BT-Drucksache 16/1670

Verstöße gegen FFH-Richtlinie umgehend abstellen

Vom 31. Mai 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/1670
16. Wahlperiode 31. 05. 2006

Antrag
der Abgeordneten Undine Kurth (Quedlinburg), Rainder Steenblock,
Cornelia Behm, Hans Josef Fell, Winfried Hermann, Peter Hettlich, Bärbel Höhn,
Ulrike Höfken, Dr. Anton Hofreiter, Sylvia Kotting-Uhl, Dr. Reinhard Loske
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Verstöße gegen FFH-Richtlinie umgehend abstellen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Am 10. Januar 2006 erging das Urteil des Europäischen Gerichtshofes (Zweite
Kammer) in der Rechtssache C-98/03. In ihm werden Vertragsverletzungen der
Bundesrepublik Deutschland gegen die Richtlinie 92/43/EWG (FFH-Richtlinie)
festgestellt.

In dem vorangegangenen Verfahren ging es um die rechtliche Umsetzung der
FFH-Richtlinie in deutsches (Bundes- und Länder-)Recht.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) stellte fest, dass europäisches Recht gel-
tendes Recht ist und uneingeschränkt in nationales Recht umzusetzen ist. Hierzu
der EuGH wörtlich: „Folglich kommt der Genauigkeit der Umsetzung … inso-
fern besondere Bedeutung zu, als die Verwaltung des gemeinsamen Erbes den
Mitgliedsstaaten für ihr jeweiliges Hoheitsgebiet anvertraut ist. Demgemäß
müssen die Mitgliedsstaaten im Rahmen der Richtlinie, […] in besonderer
Weise dafür Sorge tragen, dass ihre der Umsetzung der Richtlinie dienenden
Rechtsvorschriften klar und bestimmt sind“.

Der EuGH stellte folgende Verstöße gegen die FFH-Richtlinie fest:

1. Im deutschen Recht sind Projekte außerhalb eines FFH-Schutzgebietes, die
dieses erheblich beeinträchtigen könnten, von der Pflicht zur FFH-Verträg-
lichkeitsprüfung ausgenommen. Das ist ein Verstoß gegen die Richtlinie.

2. Stoffliche Belastungen eines FFH-Schutzgebietes durch Luftschadstoffe und
Lärm im Einwirkungsbereich einer Anlage außerhalb des Schutzgebietes
werden im Rahmen des deutschen Rechts nicht auf ihr Beeinträchtigungs-
potenzials geprüft. Das ist ein Verstoß gegen die Richtlinie.

3. Das deutsche Recht verbietet nur die absichtliche Beeinträchtigung von nach
FFH geschützten Arten. Die FFH-Richtlinie verbietet jedoch jede Beschädi-

gung und Vernichtung von Fortpflanzungs- und Ruhestätten. Unabsichtliche
Handlungen sind nicht verboten. Das ist ein Verstoß gegen die Richtlinie.

4. Das Bundesnaturschutzgesetz sieht von den Verboten der Beeinträchtigung
geschützter Tier- und Pflanzenarten Ausnahmen vor. Die Verbote gelten nicht
für Handlungen bei der guten fachlichen Praxis und der land-, forst- und
fischereiwirtschaftlichen Bodennutzung und bei der Verwertung der dabei
gewonnenen Erzeugnisse und gelten nicht für Eingriffe, bei denen eine Um-

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weltverträglichkeitsprüfung stattfindet. Es ist rechtlich nicht sichergestellt,
dass die Zulassung der beiden Ausnahmen von der Erfüllung sämtlicher
Voraussetzungen des Artikels 16 der Richtlinie abhängt. Das ist ein Verstoß
gegen die Richtlinie.

5. Nach § 6 Abs. 1 des Pflanzenschutzgesetzes dürfen Pflanzenschutzmittel
nicht angewandt werden, soweit ihre Anwendung schädlich für Mensch und
Naturhaushalt ist. Diese Regelung sieht nicht in klarer, spezifischer und strik-
ter Weise die in den Artikeln 12 und 13 der Richtlinie enthaltenen Verbote der
Schädigung der geschützten Arten vor. Das ist ein Verstoß gegen die Richt-
linie.

6. In Bayern, Brandenburg und Bremen werden bestimmte Fischarten nicht un-
ter den ganzjährig geschützten Arten aufgeführt. Für Berlin, Hamburg,
Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Saarland,
Sachsen und Sachsen-Anhalt liegen der Kommission keine Informationen
hierüber vor. Damit ist der notwendige strenge Schutz nicht gewährleistet.
Das ist ein Verstoß gegen die Richtlinie.

Zudem weist der Gerichtshof darauf hin, dass die Mitgliedstaaten der Kommis-
sion den Wortlaut der wichtigsten innerstaatlichen Rechtsvorschriften mitteilen
müssen, die sie auf dem unter die Richtlinie fallenden Gebiet erlassen. Hierauf
hatte die Kommission in ihrer Klage jedoch nicht angehoben.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. die vom Europäischen Gerichtshof festgestellten Verstöße der Bundesrepu-
blik Deutschland gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 6 Abs. 3 sowie den
Artikeln 12, 13 und 16 der Richtlinie umgehend abzustellen;

2. dafür Sorge zu tragen, dass die Bundesländer ihren Verpflichtungen aus der
FFH-Richtlinie nachkommen, und

a) ihre Landesgesetzgebung an die Vorgaben des Europäischen Gerichtsho-
fes anpassen,

b) ihre landesgesetzlichen Regelungen der EU-Kommission zur Notifizie-
rung vorlegen;

3. bei der Neuordnung des föderalen Systems der Bundesrepublik Deutschland
darauf zu achten, dass die einheitliche, widerspruchsfreie und europrechts-
konforme Umsetzung europäischer Richtlinien auf allen staatlichen Ebenen
sichergestellt wird.

Berlin, den 31. Mai 2006

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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