BT-Drucksache 16/1550

Hermes-Bürgschaften für Rüstungsexportgeschäfte

Vom 18. Mai 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/1550
16. Wahlperiode 18. 05. 2006

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Paul Schäfer (Köln), Heike Hänsel, Katrin Kunert, Ulla Lötzer,
Dr. Kirsten Tackmann und der Fraktion DIE LINKE.

Hermes-Bürgschaften für Rüstungsexportgeschäfte

Zur Förderung des Außenhandels durch die Bundesregierung gehört auch die
Vergabe so genannter Hermes-Bürgschaften zur Absicherung von Auslandge-
schäften deutscher Unternehmen gegen politische und volkswirtschaftliche Ri-
siken. Im Laufe der Zeit wurde das Spektrum für die Inanspruchnahme staat-
licher Exportgarantien stetig ausgeweitet. Die Unterstützung beschränkt sich
heute nicht mehr auf die Absicherung eines Geschäfts ab Versand bzw. Liefe-
rung (Ausfuhrdeckung). Inzwischen besteht auch die Möglichkeit einer staat-
lichen Garantie für die Herstellungskosten der Lieferung (Fabrikationsrisiko-
abdeckung), weil die Gefahr bestehen könnte, dass der Kunde die Ware nicht
abnehmen kann. Hinzu kommt als drittes Instrument die Absicherung des
Finanzkreditrisikos.

Die Bundesregierung hat in der Vergangenheit wiederholt Hermes Bürgschaften
zur Förderung von Rüstungsexportgeschäften genehmigt. Mit der verfügbaren
Bandbreite an Exportunterstützung sichert die Bundesregierung nicht nur die
politischen und wirtschaftlichen Risiken bereits laufender Rüstungsgeschäfte
ab. Solche Ausfuhrgewährleistungen sind oft Voraussetzung dafür, dass deut-
sche Firmen bei Ausschreibungen den Zuschlag erhalten.

Hermes-Bürgschaften können der Absicherung von Großgeschäften dienen, wie
z. B. der Lieferung kompletter Waffensysteme, oder aber dem Aufbau von Rüs-
tungsproduktionskapazitäten vor Ort. Damit werden also nicht nur die Geschäfte
der deutschen Rüstungsindustrie unterstützt, sondern auch der Ausbau staatli-
cher Gewaltapparate und der Rüstungsindustrie im Empfängerland.

Es stellt sich die Frage, ob Exportbürgschaften unter diesen Bedingungen nicht
im Widerspruch zu den seit 2000 gültigen „Politischen Grundsätzen der Bun-
desregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstiger Rüstungsgüter“
stehen. Darin hat sich die Bundesregierung u. a. in der Präambel verpflichtet,
mit Hilfe einer restriktiven Rüstungsexportpolitik einen Beitrag zur Sicherung
der nachhaltigen Entwicklung in der Welt zu leisten. Bei der Entscheidung über
die Genehmigung des Exports von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern
soll auch berücksichtigt werden, ob die nachhaltige Entwicklung des Empfän-
gerlandes durch unverhältnismäßige Rüstungsausgaben ernsthaft beeinträchtigt

wird (Politische Grundsätze, Punkt III.6). Exportgenehmigungen für Rüstungs-
güter sollen auch nicht erteilt werden, wenn die innere Lage des betreffenden
Landes dem entgegensteht (Politische Grundsätze, Punkt III.4).

Durch die Gewährung von Bürgschaften jedoch fördert die Bundesregierung ge-
rade den Technologietransfer und die Proliferation von Rüstungsgüter an Staa-
ten, in denen private Kreditinstitute und auch der Exporteur ein zu hohes poli-

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tisches oder wirtschaftliches Risiko vermuten – also in Fällen, wo weder ein
nachhaltiges Wirtschaften im Käuferstaat erwartet noch ein überraschender
Machtwechsel durch gesellschaftliche Unruhen ausgeschlossen werden kann.
Die Beantragung wie auch die Genehmigung von solchen Bürgschaften ist ein
Indikator dafür, dass der Empfängerstaat ökonomisch nicht kräftig genug und
politisch nicht stabil genug ist, um Rüstungsgüter zu kaufen bzw. die politische
Stabilität für die Dauer des Rüstungsgeschäfts zu gewährleisten.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie viele Hermes-Bürgschaften für Rüstungsexportgeschäfte wurden seit
1990 genehmigt (bitte aufgeschlüsselt nach Jahr, Geldwert, Empfängerland
und Laufzeit der Bürgschaft bzw. des Kredits)?

2. Welchen Wertanteil hatten Hermes-Bürgschaften für Rüstungsexportge-
schäfte am jährlichen Gesamtwert neuer gewährter Hermes-Bürgschaften
(bitte nach Jahren und nach Art der Garantie aufgeschlüsselt angeben)?

3. Welchen Wertanteil hatten die mittels Hermes-Bürgschaften abgesicherten
Rüstungsexportgeschäfte an den jeweils jährlich neu gewährten mittel- und
langfristigen Exportbürgschaften bzw. Kreditgarantien?

4. Wie viele der in Frage 1 angeführten Exportbürgschaften wurden von den
deutschen Unternehmen tatsächlich in Anspruch genommen?

5. In wie vielen Fällen und in welcher Höhe musste der Bund tatsächlich im
Rahmen von Hermes-Krediten für finanzielle Ausfälle bzw. Schadensfällen
bei Rüstungsexportgeschäften haften?

6. Können Hermes-Bürgschaften prinzipiell für Rüstungsexportgeschäfte
nach Griechenland, Israel, Südafrika, Südkorea und der Türkei beantragt
und genehmigt werden?

Wenn ja, warum?

7. In welcher Höhe wurden seit 1990 Hermes-Kreditgarantien Griechenland,
Indonesien, Israel, Südafrika, Südkorea und der Türkei zur Verfügung ge-
stellt und welchen Anteil daran hatten Rüstungsexportgeschäfte (bitte nach
Staaten aufschlüsseln)?

8. Wie viele Hermes-Kreditgarantien wurden seit 1990 für den Export von
U- Booten gewährt und mit welchem Gesamtwert?

9. Wie viele Hermes-Kreditgarantien wurden seit 1990 für den Export von mi-
litärischen Flugkörpern (Flugzeuge, Hubschrauber, Raketen) gewährt und
mit welchem Gesamtwert?

10. Wie viele Hermes-Kreditgarantien wurden für Exportvorhaben gewährt, die
im Rahmen von Offset-Geschäften bei Rüstungsexportvorhaben vereinbart
wurden?

11. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass der Steuerzahler einen
Anspruch darauf hat zu erfahren, für welche Geschäfte Exportbürgschaften
gewährt werden, und wie kommt die Bundesregierung diesem Anspruch in
Bezug auf Bürgschaften für Rüstungsexportgeschäfte nach?

12. Wie begründet die Bundesregierung, dass sich die aktive Exportförderung
für rüstungsrelevante Güter mittels staatlicher Bürgschaften mit den Vor-
gaben der „Politischen Grundsätzen der Bundesregierung zum Export von
Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern“ verträgt.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/1550

13. Welche der folgenden Maßnahmen wird die Bundesregierung in dieser
Legislaturperiode unternehmen (und wenn nicht, warum nicht) zur

a) transparenteren Gestaltung der Entscheidungsverfahren und Entschei-
dungen über die Vergabe von Hermes-Bürgschaften,

b) Pflicht, dass Zustimmung des Bundessicherheitsrates zu einem Rüstungs-
exportgeschäft vorliegen muss bevor eine staatliche Bürgschaft gewährt
wird,

c) Anwendung der innerhalb der EU erarbeiteten Kriterien der nachhaltigen
Entwicklung bei der Überprüfung der Vereinbarkeit der Bürgschaften
mit den Politischen Grundsätzen der Bundesregierung,

d) Beschränkung von Hermes-Bürgschaften für Rüstungsvorhaben auf die
in der OECD vereinbarte maximale Laufzeit von insgesamt 10 Jahren.

14. Vertritt die Bundesregierung die Auffassung, dass ihre Vergabepraxis bei
Hermes-Bürgschaften im Einklang mit den OECD-Richtlinien für Export-
kredite ist?

15. Wird sich die Bundesregierung bei der anstehenden Überarbeitung der
OECD-Richtlinien für die Vergabe von Exportkrediten für ein grundsätz-
liches Verbot der staatlichen Absicherung von Rüstungsexporten durch
Exportkreditgarantien einsetzen?

Wenn ja, wie?

Wenn nicht, warum nicht?

16. Welche Ausschlusskriterien für die Absicherung von Rüstungsexporten
durch staatliche Bürgschaften sollten nach Auffassung der Bundesregierung
von der OECD übernommen werden?

Berlin, den 17. Mai 2006

Paul Schäfer (Köln)
Heike Hänsel
Katrin Kunert
Ulla Lötzer
Dr. Kirsten Tackmann
Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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