BT-Drucksache 16/245

a) zu dem Gesetzentwurf der Fraktion der CDU/CSU und SPD -16/109- Entwurf eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze b) zu dem Gesetzentwurf des Bundesrates -16/219- Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Arbeitszeitgesetzes (...Arbeitszeitänderungsgesetz - ...ArbZÄG)

Vom 14. Dezember 2005


Deutscher Bundestag Drucksache 16/245
16. Wahlperiode 14. 12. 2005

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss)

a) zu dem Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD
– Drucksache 16/109 –

Entwurf eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Dritten Buches
Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze

b) zu dem Gesetzentwurf des Bundesrates
– Drucksache 16/219 –

Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung des Arbeitszeitgesetzes
(… Arbeitszeitänderungsgesetz – … ArbZÄG)

A. Problem

Zu Buchstabe a)

Seit dem Jahr 2001 wurden mehrere arbeitsmarktpolitische Instrumente in das
Dritte Sozialgesetzbuch (SGB III) aufgenommen und bis Ende des Jahres 2005
befristet. Die Arbeitsmarktlage erfordert aber weiterhin ein breites Bündel von
Maßnahmen zur Integration von Menschen mit Wettbewerbsnachteilen in den
Arbeitsmarkt. Insbesondere muss die Beschäftigungssituation älterer Arbeit-
nehmerinnen und Arbeitnehmer verbessert werden.

Die Übergangsfrist beim Arbeitszeitgesetz im Hinblick auf Bereitschaftsdienst
läuft am 31. Dezember 2005 aus. Noch sind nicht in allen Bereichen Tarifab-
schlüsse auf Basis des neuen Rechts erfolgt.

Zu Buchstabe b)

Für die Bereiche, die ab 1. Januar 2006 nicht unter den Anwendungsbereich
eines neuen Tarifvertrags fallen, gelten allein die Grenzen des Arbeitszeitgeset-
zes. Dies würde die Einführung von Schichtmodellen erfordern mit der Folge

eines erheblichen Personalsbedarfs.

B. Lösung

Zu Buchstabe a)

Die Geltungsdauer der arbeitsmarktpolitischen Instrumente im Dritten Sozial-
gesetzbuch, die bis Ende des Jahres 2005 befristet sind, wird mit Ausnahme des

Drucksache 16/245 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Existenzgründungszuschusses und der Förderung der Weiterbildung beschäf-
tigter Arbeitnehmer bis zum 31. Dezember 2007 verlängert. Existenzgrün-
dungszuschüsse können noch bis zum 30. Juni 2006 beantragt werden; die
Möglichkeit der Förderung der Weiterbildung beschäftigter Arbeitnehmer wird
bis zum 31. Dezember 2006 verlängert.

Im Arbeitszeitgesetz wird die Übergangsregelung für bis zum 1. Januar 2004
bestehende oder nachwirkende Tarifverträge bis zum 31. Dezember 2006 ver-
längert.

Annahme des Gesetzentwurfs in geänderter Fassung mit den Stimmen der
Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen
FDP, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Zu Buchstabe b)

Im Arbeitszeitgesetz wird die Übergangsregelung für bis zum 1. Januar 2004
bestehende oder nachwirkende Tarifverträge bis zum 31. Dezember 2006 ver-
längert.

Der Gesetzentwurf wird für erledigt erklärt.

C. Alternativen

Keine

D. Kosten der öffentlichen Haushalte

Zu Buchstabe a)

Die Verlängerung der Geltungsdauer der Entgeltsicherung für ältere Arbeitneh-
mer bis zum 31. Dezember 2007 und des Existenzgründungszuschusses bis
zum 30. Juni 2006 hat folgende finanzielle Auswirkungen:

Durch die Verlängerung der weiteren Instrumente entstehen keine Mehrkosten
im Haushalt der Bundesagentur für Arbeit, da die Maßnahmen aus dem Ein-
gliederungstitel finanziert werden.

Durch die Verlängerung des Existenzgründungszuschusses entstehen im Jahr
2006 geschätzte Minderausgaben beim Arbeitslosengeld in Höhe von rd. 180
Mio. Euro. Den Mehrkosten, die durch die Verlängerung der weiteren Regelun-
gen des Dritten Buches Sozialgesetzbuch anfallen, stehen Einsparungen beim
Arbeitslosengeld gegenüber, die allerdings nicht näher beziffert werden können.

Auf Grund der Verlängerung der Geltungsdauer des § 428 SGB III und des § 65
Abs. 4 Satz 2 SGB II werden die folgenden Mehrkosten beim Arbeitslosen-
geld II erwartet:

Entgeltsicherung Existenzgründungszuschuss

2006 12 Mio. Euro 270 Mio. Euro

2007 20 Mio. Euro 180 Mio. Euro

2008 16 Mio. Euro 90 Mio. Euro

2009 8 Mio. Euro 15 Mio. Euro

2010 – –

2006 80 Mio. Euro

2007 130 Mio. Euro
2008 80 Mio. Euro

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/245

Zu Buchstabe b)

Es sind keine zusätzlichen Kosten für den Haushalt zu erwarten, da Mehrauf-
wendungen der betroffenen Einrichtungen (z. B. Universitätsklinika) vermie-
den werden.

E. Sonstige Kosten

Keine

2009 50 Mio. Euro

2010 30 Mio. Euro

Drucksache 16/245 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

a) den Gesetzentwurf – Drucksache 16/109 – mit folgenden Maßgaben, im
Übrigen unverändert anzunehmen:

I. In Artikel 1 wird nach Nummer 1 folgende Nummer 1a eingefügt:

,1a. In § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 werden die Wörter „unverzüglicher Mel-
dung“ durch die Wörter „zur Meldung nach § 37b“ ersetzt.‘

II. Nach Artikel 2 werden folgende Artikel 2a und 2b eingefügt:

,Artikel 2a
Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch

In § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch – Ge-
setzliche Krankenversicherung – (Artikel 1 des Gesetzes vom 20. De-
zember 1988, BGBl. I S. 2477, 2482), das zuletzt durch … (BGBl. I
S. …) geändert worden ist, werden nach der Angabe „§ 189“ die Wörter
„und Zeiten, in denen eine Versicherung allein deshalb bestanden hat,
weil Arbeitslosengeld II zu Unrecht bezogen wurde,“ eingefügt.

Artikel 2b
Änderung des Zweiten Gesetzes

über die Krankenversicherung der Landwirte
(8252-3)

In § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Zweiten Gesetzes über die Krankenver-
sicherung der Landwirte vom 20. Dezember 1988 (BGBl. I S. 2477,
2557), das zuletzt durch … (BGBl. I S. …) geändert worden ist, werden
nach der Angabe „§ 23“ die Wörter „und Zeiten, in denen eine Versiche-
rung allein deshalb bestanden hat, weil Arbeitslosengeld II zu Unrecht
bezogen wurde,“ eingefügt.‘

III. Artikel 3 wird wie folgt gefasst:

,Artikel 3
Änderung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch

(860-6)

Das Sechste Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversiche-
rung – in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. Februar 2002
(BGBl. I S. 754, 1404, 3384), zuletzt geändert durch … (BGBl. I S. …),
wird wie folgt geändert:

1. In § 237 Abs. 2 Satz 3 werden die Angabe „1. Januar 2006“ jeweils
durch die Angabe „1. Januar 2008“ und die Angabe „2. Januar 1948“
durch die Angabe „2. Januar 1950“ ersetzt.

2. In § 252 Abs. 8 Satz 3 werden die Angabe „31. Dezember 2005“ durch
die Angabe „31. Dezember 2007“, die Angabe „1. Januar 2006“ durch
die Angabe „1. Januar 2008“ und die Angabe „2. Januar 1948“ durch
die Angabe „2. Januar 1950“ ersetzt.‘

b) den Gesetzentwurf – Drucksache 16/219 – für erledigt zu erklären.

Berlin, den 14. Dezember 2005

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales
Gerald Weiß (Groß-Gerau)
Vorsitzender

Dr. Ralf Brauksiepe
Berichterstatter

Mit dem Fünften Gesetz zur Änderung des Dritten Buches sache verwiesen.

Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze wollen die Koali-
tionsfraktionen den mit den Strukturreformen am Arbeits-
markt eingeschlagenen Weg zur Steigerung der Effektivität

III. Öffentliche Anhörung von Sachverständigen
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/245

Bericht des Abgeordneten Dr. Ralf Brauksiepe

A. Allgemeiner Teil

I. Überweisungen und Voten der mitberatenden
Ausschüsse

Der Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD
auf Drucksache 16/109 ist in der 6. Sitzung des Deutschen
Bundestages am 2. Dezember 2005 an den Ausschuss für Ar-
beit und Soziales zur federführenden Beratung und an den
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie, den Ausschuss
für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, den Ausschuss für
Gesundheit, den Ausschuss für die Angelegenheiten der
Europäischen Union zur Mitberatung sowie an den Haus-
haltsausschuss gemäß § 96 GO überwiesen worden.

Der Gesetzentwurf des Bundesrates auf Drucksache 16/219
ist in der 7. Sitzung des Deutschen Bundestages am 14. De-
zember 2005 an den Ausschuss für Arbeit und Soziales zur
federführenden Beratung und an den Innenausschuss, den
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie, den Ausschuss
für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, den Ausschuss
für Gesundheit sowie an den Ausschuss für Bildung, For-
schung und Technikfolgenabschätzung zur Mitberatung
überwiesen worden.

a) Gesetzentwurf auf Drucksache 16/109

Der Ausschuss für Wirtschaft und Technologie, der Aus-
schuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, der
Ausschuss für Gesundheit und der Ausschuss für Bil-
dung, Forschung und Technikfolgenabschätzung haben
den Gesetzentwurf in ihren Sitzungen am 14. Dezember
2005 beraten und mit den Stimmen der Fraktionen der
CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen
FDP, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN emp-
fohlen, den Gesetzentwurf in der Fassung der vorgelegten
Änderungsanträge anzunehmen.

b) Gesetzentwurf auf Drucksache 16/219

Der Innenausschuss hat den Gesetzentwurf in seiner Sitzung
am 14. Dezember 2005 beraten und mit den Stimmen der
Fraktionen CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Frak-
tionen FDP, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
empfohlen, den Gesetzentwurf anzunehmen.

Der Ausschuss für Gesundheit hat den Gesetzentwurf in
seiner Sitzung am 14. Dezember 2005 für erledigt erklärt.

Der Ausschuss für Wirtschaft und Technologie, der Aus-
schuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und der
Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenab-
schätzung haben auf die Abgabe eines Votums verzichtet.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlagen

a) Gesetzentwurf auf Drucksache 16/109

Reihe von arbeitsmarktpolitischen Instrumenten bzw. Rege-
lungen für einen längeren Zeitraum als ursprünglich vorge-
sehen nutzbar gemacht werden können. Diese Instrumente
förderten neben der Integration in Beschäftigung und der
Aufnahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit auch gezielt
die Beschäftigung älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeit-
nehmer. Im Hinblick auf deren besonders schwierige Lage
auf dem Arbeitsmarkt seien besondere Maßnahmen zur Ver-
besserung der Beschäftigungschancen und zur Erhöhung
der Beschäftigungsfähigkeit erforderlich. Die Wirksamkeit
aller Maßnahmen werde evaluiert, um auf dieser Grundlage
die Instrumente der Arbeitsmarktpolitik im Jahr 2007 zu-
sammenführen und vereinfachen zu können.

Zum 1. Januar 2004 habe der Gesetzgeber das Arbeitszeit-
gesetz an die Rechtsprechung des Europäischen Gerichts-
hofes zum Bereitschaftsdienst angepasst. Sowohl Bereit-
schaftsdienst als auch Arbeitsbereitschaft würden nunmehr
im vollen Umfang als Arbeitszeit gewertet. Gleichzeitig
habe der Gesetzgeber eine zweijährige Übergangsfrist
eingeführt, um den Beteiligten ausreichend Zeit einzu-
räumen, sich auf das neue Recht einzustellen und die not-
wendigen Umstellungen vorzunehmen. Das Arbeitszeitge-
setz räume den Tarifvertragsparteien bei Arbeitszeiten mit
Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst einen erhebli-
chen Gestaltungs- und Flexibilisierungsspielraum ein. Die
Verlängerung der Übergangsregelung diene dazu, den Tarif-
vertragsparteien mehr Zeit zu geben, um bei Inkrafttreten
der zum 1. Januar 2004 erfolgten Gesetzesänderung beste-
hende oder nachwirkende Tarifverträge an das geänderte
Recht anzupassen und insbesondere die Flexibilisierungs-
möglichkeiten nutzen zu können.

Wegen der Einzelheiten wird auf die entsprechende Druck-
sache verwiesen.

b) Gesetzentwurf auf Drucksache 16/219

Mit seinem Gesetzentwurf will der Bundesrat die Über-
gangsvorschrift des § 25 des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG)
für die in einem am 1. Januar 2004 bestehenden oder nach-
wirkenden Tarifvertrag enthaltenen abweichenden Regelun-
gen nach § 7 Abs. 1 oder 2 ArbZG sowie § 12 Satz 1
ArbZG um ein Jahr bis zum 31. Dezember 2006 verlängern.
Damit blieben die bisherigen tariflichen Vereinbarungen zu-
nächst über 2005 hinaus anwendbar. So könnten die Pro-
bleme der Beschäftigungsbereiche, die am 1. Januar 2006
(noch) nicht unter den Anwendungsbereich eines neuen Ta-
rifvertrags fielen, zumindest in Grenzen gehalten und eine
gewisse Rechtssicherheit für die Betroffenen geschaffen
werden. Der zusätzliche Zeitraum könne genutzt werden,
um die laufenden Tarifverhandlungen zu einem Abschluss
zu bringen und die Ergebnisse in die Praxis umzusetzen.

Wegen der Einzelheiten wird auf die entsprechende Druck-
und Effizienz der Arbeitsförderung fortsetzen. Der Gesetz-
entwurf auf Drucksache 16/109 stelle sicher, dass eine

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat die Beratung
des Gesetzentwurfs auf Drucksache 16/109 in seiner 2. Sit-

Drucksache 16/245 – 6 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

zung am 2. Dezember 2005 aufgenommen und beschlossen,
eine Öffentliche Anhörung zu der Vorlage durchzuführen.
Sie erfolgte in der 3. Sitzung des Ausschusses am 12. De-
zember 2005.

Die Anhörungsteilnehmer haben schriftliche Stellungnah-
men abgegeben, die in der Ausschussdrucksache 16(11)13
zusammengefasst wurden.

Themenkatalog der Anhörung:

● Meldefristen bei Arbeitslosigkeit

● Personal-Service-Agentur

● Verlängerung befristeter Regelungen

– Förderung der beruflichen Weiterbildung älterer und
von Arbeitslosigkeit bedrohter Arbeitnehmer (§ 417
SGB III)

– Beauftragung von Trägern mit Eingliederungsmaß-
nahmen (§ 421i SGB III)

– Entgeltsicherung für ältere Arbeitnehmer (§ 421j
SGB III)

– Regelungen zur Tragung der Beiträge zur Arbeitsför-
derung bei Beschäftigung älterer Arbeitnehmer
(§ 421k SGB III)

– Existenzgründungszuschuss (§ 421l SGB III)

– Bezug von Arbeitslosengeld unter vereinfachten Be-
dingungen (§ 428 SGB III)

● Arbeitszeitgesetz

Folgende Verbände, Institutionen und Einzelsachverstän-
dige haben an der Anhörung teilgenommen:

1. Verbände und Institutionen

– Bundesagentur für Arbeit

– Bundesärztekammer

– Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberver-
bände (BDA)

– Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG)

– Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB)

– Institut der Deutschen Wirtschaft Köln (IW)

– Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB)

– Marburger Bund

2. Einzelsachverständige

– Dr. Hartmut Seifert, Abteilungsleiter WSI der Hans-
Böckler-Stiftung, Düsseldorf

– Mirjam Alex, ver.di-Bundeszentrale, Berlin

– Dr. Andreas Crusius, Präsident der Ärztekammer
Mecklenburg-Vorpommern, Rostock

Nachstehend werden die wesentlichen Aussagen der Ver-
bände, Institutionen und Einzelsachverständigen kompri-
miert dargestellt:

Die Bundesagentur für Arbeit (BA) befürwortet die Neufas-
sung des Paragraphen zur Meldefrist bei Arbeitslosigkeit,
da dies Unsicherheiten beseitige. Sie begrüßt überdies den

könnten somit dieses Instrument nur bei entsprechenden In-
tegrationserfolgen einsetzen. Die BA befürwortet ferner die
Verlängerung der befristeten Regelungen bei der Förderung
der beruflichen Weiterbildung älterer und von Arbeitslosig-
keit bedrohter Arbeitnehmer, der Beauftragung von Trägern
mit Eingliederungsmaßnahmen und der Regelung zur Tra-
gung der Beiträge zur Arbeitsförderung bei Beschäftigung
älterer Arbeitnehmer. Sie weist darauf hin, dass die Rege-
lung zur Entgeltsicherung für ältere Arbeitnehmer mit zahl-
reichen Instrumenten und Programmen zur Integration Älte-
rer konkurriere und daher nicht zahlreicher in Anspruch
genommen werde. Ob die Inanspruchnahme durch weitere
Rahmenbedingungen negativ beeinflusst werde, könne erst
nach der Veröffentlichung einer Evaluation gesagt werden.
Die Bundesagentur befürwortet außerdem die Verlängerung
des Existenzgründungszuschusses und verweist darauf, dass
sie Vorschläge für eine Weiterentwicklung der Produkte
vorgelegt habe. Auch die Verlängerung des Bezuges von
Arbeitslosengeld unter vereinfachten Bedingungen wird be-
grüßt. Es wird dargelegt, dass es aus Sicht der BA keinen
Zusammenhang zwischen der Entlassungsentscheidung der
Unternehmer und dieser Regelung gebe. Die Regelung trage
der angespannten Lage auf dem Arbeitsmarkt für ältere Ar-
beitnehmer Rechnung.

Die Bundesärztekammer fordert die Streichung der weiteren
Verlängerung der Übergangsfrist im ArbZG, da die Bemü-
hungen der Krankenhäuser bei der Einführung neuer alter-
nativer Arbeitszeitmodelle damit konterkariert und die
Sicherung und Verbesserung der langfristigen Wettbewerbs-
fähigkeit der Krankenhäuser gefährdet würden. Zudem
unterliefe man die derzeitigen Tarifverhandlungen, da eine
erneute Übergangsfrist den Druck auf eine zügige Einigung
herausnähme. Patienten wollten mehr Zeit für das Gespräch
mit ihrem Arzt haben; Patienten erwarteten zu Recht von ih-
rem Arzt Kompetenz, Zuwendung und auch Leistungsfähig-
keit. Dies sei aber bei Dauereinsätzen von über 24 Stunden
nicht möglich. Gesundheitsschutz müsse deshalb auch und
gerade für Ärztinnen und Ärzte gelten – und damit auch der
erforderliche Patientenschutz gewährleistet werden.

Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberver-
bände (BDA) hält die Begrenzung des Arbeitslosengeld-
anspruchs auf 18 Monate für dringend geboten, eine weitere
Einschränkung auf zwölf Monate wäre allerdings sach-
gerechter. Die Verlängerung der „58er-Regelung“ hält sie
dagegen für falsch. Sie stehe im Widerspruch zu der an-
strebten Verlängerung der Lebensarbeitszeit, außerdem
nehme sie den Druck von Arbeitsagenturen, ältere Arbeits-
lose zu vermitteln. Die Begründung des Gesetzentwurfs
suggeriere außerdem, dass Arbeitnehmer aus Altersgründen
entlassen würden. Tatsächlich würden Ältere bei Perso-
nalabbau überdurchschnittlich häufig entlassen, da die be-
stehenden Regelungen den Betriebsparteien diese Lösung
auf Kosten der Arbeitslosenversicherung öffne. Die Verlän-
gerung einiger befristeter Förderinstrumente des SGB III,
die die Beschäftigung älterer Arbeitnehmer fördern sollen,
wird befürwortet. Trotz des bisher überwiegend sehr be-
grenzten Einsatzes dieser Förderinstrumente in der Praxis
seien diese grundsätzlich geeignet, den Umsteuerungspro-
zess zu unterstützen und das notwendige Umdenken zu för-
dern. So sei zum Beispiel die Befreiung des Arbeitgebers
Wegfall der Verpflichtung zum flächendeckenden Einsatz
von Personal-Service-Agenturen. Die Agenturen vor Ort

von den Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung für ältere,
zuvor arbeitslose Arbeitnehmer eine sinnvolle Maßnahme,

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 7 – Drucksache 16/245

da sie die Beschäftigung Älterer rentabler gestalte. Zu be-
grüßen sei die Abschaffung der Verpflichtung für jede
Agentur für Arbeit, zwingend eine Personal-Service-Agen-
tur zu beauftragen. Geradezu eine Einladung für weitere
Mitnahmen sei dagegen die Verlängerung der „Ich-AG“
(Existenzgründungszuschuss) um weitere sechs Monate bis
Juni 2006, ohne Sicherungsvorkehrungen zu treffen, wie
dies in der letzten Legislaturperiode im Gesetzentwurf zum
5. SGB III-Änderungsgesetz vorgesehen gewesen sei. Exis-
tenzgründungszuschuss und Überbrückungsgeld müssten
zur Verhinderung weiterer Mitnahmeeffekte zu Lasten der
Arbeitslosenversicherung möglichst umgehend von Pflicht-
in Ermessensleistungen umgewandelt werden. Wichtig und
erfreulich sei das Bekenntnis in der Begründung des Gesetz-
entwurfs zur Vereinfachung des Arbeitsförderungsinstru-
mentariums bis zum Jahr 2007 sowie zu dessen Neuausrich-
tung, um Beitrags- und Steuermittel künftig so effektiv und
effizient wie möglich einzusetzen. Zu begrüßen sei aus
Gründen der Rechtssicherheit die Verlängerung der Über-
gangsvorschrift im Arbeitszeitgesetz. Dies sei im Hinblick
auf die bevorstehenden Änderung der Richtlinie auch gebo-
ten.

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) hält die Ver-
längerung der Übergangsfrist bei der Änderung des Arbeits-
zeitgesetzes um ein Jahr für unverzichtbar, da in weiten Be-
reichen die erforderlichen Umstellungen der Tarifverträge
oder Arbeitsvertragsrichtlinien noch nicht realisiert seien.
Sie weist darauf hin, dass der Marburger Bund die Geltung
des TVöD negiere und es daher zu rechtlichen Konflikten
mit den Ärzten in kommunalen Krankenhäusern kommen
könne. Die DKG weist den Vorwurf des Marburger Bundes
zurück, Krankenhäuser hätten die Übergangsfrist untätig
verstreichen lassen. Es habe eine Erarbeitung von verschie-
denen Tarifmodellen gegeben, allerdings sei deren Durch-
führung an einen tarifrechtlichen Rahmen gebunden, der an
das neue ArbZG angepasst sei. Die DKG warnt eindringlich
davor, dass die Umsetzung des Arbeitszeitgesetzes zu
erheblichen finanziellen und personellen Mehraufwand für
die Krankenhäuser führen werde. Sie hält ohnehin eine Ver-
längerung der Übergangsfrist um zwei Jahre für sinnvoll, da
sie eine erneute Veränderung der Richtlinien durch die EU
erwarte. Ferner sei die Organisation der Arbeitsabläufe in
den Krankenhäusern so komplex, dass für deren Umstellung
ein längerer Zeitraum nötig sei.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) bedauert, dass
sich die Koalition für die Kürzung des Anspruchs auf Ar-
beitslosengeld für Ältere entschieden habe. Die Verlänge-
rung der Übergangszeit wäre der unveränderten Lage auf
dem Arbeitsmarkt angemessener gewesen, meint der DGB.
In diesem Zusammenhang sei auch zu kritisieren, dass die
geplante Erstattungspflicht der Arbeitgeber an die Arbeits-
losenversicherung bei der Entlassung Älterer ebenfalls ent-
fallen solle. Die Verlängerung der 58er-Regelung sei dann
vertretbar, wenn gleichzeitig intensivere Anstrengungen un-
ternommen würden, um Ältere besser vor Entlassungen zu
schützen und sie bei Arbeitslosigkeit wieder besser in den
Arbeitsmarkt zu integrieren. Der DGB begrüßt, dass die
Meldepflicht vor Beginn der Arbeitslosigkeit auf generell
drei Monate begrenzt werden soll. Er schlägt allerdings vor,
dass die Frist zur Meldung sieben statt drei Tage betragen

solle gesetzlich abgesichert werden, dass der Arbeitsu-
chende zur Meldung bei der Agentur für Arbeit vom Arbeit-
geber freigestellt werde. Die Regelungen über die Sperrzeit
von einer Woche bei Nicht-Meldung sollten geändert und
für zwei Jahre auf Sanktionen verzichtet werden. Der DGB
weist darauf hin, dass eine fristgerechte Meldung häufig an
ungenauen Kündigungsangaben der Arbeitgeber scheitere
und daher eine einseitige Bestrafung der Arbeitnehmer un-
angebracht sei. Die Verlängerung der Integrationsmaßnah-
men für ältere Arbeitsuchende werde begrüßt, allerdings
solle die Verlängerung für alle Instrumente einheitlich um
zwei Jahre erfolgen – wenn schon Befristungen vorgesehen
seien. Für die Zukunft solle man von Befristungen mög-
lichst absehen, da sie hemmend auf die Durchsetzung des
Instruments wirkten. Beim Arbeitszeitgesetz wird die Ver-
längerung der Übergangsfrist abgelehnt, da sie zu einer
erheblichen Rechtsunsicherheit führen würde: In mehreren
Verfahren habe der EuGH seine Rechtsprechung zur Frage
des Bereitschaftsdienstes bestätigt.

Das Institut der Deutschen Wirtschaft Köln (IW) stellt fest,
dass die Umstrukturierungen in der Agentur für Arbeit zu
Einsparungen geführt hätten und es daher in Aussicht ge-
stellt werden könne, die Beiträge zur Arbeitslosenversiche-
rung zu senken. Das IW kritisiert allerdings, dass es bisher
keine systematische Untersuchung der Effektivität der Ar-
beitsmarktsinstrumente gegeben habe, die Voraussetzung
für die Schaffung von effizienten Maßnahmen sei. Die Auf-
hebung der Verpflichtung einer Einführung von Personal
Service Agenturen in jeder Agentur für Arbeit begrüßt das
Kölner Institut. Es führt aus, dass es verschiedene Gründe
geben könne, warum diese nicht den erhofften Erfolg zeig-
ten. Man müsse auch hier die von der Bundesregierung in
Auftrag gegebene wissenschaftliche Evaluation abwarten,
um das vorläufige Scheitern des PSA-Konzeptes bewerten
zu können. Das IW betont, dass Maßnahmen aktiver Ar-
beitsmarktpolitik immer erst nach einer wissenschaftlich be-
lastbaren Evaluation implementiert werden sollten und dass
dieses für keine gegenwärtige Maßnahme zutreffe. Die Ver-
öffentlichung solcher Studien sei für Ende 2006 zu erwar-
ten, daher sei eine Verlängerung der Maßnahmen bis 2006
sinnvoll. Eine Verlängerung bis Ende 2007 sei hingegen ab-
zulehnen. Das Institut zeigt auf, dass die geringe Erwerbstä-
tigkeit von Älteren kein Kennzeichen von Industrienationen
sei, sondern Folge der nationalen Politik. Es schlägt vor,
Anreize eines gleitenden Übergangs von der Arbeitslosig-
keit in die Altersrente abzuschaffen. Die Abschaffung des
erleichterten Zugangs zum Arbeitslosengeld für über
58Jährige führe zu einer Erhöhung der Konzessionsbereit-
schaft Älterer hinsichtlich der Arbeitsbedingungen, des
Lohns und des Arbeitsortes. Das IW weist des Weiteren da-
rauf hin, dass die Entlassung von Älteren meist nicht zu
einer Neueinstellung Jüngerer führe. Stattdessen führten die
Kosten der Frühverrentung zu einem Anstieg der Arbeits-
kosten, zu einer Substitution von Arbeit durch Kapital und
zu einer Verlagerung von Aktivitäten ins Ausland.

Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB)
ist davon überzeugt, dass eine Vereinheitlichung der Rege-
lungen zur Meldepflicht bei Arbeitslosigkeit zu einer Erhö-
hung der Transparenz führe und dazu beitragen könne, die
Intention der Regelung besser zu erfüllen. Gleichwohl seien
solle, wenn dem Arbeitnehmer weniger als drei Monate vor
Ende der Beschäftigung gekündigt werde. Des Weiteren

Implementationsprobleme zu berücksichtigen, und es sei
nicht a priori klar, ob die aggregierten Effekte einer Job-to-

Drucksache 16/245 – 8 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Job-Vermittlung positiv seien. Die Aufgabe des Zwangs zur
Einrichtung einer Personal-Service-Agentur (PSA) in jeder
Agentur erscheine sinnvoll, da dann eine flexiblere Anpas-
sung des arbeitsmarktpolitischen Instrumentariums an die
regionalen Gegebenheiten möglich sei. Die ständigen Än-
derungen der Rahmenbedingungen verringerten die Ak-
zeptanz der PSA und erschwerten auch eine Wirkungsana-
lyse. Hinsichtlich der Verlängerung befristeter Regelungen
komme es darauf an, die Rahmenbedingungen für die Be-
schäftigung Älterer zu verbessern und einen Mentalitäts-
wandel zu erreichen. Bei der gegenwärtigen Arbeitsmarkt-
lage erscheine eine Verlängerung der Instrumente zur
Aktivierung älterer Arbeitsloser konsequent. Dagegen soll-
ten alle Anreize zur Frühverrentung schnellstmöglich abge-
baut werden. Eine Verlängerung der Regelung des § 421i
SGB III erscheine aus mehreren Gründen angebracht: Zum
einen hätten die häufigen Änderungen der Rahmenbedin-
gungen dazu geführt, dass noch keine klaren Aussagen über
die Wirkungen des Instruments möglich seien. Daher solle
der Beobachtungszeitraum für die laufenden Evaluationen
ausgedehnt werden. Zum anderen zeigten internationale
Beispiele, dass das Instrument erst dann seine volle Wir-
kung entfalten könne, wenn ein gewisses Erfahrungswissen
aufgebaut werden konnte. Auch das Instrument des Exis-
tenzgründungszuschusses solle verlängert werden, um die
Ergebnisse der laufenden Evaluationen bei einer Novellie-
rung berücksichtigen zu können. Die Förderzahlen zeigten,
dass der Existenzgründungszuschuss für einen zusätzlichen
Personenkreis einen Ausweg aus der Arbeitslosigkeit eröff-
net habe.

Der Marburger Bund vertritt die Auffassung, dass die beab-
sichtigte Verlängerung der Übergangsfrist in § 25 ArbZG
für ein weiteres Jahr nicht im Sinne der Europäischen Ar-
beitszeitrichtlinie und rechtlich nicht zulässig sei. Sie kon-
terkariere die Bemühungen der Krankenhäuser, die bereits
unter großen Mühen arbeitszeitgesetzkonforme Dienstplan-
modelle entwickelt hätten. Mit einer weiteren Übergangs-
frist werde der Druck von der Vereinigung der kommunalen
Arbeitgeberverbände genommen, für den Bereich der Kran-
kenhäuser in kommunaler Trägerschaft mit dem Marburger
Bund verhandeln zu müssen. Denn ohne Fristverlängerung
müsste ab 1. Januar 2006 für Ärztinnen und Ärzte das
Arbeitszeitgesetz – ohne die für Krankenhäuser notwendi-
gen, spezifischen Regelungen wie etwa den Bereitschafts-
dienst – angewendet werden. Mehr als zwölf Jahre nach
Inkrafttreten der Europäischen Arbeitszeitrichtlinie solle die
Schutzvorschrift Arbeitszeitgesetz aufgrund einer weiteren
Übergangsfrist in deutschen Krankenhäusern außer Kraft
bleiben. Damit werde die Gesundheit der Ärzteschaft und
der Patienten fahrlässig gefährdet.

Laut Dr. Hartmut Seifert (Hans-Böckler-Stiftung, Düssel-
dorf) ist die Begründung für die Verlängerung der Über-
gangsfrist zur Änderung des Arbeitszeitgesetzes schwer nach-
vollziehbar. Es sei nicht schlüssig, warum einem Teil der
Tarifpartner mehr Zeit zu gewähren sei, wenn andere entspre-
chende Vereinbarungen schon geschlossen hätten. Klare Aus-
sagen über Kosten und den zu erwartenden Mehrbedarf an
Ärzten seien nicht möglich, da die Zeiterfassung in diesem
Bereich eher lückenhaft sei. Aber veränderte Arbeitszeit-
arrangements mit kurzen Arbeitszeiten ließen einen nicht

ließen aber auch spürbare Rationalisierungseffekte erwarten.
Der Sachverständige weist eindringlich auf die sehr belasten-
den Arbeitszeiten der Beschäftigten in Krankenhäuser hin
(überlange tägliche/wöchentliche Arbeitszeiten, Nacht- und
Wochenendarbeit), die das Fehlerrisiko bei der Behandlung
der Patienten erhöhten. Folglich bestehe auch aus Patienten-
sicht ein Interesse an möglichst belastungsarmen Arbeitszei-
ten der Beschäftigten im Gesundheitsbereich. Dr. Hartmut
Seifert plädiert daher für flexible Arbeitszeitgestaltung im
Krankenhausbereich, zumal erhebliche Rationalisierungs-
effekte zu erwarten seien. Versetzte Arbeitzeiten, Zeitkonten,
flexible Teilzeit erlaubten, den Arbeitseinsatz zu optimieren,
Leerzeiten zu verringern und auch Überstunden zu vermeiden.

Mirjam Alex von der ver.di-Bundeszentrale vertritt die Auf-
fassung, dass spätestens seit dem Urteil des Europäischen
Gerichtshofs vom 9. September 2003 (Rechtssache Jäger)
auch für Deutschland feststehe, dass Bereitschaftsdienst Ar-
beitszeit sei. Damit sei die EG-Arbeitszeitrichtlinie auch in
diesem Punkt endlich vollständig in nationales Recht umzu-
setzen und zwar mit sofortiger Wirkung. Die Sachverstän-
dige führt aus, dass es für eine Übergangsvorschrift weder
aus EG-rechtlicher noch aus rein gesetzestechnischer Sicht
einen Anknüpfungspunkt gebe. Aber abgesehen von juristi-
schen Problemen sei die Übergangsregelung auch politisch
verfehlt: Überlange Arbeitszeiten, die aus der Kombination
mit Bereitschaftsdiensten resultierten, ruinierten nicht nur
die Gesundheit derer, die sie leisteten, sondern auch die Ge-
sundheit derer, die von übermüdetem Personal betreut oder
behandelt würden.

Dr. Andreas Crusius (Präsident der Ärztekammer Mecklen-
burg-Vorpommern) votiert in seiner Stellungnahme gegen
eine Verlängerung der Übergangsfristen bezüglich der Aner-
kennung der Bereitschaftsdienste in den Kliniken als Ar-
beitszeit im Rahmen des gültigen Arbeitszeitgesetzes. Die
Krankenhausträger und -gesellschaften hätten die lange
zweijährige Übergangsfrist vielfach ungenutzt verstreichen
lassen. Eine bloße weitere Verlängerung der Übergangsfrist
verspreche deshalb keinen Erfolg. Sie würde im Gegenteil vor
allem zu Lasten der betroffenen Patienten und ihrer behandeln-
den Ärzte gehen; dies sei eine für die politisch in Verantwor-
tung Stehenden nicht unproblematische Situation. Eine Ver-
längerung der Fristen verlängere die potentielle Gefahr, dass
die Ärzteschaft ihrer Verpflichtung der Schadensvermeidung
gegenüber ihren Patienten objektiv nicht gerecht werden
könne. Das betreffe unmittelbar nicht nur die Frage der Über-
müdung, sondern mittelbar auch die Zeit zur Fortbildung, Aus-
bildung und Forschung einerseits und andererseits auch die
drohende gesundheitliche Schädigung der Ärztinnen und
Ärzte selbst. Letztlich sei auch die Berücksichtigung individu-
eller familienverträglicher Lebensgestaltung der Ärzteschaft in
diesem Kontext zu verstehen, zumal sie ein probates politi-
sches Mittel gegen Ärztemangel darstellen würde. Dr. An-
dreas Crusius zeigt beispielhaft auf, dass in Mecklenburg-
Vorpommern die durch Bereitschaftsdienst und unbezahlte
Überstunden zustande kommenden Dienstzeiten ungefähr
200 Vollzeitstellen entsprächen. Berechnungen verschiede-
ner Arbeitszeitmodelle in unterschiedlichen Krankenhäu-
sern hätten ergeben, dass im günstigsten Falle nach der Um-
stellung ein Fünftel bis ein Viertel mehr Personal benötigt
würde. Der Sachverständige weist darauf hin, dass das Ar-
genau quantifizierbaren Mehrbedarf an Ärzten erwarten.
Flexible, am Arbeitsbedarf orientierte Arbeitszeitmodelle

beitszeitgesetz zu finanziellen Verlusten bei den Ärzten füh-
ren und daher von einem Teil der Betroffenen abgelehnt

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 9 – Drucksache 16/245

würde. Dieses müsse von den Tarifparteien bei Verhandlun-
gen berücksichtigt werden.

IV. Beratungen und Abstimmungsergebnis im
federführenden Ausschuss

Nach der Öffentlichen Anhörung am 12. Dezember 2005
wurde die Beratung der Vorlagen in der 4. Sitzung am
14. Dezember 2005 fortgesetzt und abgeschlossen. Die von
den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten
Änderungsanträge auf Ausschussdrucksachen 16(11)22 und
16(11)32 wurden mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/
CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen DIE
LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN angenommen.

Die Fraktion der CDU/CSU hob hervor, dass der vorlie-
gende Gesetzentwurf die Fortdauer einer Reihe von arbeits-
marktpolitischen Instrumenten sicherstelle, wobei es sich
insbesondere um Regelungen für ältere Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmer handele. Die Wirksamkeit der Instru-
mente werde evaluiert, um sie auf dieser Grundlage im Jahr
2007 zusammenführen und vereinfachen zu können. Dabei
sei ein wichtiges Ziel, sie so effektiv und effizient wie mög-
lich einzusetzen. Bei der Verlängerung der Übergangszeit
im Arbeitszeitgesetz habe man letztlich die Wahl zwischen
Pest und Cholera gehabt, aber hier müssten die Tarifver-
tragsparteien endlich zu vernünftigen Lösungen kommen.

Die Vertreter der Fraktion der SPD betonten, dass mit der
Vorlage die Bemühungen vorangetrieben würden, die Be-
schäftigungschancen Älterer zu verbessern. Die Fortfüh-
rung der 58er-Regelung stelle insofern auch keinen Wider-
spruch zu diesem Ziel dar, sondern bleibe als ein
sozialverträgliches Angebot an diejenigen erhalten, die
keine Chance auf Vermittlung durch die Bundesarbeitsagen-
tur hätten. Wichtig sei vielmehr ein Mentalitätswechsel in
den Unternehmen, deren Jugendkult durch die gewollte In-
tegration auch älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
ersetzt werden müsse.

Die Fraktion der FDP bezeichnete insbesondere die Verlän-
gerung der „58er-Regelung“ als inhaltlich komplett falsch,
da sie in Verbindung mit der ab Februar 2006 geltenden kür-
zeren Bezugsdauer von Arbeitslosengeld I zu einer Entlas-
sungswelle führen werde. Dieses sei ein Tricksen mit der
Arbeitslosenstatistik, die mit der versprochenen Ehrlichkeit
nicht zu tun habe. Die erneute Verzögerung der Umsetzung
der EU-Arbeitszeitrichtlinie werde ebenso abgelehnt.

Die Fraktion DIE LINKE. machte deutlich, dass sie der Ver-
längerung der 58er-Regelung in der Praxis nur eine geringe
Bedeutung für die Beschäftigung älterer Arbeitnehmer bei-
messe. Viel wichtiger sei in diesem Zusammenhang die Ver-
kürzung der Bezugsdauer von Arbeitslosengeld I, die sie ab-
lehne. Beim Arbeitszeitgesetz werde auch im 13. Jahr nach
Inkrafttreten der entsprechenden EU-Richtlinie der weiteren
Blockadehaltung der Krankenhausträger Vorschub geleistet.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN begründete die
Ablehnung des Gesetzentwurfs insbesondere damit, dass
die Fortführung der 58er-Regelung das völlig falsche Signal
sei: Denn sie führe eben nicht zur angekündigten Integration
älterer Arbeitnehmer in den Betrieben, sondern zu ihrer

die arbeitszeitgesetzkonforme Regelungen geschaffen hät-
ten bzw. dabei seien, sie zu schaffen.

Im Ergebnis der Beratungen hat der Ausschuss mit den Stim-
men der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die
Stimmen der Fraktionen FDP, DIE LINKE. und BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN beschlossen, dem Deutschen Bundestag
die Annahme des Gesetzentwurfs auf Drucksache 16/109 in
der Fassung der angenommenen Änderungsanträge zu emp-
fehlen.

Der Ausschuss hat zudem beschlossen, dem Deutschen
Bundestag zu empfehlen, den Gesetzentwurf des Bundes-
rates auf Drucksache 16/219 für erledigt zu erklären.

B. Besonderer Teil

Zur Begründung der einzelnen Vorschriften wird – soweit
sie nicht im Verlauf der Ausschussberatungen nicht geän-
dert oder ergänzt wurden – auf den Gesetzentwurf Druck-
sache 16/109 verwiesen. Hinsichtlich der vom Ausschuss
für Arbeit und Soziales geänderten oder neu eingefügten
Vorschriften ist Folgendes zu bemerken:

Zu I.

Es handelt sich um eine Folgeänderung zur Änderung des
§ 37b des Dritten Buches Sozialgesetzbuch. Die Änderung
beruht auf den Ergebnissen der vom Ausschuss für Arbeit
und Soziales durchgeführten Anhörung.

Zu II.

Die Regelung in Artikel 2a schließt die Berücksichtigung
von Zeiten einer Versicherung auf Grund des rechtswidrigen
Bezugs von Arbeitslosengeld II als Vorversicherungszeit für
den Zugang zur freiwilligen Mitgliedschaft aus. Damit wird
insbesondere verhindert, dass ein wegen fehlender Erwerbs-
fähigkeit rechtswidriger Bezug von Arbeitslosengeld II
dazu führt, dass nach Ende des unrechtmäßigen Leistungs-
bezugs eine dauerhafte freiwillige Mitgliedschaft in der
gesetzlichen Krankenversicherung begründet werden kann.
Da § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V auf die in § 9 Abs. 1
Satz 1 Nr. 1 SGB V genannten Vorversicherungszeiten Be-
zug nimmt, gilt die Regelung auch für das Beitrittsrecht von
Familienversicherten.

Die Regelung steht der Begründung einer freiwilligen Mit-
gliedschaft von Personen, die vor dem rechtswidrigen Be-
zug von Arbeitslosengeld II die Vorversicherungszeit für
den Beitritt zur gesetzlichen Krankenversicherung auf
Grund eines anderen Versicherungstatbestandes, z. B. des
Bezugs von Arbeitslosengeld, erfüllt hatten, nicht entgegen.
In diesen Fällen ist davon auszugehen, dass eine freiwillige
Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung in-
nerhalb von drei Monaten nach Ende des Bezugs von Ar-
beitslosengeld II auch weiterhin begründet werden kann,
wenn zu Beginn des Bezugs von Arbeitslosengeld II ein
Beitrittsrecht zur gesetzlichen Krankenversicherung bestan-
den hat. Andernfalls würden die Betroffenen durch den
rechtswidrigen Bezug von Arbeitslosengeld II in Bezug auf
das Beitrittsrecht zur gesetzlichen Krankenversicherung
Ausgrenzung. Bei der erneuten Übergangsregelung für Be-
reitschaftsdienste seien die Krankenhäuser die Dummen,

schlechter gestellt, als sie ohne die Gewährung von Arbeits-
losengeld II gestanden hätten.

Drucksache 16/245 – 10 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Die Regelung lässt die Schutzwirkung des § 5 Abs. 1 Nr. 2a
zweiter Halbsatz sowie des § 10 SGB V für die Dauer des
Leistungsbezugs für die Versicherten unberührt.

Artikel 2b enthält eine Folgeänderung zu Artikel 2a.

Zu III:

Es handelt sich um die Korrektur eines redaktionellen Ver-
sehens.

Berlin, den 14. Dezember 2005

Dr. Ralf Brauksiepe
Berichterstatter

Beschlussempfehlung und Bericht

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