz Elsenborn für den Nationalpark Eifel

Vom 14. September 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/2603
16. Wahlperiode 14. 09. 2006

Kleine Anfrage
des Abgeordneten Paul Schäfer (Köln), Katrin Kunert, Dr. Kirsten Tackmann und
der Fraktion DIE LINKE.

Folgen der Munitionstests auf dem belgischen Truppenübungsplatz Elsenborn
für den Nationalpark Eifel

Der belgische Truppenübungsplatz Elsenborn mit einer Fläche von 27 km2 liegt
im Gebiet der Euregio Maas-Rhein in unmittelbarer Nachbarschaft zum Natio-
nalpark Eifel und dem Ort Monschau-Kalterherberg auf deutscher Seite.

Seit mehreren Jahren wird der Truppenübungsplatz auch von der belgischen
Rüstungsfirma Mecar AG, einem Tochterunternehmen der amerikanischen
Allied Defense Group, genutzt. Sie testet in Elsenborn verschiedene Munitions-
typen. Nach Auskunft der belgischen Streitkräfte ist bei den Munitionstests in
Elsenborn auch Wolfram-Munition zum Einsatz gekommen (GRENZ-ECHO
vom 7. Juni 2006). Aufgrund seiner hohen Dichte wird Wolfram anstelle abge-
reicherten Urans als Ausgleichsgewicht für panzerbrechende Munition im
Projektilkern verwendet. Im Jahr 2003 warnte das Radiobiology Research Insti-
tut des US-Militärs mit Sitz in Bethesda vor Tumorbildungen im Zusammen-
hang mit krebserregenden Wolfram-Bruchstücken im menschlichen Körper
(SPIEGEL ONLINE, 16. Februar 2005).

Im Rahmen der auf einer Absprache mit dem belgischen Verteidigungsministe-
rium beruhenden Nutzung hat Mecar AG die Genehmigung zur Errichtung eines
eigenen Schießstandes in unmittelbarer Grenznähe beantragt, gegen dessen Ab-
lehnung durch die belgischen Behörden zur Zeit ein Widerspruchsverfahren an-
hängig ist. Ihren bisherigen Schießplatz im belgischen Aye musste die Mecar
AG wegen der starken Lärmbelästigung für die Bevölkerung räumen. Ein wei-
terer Ersatzstandort in der Nähe von Namur konnte wegen geltender Natur-
schutzbestimmungen ebenfalls nicht realisiert werden.

Auf den zum Truppenübungsplatz Elsenborn gehörenden waldreichen Anhöhen
entspringen zahlreiche Wasserläufe wie z. B. die Amel, die Warche und die Our.
Sie werden in ihrem weiteren Verlauf zu Trinkwasserreservoirs gestaut. Der
Schießplatz befindet sich im Trinkwassereinzugsgebiet der Perlenbachtalsperre
sowie im Trinkwassereinzugsgebiet des Obersees. Über die Perlenbachtalsperre
werden rund 50 000 Menschen aus Belgien und Deutschland mit Trinkwasser
versorgt, über den Obersee rund 500 000 Menschen aus Deutschland und den

Niederlanden. Grundsätzlich können von militärisch o. ä. genutzten Flächen, die
in Trinkwassereinzugsgebieten liegen, Risiken für die Trinkwasserversorgung
und damit für die menschliche Gesundheit ausgehen, da bei Munitionstests frei
werdende Emissionen (Stäube, etc.) in die Gewässersysteme gelangen können.
Auf deutschem Gebiet sind die Natura-2000-Gebiete „Perlenbach-Fuhrtsbach-
tal“ und der „Oberlauf der Rur“ betroffen, da sich deren Quellbereiche in der
Nähe auf belgischem Territorium befinden und sich in diesen Schutzgebieten

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empfindliche Organismen wie beispielsweise die Flussperlmuschel (Margariti-
fera margaritifera) befinden.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wurde die Bundesregierung bzw. eine ihrer Behörden vor Aufnahme der
Munitionstests in Elsenborn durch die Rüstungsfirma Mecar AG von belgi-
scher Seite informiert?

2. Wenn ja, wie und mit welchen Maßnahmen hat die Bundesregierung darauf
reagiert?

3. Wenn nein, sieht die Bundesregierung darin ein Versäumnis der belgischen
Seite?

4. Welche Informationen liegen der Bundesregierung über die Munitionstypen
vor, die auf dem Truppenübungsplatz Elsenborn und dem Schießstand ge-
testet und gelagert werden?

5. Wie bewertet sie die mittel- und langfristigen ökologischen Konsequenzen
der Tests und der dabei freigesetzten chemischen Stoffe für den angrenzen-
den Nationalpark Eifel, die Trinkwasserversorgung und die Gesundheit der
Bewohner dieser Region?

6. Kann die Bundesregierung ausschließen, dass aus den auf belgischer Seite
liegenden Trinkwasserreservoiren, die sich aus den Abflüssen des Truppen-
übungsplatzes Elsenborn speisen, gewonnenes Trinkwasser auf deutscher
Seite der Grenze verwendet wird?

7. Wie bewertet die Bundesregierung die in Elsenborn stattfindenden und
beabsichtigten Munitionstests der Firma Mecar AG im Hinblick auf die gel-
tenden Bestimmungen zum Lärm- und Gesundheitsschutz für die An-
rainergemeinden auf beiden Seiten der Grenze?

8. Welche Messungen hinsichtlich Lärm- und sonstiger gesundheitlicher Ge-
fährdungen durch die Schießübungen der Firma Mecar AG wurden auf
deutscher Seite durchgeführt, wann wurden diese Messungen vorgenom-
men, und wie bewertet die Bundesregierung diese Ergebnisse?

Wenn bislang keine Messungen durchgeführt wurden, aus welchen Gründen
nicht?

9. Hält die Bundesregierung diese Messergebnisse insbesondere auch vor dem
Hintergrund der jüngsten Berichte über den Einsatz von wolframhaltiger
Munition für zureichend, um eine gesundheitliche Beeinträchtigung der
Bevölkerung auszuschließen; wenn nicht, welche weiteren Messungen hält
sie für sinnvoll?

10. Welche Informationen liegen der Bundesregierung bezüglich einer mög-
lichen krebserregenden Wirkung von mit Wolfram versetzter panzer-
brechender Munition vor, und wie bewertet sie diese?

11. Welche Informationen liegen der Bundesregierung über die langfristige
Ablagerung und Verbreitung von Bruchstücken mit Wolfram versetzter
Projektile in Luft, Boden und Grundwasser vor, und wie bewertet sie diese
unter Berücksichtigung der Nähe zum Nationalpark Eifel und der umliegen-
den Trinkwasserreservoire?

12. Sind diese Munitionstests nach Auffassung der Bundesregierung mit den
Naturschutzregeln des Nationalparks Eifel vereinbar?

13. Welche Informationen über die Nutzung des Truppenübungsplatzes Elsen-
born durch die Mecar AG außerhalb der vom belgischen Militär angemel-

deten Sperrzeiten werden nach Kenntnis der Bundesregierung an welche

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/2603

deutschen Stellen, z. B. Kommunalverwaltungen, übermittelt, um eine
Gefährdung derjenigen Bewohner der Grenzregion auszuschließen, die über
eine Erlaubnis zum Betreten des Truppenübungsplatzes außerhalb der
Schießzeiten verfügen?

14. Sind der Bundesregierung Zwischenfälle bekannt, bei denen Bundesbürger
im Besitz einer solchen Zugangserlaubnis im Zusammenhang mit Muni-
tionstests der Mecar AG in Gefahr gekommen sind, und wie bewertet sie
diese?

15. Welche Einfluss- und Beteiligungsmöglichkeiten welcher deutschen Stellen
sieht die Bundesregierung im Hinblick auf das derzeitig anhängige Geneh-
migungsverfahren für einen eigenen Schießstand der Firma Mecar AG, und
welche Informationen über deren Wahrnehmung sind ihr bekannt?

Berlin, den 12. September 2006

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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