BT-Drucksache 16/2352

Das Trennungsgebot von Polizei und Geheimdiensten und das Gemeinsame Analyse- und Abwehrzentrum illegale Migration in Berlin-Treptow

Vom 3. August 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/2352
16. Wahlperiode 03. 08. 2006

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Sevim Dagdelen und der Fraktion DIE LINKE.

Das Trennungsgebot von Polizei und Geheimdiensten und das Gemeinsame
Analyse- und Abwehrzentrum illegale Migration in Berlin-Treptow

Am 17. Juli 2006 wurde das „seit gut zwei Monaten“ (Süddeutsche Zeitung,
18. Juli 2006) arbeitende „Gemeinsame Analyse- und Strategiezentrum illegale
Migration“ (GASiM) der Öffentlichkeit vorgestellt. Mit dem Ziel der Verwirk-
lichung eines „ganzheitlichen Bekämpfungsansatzes der illegalen Migration“
arbeiten im GASiM 36 Mitarbeiter von BKA, Bundesnachrichtendienst, Ver-
fassungsschutz, der Finanzkontrolle/ Schwarzarbeit und des Auswärtigen Amts
zusammen. Einer Presseerklärung des Bundesministeriums des Innern (BMI)
zur Vorstellung des GASiM ist zu entnehmen, dass die Länder in die Zusam-
menarbeit des GASiM, die „dauerhaft“ und mit „operativen“ (Pressemitteilung
BMI vom 17. Juli 2006) Zielsetzungen erfolgt, einbezogen werden sollen.

Es ist umstritten ob das verfassungsrechtlich geforderte Trennungsgebot von
Geheimdiensten und Polizei nicht schon durch eine unbeschränkte informatio-
nelle Zusammenarbeit aufgehoben wird. Die Errichtung einer „zentralen Stelle,
welche die unterschiedlichen befassten Behörden dauerhaft zusammenbringt“
(ebda.) und ausdrücklich mit operativen Aufgaben und Befugnissen versieht,
überschreitet aber eindeutig eine bisher verbal immer noch betonte Grenze.

Der Rahmen des GASiM ist aber offensichtlich noch weiter gesteckt.

Gleich nebenan in Berlin-Treptow residiert seit Dezember 2004 das Gemeinsame
Terrorabwehrzentrum (GTAZ), das eine „ähnliche Zusammenarbeit bei der Ter-
rorismusbekämpfung praktiziert“ (Süddeutsche Zeitung, a. a. O.). 40 Behörden
des Bundes und der Länder sind dort akkreditiert, vom Bundeskriminalamt über
das Bundesamt für Verfassungsschutz und den entsprechenden Landeskriminal-
ämtern und Landesämtern für den Verfassungsschutz, Bundespolizei, Zollkrimi-
nalamt, Militärischer Abschirmdienst und Bundesnachrichtendienst bis hin zum
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und zum Generalbundesanwalt, tau-
schen dort Informationen aus, analysieren die Lage und stimmen operative Maß-
nahmen ab.

Die angestrebte Kooperation beider Zentren würde zu einem Super-Sicherheits-
dienste Zentrum führen, in dem Informationsflüsse, Datenerfassung und -ver-
arbeitung und operative Maßnahmen jeglicher Kontrolle entzogen und in einen

gemeinsamen Geheimbereich der Sicherheitsbehörden verlagert würden.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wer hat die Einrichtung des GASiM mit welcher konkreten Aufgabenstel-
lung angeordnet, und inwiefern wurde in der Planungs- und Einrichtungs-
phase das Trennungsgebot zur Richtschnur genommen?

Drucksache 16/2352 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
2. Welche Abteilungen der beteiligten Bundes- und Länderbehörden haben
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf Basis welcher Auswahlverfahren in
das GASiM abgeordnet?

3. Wie teilen sich die derzeit 35 bis 36 Mitarbeiter auf die beteiligten Institu-
tionen im GASiM auf, und wie wird sich die Personalstruktur in den
nächsten Jahren 2007 bis 2009 entwickeln (bitte mit Dienstgrad und
Dienststellung angeben)?

4. Auf welcher Rechtsgrundlage und in welcher Form wird die Einbindung
der Länder in diese dauerhafte Kooperation von Polizei und Geheimdiens-
ten zu operativen Zwecken stattfinden?

5. Gibt es derzeit personelle Überschneidungen zwischen dem GASiM und
dem „Gemeinsamen Terrorabwehrzentrum“ (GTAZ) oder sind solche ge-
plant, und in welcher Form soll das GTAZ „ebenfalls in die Kooperation“
(Süddeutsche Zeitung, 18. Juli 2006) eingebunden werden?

6. Welche originären Aufgaben und Entscheidungsbefugnisse entstehen für
die im GASiM arbeitenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, und welche
rechtlichen Grundlagen und Normen regeln sie?

7. Nach welchen Kriterien leiten die im GASiM vertretenen Behörden welche
Informationen und Daten dem GASiM zu?

8. Wie ist sichergestellt, dass alle Arbeitsebenen, Arbeitsbereiche und Projekt-
teams Zugang zu allen beim GASiM eintreffenden Informationen und
Daten haben?

9. Auf welche Datenbanken hat das GASiM im Regelbetrieb und bei Ein-
beziehung der Länder auf welchen Rechtsgrundlagen Zugriff?

10. Bringen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beim GASiM ihre Zugriffs-
rechte auf Akten und Datensätze aus den entsendenden Behörden mit?

11. Wo und auf welcher Rechtsgrundlage werden die beim GASiM auflaufen-
den Daten gespeichert und verarbeitet?

12. Wie sind bei operativen Maßnahmen die Grenzen der Zusammenarbeit von
Polizei und Geheimdiensten definiert, und wer kontrolliert ihre Einhaltung?

13. In welchen Bereichen ist ein Austausch bzw. eine Zusammenarbeit mit der
International Organisation for Migration (IOM), dem International Centre
of Migration Policy Development (ICMPD) und der Europäischen Grenz-
schutzagentur (Frontex) geplant, und wie wird die Zusammenarbeit aus-
gestaltet sein?

Berlin, den 31. Juli 2006

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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