BT-Drucksache 16/2174

Visumsverweigerung für Straßenfußballmannschaften aus Ghana und Nigeria

Vom 6. Juli 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/2174
16. Wahlperiode 06. 07. 2006

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Petra Pau, Wolfgang Gehrcke, Heike Hänsel,
Jan Korte und der Fraktion DIE LINKE.

Visumsverweigerung für Straßenfußballmannschaften aus Ghana und Nigeria

Zur ersten Straßenfußballweltmeisterschaft in Berlin-Kreuzberg, die unterstützt
wird von der UNO und der Bundesregierung und als Bestandteil des Kultur-
programms der Fifa gilt, waren 24 Teams aus aller Welt geladen, 13 von ihnen
aus visumspflichtigen Ländern (vgl. Berliner Zeitung vom 26. Juni 2006 und
die tageszeitung vom 27. Juni 2006). Die Teams wurden von Sozialprojekten
vor Ort zusammengestellt, die in den Bereichen Gewalt, Drogen, Rassenhass,
Aids usw. aktiv sind. Jugendlichen aus wenig gefestigten Familien- und sozial
schwachen Lebensverhältnissen sollte die Chance gegeben werden, ihr Können
im Rahmen der Fußballweltmeisterschaft in Deutschland unter Beweis zu stel-
len und etwas anderes zu erleben als Armut, Ausgrenzung und Hoffnungslosig-
keit.

Den Mannschaften aus Ghana und Nigeria wurden keine Visa erteilt. Das Aus-
wärtige Amt begründete dies nach den benannten Zeitungsberichten damit,
dass Zweifel daran bestünden, ob auch alle Teilnehmer nach dem Turnier wie-
der in ihre Heimat zurückkehren würden. Es liege eine fehlende „Verwurzelung
im Heimatland“ vor. Der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Gernot Erler,
erklärte am 28. Juni 2006 im Deutschen Bundestag, dass bei Gesprächen deut-
lich geworden sei, dass einige Jugendliche eine Karriere als Profifußballer in
Deutschland anstrebten und deshalb Zweifel an der Rückkehrbereitschaft be-
stünden. Auch gebe es Zweifel an der Echtheit von Dokumenten. Deutsches
und europäisches Recht dürfe auch für die Fußballweltmeisterschaft und Ne-
benveranstaltungen nicht außer Kraft gesetzt werden. Der Bundesminister des
Innern, Dr. Wolfgang Schäuble, betonte, die Visa-Bestimmungen seien für alle
gleich (vgl. Berliner Zeitung und die tageszeitung vom 29. Juni 2006).

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Um welche Visa handelte es sich im Falle der beiden afrikanischen Straßen-
fußballmannschaften, und auf welcher Rechtsgrundlage erfolgte die Ab-
lehnung?

2. Gab es spezielle ermessensleitende Entscheidungsvorgaben oder Anweisun-

gen an die Botschaften im Zusammenhang mit der Straßenfußball-WM, und
wenn ja, welche, oder erfolgte die Prüfung der Visumserteilung in jeweiliger
eigener Zuständigkeit der Botschaften?

3. Handelte es sich um Einzelfallprüfungen oder wurden die Visa mannschafts-
bezogen geprüft?

Drucksache 16/2174 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
4. Wenn allen Spielern und Betreuern einer Mannschaft das Visum versagt
wurde, wie verträgt sich das mit dem Grundsatz einer Einzelfallprüfung?

5. Lässt die problemlose Erteilung von Visa für die Beteiligten aus den 22 an-
deren Staaten Schlüsse auf eine besonders rigide Prüfungs- und Entschei-
dungspraxis der Botschaften in Ghana und Nigeria zu?

Wenn nein, welche anderen Erklärungen hat die Bundesregierung für die
unterschiedliche Verfahrensweise; wenn ja, welche Maßnahmen wird die
Bundesregierung ergreifen, um die Vergabepraxis in den besagten Bot-
schaften mit denen der anderen Botschaften zu harmonisieren?

6. Ist für die Bundesregierung die von einigen Jugendlichen geäußerte Hoff-
nung, womöglich Profifußballer in Deutschland werden zu können, bereits
ein hinreichendes Indiz für die Annahme einer mangelnden Rückkehr-
bereitschaft (bitte begründen)?

7. Sind der Bundesregierung Fälle von Fußballspielern aus dem außereuro-
päischen Ausland bekannt, die von Profivereinen zu Probetrainings u. Ä.
eingeladen worden sind, denen ein Visum aber verweigert wurde, weil ihre
Absicht, in Deutschland eine Profikarriere als Fußballer aufzunehmen, klar
war?

8. Welche rechtlichen Möglichkeiten hätten im Rahmen des Aufenthalts-
gesetzes bzw. des Schengener Abkommens und der Gemeinsamen Konsu-
larischen Konstruktion bestanden, den Fußballmannschaften aus Ghana
und Nigeria trotz etwaiger Bedenken hinsichtlich der Rückkehrbereitschaft
aus politischen Gründen (öffentliches Interesse) dennoch ein Visum zu er-
teilen?

Wenn es keine solche Möglichkeit gibt, wird die Bundesregierung entspre-
chende Gesetzesänderungen vornehmen oder in der EU auf eine Änderung
der maßgeblichen Übereinkommen und Vereinbarungen drängen, und
wenn nein, warum nicht?

9. Wiegt nach Auffassung der Bundesregierung die nicht auszuschließende
(theoretische) Gefahr, dass einzelne jugendliche Straßenfußballer (zu-
nächst) nicht (freiwillig) wieder ausreisen oder der eingetretene (tatsäch-
liche) Imageschaden schwerer, den Deutschland dadurch erleidet, dass
Bundesbehörden die Teilnahme von zwei Mannschaften an der ersten
Straßenfußballweltmeisterschaft verhindert haben?

10. Ist der Bundesregierung etwas darüber bekannt, wie die Jugendlichen,
die an der Teilnahme an der Straßenfußballweltmeisterschaft gehindert
wurden, hierauf reagiert haben, und plant die Bundesregierung Initiativen
oder zumindest eine Geste zur Entschuldigung/Wiedergutmachung?

Wenn ja, welche, wenn nein, warum nicht?

Berlin, den 4. Juli 2006

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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