BT-Drucksache 16/2372

Erkenntnisse der Bundesregierung zur Abschiebehaft (Nachfrage)

Vom 8. August 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/2372
16. Wahlperiode 08. 08. 2006

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Petra Pau, Sevim Dagdelen
und der Fraktion DIE LINKE.

Erkenntnisse der Bundesregierung zur Abschiebehaft (Nachfrage)

Auf Bundestagsdrucksache 16/1552 erfragte die Fragestellerin Erkenntnisse der
Bundesregierung zur Abschiebehaft. Keine der zahlreichen Einzelfragen wurde
von der Bundesregierung auf Bundestagsdrucksache 16/1757 beantwortet. Dies
wurde mit der Zuständigkeit der Länder beim Vollzug der Abschiebungshaft be-
gründet. Zumindest soweit dies auch grundsätzliche Daten und Angaben von
besonderem Interesse betrifft, ist dies für die Fragestellerin nicht nachvollzieh-
bar.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Werden Angaben zur Abschiebungshaft (etwa: Länge und Grund der Inhaf-
tierung, Alter und Geschlecht der Inhaftierten, Entlassungsgrund) nicht im
Ausländerzentralregister (AZR) erfasst?

Wenn nein, warum nicht und ist an eine entsprechende Änderung des Auslän-
derzentralregistergesetzes gedacht?

2. Hat die Bundesregierung in der Vergangenheit Daten zu Abschiebehaft oder
zu einzelnen Gruppen von Abschiebehäftlingen (zum Beispiel (unbegleitete)
Minderjährige) bei den Landesinnenministerien erfragt, wenn ja, welche Da-
ten hat sie erfragt und mit welchen konkreten Ergebnissen?

3. Warum hat die Bundesregierung nicht einmal im Rahmen der Evaluierung
des Zuwanderungsgesetzes grundlegende Daten und Angaben zur Abschie-
bungshaft von den Bundesländern erfragt und wie konnte sie ohne Kenntnis
solcher Daten und Angaben im Evaluierungsbericht (S. 160) die Kritik der
Nichtregierungsorganisationen, Abschiebungshaft werde zu schnell, zu häu-
fig und zu lange beantragt, (implizit) zurückweisen?

4. Ist künftig an eine bundeseinheitliche Erhebung grundlegender Daten zur
Abschiebungshaft, etwa durch Umfrage an die Länder, gedacht, wenn nein,
warum nicht?

5. Plant die Bundesregierung vereinheitlichende Regelungen zum Vollzug der
Abschiebungshaft, mit denen bzw. mit dem die unterschiedliche Vollzugs-
praxis in den Bundesländern vereinheitlicht und Mindeststandards festge-
schrieben werden sollen, wenn nein, warum nicht?

6. Plant die Bundesregierung gesetzliche Konkretisierungen in § 62 des Aufent-
haltsgesetzes, wie vom Evaluierungsbericht (S. 160 f.) angeregt? Ist konkret
z. B. beabsichtigt,

a) den Vorzug „milderer Maßnahmen“ als die Abschiebungshaft festzu-
schreiben,

Drucksache 16/2372 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
b) die „(…) Anordnung von Abschiebungshaft von mindestens einem fehl-
geschlagenen Abschiebungsversuch abhängig zu machen (…)“ (S. 161),

c) „(….) bereits allein aus dem Vorliegen einer Meldeanschrift zu schließen,
dass sich der betroffene Ausländer trotz Verletzung seiner Anzeigepflicht
nach § 62 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG in Wahrheit nicht der Abschiebung ent-
ziehen wollte“ (S. 161),

wenn nein, warum nicht?

7. a) Ist der Bundesregierung die Dokumentation der Antirassistischen Initia-
tive Berlin „Bundesdeutsche Flüchtlingspolitik und ihre tödlichen Fol-
gen“ (1993 bis 2005) bekannt, in der Angaben zu Suiziden und Suizidver-
suchen, Selbstverletzungen und Verletzungen durch Vollzugsbeamte zu
entnehmen sind?

b) Hält die Bundesregierung die in der Dokumentation enthaltene Angabe,
im Zeitraum vom 1. Januar 1993 bis zum 31. Dezember 2005 hätten sich
49 Menschen in Abschiebungshaft angesichts ihrer drohenden Abschie-
bung das Leben genommen und 393 hätten dies versucht oder sich selbst
verletzt und weitere 127 seien durch Bewachungspersonal in Haft verletzt
worden, für nachvollziehbar und realistisch (bitte begründen)?

Berlin, den 4. August 2006

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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