BT-Drucksache 16/1817

Entschädigungen von NS-Unrecht nach dem Vermögensgesetz

Vom 14. Juni 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/1817
16. Wahlperiode 14. 06. 2006

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Kersten Naumann, Heidrun Bluhm, Jörn Wunderlich, Sevim
Dagdelen, Ulla Jelpke, Jan Korte, Petra Pau und der Fraktion DIE LINKE.

Entschädigungen von NS-Unrecht nach dem Vermögensgesetz

Mit der Überwindung der deutschen Teilung und dem Ende der Blockkonfron-
tation sind zahlreiche historische Quellen zur NS-Vergangenheit aufgetaucht,
die das Bild dieser Vergangenheit an vielen Stellen präzisieren. Bis heute gibt es
immer wieder neue Erkenntnisse, die die verschiedenen Facetten von NS-Un-
recht, Verfolgungen und materiellen Verlusten dokumentieren. Damit ergibt sich
für zahlreiche Opfer des NS-Regimes erst jetzt die Möglichkeit, ihre Ansprüche
auf Entschädigung geltend zu machen.

Im Widerspruch zu dieser Entwicklung steht das Bestreben der Bundesregie-
rung, zu möglichst abschließenden Regelungen im Bereich der Entschädigung
von NS-Opfern zu kommen. Zahlreiche Petitionen an den Deutschen Bundestag
befassen sich mit dem von den Petenten als ungerecht empfundenen Ausschluss
diverser Opfergruppen von der Möglichkeit, erlittenes Unrecht entschädigt zu
bekommen, so etwa im Rahmen der Entschädigung für Zwangsarbeit.

Ein weiterer Ausschlussgrund für teilweise berechtigte Entschädigungsansprü-
che besteht in den Fristenregelungen für die Geltendmachung solcher Ansprüche.
Im Vermögensgesetz, über das auch Vermögensschäden aufgrund von NS-Un-
recht geltend gemacht werden können, verhindert eine Befristung, die schon auf
den 30. Juni 1993 festgelegt wurde, dass Tatsachen, die erst nach diesem Datum
bekannt wurden, Berücksichtigung finden können. Angesichts der bis heute
anhaltenden Erkenntniszuwächse, auch und gerade in Bezug auf individuelle
Verfolgungsschicksale, erscheint eine solche starre Fristenregelung als höchst
problematisch. Sie wird in keiner Weise den Interessen der NS-Verfolgten und
ihrer Angehörigen gerecht, deren oft berechtigte Ansprüche mit dem Verweis auf
im Gesetz vorgeschriebene Fristen abgewiesen werden. In diesem Zusammen-
hang sollte die Bundesregierung eine flexiblere Lösung anstreben und über mög-
liche Härtefonds zu einer Lösung im Sinne der Betroffenen kommen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie viele Anträge auf Entschädigung von NS-Opfern nach dem Vermögens-
gesetz liegen gegenwärtig noch zur Entscheidung vor?
2. Wie viele Anträge auf Entschädigung von NS-Opfern nach dem Vermögens-
gesetz sind nach Ablauf der Antragsfrist (hier 30. Juni 1993) bei den zustän-
digen Behörden eingegangen und welche Gründe für die verspätete Einrei-
chung wurden überwiegend geltend gemacht?

3. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass auch nach dem 30. Juni 1993
gewichtige Tatsachen zur Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen

Drucksache 16/1817 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
nach NS-Unrecht auftauchen konnten, die einen Anspruch im Sinne des Ver-
mögensgesetzes rechtfertigen, der nur aufgrund der Fristenregelung auszu-
schließen ist?

a) Wenn ja, wie rechtfertigt die Bundesregierung in diesem Zusammenhang
die Fristenregelung?

b) Wenn nein, wie begründet die Bundesregierung ihre Auffassung?

4. Sind der Bundesregierung Fälle bekannt, in denen durch das Auftauchen neu-
er Quellen, Belege und Erkenntnisse laufender Verfahren zur Entschädigung
von NS-Opfern nach dem Vermögensgesetz einer Neubewertung unterzogen
werden mussten?

Wenn ja, welche Folgerungen zieht die Bundesregierung aus diesen Fällen?

5. Denkt die Bundesregierung an eine Härtefalllösung für die Anträge auf Ent-
schädigung von NS-Unrecht nach dem Vermögensgesetz, die nur aufgrund
der Fristenregelung abgelehnt wurden, aber nach inhaltlichen Kriterien ein
Recht auf Entschädigung hätten?

Wenn nein, wie begründet die Bundesregierung ihre Haltung?

6. Welche Möglichkeiten der Entschädigung für NS-Opfer nach dem Vermö-
gensgesetz sieht die Bundesregierung für die Fälle, in denen neue Tatsachen,
Quellen, Erkenntnisse erst nach der Frist vom 30. Juni 1993 eine Antragstel-
lung ermöglichten?

Berlin, den 12. Juni 2006

Kersten Naumann
Heidrun Bluhm
Jörn Wunderlich
Sevim Dagdelen
Ulla Jelpke
Jan Korte
Petra Pau
Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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