BT-Drucksache 16/1552

Erkenntnisse der Bundesregierung zur Abschiebehaft

Vom 18. Mai 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/1552
16. Wahlperiode 18. 05. 2006

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Sevim Dagdelen, Jan Korte, Kersten Naumann
und der Fraktion DIE LINKE.

Erkenntnisse der Bundesregierung zur Abschiebehaft

Im Rahmen der Umsetzung von EU-Richtlinien in Asyl- und Aufenthaltsrecht
sollen weitere Tatbestände geschaffen werden, nach denen Ausländerinnen und
Ausländer in Haft genommen werden können oder sollen, um die Beendigung
ihres Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland durchzusetzen bzw. behör-
denseitig zu erleichtern. Im Rahmen dieser Neugestaltung in diesem Bereich des
Aufenthaltsrechts sieht ein Referentenentwurf der Bundesregierung zur Umset-
zung genannter EU-Richtlinien vor, dass die Abschiebehaft auch ohne richter-
liche Prüfung angeordnet werden kann.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie viele Personen befanden sich zum Stichtag 31. Dezember 2005 in Ab-
schiebehaft (bitte auflisten nach Bundesländern, Geschlecht und Altersgrup-
pen in folgender Gliederung: bis 16 Jahre, 16 bis 18 Jahre, 18 bis 59 Jahre,
60 Jahre und älter)?

2. Auf welcher Rechtsgrundlage wurde die richterliche Haftanordnung getrof-
fen (bitte differenzieren nach § 62 Abs. 1, § 62 Abs. 2 Satz 1 und § 62 Abs. 2
Satz 2 AufenthG (entspr. § 57 AuslG alt), und wie vielen Haftanträgen wurde
entsprochen bzw. nicht entsprochen?

3. An welchen Orten befinden sich nach Kenntnis der Bundesregierung derzeit
in der Bundesrepublik Deutschland ausreisepflichtige Personen

a) in Einrichtungen, die allein zur Durchführung der Abschiebehaft genutzt
werden,

b) in Justizvollzugsanstalten, die auch zur Durchführung der Abschiebehaft
genutzt werden,

c) in Ausreiseeinrichtungen nach § 61 Abs. 2 und ähnlichen Einrichtungen?

4. Was ist in den Ländern jeweils die Rechtsgrundlage (Verwaltungsvorschrif-
ten etc.) für die Durchführung der Abschiebehaft oder anderer Maßnahmen
mit dem Ziel, den Aufenthalt von Ausländern zu beenden bzw. sie zu einer
freiwilligen Ausreise zu bewegen?

Drucksache 16/1552 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

5. Wie lange befanden sich nach Kenntnis der Bundesregierung wie viele Per-
sonen in Abschiebehaft, deren Abschiebehaft in 2005 endete,

a) bis zu zwei Wochen,

b) bis zu sechs Wochen,

c) bis zu 12 Wochen,

d) bis zu sechs Monate,

e) bis zu 12 Monate,

f) bis zu 18 Monate,

g) länger als 18 Monaten?

6. Der Aufenthalt in Abschiebehaft von wie vielen Abschiebehäftlingen ende-
te nach Erkenntnissen der Bundesregierung

a) durch eine Abschiebung/Ausreise,

b) durch andere Gründe, wie der rechtlichen oder tatsächlichen Unmöglich-
keit der Abschiebung, Haftunfähigkeit, Entlassung zur Durchführung
eines Asylverfahrens, Änderung des Sachverhalts (z. B. durch Heirat),
auf richterliche Anordnung, Erlass eines Abschiebestopps (bitte nach
Entlassungsgründen, Jahren und Bundesländern auflisten)?

7. Wie vielen Abschiebungen ging nach Erkenntnissen der Bundesregierung in
den Jahren 2001 bis 2005 Abschiebehaft voraus, und wie viele Abschiebun-
gen erfolgten umgekehrt ohne vorherige Abschiebehaft (bitte nach Jahren
und Bundesländern auflisten)?

8. Wie hoch war nach Erkenntnissen der Bundesregierung 2001 bis 2005 der
Anteil derjenigen, die wegen Undurchführbarkeit der Abschiebung aus der
Abschiebehaft entlassen wurden (bitte nach Jahren und Bundesländern auf-
listen)?

9. Welche Beträge wurden im Schnitt 2001 bis 2005 von Abschiebehäftlingen
zur Begleichung der Kosten für die Abschiebehaft einbehalten (bitte nach
Bundesländern auflisten)?

10. Wie hoch war nach Erkenntnissen der Bundesregierung der Anteil derjeni-
gen Abschiebehäftlinge, die zur Durchsetzung einer Ausweisung infolge ei-
ner Straftat nach Verbüßung einer Haftstrafe in Abschiebehaft genommen
wurden?

11. Welche Betreuungsmöglichkeiten stehen Schwangeren und Müttern oder
Vätern mit Kleinkindern in Abschiebeeinrichtungen zur Verfügung?

12. Welche Betreuungsmöglichkeiten stehen für unbegleitete Minderjährige in
Abschiebeeinrichtungen zur Verfügung?

13. In welchen Abschiebegefängnissen und Ausreiseeinrichtungen steht den
Insassen Rechtsberatung zur Verfügung, und wie wird diese finanziert (bei
fehlenden statistischen Angabe bitten wir um substanzielle Einschätzung)?

14. Wie viele Fälle von Suizid, Suizidversuchen, Selbstverletzung, Verweige-
rung der Nahrungsaufnahme gab es in den Jahren 2001 bis 2005?

15. Wie viele Personen kamen in den Jahren 2001 bis 2005 durch Fremdeinwir-
kung in der Abschiebehaft zu Schaden (bitte aufgliedern nach Geschlecht
und Einwirkung durch Mithäftlinge und Aufsichtspersonal)?

16. Zu welchen Verletzungen kam es dabei, und wie verteilen sich diese auf die
Abschiebehaftanstalten?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/1552

17. In welchen Abschiebehaftanstalten und Ausreisezentren werden nach
Kenntnis der Bundesregierung einzelne Aufgaben oder der Betrieb dieser
Einrichtungen überhaupt durch private Unternehmen wahrgenommen?

18. Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse darüber vor, wie weit sich Haft-
bzw. Lebensbedingungen der Personen in diesen teils oder ganz privat be-
triebenen Einrichtungen von denen rein von öffentlicher Hand betriebenen
Einrichtungen unterscheiden, z. B. betreffend die Versorgung mit Lebens-
mitteln, psycho-soziale Betreuung, Sicherheit der Bewohnerinnen und Be-
wohner?

Berlin, den 16. Mai 2006

Ulla Jelpke
Sevim Dagdelen
Jan Korte
Kersten Naumann
Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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