BT-Drucksache 16/2346

Gesetzliche Regelung der Rücknahme einer Einbürgerung

Vom 3. August 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/2346
16. Wahlperiode 03. 08. 2006

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Sevim Dagdelen, Ulla Jelpke und der Fraktion DIE LINKE.

Gesetzliche Regelung der Rücknahme einer Einbürgerung

Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 24. Mai 2006
die „zeitnahe“ Rücknahme einer aufgrund falscher Angaben erfolgten Einbür-
gerung für grundgesetzkonform erklärt (BVerfG, 2 BvR 669/04 vom 24. Mai
2006, http://www.bverfg.de/entscheidungen/rs20060524_2bvr066904.html, Leit-
satz 3). Vier der acht Bundesverfassungsrichterinnen und -richter stellten jedoch
in einem Sondervotum fest, dass für die Rücknahme einer Einbürgerung, die
nach Artikel 16 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) erforderliche gesetzliche
Grundlage fehle. Der Artikel 16 Abs. 1 Satz 2 GG verpflichte den Gesetzgeber,
die Voraussetzungen eines Verlustes der Staatsangehörigkeit gesetzlich konkret
zu bestimmen (Absatz-Nr. 90/91).

Das Bundesverfassungsgericht kommt darüber hinaus zu der Schlussfolgerung,
dass es die Verfassung nicht prinzipiell verbiete, auch begünstigende Verwal-
tungsakte, die durch Täuschung erwirkt worden sind, in Geltung zu lassen (Ab-
satz-Nr. 64). Das Sondervotum führt dazu aus, dass es sich angesichts der Be-
deutung der Staatsangehörigkeit als eines übergreifenden Rechtsstatus nicht von
selbst verstehe, dass missbräuchliches Verhalten auf Seiten der Eingebürgerten
über das Instrument der Einbürgerungsrücknahme und nicht auf andere Weise
sanktioniert werde (Absatz-Nr. 90 bis 93).

Gleichzeitig hat das Bundesverfassungsgericht den Gesetzgeber aufgefordert,
rechtlich zu klären, welche Folgen die Rücknahme einer Einbürgerung auf An-
gehörige haben, die an dem Fehlverhalten nicht beteiligt waren. Der Gesetzge-
ber könne – so das Bundesverfassungsgericht weiter – dem durch die Einbürge-
rung bewirkten Vertrauenstatbestand durch spezifische Regelungen Rechnung
tragen, die die Möglichkeit, die Staatsangehörigkeit zurückzunehmen, ein-
schränken, indem er insoweit zum Beispiel Befristungsregelungen oder Alters-
grenzen einführe (Absatz-Nr. 89).

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wird die Bundesregierung eine gesetzliche Regelung zur Rücknahme von
Einbürgerungen, die aufgrund von Täuschungen erwirkt worden sind, initi-
ieren, wie dies von vier der acht Bundesverfassungsrichterinnen und -richter
für notwendig gehalten wird?

Wenn ja, unter welchen Voraussetzungen und nach welchen Fristen würde
dann eine Rücknahme erfolgen?

Wenn nein, warum nicht?

Drucksache 16/2346 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

2. Teilt die Bundesregierung die Auffassung des Bundesverfassungsgerichts,
dass aufgrund des übergreifenden Rechtsstatus der Staatsangehörigkeit ein
missbräuchliches Verhalten auf Seiten der Eingebürgerten auch auf andere
Weise sanktioniert werden könne als über das Instrument der Einbürgerungs-
rücknahme?

Wenn nein, warum nicht?

3. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass nach dem Urteil des Bundes-
verfassungsgerichts die Rücknahme einer durch Täuschung herbeigeführten
Einbürgerung nach § 48 des Verwaltungsverfahrensgesetzes für Baden-
Württemberg „zeitnah“ erfolgen muss, und was ist nach Auffassung der Bun-
desregierung unter „zeitnah“ zu verstehen?

Wenn ja, welche Schritte wird die Bundesregierung unternehmen, um dies-
bezüglich auf eine bundeseinheitliche Praxis in den Bundesländern hinzu-
wirken?

Wenn nein, warum nicht?

4. Wann wird die Bundesregierung eine gesetzliche Regelung zu den Auswir-
kungen einer Rücknahme der Einbürgerung auf Familienangehörige, ins-
besondere von Kindern, die an einem festgestellten Fehlverhalten nicht betei-
ligt waren, initiieren, wie vom Bundesverfassungsgericht gefordert?

5. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass Familienangehörige von Ein-
gebürgerten, die an dem festgestellten Fehlverhalten nicht beteiligt waren,
ebenfalls die Einbürgerung verlieren sollten, auch wenn diese davon keinerlei
Kenntnisse hatten?

Wenn ja, in welcher Weise wird sie den vom Verfassungsgericht benannten
Grundsatz des Vertrauensschutzes beachten und zum Beispiel eine Befris-
tungsregelung oder Altersgrenzen einführen?

6. Welche Rechtsfolgen und praktischen Konsequenzen haben Betroffene zu
befürchten, wenn ihre Einbürgerung zurückgenommen und sie hierdurch
staatenlos werden?

7. In wie vielen der 84 Fälle von zurückgenommenen Einbürgerungen, die seit
2002 nach den Verwaltungsverfahrensgesetzen der Bundesländer aufgrund
von falschen Angaben erfolgten, waren von der Rücknahme auch Angehö-
rige betroffen, und welche Folgen hatten diese zu tragen (bitte nach Jahren,
Bundesländern und Alter der Familienmitglieder getrennt auflisten)?

Berlin, den 1. August 2006

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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