BT-Drucksache 16/14161

Tagung der Parlamentarischen Versammlung des Europarates vom 27. bis 30. April 2009 in Straßburg

Vom 23. Oktober 2009


sischen Föderation . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4

III.5 Jahresbericht des Kommissars des Euro-
päischen Rates für Menschenrechte,
Thomas Hammarberg . . . . . . . . . . . . . . . . 4

III.6 Bericht des Ministerkomitees an die
Parlamentarische Versammlung . . . . . . . . 5

III.7 Fortschrittsbericht des Präsidiums der
Parlamentarischen Versammlung und
des Ständigen Ausschusses . . . . . . . . . . . . 5

IV Weitere Themen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5

V Entschließungen und Empfehlungen . . 8

Abgeordneter Holger Haibach (CDU/CSU)
Abgeordneter Gerd Höfer (SPD)
Abgeordneter Dr. Hakki Keskin (DIE LINKE.)
Abgeordneter Harald Leibrecht (FDP)
Abgeordnete Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP)
Abgeordneter Eduard Lintner (CDU/CSU)
Abgeordneter Johannes Pflug (SPD)
Abgeordnete Marlene Rupprecht (SPD)
Abgeordneter Ingo Schmitt (CDU/CSU)
Abgeordneter Rainder Steenblock (BÜNDNIS 90/DIE
Deutscher Bundestag Drucksache 16/14161
16. Wahlperiode 23. 10. 2009

Unterrichtung
durch die Delegation der Bundesrepublik Deutschland in der Parlamentarischen
Versammlung des Europarates

Tagung der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
vom 27. bis 30. April 2009 in Straßburg

I n h a l t s v e r z e i c h n i s

Seite

I Teilnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1

II Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2

III Schwerpunkte der Beratungen . . . . . . . 2

III.1 Dringlichkeitsdebatte zum Verfahren
zur Wahl des Generalsekretärs . . . . . . . . . 2

III.2 Dringlichkeitsdebatte zum Funktionie-
ren der demokratischen Institutionen
in der Republik Moldau . . . . . . . . . . . . . . 3

III.3 Dringlichkeitsdebatte zum Protokoll
Nr. 14bis zur Konvention zum Schutz
der Menschenrechte und Grundfreiheiten . 3

III.4 Gemeinsame Debatte zum Konflikt
zwischen Georgien und der Rus-

I Teilnehmer

An der zweiten Teilsitzung der Parlamentarischen Ver-
sammlung des Europarates (ER PV) im Jahr 2009 vom
27. bis 30. April in Straßburg nahmen die folgenden Mit-
glieder der deutschen Delegation teil1:
Abgeordneter Joachim Hörster (CDU/CSU), Leiter der
Delegation,
Abgeordneter Dr. Wolfgang Wodarg (SPD), stellvertre-
tender Leiter der Delegation,
Abgeordneter Ulrich Adam (CDU/CSU)
Abgeordneter Kurt Bodewig (SPD)
Abgeordnete Dr. Herta Däubler-Gmelin (SPD)
Abgeordneter Hubert Deittert (CDU/CSU)
Abgeordneter Detlef Dzembritzki (SPD)
Abgeordneter Herbert Frankenhauser (CDU/CSU)
Abgeordneter Axel Fischer (CDU/CSU)
VI Reden deutscher Delegationsmitglieder 52

VII Ausgewählte weitere Reden . . . . . . . . . . 73

VIII Mitgliedsländer des Europarates . . . . . 82

IX Funktionsträger der Parlamentari-
schen Versammlung des Europarates 83

GRÜNEN)
Abgeordneter Christoph Strässer (SPD)

1 Mitglieder der deutschen Delegation in der ER PV werden im Fol-
genden als Abgeordnete beziehungsweise Abgeordneter, Mitglieder
anderer Delegationen in der ER PV als Delegierte beziehungsweise
Delegierter bezeichnet.

Drucksache 16/14161 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

II Einführung

Dem Europarat als ältester gesamteuropäischer Organisa-
tion, die sich das Ziel gesetzt hat, die Menschenrechte
und die parlamentarische Demokratie zu schützen, gehö-
ren derzeit 47 Mitgliedstaaten an. Die Parlamentarische
Versammlung ist ein Organ des Europarates. Weitere Or-
gane des Europarates sind unter anderem das Ministerko-
mitee, der Kongress der Gemeinden und Regionen, der
Europäische Gerichtshof für Menschenrechte und der
Kommissar für Menschenrechte. Dem Ministerkomitee
gehören die Außenminister der Mitgliedstaaten an.

Die Parlamente der Mitgliedstaaten des Europarates ent-
senden insgesamt 318 Abgeordnete in die ER PV. Die
deutsche Delegation besteht aus 18 Mitgliedern des Deut-
schen Bundestages. Israel, Kanada und Mexiko verfügen
über einen Beobachterstatus in der ER PV. Weiterhin kön-
nen der Heilige Stuhl, die Vereinigten Staaten von Ame-
rika sowie Japan, die beim Europarat einen Beobachter-
status innehaben, mit Beobachtern an den Sitzungen der
ER PV teilnehmen. Der Sondergaststatus des Parlaments
von Belarus ist im Jahr 1997 ausgesetzt worden.

Auf der Grundlage von Berichten, die von den Mitglie-
dern der nationalen Delegationen in der ER PV erarbeitet
und in den Ausschüssen zuvor beraten werden, diskutiert
und beschließt die ER PV Handlungsrichtlinien für die
Parlamente der Mitgliedstaaten in Form von Entschlie-
ßungen oder Stellungnahmen. Weiterhin gibt die ER PV
zu unterschiedlichen Politikfeldern Empfehlungen an das
Ministerkomitee ab. Für die Annahme einer Empfehlung
ist eine Zweidrittelmehrheit der abgegebenen Stimmen
erforderlich.

Die Mitglieder der ER PV sind nicht nur in nationalen
Delegationen, sondern auch in politischen Gruppen orga-
nisiert. Derzeit gibt es in der ER PV die folgenden politi-
schen Gruppen: die Sozialistische Gruppe (SOC), die
Gruppe der Europäischen Volkspartei (EPP/CD), die
Gruppe der Europäischen Demokraten (EDG), die
Gruppe der Liberalen, Demokraten und Reformer
(ALDE) und die Gruppe der Vereinigten Europäischen
Linken (UEL).

In Mittelpunkt der Beratungen stand in der zweiten Teil-
sitzung der ER PV der Jahresbericht über die humanitären
Folgen des Krieges zwischen Georgien und der Russi-
schen Föderation und die Debatte über das Verfahren zur
Wahl des Generalsekretärs des Europarates.

In der Plenarsitzung gab der Leiter der deutschen Delega-
tion, Abgeordneter Joachim Hörster, den Zwischenbe-
richt des Präsidiums der Versammlung und des Ständigen
Ausschusses. Der Abgeordnete Holger Haibach stellte
für den Ausschuss für Recht und Menschenrechte einen
Bericht zur Lage der Menschenrechtsverteidiger in den
Mitgliedstaaten des Europarates und einen weiteren Be-
richt zum Schutz der Menschenrechte in Notfallsituatio-
nen vor.

Es sprachen zur Versammlung die Präsidentin von Finn-

Der spanische Außenminister und Vorsitzende des Minis-
terkomitees, Miguel Angel Moratinos, trug den Bericht
des Ministerkomitees an die Versammlung vor. Er zog ein
Fazit über die Zeit des spanischen Vorsitzes, die mit der
nächsten Sitzung des Ministerkomitees in Madrid am
12. Mai 2009 zu Ende gehen werde und bedankte sich bei
der Parlamentarischen Versammlung für die ausgezeich-
nete Zusammenarbeit.

Die ER PV entschied, dass mit dem diesjährigen Men-
schenrechtspreis des Europarates die irische Nichtregie-
rungsorganisation British Irish Rights Watch ausgezeich-
net werden solle. Geehrt werde damit deren mutiger und
aufrechter Einsatz gegen die Missachtung von Menschen-
rechten und für den Friedensprozess in Nordirland.

Zu einem der 20 Vizepräsidenten der ER PV wurde der
Delegierte Christos Pourgourides (Zypern) gewählt.

Anlässlich des 60. Jahrestages der Gründung des Europa-
rates fand am 27. April 2009 eine kurze Feier im Rahmen
der Plenarsitzung statt. Der Präsident der Parlamentari-
schen Versammlung, Luís Maria de Puig, erinnerte da-
ran, dass die Gründer des Europarates vor sechzig Jahren
gewagt hätten, an die Stelle des Albtraums von Terror und
Krieg den Traum vom vereinten Europa zu setzen. Das
Fortbestehen des Europarates könne als Beweis dafür ge-
wertet werden, dass Demokratie, Menschenrechte und
Rechtsstaatlichkeit die tragenden Säulen jeder um ihre
Mitbürger bemühten Gesellschaft darstellten. Diese
Werte seien starke aber auch verwundbare Werte und des-
wegen bestehe auch in Zukunft die Hauptaufgabe des Eu-
roparates darin, sie zu schützen.

Die deutsche Delegation traf sich im Rahmen der zweiten
Teilsitzung der ER PV zu bilateralen Gesprächen mit der
spanischen und der georgischen Delegation.

Die von der Versammlung beschlossenen Entschließun-
gen und Empfehlungen sind im Anhang im Wortlaut ab-
gedruckt. Weitere Informationen zu der zweiten Teilsit-
zungswoche 2009 finden sich unter http://www.coe.int/t/
d/Parlamentarische_Versammlung/ und hier weiter unter:
„Sitzungen/2009/ Frühjahrssitzung“.

III Schwerpunkte der Beratungen

III.1 Dringlichkeitsdebatte: Das Verfahren zur
Wahl des Generalsekretärs

(Entschließung 1665)

Der Bericht wurde durch den Vorsitzenden des Ausschus-
ses für Geschäftsordnung und Immunitäten, den Delgier-
ten John Greenway (Vereinigtes Königreich – EDG)
vorgestellt.

Gemäß Kapitel IV, § 36b des Satzung des Europarates
wählt die ER PV auf der Grundlage einer Vorschlagsliste,
die von dem Ministerkomitee des Europarates vorgelegt
wird, den Generalsekretär des Europarates. Für die anste-
hende Neuwahl des Generalsekretärs waren von nationa-
land, Tarja Halonen und der Ministerpräsident von Spa-
nien, José Luis Rodríguez Zapatero.

len Regierungen vier Kandidaten vorgeschlagen worden.
Es handelte sich um Luc Van den Brande (Belgien),

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/14161

Wlodzimierz Cimoszewicz (Polen), Mátyás Eörsi (Un-
garn) und Thorbjørn Jagland (Norwegen).
Während dieser Teilsitzungswoche stellten sich die Kan-
didaten Thorbjørn Jagland und Wlodzimierz Cimoszewicz
der deutschen Delegation vor.

Bei dem Treffen der Ständigen Vertreter der Außenminis-
ter der Mitgliedstaaten (Ständige Vertreter) am 23. April
2009 hatten diese nur den früheren polnischen Minister-
präsidenten Wlodzimierz Cimoszewicz und den früheren
norwegischen Ministerpräsidenten Thorbjørn Jagland in
die Vorschlagsliste, die auf der Sitzung des Ministerkomi-
tees am 12. Mai 2009 verabschiedet werden sollte, aufge-
nommen.

Der Berichterstatter John Greenway erläuterte die Ver-
fahrensweise zur Wahl des Generalsekretärs. Bisher sei es
üblich gewesen, dass jeweils die Liste aller Kandidaten,
die von Regierungen von Mitgliedstaaten vorgeschlagen
worden waren, von dem Ministerkomitee zur Entschei-
dung an die ER PV weitergeleitet worden seien. Vor die-
sem Hintergrund stelle eine Liste, die nur zwei der beste-
henden Vorschläge berücksichtige, ein Novum dar. Er
unterstrich, dass eine Abstimmung zwischen dem Minis-
terkomitee und der ER PV in einem nicht ausreichenden
Maße stattgefunden habe.

In der bei einigen Gegenstimmen verabschiedeten Ent-
schließung fordert die ER PV das Ministerkomitee auf,
die Vorschlagsliste um die beiden nicht aufgenommenen
Bewerber zu ergänzen. Weiterhin fordert die ER PV die
Mitgliedstaaten auf, bei zukünftigen Wahlen auch Bewer-
bungen von Frauen einzureichen. Dem Ausschuss für Ge-
schäftsordnung und Immunitäten erteilt sie den Auftrag,
Änderungsvorschläge zu den Bestimmungen zur Wahl
der leitenden Beamten des Europarates zu erarbeiten.

III.2 Dringlichkeitsdebatte: Das Funktionieren
der demokratischen Institutionen in der
Republik Moldau

(Entschließung 1666)

Berichterstatter des Ausschusses für die Einhaltung der
von den Mitgliedstaaten des Europarates eingegangenen
Pflichten und Verpflichtungen (Monitoringausschuss)
waren die Delegierten Josette Durrieu (Frankreich – SOC)
und Egidijus Vareikis (Litauen – EPP/CD).
Die Delegierte Josette Durieu berichtete, dass es bei den
Wahlen in der Republik Moldau zu erheblichen verfah-
renstechnischen Mängeln gekommen sei, die dort schon
aus früheren Wahlen bekannt seien. Die Informationspoli-
tik der Regierung sei vollkommen unzureichend gewe-
sen. Nach der Wahl sei lediglich bekanntgegeben worden,
dass die Opposition verloren und die Regierungspartei
ausreichend Sitze erhalten habe.

Der Delegierte Egidijus Vareikis ergänzte, dass die Lage
am Wahltag trotz spürbarer Unruhe noch ruhig geblieben
sei. Am zweiten Tag nach der Wahl hätten die Unruhen
unter Beteiligung vieler junger Menschen begonnen, in

In der anschließenden Debatte wurde kritisiert, dass es zu
massivem Wahlbetrug gekommen sei. So seien sogar Ver-
storbene in Wahllisten aufgenommen worden und in eini-
gen Wahllokalen seien mehr Stimmen gezählt worden, als
zuvor registriert gewesen seien.

In der bei wenigen Gegenstimmen und Enthaltungen be-
schlossenen Entschließung wird betont, dass sowohl das
brutale Vorgehen der Polizei gegen Demonstranten, als
auch die gewalttätigen Angriffe auf öffentliche Gebäude
und die damit verbundene Gefährdung der sich darin be-
findenden Menschen zu verurteilen sei. Die Republik
Moldau wird aufgefordert, die in der bereits im Jahr 2007
verabschiedeten Entschließung enthaltenen Empfehlun-
gen zur Situation in der Republik Moldau vollständig um-
zusetzen. Die Reform des Wahlrechts müsse in Zusam-
menarbeit mit der Europäischen Kommission für
Demokratie durch Recht (Venedig-Kommission) wieder-
aufgenommen werden. Der Monitoringausschuss wird
beauftragt einen neuen Bericht in einem Jahr vorzulegen.

III.3 Dringlichkeitsdebatte: Protokoll Nr. 14bis
zur Konvention zum Schutz der Menschen-
rechte und Grundfreiheiten

(Stellungnahme 271)

Berichterstatter für den Ausschuss für Recht und Men-
schenrechte war der Delegierte Klaas de Vries (Nieder-
lande – SOC). Er erläuterte, dass das Zusatzprotokoll
Nr. 14bis zur Konvention zum Schutz der Menschen-
rechte und Grundfreiheiten (Protokoll Nr. 14bis) eine
Zwischenlösung darstelle und entfallen könne, sobald das
Zusatzprotokoll Nr. 14 zur Konvention zum Schutz der
Menschenrechte und Grundfreiheiten (Protokoll Nr. 14)
ratifiziert worden sei.

Der Abgeordnete Holger Haibach betonte die Einzigar-
tigkeit des Europäischen Gerichtshofs für Menschen-
rechte (EGMR), da er eines der wenigen Organe auf in-
ternationaler Ebene sei, an das sich auch Einzelpersonen
wenden könnten, die Klage führen, Opfer einer Men-
schenrechtsverletzung in ihrem Land geworden zu sein.
Er schloss die Frage an, ob die hohe Frequentierung des
Gerichtshofes nicht auch als Zeichen zu werten sei, dass
die Rechtssysteme in den Mitgliedstaaten nicht so funk-
tionierten wie sie funktionieren sollten. Auch unterstützte
er einen Änderungsantrag, in dem die russische Staats-
duma aufgefordert wurde, den Weg für die Ratifizierung
endlich freizumachen.

Sowohl der Änderungsantrag wie auch die Stellung-
nahme 271 insgesamt wurden einstimmig angenommen.

In der Stellungnahme begrüßt die Versammlung, dass das
Protokoll Nr. 14bis zwei der in Protokoll Nr. 14 vorgese-
henen Verfahrensmaßnahmen zur rascheren Behandlung
der Beschwerden durch den EGMR enthalte. Das Proto-
koll Nr. 14bis ermögliche Einzelrichtern, offenkundig un-
zulässige Anträge abzuweisen und erweitere die Zustän-
digkeiten der aus drei Richtern bestehenden Ausschüsse
um einige Verfahren, die bisher durch sieben Richter zu
deren Verlauf auch das Parlamentsgebäude in der Haupt-
stadt Chişinău niedergebrannt sei.

entscheiden gewesen seien. Das Protokoll Nr. 14bis
müsse nicht von allen Mitgliedstaaten ratifiziert werden.

Drucksache 16/14161 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Da es sofort für jene Staaten in Kraft trete, die es unter-
zeichneten, könne es bei allen Verfahren, die sich gegen
diese Staaten richten, angewendet werden. Damit sei es
kurzfristig geeignet, der enormen Überlastung des EGMR
entgegenzuwirken.

III.4 Verbundene Debatte zum Konflikt
zwischen Georgien und der
Russischen Föderation

Im Vorfeld der Debatte war die deutsche Delegation zu
einem bilateralen Gespräch mit der georgischen Delega-
tion zusammen getroffen. Mitglieder der georgischen De-
legation hatten darin betont, dass die russische Föderation
weiterhin die territoriale Integrität Georgiens und die mit
dem Konflikt im Zusammenhang stehenden Entschlie-
ßungen und Empfehlungen der ER PV nicht achteten.

Der Präsident der Parlamentarischen Versammlung, Lluís
Maria de Puig, hatte bereits in seiner Eröffnungsrede der
zweiten Teilsitzung der ER PV darauf hingewiesen, dass
die Folgen des Konflikts zwischen Georgien und der Rus-
sischen Föderation zum dritten Mal in Folge auf der Ta-
gesordnung einer Sitzung der ER PV stünden und sich
daran zeige, wie langsam und mühsam es sei, Fortschritte
zu erzielen.

a Umsetzung der Entschließung 1647 (2009)
durch Georgien und die Russische
Föderation

b Die humanitären Folgen des Krieges
zwischen Georgien und der Russischen
Föderation: Umsetzung der
Entschließung 1648 (2009)

(Entschließung 1664 und Empfehlung 1869)

Auf der Grundlage der Entschließung 1633 (2008) zu den
Folgen des Krieges zwischen Georgien und der Russi-
schen Föderation wurden in zwei Berichten die aktuellen
Entwicklungen dargestellt. Berichterstatter des Monito-
ringausschusses für die Umsetzung der Entschließung
1647 (2009) durch Georgien und die Russische Födera-
tion waren die Delegierten Luc Van den Brande (Bel-
gien – EPP/CD) und Mátyás Eörsi (Ungarn – ALDE).

Für den Ausschuss für Wanderbewegungen, Flüchtlings-
und Bevölkerungsfragen stellte die Delegierte Corien
Jonker (Niederlande – EPP/CD) ihren Bericht zu den hu-
manitären Folgen des Krieges zwischen Georgien und
Russland: Umsetzung der Entschließung 1648 (2009) dar.

Die beiden Berichterstatter des Monitoringausschusses
hoben hervor, dass die Besetzung und Anerkennung der
abgespalteten Republiken Südossetien und Abchasien
durch Russland inakzeptabel sei. Russland habe seine Po-
sition bisher nicht verändert und es seien daher keine
Fortschritte zu verzeichnen. Sie riefen dazu auf, sämtliche
früheren Beschlüsse der ER PV erneut zu bekräftigen.

Zu den humanitären Folgen betonte die Berichterstatterin,
man müsse erkennen, dass der Krieg zwischen Georgien
und Russland im vergangenen Jahr kein isoliertes Ereig-
nis gewesen sei, sondern eine Eskalation, die sich lang-
sam entwickelt habe. Sie informierte über ihren Besuch in
Südossetien. In dessen Verlauf habe sie festgestellt, dass
es innerhalb der Bevölkerung ein tiefes Misstrauen ge-
genüber der internationalen und der Europäischen Ge-
meinschaft und eine große Furcht vor einer erneuten
Eskalation des Konflikts gebe. Sie plädierte für vertrau-
ensbildende Maßnahmen auf allen Seiten, ohne die ihrer
Meinung nach keinerlei positive Veränderungen möglich
seien. Für die Georgier, Osseten, Abchasen und Russen
müsse eine akzeptable Lösung gefunden werden.

Der Abgeordnete Dr. Hakki Keskin lenkte die Aufmerk-
samkeit auf den verheerenden Einsatz der Streubomben
auf beiden Seiten und regte an, dass der Europarat sich
für das Verbot der Produktion und Anwendung einsetzen
solle.

Der Abgeordnete Eduard Lintner wies in seinem Bei-
trag auf die unschuldigen Opfer unter der Zivilbevöl-
kerung hin und trat dafür ein, dass die ER PV sich unge-
löster Konflikte frühzeitig annehme. In diesem
Zusammenhang erinnerte er an die ungelösten Konflikte
um Nagorno-Karabach.

In der mit großer Mehrheit bei einigen Enthaltungen an-
genommen Entschließung und Empfehlung wird betont,
dass im Georgien-Russland-Krieg im Jahr 2008 auf allen
Seiten schwere Menschenrechtsverletzungen begangen
wurden und dieser Krieg auf georgischer wie auf südosse-
tischer Seite schreckliche humanitäre Folgen nach sich
gezogen habe. So sei die Zahl wegen ihrer ethnischen Zu-
gehörigkeit Vertriebener insbesondere auf georgischer
Seite noch sehr hoch. Eine sichere Rückkehr der Vertrie-
benen sei eine der wichtigsten Voraussetzungen für eine
friedliche Entwicklung der gesamten Region. Weiterhin
müsse ein besonderes Augenmerk auf die Wiederherstel-
lung der Infrastruktur gerichtet werden. Die Parlamentari-
sche Versammlung beschloss, den Dialog mit den Kon-
fliktparteien weiter zu intensivieren und forderte die
internationale Gemeinschaft auf, weiterhin in der Region
präsent zu sein. Auch müsse sichergestellt werden, dass
die Grenzen von Georgien zu Südossetien und Abchasien
geöffnet werden.

III.5 Jahresbericht des Kommissars des
Europarates für Menschenrechte

Der Kommissar des Europarates für Menschenrechte,
Thomas Hammerberg, berichtete, dass es während sei-
ner Amtszeit gelungen sei, zu jedem Mitgliedstaat des
Europarates einen Bewertungsbericht vorzulegen. Um
den Eindruck zu vermeiden, einzelne Mitgliedstaaten als
besonders problematisch zu stigmatisieren, würden
grundsätzlich alle Mitgliedstaaten besucht. Die in den Be-
wertungsberichten enthaltenen Verbesserungsvorschläge
dienten als Grundlage für einen Dialog und die bei den
Besuchen gewonnenen Erkenntnisse würden analysiert.
Auf eine erneute Entschließung solle aus diesem Grunde
verzichtet werden.

Zu Brennpunkten würden sogenannte Themenpapiere
veröffentlicht, so beispielsweise im letzten Jahr eines zu

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/14161

dem Problem der Gewalt gegenüber Kindern. Ein anderes
Themenpapier beschäftige sich mit den Rechten von kör-
perlich und geistig Behinderten.

III.6 Bericht des Ministerkomitees an die
Parlamentarische Versammlung

Der Bericht des Ministerkomitees an die Versammlung
wurde von dessen Vorsitzendem, dem spanischen Außen-
minister Miguel Angel Moratinos, vorgetragen. Er zog
ein Resümee für die Zeit des spanischen Vorsitzes, die
mit der Sitzung des Ministerkomitees am 12. Mai 2009
enden werde. Zu den großen Herausforderungen habe die
Wirtschafts- und Finanzkrise gehört, die zum Überdenken
der finanziellen und wirtschaftlichen Modelle weltweit
agierender Institutionen und der Weltordnungspolitik ge-
führt habe. Weiterhin habe das Erarbeiten des Zusatzpro-
tokoll 14bis und eine Reihe schwerer Konflikte in den
Mitgliedstaaten eine zentrale Rolle gespielt. Der Europa-
rat gehe gestärkt aus diesen Herausforderungen hervor.
Es sei gelungen, die demokratischen Prinzipien, die euro-
päische Identität und die Multilateralität voranzubringen.
Das Ministerkomitee habe sich durch die konstruktiven
Vorschläge der ER PV angespornt und unterstützt gefühlt.
Er betonte, dass für ihn bis zum Ende seiner Amtszeit die
Lösung des Problems der Überlastung des Europäischen
Gerichtshofes für Menschenrechte höchste Priorität habe.

III.7 Fortschrittsbericht des Präsidiums der
Parlamentarischen Versammlung und
des Ständigen Ausschusses

Im Auftrag des Präsidiums und des Ständigen Ausschus-
ses der Versammlung gab der Vizepräsident der Ver-
sammlung, Abgeordneter Joachim Hörster, den Bericht
über die Aktivitäten des Präsidiums und des Ständigen
Ausschusses. Er dankte allen Mitgliedern der Versamm-
lung, die an den Wahlbeobachtungen in der ehemaligen
jugoslawischen Republik Mazedonien, in Montenegro
und der Republik Moldau sowie an der Beobachtung des
Verfassungsreferendums in Aserbaidschan teilgenom-
men hätten. Um zukünftige Missionen effizient abzustim-
men, habe auch ein Gespräch mit dem Direktor für De-
mokratische Institutionen und Menschenrechte der
Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit, Bot-
schafter Janez Lenarcic, stattgefunden. Weiterhin hätten
Konsultationen mit dem Vizepräsidenten der Republik
Kasachstan, Alexander Sudin, stattgefunden, in denen
über Umsetzungen der Normen des Europarates gespro-
chen worden sei.

IV Weitere Themen

Zur Lage der Menschenrechtsverteidiger in den
Mitgliedstaaten des Europarates

(Entschließung 1660 und Empfehlung 1866)

Für den Ausschuss für Recht und Menschenrechte gab
Abgeordneter Holger Haibach einen Bericht zur Lage

schenrechten oft Opfer von Unterdrückung, Repression
bis hin zu Morden würden. Jeglicher Angriff auf ihre Per-
son und Arbeit sei aber untragbar und müsse auf das
strengste verurteilt werden. Sie verdienten bei ihrem
wichtigen Kampf gegen Menschenrechtsverletzungen
jegliche Unterstützung und Schutz, um ohne Furcht vor
einem Angriff auf ihre Person arbeiten zu können. Expli-
zit hob er die kritische Lage von Menschenrechtsverteidi-
gern in der Kaukasus-Region hervor.

Die Abgeordnete Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
betonte, dass der Bericht mit seinen zahlreichen Auffor-
derungen an die Parlamentarier auch eine Selbstverpflich-
tung sei. Sie erklärte weiter, dass ohne den unermüdli-
chen Einsatz von Menschenrechtsverteidigern viele der
Werte des Europarates, die in der Europäischen Men-
schenrechtskonvention festgeschrieben seien, überhaupt
nicht durchsetzbar wären. Andererseits seien Menschen-
rechtsverteidiger gerade wegen ihres wichtigen Engage-
ments immer wieder härtesten staatlichen Repressionen
ausgesetzt. In der Folge benötigten sie dann selber den
Schutz, den sie mit ihrer Tätigkeit eigentlich anderen ge-
ben wollten. Die Einführung sogenannter Notfallvisa, die
zum Schutz akut gefährdeter Menschenrechtsverteidiger
ausgestellt werden könnten, halte sie für sehr hilfreich.
Dieses Anliegen solle in die nationalen Parlamente mitge-
nommen und dort umgesetzt werden. Abschließend be-
richtete sie von dem unerschrockenen und mutigen Auf-
treten des russischen Menschenrechtverteidigers Lev
Ponomarev, der wenige Stunden nach einem vertrauli-
chen Gespräch mit ihr in Moskau überfallen und brutal
zusammengeschlagen worden sei.

Der Abgeordnete Dr. Hakki Keskin hob in seiner Rede
hervor, dass zu den Hauptaufgaben des Europarates die
drei Säulen Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit und De-
mokratie gehörten und dass die Menschenrechte univer-
selle und nicht teilbare Rechte seien. Er lenkte den Blick
auf die heutige Situation in der Türkei und legte dar, dass
sich der Eindruck verstärke, dass dort Menschen, die sich
seit Jahren für mehr Demokratie, Menschenrechte und
Rechtsstaatlichkeit engagierten, verleumdet und sogar in-
haftiert würden.

Der Abgeordnete Holger Haibach stellte fest, dass die
Frage sogenannter „responsibility to protect“ nicht nur
den Europarat, sondern auch die internationale Gemein-
schaft inzwischen seit Jahren und Jahrzehnten beschäf-
tige. Er erinnerte an die Worte von Bundeskanzlerin
Angela Merkel, die in ihrer Rede vor der Versammlung
gesagt habe, dass die Mitglieder der Parlamentarischen
Versammlung des Europarates nicht nur das Recht, son-
dern sogar die Pflicht zur Einmischung hätten, wenn es
um Menschenrechte gehe.

Die Abgeordnete Dr. Herta Däubler-Gmelin würdigte
in ihrer Rede nachdrücklich, dass dieser Bericht das
Herzstück der Menschenrechtspolitik des Europarates in
seiner Verantwortung für über 900 Millionen Menschen
behandelte. Der Bericht unterstreiche auch die gemein-
der Menschenrechtsverteidiger in den Mitgliedstaaten des
Europarates ab. Er stellte fest, dass Verteidiger von Men-

same Verantwortung jedes Delegierten des Europarates
und jedes Parlamentariers der Mitgliedstaaten.

Drucksache 16/14161 – 6 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

In der mit wenigen Gegenstimmen angenommenen Ent-
schließung und Empfehlung unterstrich die Versammlung
die besondere Verantwortung der Mitgliedstaaten des Eu-
roparates und besonders deren Parlamente gegenüber
Verteidigern von Menschenrechten. Aufgabe sei es, deren
Schutz und Arbeitsbedingungen laufend zu verbessern.
Die Parlamentarische Versammlung sollte sich in enger
Zusammenarbeit mit dem Menschenrechtskommissar mit
angemessenen parlamentarischen und diplomatischen
Mitteln für eine Verbesserung der Situation von Men-
schenrechtsverteidigern einsetzen. Wichtig sei der regel-
mäßige Kontakt zu Menschenrechtsverteidigern und die
Unterstützung und Veröffentlichung Ihrer Aktivitäten,
beispielsweise durch den jüngst geschaffenen Menschen-
rechtspreis der Parlamentarischen Versammlung.

Der Schutz der Menschenrechte in
Notstandssituationen

(Entschließung 1659 und Empfehlung 1865)

Berichterstatter für den Ausschuss für Recht und Men-
schenrechte war der Abgeordnete Holger Haibach. Er
verwies auf die Dringlichkeitsdebatte zum Funktionieren
der demokratischen Institutionen in der Republik Mol-
dau, die in dieser Sitzungswoche stattgefunden habe und
die Aktualität des Themas verdeutliche. Er stellte fest,
dass es Situationen geben könne, in der der Staat die
Grundrechte der Bürger einschränken müsse, um das
Funktionieren des Staates zu sichern. Nachdrücklich wies
er darauf hin, dass zunächst jedes andere Mittel zu nutzen
sei, bevor ein Ausnahmezustand ausgerufen werden
dürfe. Der Ausnahmezustand und die damit verbundenen
Eingriffe in die Grundrechte der Menschen dürften immer
nur als ultima ratio betrachtet werden. Einige Mitglied-
staaten des Europarates, insbesondere Georgien und Ar-
menien, hätten in jüngster Zeit den Ausnahmezustand
ausgerufen. In diesem Zusammenhang seien mehrere
schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen begangen
worden. Dies sei zu verurteilen, denn auch während eines
Ausnahmezustandes müssten sich die Regierungen im-
mer im Rahmen der Europäischen Menschenrechtskon-
vention bewegen. Deshalb beschäftige sich der Bericht
auch bis zu einem gewissen Grade mit der Prävention von
Konflikten.

Die Abgeordnete Dr. Herta Däubler-Gmelin erinnerte
daran, dass die europäische Menschenrechtskonvention
Grundsätze enthalte, deren Bedeutung gerade in Not-
standssituationen sehr deutlich werde.

In der mit wenigen Gegenstimmen verabschiedeten Ent-
schließung fordert die Versammlung, dass die Legislative
immer die zentrale Rolle bei einem Ausnahmezustand in-
nehaben solle und Richter in der Lage bleiben müssten,
die Rechtmäßigkeit von staatlichem Handeln zu prüfen.
Die Exekutivbehörden müssen über die Menschenrechte
genauestens informiert sein und im Konfliktmanagement,
in Deeskalation und in gewaltfreier Handhabung von
Menschenansammlungen geschult werden. Beschränkun-
gen der Versammlungsfreiheit sollten so gering wie mög-

drohung der nationalen Sicherheit darstellen könne. Not-
standsbefugnisse sollten ausschließlich befristet sein.

Das Ministerkomitee wird aufgefordert, einen Ausnah-
mezustand immer eingehend mit dem Ziel der Achtung
der Menschenrechte und der Vermeidung von Missbräu-
chen untersuchen.

Frauen in Haft

(Entschließung 1663)

Der Bericht des Ausschusses für Sozialordnung, Gesund-
heit und Familie wurde von der Vorsitzenden des Aus-
schusses Christine McCafferty (Vereinigtes Königreich –
SOC) präsentiert. Für den Ausschuss für Recht und Men-
schenrechte nahm die Delegierte Gultakin Hajibayli
(Azerbaijan – EPP/CD) und für den Ausschuss für die
Gleichstellung von Frauen und Männern die Delegierte
Carina Hägg (Schweden – SOC) Stellung.

Frau McCafferty führte aus, dass die Anzahl von inhaf-
tierten Frauen in Europa ansteige. Trotz dieses Anstiegs
seien Frauen als Gefängnisinsassen in der Minderzahl
und es gebe nur sehr wenige Frauengefängnisse. Frauen
müssten ihre Strafe sehr oft in weit von ihrem Lebensmit-
telpunkt entfernten Gefängnissen abbüßen, wodurch fa-
miliäre Bindungen stark in Mitleidenschaft gezogen wür-
den.

In der einstimmig verabschiedeten Entschließung wird
festgestellt, dass es an Programmen und Maßnahmen, die
auf weibliche Gefängnisinsassen zugeschnitten seien,
fehle. Selbst das Verbüßen kurzer Strafen habe oft ver-
hängnisvolle Folgen für die Frauen, weil das Familienle-
ben unterbrochen würde. Bei den Müttern, die alleine für
die Kinder verantwortlich seien, sei besonders intensiv zu
prüfen, ob eine Haftverschonung oder eine andere Voll-
zugserleichterung in Betracht käme. Zur Verbesserung
der Haftbedingungen von Frauen sollte in allen Mitglied-
staaten des Europarates die Empfehlung 1469 aus dem
Jahr 2000 zu Müttern mit Säuglingen in Haft umgesetzt
werden.

Der Anbau von Nahrungsmitteln und Brennstoffen

(Entschließung 1667)

Berichterstatter für den Ausschuss für Umwelt, Landwirt-
schaft und kommunale und regionale Angelegenheiten
war der Delegierte Nigel Evans (Vereinigtes Königreich –
EDG). Da die Abgeordnete Doris Barnett nicht an der
Sitzung teilnehmen konnte, trug der Delegierte Robert
Walter (Vereinigtes Königreich – EDG) die Stellung-
nahme für den Ausschuss für Wirtschaft und Entwicklung
vor.

Der Berichterstatter hob hervor, dass es durch die Produk-
tion von Agrarkraftstoffen gelungen sei, den Verbrauch
an fossilen Brennstoffen zu reduzieren. Unter Berück-
sichtigung sämtlicher Umweltfaktoren sei allerdings die
Gesamtenergiebilanz sehr umstritten.

Die einstimmig angenommene Entschließung sieht als

lich gehalten werden. Dies gelte auch für die Zensur der
Medien, da die freie Meinungsäußerung niemals eine Be-

negative Auswirkungen der Produktion von Agrarkraft-
stoffen die Verdrängung des Nahrungsmittelanbaus und

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 7 – Drucksache 16/14161

damit verbundene Nahrungsmittelverteuerungen. Den
Mitgliedstaaten werde daher empfohlen, die finanziellen
Anreize für die Herstellung von Agrarkraftstoffen abzu-
bauen. Da jedoch Agrarkraftstoffe im Hinblick auf den
Einsatz erneuerbarer Energien weiterhin von großer Be-
deutung seien, müsse die Forschung und Entwicklung
von Agrarkraftstoffen der zweiten und dritten Generation
unter Vermeidung der nachteiligen Auswirkungen stärker
gefördert werden. Verstärkt seien Strategien zu ent-
wickeln, die auf die Reduzierung der Energienachfrage
abzielten.

Maßnahmen zur Bekämpfung geschlechtsbezogener
Menschenrechtsverletzungen einschließlich der
Entführung von Frauen und Mädchen
(Entschließung 1662 und Empfehlung 1868)
Der Bericht des Ausschusses für die Gleichstellung von
Frauen und Männern wurde durch die Delegierte
Antigoni Papadoupolos (Zypern – ALDE) vorgestellt.
Der Delegierte Michael Hancock (Vereinigtes König-
reich – ALDE) gab dazu für den Ausschuss für Sozialord-
nung, Gesundheit und Familie eine Stellungnahme ab.
Im Bericht wird festgestellt, dass eine große Anzahl von
Frauen und Mädchen, vorwiegend mit Migrationshinter-
grund, jedes Jahr aus religiösen oder traditionellen Grün-
den zwangsverheiratet würden. Oft würden diese Frauen
und Kinder von ihren Familien gezwungen, in ihr Hei-
matland zurückzukehren.
In der Debatte wurde die Frage aufgeworfen, welche
strafrechtlichen Konsequenzen geschlechtsbezogene
Menschenrechtsverletzungen haben sollten. Es sei not-
wendig, genügend finanzielle Mittel für Informations-
kampagnen zur Verfügung zu stellen. Diesen Kampagnen
müsste eine wesentlich höhere politische Priorität zukom-
men, als das bisher in den meisten Ländern der Fall sei.
Es wurde auch betont, dass Gewalt gegen Frauen nicht
nur ein Problem von Migrationsfamilien sei.
Die Versammlung stimmte der Entschließung mit großer
Mehrheit und der Empfehlung einstimmig zu.
In der Entschließung verurteilt die ER PV geschlechts-
spezifische Menschenrechtsverletzungen. Nach der Euro-
päischen Menschenrechtskonvention sind alle Mitglied-
staaten des Europarates verpflichtet, Opfer zu schützen
und die illegale Verschleppung von Frauen und Mädchen
aktiv zu bekämpfen und ihr vorzubeugen. Da es aufgrund
der Bedingungen des Internationalen Privatrechts für Mit-
gliedstaaten problematisch sein könne, Migranten und
Bürger mit doppelter Staatsbürgerschaft zu unterstützen
oder zurück zu holen, fordert die ER PV, nationale
Rechtsstandards zum Schutz, zur Vorbeugung, Bekämp-
fung und Strafverfolgung zu entwickeln sowie die Ko-
operation mit den Herkunftsländern und Nichtregierungs-
organisationen voranzutreiben.
Der Ministerrat wird in der Empfehlung aufgerufen, eine
Konvention zum Thema genderbezogene Menschen-
rechtsverletzungen auf der Grundlage der Empfehlung
1847 (2008) zu erarbeiten und ein neues Protokoll der Eu-

Die Einhaltung der Pflichten und Verpflichtungen
durch Serbien

(Entschließung 1661 und Empfehlung 1867)

Berichterstatter des Ausschusses für die Einhaltung der
von den Mitgliedstaaten des Europarates eingegangenen
Pflichten und Verpflichtungen (Monitoringausschuss)
waren die Delegierten Charles Goerens (Luxemburg –
ALDE) und Andreas Gross (Schweiz – SOC).

Der Berichterstatter Charles Goerens (Luxemburg –
ALDE) hob hervor, dass sich bei den Parlamentswahlen
im Mai 2008 die Mehrheit der serbischen Bürger für eine
Mitgliedschaft in der Europäischen Union (EU) ausge-
sprochen habe.

Der Berichterstatter Andreas Gross (Schweiz – SOC)
wies auf die schwierige Ausgangssituation Serbiens hin,
auf die Zeit vor fast zehn Jahren, als friedliche Demonst-
rationen den damaligen Staatspräsidenten der Bundesre-
publik Jugoslawien Slobodan Milošević in Belgrad zum
Rücktritt zwangen. Er erklärte, alles unternehmen zu wol-
len, um Serbien in seinem Europäisierungsprozess zu un-
terstützen und dem Staat zu ermöglichen, das Monito-
ringverfahren abzuschließen. Der serbische Präsident
Boris Tadić habe bereits seine Zustimmung zu einem
Zeitplan, der Zeitpunkt und Umfang von Reformen fest-
halte, signalisiert.

Der Abgeordnete Detlef Dzembritzki erinnerte daran,
dass diejenigen, die heute in Serbien Verantwortung trü-
gen, nicht direkt für die Politik Miloševićs verantwortlich
gemacht werden dürften. Er regte ferner an, eine Über-
gangslösung beispielsweise durch Visa-Regelungen zu
schaffen, die besonders jungen Leuten mehr Freizügig-
keit erlauben würden. Gerade damit könne Europa zu
mehr Verständigung und mehr Versöhnung beitragen.

Die Entschließung 1661 wurde mit einer Gegenstimme
und die Empfehlung 1867 ohne Gegenstimmen angenom-
men.

In der Entschließung wird begrüßt, dass die serbischen
Behörden ihre Position in Bezug auf das Kosovo in Über-
einstimmung mit den internationalen Konventionen mit
friedlichen diplomatischen Mitteln verträten. Den serbi-
schen Behörden wird empfohlen, ein Forum für einen of-
fenen Dialog zwischen allen politischen Parteien und Ak-
teuren über die Entwicklung des Kosovo anzubieten und
alle durch die Mitgliedschaft im Europarat eingegange-
nen Verpflichtungen zu erfüllen. Es wird vorgeschlagen,
den Monitoringprozess in Bezug auf Serbien fortzuset-
zen.

In der Empfehlung wird dem Ministerkomitee geraten,
die Hilfs- und Kooperationsprogramme des Europarates
für Serbien zu erweitern.

Joachim Hörster, MdB Dr. Wolfgang Wodarg

ropäischen Konvention für Menschenrechte und Grund-
freiheiten vorzulegen.

Leiter der Delegation Stellvertretender Leiter
der Delegation

Drucksache 16/14161 – 8 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

V Entschließungen und Empfehlungen

Nummer Beschreibung Seite

Entschließung 1659 (2009)
Empfehlung 1865 (2009)

Der Schutz der Menschenrechte in Notstandssituationen 9

Entschließung 1660 (2009)
Empfehlung 1866 (2009)

Die Lage der Menschenrechtsschützer in den Mitgliedstaaten
des Europarates

12

Entschließung 1661 (2009)
Empfehlung 1867 (2009)

Die Einhaltung der Verpflichtungen durch Serbien 18

Entschließung 1662 (2009)
Empfehlung 1868 (2009)

Maßnahmen zur Bekämpfung geschlechtsspezifischer Menschenrechtsver-
letzungen einschließlich der Entführung von Frauen und Mädchen

26

Entschließung 1663 (2009) Frauen in Haft 31

Entschließung 1664 (2009)
Empfehlung 1869 (2009)

Die humanitären Folgen des Krieges zwischen Georgien und Russland:
Weiterverfolgung von Entschließung 1648 (2009)

36

Entschließung 1665 (2009) Das Verfahren zur Wahl des Generalsekretärs des Europarates 42

Entschließung 1666 (2009) Das Funktionieren der demokratischen Institutionen in der Republik Moldau 43

Entschließung 1667 (2009) Der Anbau von Nahrungsmitteln und Brennstoffen 47

Stellungnahme 271 (2009) Protokollentwurf Nr. 14bis zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte
und Grundfreiheiten

50

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 9 – Drucksache 16/14161

Entschließung 1659 (2009)1

betr. Den Schutz der Menschenrechte in Notstandssituationen

1. Die Parlamentarische Versammlung ist besorgt darüber, dass in jüngster Zeit einige
Mitgliedstaaten, insbesondere Georgien und Armenien, beschlossen haben, den Notstand auszurufen,
was mit gravierenden Verstößen gegen die Menschenrechte einhergeht.

2. Es liegt in der Verantwortung des Staates, vorbeugende Maßnahmen zu treffen, um die Interessen
der Gesellschaft "im Falle eines Krieges oder eines anderen öffentlichen Notstandes, der das Leben
der Nation bedroht", zu schützen (Artikel 15 der Europäischen Menschenrechtskonvention in der
Auslegung des Europäischem Gerichtshofs für Menschenrechte). Notstandsmaßnahmen dürfen nicht
über den Umfang hinausgehen, den die Lage unbedingt erfordert, und müssen mit den übrigen
völkerrechtlichen Verpflichtungen eines Staates im Einklang stehen.

3. Unter ganz bestimmten Voraussetzungen, die speziell mit Artikel 15 der Europäischen
Menschenrechtskonvention im Zusammenhang stehen, kann die Ausrufung des Notstands eine
legitime und legale Vorgehensweise sein, um schnell auf solche Bedrohungen zu reagieren. Da damit
aber Einschränkungen der Rechte und Freiheiten des Einzelnen verbunden sind, darf sie nur mit
allergrößter Vorsicht und nur als allerletztes Mittel ergriffen werden. Das Ausrufen des Notstands darf
nicht zum Vorwand genommen werden, um die Wahrnehmung der grundlegenden Menschenrechte
widerrechtlich zu beschränken.

4. Vorwürfe des Missbrauchs solcher Außerkraftsetzungen müssen wirksam und eingehend
untersucht werden, und die Regierung muss dafür uneingeschränkt zur Rechenschaft gezogen werden.

5. Die Versammlung ist überzeugt, dass der Gesetzgeber eine wirksame Kontrolle über den
Entscheidungsprozess haben sollte, damit die staatliche Überwachung der Anwendung der
Notstandsgesetzgebung verstärkt wird.

6. Die Versammlung stellt fest, dass ein missbräuchlich erklärter oder nicht ordnungsgemäß
durchgeführter Notstand oftmals den übermäßigen Einsatz von Gewalt und insbesondere die
Unterdrückung der Versammlungs- und Meinungsfreiheit zum Ergebnis hat.

7. Die nationalen Behörden sollten gewährleisten, dass Angehörige der Strafverfolgungsbehörden
angemessene Schulungen erhalten in Bezug auf die Achtung der unveräußerlichen Rechte,
insbesondere des Rechts auf Leben, des Verbots der Folter und der unmenschlichen und
erniedrigenden Behandlung sowie des Grundsatzes "Keine Strafe ohne Gesetz" – und der Anwendung
von potenziell tödlicher Gewalt nur als allerletztes Mittel, wenn alle andere Möglichkeiten
ausgeschöpft sind. Den Sicherheitskräften sollte die vollständige Palette an gewaltfreien und mit hoher
Wahrscheinlichkeit nicht zum Tode führenden Mitteln zur Auflösung von Menschenansammlungen
zur Verfügung stehen, und sie sollten einer strengen Aufsicht durch die Verwaltung und die
Justizbehörden unterstellt sein (siehe in diesem Zusammenhang die Grundsätze der Vereinten
Nationen für die Anwendung von Gewalt und den Gebrauch von Schusswaffen durch Beamte mit
Polizeibefugnissen (1990) und den Europäischen Kodex der Polizeiethik des Europarates (2001)).

1 Debatte der Versammlung am 27. April 2009 (11. Sitzung) (siehe Dok. 11858, Bericht des Ausschusses für
Recht und Menschenrechte, Berichterstatter: Abg. Haibach). Der Text wurde von der Versammlung am 27. April
2009 (11. Sitzung) verabschiedet. Siehe auch Empfehlung 1865 (2009).

Drucksache 16/14161 – 10 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

8. Die Versammlung vertritt mit Nachdruck die Auffassung, dass die Einsatzregeln der
Sicherheitskräfte in allen Mitgliedstaaten des Europarates und insbesondere in den Ländern, die wie
die Russische Föderation bestimmte Regeln aus der Sowjetzeit übernommen oder in jüngster Zeit
ähnliche Gesetze oder Verordnungen erlassen haben, vor dem Hintergrund der Anforderungen der
Europäischen Menschenrechtskonvention und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für
Menschenrechte gründlich überprüft und aktualisiert werden sollten.

9. Unter Berücksichtigung der Leitlinien über die Freiheit der friedlichen Versammlung (2007) des
Büros der Demokratischen Institutionen und der Menschenrechte (BIDDH) der Organisation für
Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) sind Einschränkungen hinsichtlich der Dauer, des
Ortes oder der Art der Versammlung einem strikten Verbot in jedem Fall vorzuziehen.

10. Im Hinblick auf das Recht auf freie Meinungsäußerung erinnert die Versammlung an die
Leitlinien des Europarates zum Schutz der Meinungs- und Informationsfreiheit in Krisenzeiten (2007)
und betont, dass die Wiedergabe von Tatsachen und Meinungsäußerungen als solches außer in
rechtlich genau festgelegten Umständen niemals als Bedrohung der nationalen Sicherheit betrachtet
werden sollten; in einer demokratischen Gesellschaft muss jede Einschränkung als notwendig
nachgewiesen werden, damit ein legitimes nationales Sicherheitsinteresse geschützt und der Grundsatz
der Verhältnismäßigkeit gewahrt wird. Diese Einschränkungen sollten so eindeutig und begrenzt wie
möglich sein. Die Öffentlichkeit sollte einen ständigen Zugang zu unabhängigen Medien haben.

11. Die Versammlung verurteilt jeden Versuch, Rechtsvorschriften für Demonstrationen festzulegen,
die durch eine übermäßige Beschränkung des Rechts auf Freizügigkeit oder auf freie
Meinungsäußerung und durch unangemessene Erschwernisse bei der Einholung von Genehmigungen
für solche Demonstrationen unweigerlich zu notstandsartigen Situationen führen würden.

12. Die Versammlung ist der Ansicht, dass die folgenden Schutzmaßnahmen – neben jenen in Artikel
15 der Europäischen Menschenrechtskonvention – in einer Notstandssituation immer gelten sollten:

12.1. eine eindeutige Befristung und eine effiziente gesetzliche Überwachung in jedem
Notstand – beispielsweise durch eine "Verfallsklausel" mit der Möglichkeit der Verlängerung
nach einer neuerlichen Verabschiedung durch das Parlament –, wobei gewährleistet wird, dass
die Opposition zum Zuge kommt;

12.2. eine rechtliche Überprüfung der Gültigkeit eines Notstands und seiner Umsetzung.

13. Die Unversehrtheit des Justizsystems – d.h. seine Kompetenz, Unabhängigkeit und
Unparteilichkeit – sollten, insbesondere im Hinblick auf das Recht auf ein faires Verfahren und
wirksamen Rechtsbehelf, geschützt werden.

14. Auf internationaler Ebene sollte die Überwachung erklärter Notstandsfälle durch den
Generalsekretär des Europarates und den Kommissar für Menschenrechte verstärkt werden. Darüber
hinaus sollten die Mitgliedstaaten prüfen, ob der Liste der derzeit unveräußerlichen Rechte weitere
hinzugefügt werden können, wie dies bei anderen internationalen Menschenrechtsmechanismen der
Fall ist.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 11 – Drucksache 16/14161

Empfehlung 1865 (2009)2

betr. Den Schutz der Menschenrechte in Notstandssituationen

1. Unter Bezugnahme auf ihre Entschließung 1659 (2009) über den Schutz der Menschenrechte in
Notstandssituationen ist die Parlamentarische Versammlung überzeugt, dass der Europarat den Grad
der Überwachung in Bezug auf die Erklärung des Notstands erhöhen, für bessere demokratische
Kontrolle sorgen, das Tempo, mit dem die Gremien und Menschenrechtskontrollmechanismen der
Organisation auf sich schnell verändernde Ereignisse vor Ort reagieren, erhöhen und die unter dem
Deckmantel eines vorgeblichen Notstands begangenen Verstöße gegen die Menschenrechte
ausdrücklich verurteilen sollte.

2. Die Versammlung fordert das Ministerkomitee auf, nach Wegen zur Erreichung dieses Ziels zu
suchen und seine entsprechenden Ausschüsse anzuweisen zu prüfen, ob

2.1. es angemessen wäre, dem Generalsekretär nach Erhalt einer Erklärung der
Außerkraftsetzung nach Artikel 15 der Europäischen Menschenrechtskonvention (SEV Nr. 5)
zu ermöglichen, während und nach einem Notstand zusätzliche Informationen anzufordern und
diese Informationen allen Vertragsparteien, dem Vorsitzenden des Ministerkomitees, dem
Präsidenten des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, dem Kommissar für
Menschenrechte des Europarates sowie dem Präsidenten der Parlamentarischen Versammlung
und dem Kongress der Gemeinden und Regionen in Europa zu übermitteln;

2.2. der Liste der Rechte, die derzeit als unveräußerliche Rechte nach Artikel 15 der
Europäischen Menschenrechtskonvention gelten und insbesondere im Hinblick auf die Rechte,
deren Aufhebung selbst in einem Notstandsfall nicht erforderlich ist, wie dies in Artikel 27 der
amerikanischen Menschenrechtkonvention der Fall ist, weitere Rechte hinzuzufügen.

2 Debatte der Versammlung am 27. April 2009 (11. Sitzung) (siehe Dok. 11858, Bericht des Ausschusses für
Recht und Menschenrechte, Berichterstatter: Abg. Haibach). Der Text wurde von der Versammlung am 27. April
2009 (11. Sitzung) verabschiedet.

Drucksache 16/14161 – 12 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Entschließung 1660 (2009)3

betr. Die Lage der Menschenrechtsschützer in den Mitgliedstaaten des Europarates

1. Die Parlamentarische Versammlung bekundet ihre Hochachtung für den unschätzbaren Beitrag
der Menschenrechtsschützer zur Verteidigung der Menschenrechte, der Rechtsstaatlichkeit, der
Demokratie und der Konfliktprävention, wobei diese bisweilen ihre eigene Sicherheit aufs Spiel
setzen.

2. Die Versammlung ist der Auffassung, dass als Menschenrechtsschützer alle Menschen zu
betrachten sind, die – als Einzelne oder zusammen mit anderen – tätig werden, um die
Menschenrechte zu fördern oder zu schützen. Ihre Tätigkeiten zur Verteidigung der Menschenrechte
beschreiben sie als Menschenrechtsschützer.

3. Die Staaten haben die Verpflichtung und die Aufgabe, Menschenrechtsschützer und ihre Arbeit
zu schützen, indem sie ihnen ein geeignetes Umfeld und, soweit erforderlich, Schutzmechanismen
sichern, um die körperliche Unversehrtheit spezifischen Bedrohungen ausgesetzter
Menschenrechtsschützer zu gewährleisten. Parlamentarier tragen ein hohes Maß an Verantwortung für
die geeignete Gestaltung des politischen Rahmens und des Arbeitsumfelds von
Menschenrechtsschützern und die Überwachung von Entwicklungen im Bereich der Menschenrechte.

4. In vielen Ländern sind Menschenrechtsschützer im Allgemeinen in Recht und Praxis gut
geschützt. Die Versammlung bedauert jedoch, dass Menschenrechtsschützer sich in einigen
Mitgliedstaaten des Europarates bisweilen in einem schwierigen Umfeld wiederfinden und sich
zahlreichen Hindernissen und Einschränkungen gegenübersehen. Diese reichen von körperlicher
Gewalt bis hin zu subtileren und heimtückischen Maßnahmen, wie z.B. administrativen
Behinderungen. In einer Reihe von Mitgliedstaaten des Europarates sind Menschenrechtsschützer
Gegenstand von Verleumdungskampagnen, die sie diskreditieren sollen oder in denen sie als
unpatriotisch, Verräter, „Spione“ oder „Extremisten“ beschuldigt werden. In Extremfällen erhalten
Menschenrechtsschützer Todesdrohungen, werden entführt, willkürlich festgenommen und inhaftiert,
mit unfairen Gerichtsverfahren überzogen, schlecht behandelt oder gar ermordet. Bisweilen werden
auch ihre Angehörigen und ihr berufliches Umfeld aufs Korn genommen.

5. Die Versammlung ist besonders besorgt über die Lage von Menschenrechtsschützern, die
aufgrund ihrer Identität und/oder wegen ihrer Beschäftigung mit „unpopulären“ oder sensiblen Fragen
am stärksten unter Angriffen und Missbrauchshandlungen zu leiden haben. Besonders gefährdet sind
alle, die gegen Straffreiheit für schwere Verbrechen und Korruption kämpfen sowie Personen, die sich
für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, die Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und
Transsexuellen sowie die Rechte von Migranten, nationalen oder ethnischen Minderheiten einsetzen.
Weibliche Menschenrechtsschützer haben es ebenfalls mit besonderen Gefährdungen und
Hindernissen zu tun. Insbesondere in der Kaukasus-Region, wo einige Menschenrechtsschützer
überaus gewalttätiger Repression mit Morden, Entführungen, willkürlichen Festnahmen und
Inhaftierungen ausgesetzt sind, ist ihre Lage kritisch.

6. Die Versammlung ist der Auffassung, dass alle Angriffe auf die Rechte von
Menschenrechtsschützern in Mitgliedstaaten des Europarates und Verletzungen dieser Rechte, ob sie
nun von staatlichen oder nichtstaatlichen Akteuren verübt wurden, nicht hinnehmbar sind und
entschieden verurteilt werden müssen. Sie betont, dass das Recht der freien Meinungsäußerung, die
Versammlungs- und die Vereinigungsfreiheit, die für die Arbeit der Menschenrechtsschützer

3 Debatte der Versammlung am 28. April 2009 (12. Sitzung) (siehe Dok. 11841, Bericht des Ausschusses für
Recht und Menschenrechte, Berichterstatter: Abg. Haibach). Der Text wurde von der Versammlung am 28. April
2009 (12. Sitzung) verabschiedet. Siehe auch Empfehlung 1866 (2009).

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 13 – Drucksache 16/14161

ausschlaggebende Bedeutung besitzen, von der Europäischen Menschenrechtskonvention geschützte
Grundrechte darstellen.

7. Die Versammlung erinnert an die Deklaration der Vereinten Nationen über
Menschenrechtsschützer, die 1998 von der VN-Generalversammlung verabschiedet wurde und
begrüßt die vor kurzem erfolgte Errichtung des OSZE-Focal Point („Anlaufstelle“) des Büros für
demokratische Institutionen und Menschenrechte (ODIHR) für Menschenrechtsschützer und die
Leitlinien der Europäischen Union zu Menschenrechtsschützern.

8. Die Versammlung fordert den Europarat, den mit seinem einzigartigen Geflecht von
Menschenrechtsinstrumenten und -gremien führenden europäischen Menschenrechtswächter,
nachdrücklich dazu auf, seinen Beitrag zum Schutz der Menschenrechtsschützer und ihrer Arbeit
sowie in spezifischen Fällen mit dringendem Handlungsbedarf entsprechend einer langfristigen
Perspektive weiter zu erhöhen.

9. Dementsprechend begrüßt die Versammlung mit lebhafter Genugtuung die von dem
Ministerkomitee des Europarates am 6. Februar 2008 verabschiedete Deklaration, durch die der
Menschenrechtskommissar des Europarates das Mandat erhält, die Rolle und die Fähigkeiten seines
Büros auszubauen, um einen starken und wirksamen Schutz von Menschenrechtsschützern zu
gewährleisten und in ernsten Situationen eingreifen zu können, in denen schnelles Handeln
erforderlich ist. Die Deklaration ruft auch andere Gremien des Europarates zur besonderen Beachtung
von Fragen auf, die Menschenrechtsschützer betreffen.

10. Angesichts der entscheidenden Verantwortung der Parlamentarier für die Schaffung eines
geeigneten Umfelds für Menschenrechtsschützer gedenkt die Versammlung, ihre Unterstützung für
Menschenrechtsschützer auf dem gesamten Kontinent zu verstärken, um die Rolle des
Menschenrechtskommissars des Europarates – ohne Überschneidungen – zu ergänzen. Hierbei
erinnert die Versammlung daran, dass sie kürzlich einen jährlichen Menschenrechtspreis der
Parlamentarischen Versammlung geschaffen hat, um ihre Anerkennung für herausragende Aktivitäten
in der Zivilgesellschaft zum Schutz der Menschenrechte in Europa auszusprechen.

11. Abschließend unterstreicht die Versammlung, dass oft eine breite Palette von
Schutzmaßnahmen die effektivste Antwort darstellt, um einen angemessenen Schutz von
Menschenrechtsschützern zu gewährleisten. In diese Maßnahmen müssen politische und justizielle
Instanzen, nationale Menschenrechtseinrichtungen, die Menschenrechtsschützer selbst samt ihren
Netzwerken, internationale Menschenrechtsmechanismen, die diplomatische Gemeinschaft wie auch
die Medien einbezogen werden.

12. Vor diesem Hintergrund fordert die Versammlung die Mitgliedstaaten nachdrücklich zu
folgenden Maßnahmen auf:

12.1. vollständige Umsetzung der einschlägigen Bestimmungen der Europäischen
Menschenrechtskonvention entsprechend der Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof
für Menschenrechte, insbesondere des Rechts auf Leben, der Freiheit von willkürlicher
Festnahme und Inhaftierung, von Folter und Misshandlungen, des Rechts der freien
Meinungsäußerung, der Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, des Rechts auf einen fairen
Prozess und wirksame Rechtsmittel;

12.2. vollständige Umsetzung der Deklarationen der Vereinten Nationen und des Europarates
zu Menschenrechtsschützern, in denen ein geeignetes Umfeld für ihre Arbeit sowie ihre
Förderung und ihr Schutz verlangt werden, unter anderem auch durch

Drucksache 16/14161 – 14 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

12.2.1. öffentliche und entschiedene Unterstützung ihrer Tätigkeiten und
Gewährleistung ihrer physischen und psychischen Integrität unter allen Umständen;

12.2.2. schnelle und entschiedene Verurteilung auf höchster Ebene von Bedrohungen
von Menschenrechtsschützern, ihrer Organisationen und/oder Angehörigen und
Angriffen auf diese, um diesen nicht hinnehmbaren Verhalten ein Ende zu setzen und
sicherzustellen, dass die Sicherheitsorgane effektive, unparteiische und transparente
Ermittlungen anstellen und die Täter verfolgen;

12.2.3. Sicherstellung des effektiven Zugangs von Menschenrechtsschützern zu
internationalen Schutzmechanismen, insbesondere zum Europäischen Gerichtshof für
Menschenrechte;

12.3. unverzügliche Abschaffung aller Voraussetzungen für die Registrierung von
nichtstaatlichen Organisationen (NGOs) oder anderer bürokratischer Hindernisse, die die
tatsächliche Nutzung des Rechts zur Bildung von, Mitgliedschaft in und Beteiligung an NGOs,
Vereinigungen oder Gruppen, die sich für den Schutz der Menschenrechte einsetzen,
beeinträchtigen oder ihre Arbeit anderweitig behindern.

13. Die Versammlung ruft die Mitgliedstaaten außerdem zu folgenden Maßnahmen auf:

13.1. Aufbau einer geeigneten Infrastruktur und von Hilfsprogrammen für gefährdete
Menschenrechtsschützer;

13.2. Schaffung humanitärer Visaprogramme oder Ergreifung anderer geeigneter Maßnahmen
zugunsten von Menschenrechtsschützern, die unmittelbar gefährdet sind oder infolge ständiger
Verfolgung in Drittstaaten Ruhe brauchen oder aber zumindest Erleichterung der Ausstellung
von Notfallvisa für sie in solchen Situationen;

13.3. umfassende Nutzung, soweit sie Mitglieder der Europäischen Union sind, der EU-
Leitlinien für Menschenrechtsschützer in Drittstaaten sowie Umsetzung der darin enthaltenen
Grundsätze innerhalb der eigenen Grenzen.

14. Insbesondere ruft die Versammlung die nationalen Parlamente der Mitgliedstaaten des
Europarates dazu auf,

14.1. sachdienliche Maßnahmen zu ergreifen, um auf parlamentarischer Ebene die
Deklarationen der Vereinten Nationen und des Europarates über Menschenrechtsschützer
umzusetzen, wobei die Parlamente vor allem dafür sorgen sollten, dass die Gesetzgebung in
Bezug auf Menschenrechtsschützer und ihre Tätigkeiten internationalen Standards genügt;

14.2. nicht legislative Texte, wie nationale Aktionspläne oder Strategien, über den Schutz von
Menschenrechtsschützern anzunehmen und umzusetzen, in denen unter anderem die Regierung
aufgefordert wird, den Schutz von Menschenrechtsschützern in ihrer Innen- und Außenpolitik
auszubauen und für die Überprüfung der staatlichen Politik und der Maßnahmen der Behörden
zum Schutz und zur Förderung der Arbeit von Menschenrechtsschützern zu sorgen;

14.3. regelmäßige Kontakte mit Menschenrechtsschützern anzubahnen und zu pflegen;

14.4. der Arbeit von Menschenrechtsschützern öffentliche Anerkennung zukommen zu lassen
– durch Abhaltung von Anhörungen und Parlamentsdebatten sowie die Schaffung von Preisen
für Menschenrechtsschützer;

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 15 – Drucksache 16/14161

14.5. Hilfs- und Schutzmaßnahmen für gefährdete Menschenrechtsschützer zu fördern, z.B.
mit der Ausstellung von Notfallvisa, durch Prozessbeobachtung und die Einbeziehung in
parlamentarische Netzwerke zur Unterstützung von Menschenrechtsschützern;

14.6. für die bestehenden Schutzmechanismen Publizität zu sichern, darunter auch für die
Deklarationen der Vereinten Nationen und des Europarates über Menschenrechtsschützer und
insbesondere für das neue Mandat des Menschenrechtskommissars des Europarates in Bezug
auf den Schutz von Menschenrechtsschützern in Mitgliedstaaten des Europarates;

14.7. sicherzustellen, dass wirksame Maßnahmen auf nationaler Ebene zur Weiterverfolgung
der Arbeit und der Empfehlungen des Europarates getroffen werden;

14.8. die Lage der Menschenrechtsschützer zu einem Themenschwerpunkt auf
internationalen Parlamentariertagungen zu machen, so auf der Jahrestagung der
Menschenrechtsausschüsse der Parlamente der Mitgliedstaaten der Europäischen Union.

15. Die Versammlung zollt der Arbeit des Menschenrechtskommissars des Europarates zur
Unterstützung von Menschenrechtsschützern ihre Anerkennung und ruft ihn zu folgenden
Maßnahmen auf:

15.1. vollständige Wahrnehmung seines verstärkten Mandats und umfassender Einsatz seiner
Ressourcen zum Schutz und zur Unterstützung von Menschenrechtsschützern in den
Mitgliedstaaten des Europarates, was Überwachung und Berichterstattung erfordert, sowie
darüber hinaus dringliches Eingreifen bei einer Gefährdung von Menschenrechtsschützern,
Weckung des Bewusstseins der Öffentlichkeit und Schaffung von Netzwerken wie auch
Zusammenarbeit und Koordinierung mit entscheidenden Partnern und Akteuren;

15.2. Anerkennung und uneingeschränkte Nutzung des spezifischen Beitrags der
Versammlung und der parlamentarischen Diplomatie, und zwar sowohl auf lange Sicht zur
Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Menschenrechtsschützer als auch in schnelles
Handeln erfordernden Notlagen.

16. Die Versammlung beschließt außerdem

16.1. die uneingeschränkte Unterstützung des Menschenrechtskommissars des Europarates
bei seinen Bemühungen, sein verstärktes Mandat zu erfüllen;

16.2. ihre weitere Befassung mit der Angelegenheit in enger Koordinierung mit dem
Menschenrechtskommissar, um dessen Arbeit auf diesem Gebiet zu ergänzen und zu
verstärken;

16.3. die fortgesetzte Unterstützung der lebendigen Zivilgesellschaften und der Tätigkeit von
Menschenrechtsschützern in den Mitgliedstaaten des Europarates, namentlich durch den gerade
erst geschaffenen Menschenrechtspreis der Parlamentarischen Versammlung, Einbeziehung
von Menschenrechtsschützern in ihre Arbeit und gegebenenfalls mit Hilfe des Mechanismus
der parlamentarischen Diplomatie.

Drucksache 16/14161 – 16 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Empfehlung 1866 (2009)4

betr. Die Lage der Menschenrechtsschützer in den Mitgliedstaaten des Europarates

1. Unter Bezugnahme auf ihre Entschließung 1660 (2009) über die Lage der
Menschenrechtsaktivisten in den Mitgliedstaaten des Europarates lobt die Parlamentarische
Versammlung das Ministerkomitee für die rasche Erarbeitung und Verabschiedung seiner Erklärung
vom 6. Februar 2008 über die Maßnahmen des Europarates für den verbesserten Schutz von
Menschenrechtsaktivisten und die Unterstützung ihrer Aktivitäten. Sie begrüßt die Tatsache, dass das
Ministerkomitee beschlossen hat, die Frage weiterer Schritte des Europarates auf diesem Gebiet im
Auge zu behalten.

2. Die Versammlung begrüßt darüber hinaus die Verabschiedung der Empfehlung
CM/Rec(2007)14 über die Rechtsstellung nichtstaatlicher Organisationen in Europa durch das
Ministerkomitee am 10. Oktober 2007 und die darauf folgende Einrichtung eines Sachverständigenrats
zum NGO-Recht durch die Europaratskonferenz Internationaler nichtstaatlicher Organisationen.

3. Die Versammlung ist der Auffassung, dass der Europarat im gesamten Spektrum seiner
Menschenrechtsgremien und -instrumente seinen Beitrag zum Schutz von Menschenrechtsaktivisten
und ihrer Arbeit mit langfristiger Perspektive sowie in bestimmten Fällen mit dringendem
Handlungsbedarf weiter ausbauen sollte.

4. Die Versammlung begrüßt die Stärkung des Mandats des Menschenrechtskommissars des
Europarates für den Schutz und die Unterstützung von Menschenrechtsaktivisten und unterstützt seine
Maßnahmen zur Erfüllung seines Mandats in vollem Umfang. Die Versammlung ist auch bereit, eine
aktive Rolle zu übernehmen, mit dem Kommissar zusammenzuarbeiten und bei Bedarf Hilfestellung
zu leisten.

5. Die Versammlung empfiehlt dem Ministerkomitee,

5.1. alle Mitgliedstaaten aufzufordern, den in Entschließung 1660 (2009) angesprochenen
Themen in geeigneter Form nachzugehen, insbesondere der Frage der Notfallvisa oder anderer
geeigneter Maßnahmen, um auf diese Weise Menschenrechtsaktivisten zu schützen, die
gefährdet sind oder sich in Situationen befinden, die schnelles Handeln erfordern;

5.2. die Institution des Menschenrechtskommissars weiterhin im erforderlichen Umfang
politisch zu unterstützen und die erforderlichen Ressourcen bereitzustellen;

5.3. die Arbeit des Menschenrechtskommissars sowie weitere entsprechende
Schutzmaßnahmen, die von Menschenrechtsaktivisten erfolgreich geltend gemacht werden, in
geeigneter Weise weiterzuverfolgen;

5.4. seine eigenen Bemühungen um die Ausmerzung von Verstößen gegen die Rechte von
Menschenrechtsaktivisten in den Mitgliedstaaten des Europarates, insbesondere der
schwerwiegendsten Verstöße (z.B. Morde, Entführungen, willkürliche Festnahmen und
Inhaftierungen, unfaire Prozesse und Misshandlungen), und die Aufhebung der Straffreiheit für
diese Verstöße zu verstärken;

4 Debatte der Versammlung am 28. April 2009 (12. Sitzung) (siehe Dok. 11841, Bericht des Ausschusses für
Recht und Menschenrechte, Berichterstatter: Abg. Haibach). Der Text wurde von der Versammlung am 28. April
2009 (12. Sitzung) verabschiedet.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 17 – Drucksache 16/14161

5.5. Menschenrechtsaktivisten im Rahmen der Aufklärungskampagnen und
Bildungsmaßnahmen des Europarates über die Menschenrechte, insbesondere in Bezug auf
Strafverfolgungsbehörden und die Medien, stärker in den Mittelpunkt zu rücken;

5.6. die Europaratskonferenz Internationaler nichtstaatlicher Organisationen und den
Sachverständigenrat für NGO-Recht sowie die konkrete Weiterverfolgung ihrer Aktivitäten und
Ergebnisse weiterhin zu unterstützen;

5.7. die Menschenrechtsaktivisten und die Rolle des Europarates im Hinblick auf die
Förderung und den Schutz dieser Aktivisten im Rahmen ihrer Beziehungen zu anderen
zwischenstaatlichen Organisationen stärker zu beachten.

Drucksache 16/14161 – 18 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Entschließung 1661 (2009)5

betr. Die Einhaltung der Pflichten und Verpflichtungen durch Serbien

1. Serbien ist seit 2003 Mitglied des Europarats und trat 2006 die Rechtsnachfolge des
Staatenbunds Serbien und Montenegro an. Während dieses Zeitraums hat Serbien stets die Pflichten
und Verpflichtungen erfüllt, die es bei seinem Beitritt übernommen hatte. Es arbeitet aktiv mit dem
Europarat zusammen und hatte von Mai bis November 2007 den Vorsitz im Ministerkomitee inne.

2. Die Parlamentarische Versammlung erinnert an ihre Entschließung 1514 (2006) über die Folgen
des Referendums in Montenegro und nimmt die entscheidenden politischen Entwicklungen zur
Kenntnis, die seit der Auflösung des Staatenbunds Serbien und Montenegro im Juni 2006
stattgefunden haben: Am 28./29. Oktober 2006 wurde in einer Volksabstimmung eine neue
Verfassung angenommen. Am 21. Januar 2007 fand eine Parlamentswahl statt. Am 20. Januar und am
3. Februar 2008 wurden Präsidentschaftswahlen abgehalten, und zuletzt fanden nach einer
Regierungskrise am 11. Mai 2008 vorgezogene Parlamentswahlen statt.

3. Die Versammlung verweist auf die Berichte ihrer Wahlbeobachtungsmission für die
Präsidentschaftswahlen (zweiter Wahlgang) und des Ad-hoc-Ausschusses für die Beobachtung der
Parlamentswahlen in Serbien am 11. Mai 2008 und beglückwünscht das serbische Volk und die
serbischen Behörden des Landes zur Durchführung der Wahlen gemäß den Normen des Europarats für
demokratische Wahlen.

4. Die Versammlung stellt fest, dass die meisten serbischen Bürger eindeutig für die europäische
Integration gestimmt haben.

5. Die Versammlung begrüßt das Bestreben Serbiens, sich weiterhin um die europäische
Integration zu bemühen, und setzt sich nachhaltig für die Unterstützung Serbiens auf diesem Weg ein.
In diesem Zusammenhang begrüßt die Versammlung die am 9. September 2008 erfolgte Ratifizierung
des Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommens zwischen der Europäischen Union und Serbien.
Dieses Abkommen wird den notwendigen Reformen mit dem Ziel, die serbische Rechtsordnung näher
an den europäischen acquis auf den Gebieten Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte
heranzuführen, neuen Schwung verleihen. Darüber hinaus nimmt die Versammlung die Entscheidung
der serbischen Behörden zur Kenntnis, vorbehaltlich des Abschlusses der Ratifizierung des
Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommens durch alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union das
Interimshandelsabkommen einseitig anzuwenden. Gleichzeitig ist die Versammlung der Auffassung,
dass die serbischen Behörden dringend eine Reihe konkreter Reformmaßnahmen durchführen müssen,
damit die Vorteile der europäischen Integration allen Bürgern des Landes zugute kommen. Nur dann
wird die europäische Integration zu einer gemeinsamen Vision von der Zukunft des Landes werden
können.

6. Die Versammlung verfolgt die Entwicklungen in Bezug auf den Status des Kosovo mit großer
Aufmerksamkeit. Sie hat die von der Versammlung des Kosovo am 17. Februar 2008 angenommene
einseitige Unabhängigkeitserklärung ebenso zur Kenntnis genommen wie den Umstand, dass mehrere
Länder, darunter eine Reihe von Mitgliedstaaten des Europarats, die Unabhängigkeit des Kosovo
bereits anerkannt haben. Ebenso hat die Versammlung zur Kenntnis genommen, dass Serbien und
mehrere Mitgliedstaaten des Europarats diese Erklärung als unrechtmäßig und völkerrechtswidrig
zurückgewiesen haben.

5 Debatte der Versammlung am 28. April 2009 (13. Sitzung) (siehe Dok. 11701, Bericht des Ausschusses für die
Einhaltung der von den Mitgliedstaaten des Europarates eingegangenen Verpflichtungen (Monitoringausschuss),
Koberichterstatter: Herr Goerens und Herr Gross). Der Text wurde von der Versammlung am 28. April 2009 (13.
Sitzung) verabschiedet. Siehe auch Empfehlung 1867 (2009).

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 19 – Drucksache 16/14161

7. Die Versammlung versteht die Unzufriedenheit des serbischen Volks angesichts der
Entwicklungen im Kosovo. Sie begrüßt die Tatsache, dass die serbischen Behörden ihre Position nach
den Bestimmungen des Völkerrechts mit friedlichen, diplomatischen Mitteln vertreten, wie das
Beispiel der seitens der Generalversammlung der Vereinten Nationen auf Vorschlag der serbischen
Delegation gerichteten Bitte um eine Stellungnahme an den Internationalen Gerichtshof verdeutlicht.
Darüber hinaus beglückwünscht die Versammlung die serbischen Behörden zu ihrem konstruktiven
Ansatz im Hinblick auf die Entsendung der Rechtsstaatlichkeitsmission der Europäischen Union
(EULEX) als wichtigen Schritt zur Gewährleistung der Einhaltung der Menschenrechte und
Rechtsstaatlichkeit im Kosovo.

8. Die Versammlung verurteilt nachdrücklich die gewaltsamen Zwishenfälle, die sich im Februar
2008 nach der Annahme der einseitigen Unabhängigkeitserklärung in den nördlichen Teilen des
Kosovo sowie in Belgrad ereigneten und insbesondere die Angriffe auf einige ausländische
Botschaften, was in einem Land, das sich demokratischen Grundsätzen und dem Völkerrecht
verpflichtet fühlt, völlig inakzeptabel ist. Zugleich stellt die Versammlung fest, dass diese Vorgänge
Einzelfälle geblieben sind und die Behörden Maßnahmen zur Bestrafung der Verantwortlichen
getroffen haben.

9. Deshalb fordert die Versammlung die serbischen Behörden auf,

9.1. ihre Haltung in Bezug auf den Kosovo weiterhin ausschließlich mit friedlichen und
diplomatischen Mitteln zu verteidigen;

9.2. ein Forum für den offenen Dialog zwischen allen politischen Parteien und Akteuren in
Bezug auf die Entwicklungen im Kosovo zu schaffen;

9.3. die Zusammenarbeit und den Dialog mit allen internationalen und regionalen Akteuren
fortzusetzen, um im Geiste der europäischen Integration auf dem westlichen Balkan Frieden,
Stabilität und Versöhnung zu fördern;

9.4. die Zusammenarbeit mit der internationalen zivilen Präsenz der Vereinten Nationen im
Kosovo fortzusetzen, um die kulturellen, sprachlichen und religiösen Rechte aller
Gemeinschaften im Kosovo zu bewahren und zu fördern;

9.5. für die umfassende Zusammenarbeit mit den zuständigen Gremien im Kosovo6,
darunter EULEX, zu sorgen, um das Schicksal und den Verbleib aller Opfer von gewaltsamen
Verschleppungen und Entführungen zu ermitteln und dabei alle relevanten Daten und
Information, darunter auch über den Standort möglicher Gräber, auszutauschen.

10. Die Versammlung begrüßt den Amtsantritt einer neuen Regierung im Juni 2008, die von einer
breiten und vielfältigen Koalition politischer Kräfte unterstützt wird. Die neu geschaffene politische
Stabilität erzeugt ein günstiges Umfeld für die Weiterentwicklung der Gesellschaft und die Umsetzung
der notwendigen Reformen auf den Gebieten Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit. In
diesem Zusammenhang fordert die Versammlung die Mehrheitskoalition auf, Rahmenbedingungen für
einen sinnvollen Dialog mit der Opposition über wichtige Themen zu schaffen. Gleichzeitig fordert
die Versammlung einige der Oppositionsparteien nachdrücklich auf, ihre Obstruktionshaltung
aufzugeben und im Parlament eine konstruktive Haltung einzunehmen. Serbien hat in den letzten zwei
Jahren zu viele Wahlen erlebt. Es ist höchste Zeit, dass alle politischen Kräfte zusammenarbeiten, um
das Leben in Serbien zu verbessern. Die europäische Integration, die Zusammenarbeit mit dem
Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien (IStGHJ), die Stärkung der
demokratischen Institutionen und der Menschen- und Minderheitenrechte, die Reform des
Justizwesens und der Staatsanwaltschaft, die Verbrechens- und Korruptionsbekämpfung und die
Verbesserung des Lebensstandards der Bürger sollten Vorrang haben.

6 in vollem Einklang mit der Entschließung 1244 des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen

Drucksache 16/14161 – 20 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

11. In diesem Zusammenhang stellt die Versammlung fest, dass Serbien bei der Umsetzung seiner
Verpflichtung zur Zusammenarbeit mit dem IStGHJ deutliche Fortschritte mach. Sie beglückwünscht
GLH�%HK|UGHQ�]XU�)HVWQDKPH�YRQ�5DGRYDQ�.DUDGåLü��6WRMDQ�äXSOMDQLQ��=GUDYNR�7ROLPLU�XQG�9ODVWLPLU�
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Zusammenarbeit mit dem Strafgerichtshof einsetzt.

12. Daher fordert die Versammlung die serbischen Behörden auf, in Bezug auf die
Zusammenarbeit zwischen Serbien und dem IStGHJ

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unverzüglich auszuliefern;

12.2. alle Unterlagen und Archive des Verteidigungsministeriums und der Sicherheitsdienste
dem IStGHJ zugänglich zu machen, um diesem im Rahmen seines Mandats Ermittlungen zu
ermöglichen;

12.3. unverzüglich das Europäische Übereinkommen über die Unverjährbarkeit von
Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen (SEV Nr. 82) und das
Übereinkommen über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten (SEV Nr. 116) zu
unterzeichnen und zu ratifizieren.

13. Eingedenk der bevorstehenden Schließung des IStGHJ und der fortdauernden Straflosigkeit für
Kriegsverbrechen, die sich in Bosnien und Herzegowina, Kroatien und im Kosovo ereigneten, fordert
die Versammlung die serbischen Behörden auf,

13.1. die Kapazitäten und Ressourcen, die der Sonderstrafkammer für Kriegsverbrechen im
Bezirksgericht Belgrad und der für Kriegsverbrechen zuständigen Staatsanwaltschaft zur
Verfügung stehen, zu verstärken;

13.2. die Kapazitäten des Ermittlungsdienstes für Kriegsverbrechen des Innenministeriums zu
stärken.

14. Im Hinblick auf das Funktionieren demokratischer Institutionen

14.1. bedauert die Versammlung, dass die demokratischen Institutionen Serbiens nach wie
vor nicht stark genug sind, und unterstreicht die Notwendigkeit, sie auf den Gebieten der Wahl-
gesetzgebung, der parlamentarischen Demokratie und der Dezentralisierung zu stärken;

14.2. ist die Versammlung überzeugt, dass die Probleme, die sich für die
Nationalversammlung der Republik Serbien ergeben, weitgehend auf den vorhandenen
Verfassungsrahmen, der eine Art imperatives Mandat ("party-administered mandate") für
Abgeordnete vorsieht, sowie auf die Bestimmungen in Bezug auf die Sitzverteilung im
Parlament, durch die die Abgeordneten von den Entscheidungen ihrer Parteiführung abhängig
sind und ihre Auffassungen als demokratisch gewählte Vertreter der Bürger Serbiens nicht frei
äußern können, zurückzuführen sind;

14.3. fordert die Versammlung die Nationalversammlung der Republik Serbien auf, ein
weiteres Parlamentarisches Hilfsprogramm in Zusammenarbeit mit der Versammlung und unter
umfassender Nutzung neuer Finanzierungsmöglichkeiten im Rahmen des Instruments für
Heranführungshilfe (IPA) der Europäischen Union zu erstellen;

14.4. begrüßt die Bereitschaft des neu ernannten Präsidenten der Nationalversammlung der
Republik Serbien, mit der Versammlung bei der Erarbeitung einer neuen Geschäftsordnung
zusammenzuarbeiten, die die Rechte der Opposition garantieren und zugleich das effektive
Funktionieren des Parlaments ermöglichen soll;

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 21 – Drucksache 16/14161

14.5. daher fordert die Versammlung die serbischen Behörden auf,

14.5.1. die Wahlgesetze entsprechend den Gemeinsamen Empfehlungen der Venedig-
Kommission und der OSZE/ODIHR zu ändern, um insbesondere das System der
Verteilung der Mandate im nationalen Parlament und in den Kommunalparlamenten den
europäischen Standards anzupassen;

14.5.2. die Verfassungsbestimmungen bezüglich des imperativen Mandats ("party-
administered mandate") für Abgeordnete zu streichen und die Fähigkeiten der
Nationalversammlung, im politischen Prozess eine immer aktivere Rolle zu
übernehmen, zu stärken;

14.5.3. ein neues Gesetz über die Nationalversammlung der Republik Serbien und
eine neue Geschäftsordnung des Parlaments in enger Zusammenarbeit mit der
Versammlung und im Rahmen des Parlamentarischen Unterstützungsprogramms zu
verabschieden;

14.5.4. die Rechtsgrundlage und operativen Kapazitäten des Amts des Beauftragten
für die Bürgerrechte und des Amts des Beauftragten für Informationsfreiheit weiter zu
stärken;

14.5.5. die umfassende Dezentralisierungsreform weiter umzusetzen, um
sektorbezogene Zuständigkeiten effektiv an Kommunalverwaltungen und autonome
Provinzen abzutreten, die steuerliche Dezentralisierung auszubauen, die administrative
Aufsicht über die Arbeit der Kommunalbehörden zu verbessern und die Kapazitäten der
Kommunalverwaltungen aufzubauen;

14.5.6. das Europäische Rahmenübereinkommen über die grenzüberschreitende
Zusammenarbeit zwischen Gebietskörperschaften (SEV Nr. 106) unverzüglich zu
unterzeichnen und zu ratifizieren.

15. Im Hinblick auf die Rechtsstaatlichkeit

15.1. begrüßt die Versammlung die Verabschiedung des Gesetzes über den
Verfassungsgerichtshof und die Berufung der Richter an diesen Gerichtshof;

15.2. begrüßt die Versammlung die Zusammenarbeit zwischen den serbischen Behörden und
dem Europarat auf den Gebieten der Reform der Gerichte und der Staatsanwaltschaft sowie der
Bekämpfung der Korruption, der Geldwäsche und der Finanzierung des Terrorismus;

15.3. nimmt die Versammlung die Verabschiedung des Gesetzespakets über die Reform der
Gerichte und der Staatsanwaltschaft im Dezember 2008 zur Kenntnis; die Versammlung
bedauert, dass nicht alle Empfehlungen der Venedig-Kommission und der Experten des
Europarats in Bezug auf diese Gesetze berücksichtigt wurden;

15.4. stellt die Versammlung darüber hinaus fest, dass Serbiens verfassungsmäßige Ordnung
und Rechtsordnung keine ausreichenden Garantien gegen die Politisierung der Gerichte und der
Staatsanwaltschaft vorsehen;

15.5. stellt die Versammlung fest, dass die neue Verfassung die Verabschiedung einer ganzen
Reihe neuer Gesetze über die Gerichte und die Staatsanwaltschaft vorsieht, was in
Zusammenarbeit mit dem Europarat erfolgen sollte;

Drucksache 16/14161 – 22 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

15.6. daher fordert die Versammlung die serbischen Behörden auf,

15.6.1. weiterhin mit der Venedig-Kommission in Bezug auf die Festlegung
eindeutiger gesetzlicher Garantien zusammenzuarbeiten, die den Dienst habenden
Richtern, gegen die keine Anschuldigungen wegen Inkompetenz oder nicht mit den
Aufgaben eines Richters zu vereinbarenden Verhaltensweisen vorliegen, die weitere
Amtsausübung ermöglichen;

15.6.2. sich weiterhin für die Verbesserung des verfassungsmäßigen und rechtlichen
Rahmens für die Gerichte und die Staatsanwaltschaft einzusetzen, um ausreichende
Garantien gegen die politische Einmischung in ihren Handlungen zu schaffen;

15.6.3. die Effizienz und Professionalität der Richter und Staatsanwälte zu erhöhen,
insbesondere durch Stärkung ihrer Aus- und Fortbildungsmöglichkeiten in der
Akademie der Rechtsprechung;

15.6.4. bestimmte Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung im Gerichtswesen unter
gleichzeitiger grundsätzlicher Gewährleistung der Unabhängigkeit der Richter zu
verfügen;

15.6.5. die Empfehlungen der Staatengruppe gegen Korruption des Europarats
(GRECO) vollständig umzusetzen;

15.6.6. mit dem Europarat bei der Planung und Entwicklung einer
Antikorruptionsbehörde zusammenzuarbeiten, um auf diese Weise die Umsetzung
verschiedener politischer Vorhaben und Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung in
Politik und Verwaltung zu intensivieren und zu straffen;

15.6.7. sich nach Kräften für den Ausbau der Gesetzgebung und der politischen
Maßnahmen zur Verhütung von Geldwäsche und Bekämpfung der Finanzierung des
Terrorismus entsprechend den Empfehlungen von MONEYVAL einzusetzen.

16. In Bezug auf die Menschenrechte

16.1. begrüßt die Versammlung den umfassenden Katalog der von der neuen Verfassung
garantierten Menschen- und Minderheitenrechte;

16.2. begrüßt die Versammlung die mit der neuen Verfassung und den Gesetzen über die
serbische Armee und die Sicherheitskräfte eingeführten neuen Mechanismen der
demokratischen Kontrolle der Armee und der Sicherheitskräfte, bedauert aber, dass die Gesetze
über den Zivildienst und die Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen noch nicht in
Kraft getreten sind;

16.3. begrüßt die Versammlung die in Zusammenarbeit mit dem Europarat erfolgte
Erarbeitung neuer Gesetze über die Vereinigungsfreiheit, bedauert aber, dass dieser
Gesetzentwurf im Dezember 2008 erneut von der Tagesordnung des Parlaments
herausgenommen wurde;

16.4. begrüßt die Versammlung die kürzlich erfolgte Verabschiedung des Anti-
Diskriminierungsgesetzes;

16.5. verurteilt die Versammlung entschieden die Drohungen und Übergriffe gegenüber
Vertretern der nationalen Minderheiten, Menschenrechtsaktivisten, unabhängigen Journalisten
und Medienanstalten, die sich in den letzten Jahren ereignet haben;

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 23 – Drucksache 16/14161

16.6. die Versammlung fordert die serbischen Behörden insbesondere auf,

16.6.1. das Vereinsgesetz unter Berücksichtigung der Empfehlungen der Experten des
Europarats unverzüglich zu verabschieden;

16.6.2. in Abstimmung mit dem Europarat die Gesetze über den Zivildienst und die
Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen zu verabschieden;

16.6.3. eine umfassende Antidiskriminierungspolitik zur Beseitigung aller Formen der
Diskriminierung, darunter auch der Diskriminierung sexueller Minderheiten, zu
entwickeln;

16.6.4. die am 14. Dezember 2007 angenommenen Empfehlungen der Europäischen
Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) umzusetzen;

16.6.5. die Maßnahmen bezüglich der Minderheitenrechte durch Stärkung des
Vertrauens zwischen den Vertretern verschiedener Gemeinschaften und wirksame
Durchsetzung der Rechte nationaler Minderheiten im Geiste des Dialogs und der
Zusammenarbeit zwischen der Zentralregierung und den Minderheitsgruppierungen
weiterzuentwickeln und insbesondere den wirksamen Zugang zu Bildung, Medien und
öffentlicher Verwaltung in ihrer Muttersprache sowie die Vertretung der nationalen
Minderheiten in politischen und administrativen Gremien auf allen Ebenen zu
gewährleisten und ihnen die Ausübung von Gottesdiensten in ihrer Sprache zu
ermöglichen;

16.6.6. im Zusammenhang mit den von Seiten Serbiens während seiner
Präsidentschaft der Roma-Dekade genannten Prioritäten effektive Maßnahmen zur
Gewährleistung des Rechts auf angemessenes Wohnen für die Gemeinschaft der Roma
in Serbien zu treffen, z.B. durch Umsetzung des Nationalen Aktionsplans für Wohnen
der Roma-Dekade und des Leitfadens des Ministeriums für Infrastruktur für die
Verbesserung und Legalisierung der Roma-Siedlungen;

16.6.7. ein Gesetz über nationale Minderheitenräte zu verabschieden, das deren
Zuständigkeiten, Wahlverfahren, ihre Rolle gegenüber der Zentralregierung und ihre
Finanzierungsmethoden regelt;

16.6.8. alle Fälle von Gewalt und Verfolgung gegenüber allen Angehörigen der
Gemeinschaften der nationalen Minderheiten, allen Menschenrechtsaktivisten –
darunter diejenigen, die sich mit den Rechten von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und
Transgender befassen – und Journalisten zu untersuchen, und strafrechtlich zu verfolgen
und positive Maßnahmen zu ihrem Schutz zu treffen;

16.6.9. ihre gutnachbarlichen Beziehungen mit den Mutterstaaten (Rumänien,
Ungarn, Kroatien und der "Ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien") zu
vertiefen und die von ihnen unterzeichneten bilateralen Vereinbarungen vollständig
umzusetzen. Gleiches gilt für die Behörden der Nachbarstaaten;

16.6.10. sich gemeinsam mit dem Europarat für die Umsetzung der Empfehlungen des
Komitees zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender
Behandlung oder Strafe (CPT) einzusetzen;

16.6.11. geeignete Maßnahmen zur Erhöhung des Medienpluralismus, Gewährleistung
der sachgerechten Anwendung des Rundfunkgesetzes und Gewährleistung der
Transparenz bei der Arbeit der Republikanischen Rundfunkbehörde zu treffen;

Drucksache 16/14161 – 24 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

16.6.12. die Bildungsreformen fortzuführen und Regelungen zur Unterrichtung der
Grundsätze der Toleranz, der Achtung vor anderen, des interkulturellen Dialogs und der
Versöhnung zu treffen;

16.6.13. das Europäische Übereinkommens über die Staatsangehörigkeit (SEV Nr.
166) und das Übereinkommen des Europarates über die Vermeidung von
Staatenlosigkeit in Zusammenhang mit Staatennachfolge (SEV Nr. 200) zu
unterzeichnen und zu ratifizieren;

16.6.14. sich weiterhin – soweit möglich – für die Gewährleistung der dauerhaften,
sicheren und nachhaltigen Rückkehr von Flüchtlingen und Vertriebenen einzusetzen
und sich nach Kräften um die Herbeiführung dauerhafter Lösungen für Personen, die
sich für den Verbleib in Serbien entscheiden, zu bemühen.

17. In Bezug auf den Beitritt zu den Übereinkommen des Europarates

17.1. begrüßt die Versammlung die Tatsache, dass Serbien bisher 59 Übereinkommen des
Europarates unterzeichnet und ratifiziert hat;

17.2. fordert die Versammlung die serbischen Behörden auf, unverzüglich die
14 unterzeichneten, aber noch nicht ratifizierten Übereinkommen und insbesondere die
(Revidierte) Europäische Sozialcharta (SEV Nr. 163) zu ratifizieren.

18. Auf der Grundlage der obigen Empfehlungen fordert die Versammlung die serbischen Behörden
auf, einen Plan für die Umsetzung der verbleibenden Pflichten und Verpflichtungen in Bezug auf die
Zusammenarbeit mit dem IStGHJ, das Funktionieren der demokratischen Institutionen,
Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte zu entwickeln. Dieser Plan sollte den serbischen Behörden
und der Versammlung den Abschluss des Monitoringverfahrens und die Einleitung des Post-
Monitoringdialogs ermöglichen.

19. Vorbehaltlich der Fortschritte bei der Umsetzung der obigen Empfehlungen beschließt die
Versammlung, das Überwachungsverfahren in Bezug auf Serbien fortzusetzen.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 25 – Drucksache 16/14161

Empfehlung 1867 (2009)7

betr. Die Einhaltung der Verpflichtungen durch Serbien

1. Die Versammlung verweist auf ihre Entschließung 1661 (2009) über die Einhaltung der
Verpflichtungen durch Serbien, in der sie die europäischen Bestrebungen Serbiens voll und ganz
unterstützt, und fordert die Behörden auf, alle ihre Anstrengungen auf eine verbesserte
Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien zu
konzentrieren und die erforderlichen Reformen auf dem Gebiet der demokratischen Institutionen, der
Rechtsstaatlichkeit und der Menschenrechte zu vollenden.

2. Die Versammlung empfiehlt dem Ministerkomitee,

2.1. Entschließung 1661 (2009) der Versammlung im Zusammenhang mit dem
Berichtsverfahren des Sekretariats gegenüber der Berichterstattergruppe Demokratie (GR-
DEM) zu berücksichtigen;

2.2. die bestehenden Hilfsprogramme fortzusetzen und zu erweitern, um Serbien durch
Zuteilung angemessener finanzieller Ressourcen und gegebenenfalls Nutzung bilateraler
Gebermittel bei der Umsetzung seiner Verpflichtungen gegenüber dem Europarat zu
unterstützen;

2.3. mit den serbischen Behörden zusammenzuarbeiten, um gegebenenfalls neuer
zielgerichtete Kooperationsprogramme in den Bereichen Stärkung der demokratischen
Institutionen; kommunale und regionale Demokratie; Reform des Gerichtswesens und der
Staatsanwaltschaft; Bekämpfung der Korruption; Menschenrechte einschließlich der Rechte der
Menschen, die nationalen Minderheiten angehören; Massenmedien und Bildung zu entwickeln,
wobei insbesondere neue Finanzierungsmöglichkeiten – auch im Rahmen des Instruments der
Europäischen Union für Heranführungshilfe (IPA) – in vollem Umfang genutzt werden sollten.

7 Debatte der Versammlung am 28. April 2009 (13. Sitzung) (siehe Dok. 11701, Bericht des Ausschusses für die
Einhaltung der von den Mitgliedstaaten des Europarates eingegangenen Verpflichtungen (Monitoringausschuss),
Koberichterstatter: Herr Goerens und Herr Gross). Der Text wurde von der Versammlung am 28. April 2009 (13.
Sitzung) verabschiedet.

Drucksache 16/14161 – 26 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Entschließung 1662 (2009)8

betr. Maßnahmen zur Bekämpfung geschlechtsspezifischer Menschenrechtsverletzungen
einschließlich der Entführung von Frauen und Mädchen

1. Viele Länder in Europa sind heute mit den Problemen der Zwangsheirat, Genitalverstümmelung
und anderen schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen konfrontiert, die an Frauen und Mädchen
aufgrund ihres Geschlechts verübt werden. In verschiedenen Ländern verfügbare Schätzungen lassen
darauf schließen, dass Tausende Frauen und Mädchen, die zumeist in Migrantengemeinschaften leben,
diesen Formen von Gewalt in besonderem Maße ausgesetzt sind. Obgleich diese Praktiken in Europa
verboten sind, werden diese Frauen und Mädchen durch das Handeln ihrer eigenen Familien zu
Opfern. Sie werden entführt, widerrechtlich gefangen gehalten und in einigen Fällen gezwungen, in ihr
Herkunftsland zurückzukehren, und werden im Namen von Tradition, Brauch oder Religion
zwangsverheiratet, beschnitten oder versklavt.

2. Zwar sind die in einigen Auswanderungsländern im Hinblick auf die Rechte der Frauen
beobachteten Fortschritte ermutigend, aber die Tatsache, dass diese Praktiken in den
Einwanderergemeinschaften in Europa, in denen bestimmte Traditionen und Rituale ihrer
Heimatländer unter Berufung auf Bräuche oder der Religion ausgeübt werden, tendenziell
fortbestehen, stellt einen Rückschritt dar. Zwangsheiraten und Menschenrechtsverletzungen dieser Art
dienen häufig als Vorwand, um dem Ehepartner, der die Staatsbürgerschaft nicht besitzt, im Rahmen
der Familienzusammenführung die Einreise in das Land zu ermöglichen.

3. Die Parlamentarische Versammlung bekräftigt, dass entschlossene Maßnahmen zur
Bekämpfung von an Frauen und Mädchen verübten Menschenrechtsverletzungen getroffen werden
müssen. Die Gefährdung der körperlichen oder geistigen Unversehrtheit von Frauen oder Mädchen
darf unter keinen Umständen mit kulturellem Relativismus entschuldigt werden. Nach den
bestehenden völkerrechtlichen Instrumenten, insbesondere der Europäischen
Menschenrechtskonvention (SEV Nr. 5), sind alle Mitgliedstaaten des Europarates verpflichtet, mit
gebührender Sorgfalt zu handeln, um derartige Verletzungen der Menschenrechte und Grundfreiheiten
zu verhindern.

4. Unter Hinweis auf ihre Entschließung 1468 (2005) über Zwangsverheiratung und die
Verheiratung von Kindern, ihre Entschließung 1247 (2001) über die Verstümmelung weiblicher
Genitalien sowie ihre umfassende Arbeit in Bezug auf Gewalt gegen Frauen und Menschenhandel ist
die Versammlung der Auffassung, dass die Mitgliedstaaten alles in ihrer Macht Stehende tun müssen,
um diese Praktiken auf nationaler und internationaler Ebene zu verhindern und zu bekämpfen.
Politische Entschlossenheit ist von entscheidender Bedeutung, um diese Praktiken zu beseitigen.

5. Die Versammlung ist der Auffassung, dass die Mitgliedstaaten auf nationaler Ebene tätig
werden und zu diesem Zweck Maßnahmen zum Schutz der Opfer und zur Verhinderung von
Verstößen gegen die Menschenrechte und Bestrafung der Täter treffen sollten. Darüber hinaus sollten
sie auch auf internationaler Ebene tätig werden und zu diesem Zweck die Rechte von Frauen und
Maßnahmen gegen geschlechtsbezogene Gewalt fördern. Gleichzeitig sollte die Bekämpfung von
Praktiken, die gegen die Menschenrechte verstoßen, z.B. Zwangsheirat, Genitalverstümmelung sowie
andere Formen geschlechtsbezogener Gewalt in den Herkunftsländern, ebenso wie die Förderung der
Rechte von Frauen und der Gleichstellung von Männern und Frauen Priorität erhalten.

8 Debatte der Versammlung am 28. April 2009 (13. Sitzung) (siehe Dok. 11784, Bericht des Ausschusses für die
Gleichstellung von Frauen und Männern, Berichterstatterin: Frau Papadopoulos; und Dok. 11873,
Stellungnahme des Ausschusses für Sozialordnung, Gesundheit und Familie, Berichterstatter: Herr Hancock).
Der Text wurde von der Versammlung am 28. April 2009 (13. Sitzung) verabschiedet. Siehe auch Empfehlung
1868 (2009).

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 27 – Drucksache 16/14161

6. Die Versammlung stellt fest, dass es für die Mitgliedstaaten schwierig ist, die Opfer oder
potenziellen Opfer von Praktiken, die gegen die Menschenrechte verstoßen, zu schützen, vor allem,
wenn die Opfer eine doppelte Staatsbürgerschaft besitzen, da die konsularischen Vertretungen der
Mitgliedstaaten nach den Bestimmungen des internationalen Privatrechts oder bestimmter bilateraler
Abkommen kaum Möglichkeiten haben, in solchen Fällen zu intervenieren.

7. Die Versammlung fordert daher die Mitgliedstaaten auf, auf nationaler Ebene alles in ihrer
Macht Stehende zu tun, um

7.1. Erhebung von Statistiken über Zwangsehen und andere geschlechtsspezifische
Menschenrechtsverletzungen um sicherzustellen, dass die Ergebnisse analysiert und verfolgt
werden;

7.2. sofern noch nicht geschehen, ihre Gesetze zu ändern, um ohne Unterschiede in der
Behandlung alle Zwangsheiraten (gemäß Entschließung 1468 (2005) der Parlamentarischen
Versammlung), die Genitalverstümmelung und andere geschlechtsbezogene Verstöße gegen die
Menschenrechte, die auch unter Berufung auf kulturellen oder religiösen Relativismus verübt
werden, zu verbieten und zu bestrafen;

7.3. die Vernetzung zwischen sozialen und politischen Akteuren zu fördern, um
Informationen auszutauschen und konzertierte öffentliche Aktionen zu unterstützen;

7.4. Entführungen, das illegale Einsperren und die Zwangsrückkehr von Frauen und
Mädchen strafrechtlich zu verfolgen, wenn das Risiko bekannt ist, dass sie Praktiken wie
Zwangsheirat oder Genitalverstümmelung, die gegen die Menschenrechte und die Werte des
Europarates verstoßen, unterworfen werden;

7.5. präventive Maßnahmen umzusetzen, zu denen folgende Maßnahmen gehören könnten:

7.5.1. Sensibilisierungs- und Schulungsprogramme für Frauen und Mädchen und
ihre Angehörigen im Hinblick auf die Wahrung der Grundrechte, die Förderung der
Gleichstellung von Männern und Frauen und die Bekämpfung von Praktiken,
insbesondere geschlechtsbezogenen Praktiken, die gegen die Menschenrechte
verstoßen;

7.5.2. Bereitstellung von Informationen über Gesetze und bestmögliche Verfahren in
den Sprachen der betroffenen Gemeinschaften unter Herausstellung der Risiken für die
Täter und der vorhandenen Schutzvorkehrungen;

7.5.3. Bereitstellung von Informationen speziell für die Mädchen und Frauen in den
betroffenen Gemeinschaften, darunter auch denen, die eine ganztägige Ausbildung in
der Schule oder Universität absolvieren, über die in den Gastländern verfügbaren
Schutzvorkehrungen;

7.5.4. die Unterstützung nichtstaatlicher Organisationen bei der Aufklärung von
Einwanderergemeinschaften über Verbesserungen der Gesetze in Bezug auf die Rechte
von Frauen, die möglicherweise in den Herkunftsländern stattgefunden haben, sowie
geänderte Auffassungen;

7.6. Vorkehrungen zur Hilfe für die Opfer zu treffen, insbesondere die Erhöhung der Zahl
der Zufluchtsstätten, um ihren Schutz (Frauenhäuser, telefonische Beratung) und ihre soziale
und berufliche Wiedereingliederung nach ihrer Rückkehr in ihr Heimatland zu gewährleisten;

Drucksache 16/14161 – 28 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

7.7. Sensibilisierungs- und Schulungsprogramme über geschlechtsbezogene Gewalt für
Polizeikräfte (einschließlich Grenzpolizeikräfte), Mitarbeiter der Zivil- und Strafgerichte und
Mitarbeiter im Gesundheitswesen durchzuführen;

7.8. ein Frühwarnsystem einzuführen, um den Verwandten von Opfern oder potenziellen
Opfern geschlechtsbezogener Gewalt zu ermöglichen, die Behörden im Aufenthaltsland (und
gegebenenfalls ihre konsularische Vertretung) über Entführungen, widerrechtliches Einsperren
und alle Zwangsreisen oder willkürlichen Rückverbringungen dieser Opfer in ihr Herkunftsland
zu verständigen, damit eine offizielle Untersuchung eingeleitet werden kann und gegebenenfalls
Maßnahmen zum Schutz der Opfer veranlasst werden können, z.B. der Erlass einer Anordnung,
mit der ihnen untersagt wird, das Land zu verlassen;

7.9. mithilfe rechtlicher Maßnahmen strafrechtliche Verfolgung von Tätern zu vereinfachen,
die für die Straftat der häuslichen Gewalt gegen Frauen verantwortlich sind.

8. Die Versammlung fordert darüber hinaus die Mitgliedstaaten auf, im Rahmen ihrer
internationalen Beziehungen

8.1. die Mitarbeiter in den Konsulaten mithilfe von Schulungen und praktischen
Anweisungen über Gleichstellungsfragen in den Herkunftsländern, bestehende gesetzliche
Vereinbarungen im Hinblick auf die Rechte von Frauen und deren Anwendung sowie über die
ernsten Gefahren, denen Frauen und Mädchen ausgesetzt sind, die im Rahmen von Praktiken,
die gegen die Menschenrechte verstoßen, zwangsweise oder willkürlich in ihre Herkunftsländer
zurückgeschickt werden, aufzuklären;

8.2. insbesondere für die Mitarbeiter in den Konsulaten klare Reaktionsprotokolle zu
entwickeln, die die Verfahren zur Ortung und Feststellung der Opfer, Erleichterung ihres
Zugangs zu dem Konsulat des Landes, in dem sie sich gewöhnlich aufhalten, und zur
Erleichterung ihrer Rückkehr und Wiedereingliederung beinhalten, zu entwickeln;

8.3. Kooperationsverfahren mit den nationalen und kommunalen Behörden in den
Herkunftsländern zu entwickeln und sie aufzufordern, bei den betroffenen Familien zu
intervenieren, um Verstöße gegen die Menschenrechte zu verhindern oder zu beenden und
gegebenenfalls die gesetzlich vorgeschriebenen Strafen zu verhängen;

8.4. Kooperationsprogramme mit nichtstaatlichen Organisationen in den Herkunftsländern
einzuführen, um den Opfern zu ermöglichen, ermittelt und bestimmt zu werden und die
Herstellung von Kontakten mit der Familie des Opfers zu erleichtern;

8.5. die Erteilung eines Rückkehrvisums für jede Frau oder jedes Mädchen, das Opfer eines
Verstoßes gegen die Menschenrechte ist, zu beschleunigen, insbesondere wenn die
ursprüngliche Aufenthaltserlaubnis abgelaufen;

8.6. die Zusammenarbeit mit den Behörden des Herkunftslandes zu verstärken und sie
beispielsweise im Rahmen von Schulungsprogrammen und finanziellen Hilfen zu bestärken,

8.6.1. sofern noch nicht geschehen, ihre Gesetze zu ändern und alle Rituale oder
Bräuche, die gegen die Menschenrechte verstoßen, im Einklang mit den internationalen
Rechtsinstrumenten, insbesondere der Erklärung der Vereinten Nationen über die
Beseitigung der Gewalt gegen Frauen und des Übereinkommens zur Beseitigung jeder
Form von Diskriminierung der Frau, zu verbieten;

8.6.2. Gesetze zu verabschieden, die Frauen größere Unabhängigkeit bieten, die
Gleichstellung von Männern und Frauen verbessern und Gewalt gegen Frauen
bekämpfen;

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 29 – Drucksache 16/14161

8.6.3. mithilfe entschlossener Maßnahmen das Bewusstsein im Hinblick auf diese
Gesetze zu stärken und ihre wirksame Anwendung in städtischen und ländlichen
Gebieten zu gewährleisten;

8.7. nichtstaatliche Organisationen in den Gast- und Herkunftsländern zu unterstützen, die
eine entscheidende Rolle bei der Prävention und Unterstützung in diesem Bereich spielen und
als Brücke zwischen Migranten und ihren Herkunftsländern fungieren können.

Drucksache 16/14161 – 30 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Empfehlung 1868 (2009)9

betr. Maßnahmen zur Bekämpfung geschlechtsspezifischer Menschenrechtsverletzungen
einschließlich der Entführung von Frauen und Mädchen

1. Viele Länder in Europa sind heute mit den Problemen der Zwangsheirat, Genitalverstümmelung
und anderen schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen konfrontiert, die an Frauen und Mädchen
aufgrund ihres Geschlechts verübt werden. In verschiedenen Ländern verfügbare Schätzungen lassen
darauf schließen, dass Tausende Frauen und Mädchen, die zumeist in Migrantengemeinschaften leben,
diesen Formen von Gewalt in besonderem Maße ausgesetzt sind. Obgleich diese Praktiken in Europa
verboten sind, werden diese Frauen und Mädchen durch das Handeln ihrer eigenen Familien zu
Opfern. Sie werden entführt, widerrechtlich gefangen gehalten und in einigen Fällen gezwungen, in ihr
Herkunftsland zurückzukehren, und werden im Namen von Tradition, Brauch oder Religion
zwangsverheiratet, beschnitten oder versklavt.

2. Unter Hinweis auf ihre Entschließung 1662 (2009) über Maßnahmen zur Bekämpfung
geschlechtsspezifischer Menschenrechtsverletzungen einschließlich der Entführung von Frauen und
Mädchen fordert die Parlamentarische Versammlung das Ministerkomitee auf,

2.1. baldmöglichst ein Übereinkommen zu erarbeiten, um gemäß Empfehlung 1847 (2008)
"Die Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen: auf dem Wege zu einer Europaratskonvention" der
Versammlung die schwerwiegendsten und am meisten verbreiteten Formen von Gewalt gegen
Frauen einschließlich Zwangsehen zu bekämpfen;

2.2. zu diesem Zweck auf Europaratsebene ein einheitliches Erfassungssystem für
statistische Daten in Bezug auf geschlechtsspezifische Menschenrechtsverletzungen aufzubauen
und für die Weiterverfolgung der Resultate auch auf nationaler Ebene zu sorgen;

2.3. das Europäische Zentrum für globale Interdependenz und Solidarität (Nord-Süd-
Zentrum) aufzufordern, seine Programme zur Gleichstellung von Mann und Frau und zur
Bekämpfung von geschlechtsspezifischer Gewalt zu verstärken und den Dialog mit den
Auswanderungs- und Einwanderungsländern über Fragen der Gleichstellung, insbesondere im
Zivilrecht, fortzusetzen und schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen zu bekämpfen.

3. Unter Hinweis auf ihre Empfehlung 1798 (2007) über die Wahrung des Grundsatzes der
Gleichstellung von Männern und Frauen im Zivilrecht fordert die Versammlung das Ministerkomitee
auf, deren Bestimmungen unverzüglich umzusetzen, und bringt insbesondere erneut ihre Forderung
zum Ausdruck, ein neues Protokoll zur Europäischen Menschenrechtskonvention über die
Gleichstellung von Männern und Frauen zu erstellen.

9 Debatte der Versammlung am 28. April 2009 (13. Sitzung) (siehe Dok. 11784, Bericht des Ausschusses für die
Gleichstellung von Frauen und Männern, Berichterstatterin: Frau Papadopoulos; und Dok. 11873,
Stellungnahme des Ausschusses für Sozialordnung, Gesundheit und Familie, Berichterstatter: Herr Hancock).
Der Text wurde von der Versammlung am 28. April 2009 (13. Sitzung) verabschiedet. Siehe auch Empfehlung
1868 (2009).

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 31 – Drucksache 16/14161

Entschließung 1663 (2009)10

betr. Frauen in Haft

1. In Europa steigt die Zahl der Frauen in Haft. Trotz dieses Anstiegs stellen Frauen nach wie vor
eine Minderheit unter den Gefängnisinsassen dar. Die Gefängnisse werden in erster Linie für Männer
konzipiert. Deshalb und aufgrund der Tatsache, dass weibliche Gefangene gegenüber ihren
männlichen Pendants häufig einen niedrigeren sozialen Stand und geringeren Bildungsstand
aufweisen, sind die Haftanstalten, die Haftbedingungen und die Resozialisierungs- und
Bildungsprogramme häufig nicht auf die besonderen Bedürfnisse von Frauen zugeschnitten.

2. Da die Zahl der Frauen in Haft bzw. Untersuchungshaft relativ gering ist, gibt es weniger
Gefängnisse, in denen Frauen untergebracht sind, und noch weniger Orte für Frauen in
Untersuchungshaft. Dies bedeutet, dass Frauen in großer Entfernung von ihrem Heimatort gefangen
gehalten werden, sodass die Verbindung zur Familie abreißt. In manchen europäischen Ländern gibt es
sogar nur ein einziges Frauengefängnis, was dazu führt, dass weibliche Gefangene in großer
Entfernung von ihrem Heimatort bzw. ihren Familien untergebracht werden. Daher ist es umso
wichtiger, dass die Behörden Maßnahmen treffen, um die Auswirkungen der Inhaftierung auf das
Familienleben weiblicher Gefangener abzumildern.

3. Die Parlamentarische Versammlung verweist in diesem Zusammenhang auf ihre Empfehlung
1469 (2000) über Mütter und Säuglinge in Haft und fordert die Mitgliedstaaten auf, die darin
enthaltenen Bestimmungen vollständig umzusetzen.

4. Die Versammlung ist darüber hinaus der Auffassung, dass das Expertengremium des
Europarates – der Rat für Zusammenarbeit in Fragen des Strafvollzugs (Council for Penological Co-
operation, PC-CP) – bei jeder erneuten Überprüfung der Europäischen Strafvollzugsgrundsätze
versuchen sollte, die bestehenden Bestimmungen zu stärken und neue hinzuzufügen, um die
Mitgliedstaaten zu bestärken, die Haftbedingungen für Frauen zu verbessern.

5. Die Versammlung ist auch der Auffassung, dass der Europäische Ausschuss für die Verhütung
von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (CPT) und der
Menschenrechtskommissar des Europarates die Situation der Frauen in Gefängnissen bei ihren
entsprechenden Besuchen und im Rahmen ihrer Tätigkeit stärker beachten sollten.

6. Im Allgemeinen ist die Versammlung der Ansicht, dass bei der Inhaftierung von Frauen, vor
allem wenn diese alleinerziehend sind oder sich hauptsächlich um ein Kind bzw. mehrere Kinder
kümmern, angesichts der sich möglicherweise für die Mutter und das Kind bzw. die Kinder
ergebenden Störungen und emotionalen Belastungen ein Freiheitsentzug nur dann verhängt werden
sollte, wenn die Straftat so schwerwiegend ist, dass nur eine Haftstrafe in Frage kommt. In jedem Fall
sollte die Haft als letztes Mittel dienen, nachdem alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft wurden;
alternative Strafformen, darunter die Anordnung von Gemeinschaftsdienstleistungen oder ähnlichen
Diensten sowie Ansätze der ausgleichsorientierten Justiz sollten zuerst erwogen werden, insbesondere
bei Straftaten ohne Gewaltanwendung.

10 Debatte der Versammlung am 28. April 2009 (13. Sitzung) (siehe Dok. 11619, Bericht des Ausschusses für
Sozialordnung, Gesundheit und Familie, Berichterstatterin: Frau Cliveti; und Dok. 11838, Stellungnahme des
Ausschusses für Recht und Menschenrechte, Berichterstatterin: Frau Hajibayli; und Dok. 11665, Stellungnahme
des Ausschusses für die Gleichstellung von Frauen und Männern, Berichterstatterin: Frau Hägg). Der Text
wurde von der Versammlung am 28. April 2009 (13. Sitzung) verabschiedet.

Drucksache 16/14161 – 32 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

7. Nach Auffassung der Versammlung ist die Reform der Gefängnisse und der Strafjustiz
notwendig, um für eine humanere und effektivere Anwendung der Gerechtigkeit für Frauen zu sorgen.
Insbesondere sollte nach Möglichkeit auf Untersuchungshaft und Freiheitsentzug für Mädchen unter
18 Jahren verzichtet werden.

8. Um die Haftbedingungen von Frauen in Haft zu verbessern, fordert die Versammlung die
Mitgliedstaaten auf,

8.1. die Bestimmungen der überarbeiteten Europäischen Strafvollzugsgrundsätze
unverzüglich umzusetzen und dabei zur Kenntnis zu nehmen, dass gemäß Artikel 4
"Mittelknappheit keine Vollzugsbedingungen rechtfertigen darf, die gegen die Menschenrechte
von Gefangenen verstoßen";

8.2. Informationen über alle Aspekte der Haft zu sammeln, eine Aufschlüsselung aller Daten
nach Geschlecht vorzunehmen und die Statistiken öffentlich zugänglich zu machen;

8.3. unmittelbar nach Ankunft des Gefangenen in der Haftanstalt (unabhängig davon, ob es
sich dabei um einen Mann oder eine Frau handelt) die Zahl, das Alter und den Wohnort der
Kinder des Gefangenen sowie der Betreuungsperson der Kinder zu erfassen und diese
statistischen Angaben öffentlich zugänglich zu machen;

8.4. dafür zu sorgen, dass Frauen, die kleine Kinder allein erziehen, in der Zeit vor dem
Prozess nur dann inhaftiert werden, wenn die reale Gefahr besteht, dass sie erneut straffällig
werden, flüchten oder Zeugen beeinflussen. Darüber hinaus könnte auch die Aufhebung des
Hafturteils während der Schwangerschaft erwogen werden;

8.5. dafür zu sorgen, dass alle Frauengefängnisse jährlich von einer unabhängigen
Prüfinstanz überprüft werden; diese erstellt einen entsprechenden Bericht, der im Parlament
erörtert wird;

8.6. die Einrichtung von Wochenendgefängnissen speziell für Frauen zu prüfen;

8.7. aufgrund der Tatsache, dass ein großer Teil der sich gegenwärtig in Haftanstalten
befindlichen Frauen drogenabhängig ist oder psychische Probleme hat, zu versuchen, die Zahl
der Frauen in Haft zu reduzieren;

8.8. dafür zu sorgen, dass behinderte Frauen und Frauen mit chronischen Krankheiten, die
sich in Haft befinden, die Hilfsmittel und die Unterstützung (z.B. in Form von
Gebärdensprachdolmetschern, Braille-Dokumenten, medizinischer Betreuung usw.) erhalten,
die sie aufgrund ihrer Behinderung vor und während des Verfahrens und während der Haftzeit
benötigen, und dafür zu sorgen, dass sie bei den sozialen Aktivitäten und Bildungsmaßnahmen
in der Haftanstalt nicht von den übrigen Gefangenen getrennt werden, und entsprechend
geeignete Programme und Dienstleistungen anzubieten.

9. Im Hinblick auf die Haft von Müttern oder schwangeren Frauen in Gefängnissen fordert die
Versammlung die Mitgliedstaaten auf,

9.1. dafür zu sorgen, dass während der Untersuchungshaft möglichst günstige
Haftbedingungen herrschen, sofern es keine Alternative zur Untersuchungshaft gibt. Bei
Beschränkungen, die sich nachteilig auf die Familien von Häftlingen auswirken, z.B. Besuchs-
und Haftortbeschränkungen, müssen die Gefängniseinrichtungen so flexibel wie möglich sein;

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 33 – Drucksache 16/14161

9.2. zu gewährleisten, dass die staatlichen Behörden im Falle der Inhaftierung von Müttern
verpflichtet sind, sie über den Aufenthaltsort ihrer Kinder zu informieren, ihnen zuzusichern,
dass die Kinder eine geeignete Betreuung erhalten und sie nach ihrer Freilassung wieder mit
ihren Kindern zusammengeführt werden. Dies könnte möglicherweise dazu führen, dass mehr
Frauen ihre Kinder registrieren lassen;

9.3. dafür zu sorgen, dass die Haftbestimmungen und -einrichtungen flexibel genug sind, um
den Anforderungen schwangerer Frauen, stillender Mütter und von Häftlingen, die ihre Kinder
bei sich haben, gerecht zu werden;

9.4. zu gewährleisten, dass in Situationen, in denen Säuglinge und Kleinkinder in Haft von
ihrer Mutter getrennt werden müssen, diese Trennung nach und nach erfolgt, damit der Prozess
so schmerzlos und gefahrlos wie möglich verläuft;

9.5. dafür zu sorgen, dass Kinder, die sich bei ihren Müttern im Gefängnis aufhalten,
Zugang zu Kinderkrippen außerhalb des Gefängnisses erhalten und die Möglichkeit haben,
Kontakt zu anderen Kindern zu knüpfen, und die nachteiligen sozialen Auswirkungen der
Inhaftierung für ihre persönliche Entwicklung abgemildert werden;

9.6. zu gewährleisten, dass die Strafvollzugsbehörden Verständnis für die besonderen
Bedürfnisse ausländischer Gefangener in Bezug auf sprachliche und kulturelle Unterschiede
zeigen. Die Strafvollzugsbehörden sollten dafür sorgen, dass ausländische Staatsangehörige
Hilfe bei der Kontaktaufnahme zu ihren konsularischen Vertretungen erhalten. Insbesondere
müssen die Bedürfnisse ausländischer Frauen, deren Kinder in anderen Ländern leben,
umfassend berücksichtigt und - soweit möglich - erfüllt werden;

9.7. dafür zu sorgen, dass inhaftierte Mütter in Gefängnisse verlegt werden, die sich in nicht
zu großer Entfernung von ihren Familien befinden und zumutbare Anfahrtszeiten für die
Familien bedeuten.

10. Im Hinblick auf die Hygienebedürfnisse bzw. gesundheitlichen Bedürfnisse weiblicher
Gefangener fordert die Versammlung die Mitgliedstaaten auf,

10.1. dafür zu sorgen, dass es Haftrichtlinien und -programme für Frauen in den Bereichen
Hygiene und Gesundheit gibt und dass diese auf ihre besonderen Bedürfnisse zugeschnitten
sind. Insbesondere sollten die hygiene- und gesundheitsbezogenen Bedürfnisse von
schwangeren Frauen, stillenden Müttern, Müttern unmittelbar nach der Geburt und älteren
Frauen festgestellt und erfüllt werden;

10.2. zu gewährleisten, dass – sofern nicht vom zuständigen Arzt anders gewünscht – alle
medizinischen Untersuchungen der Gefangenen (bei der Ankunft oder später) außer Sicht- und
Hörweite der Gefängnisbeamten durchgeführt werden. Darüber hinaus sollten die Gefangenen
einzeln und nicht in Gruppen untersucht werden;

10.3. dafür zu sorgen, dass während der medizinischen Konsultation keine die
Bewegungsfreiheit einschränkenden Mittel (z.B. Handschellen) verwendet werden, da diese
Praktiken gegen die Würde der jeweiligen Gefangenen verstoßen und der Entwicklung eines
angemessenen Verhältnisses zwischen Arzt und Patient entgegenstehen (und sich
möglicherweise nachteilig auf die Feststellung eines objektiven medizinischen Befunds
auswirken);

Drucksache 16/14161 – 34 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

10.4. zu gewährleisten, dass schwangere Gefangene zu einem geeigneten Zeitpunkt in
Krankenhäuser außerhalb des Gefängnisses überstellt werden, damit die Kinder nicht im
Gefängnis geboren werden. Insbesondere sollten schwangere Frauen während gynäkologischer
Untersuchungen bzw. während der Geburt oder unmittelbar danach nicht an Betten oder andere
Einrichtungsgegenstände gefesselt oder anderweitig angebunden werden. Es müssen und sollten
andere Mittel zur Erfüllung von Sicherheitsanforderungen gefunden werden;

10.5. zu gewährleisten, dass weibliche Gefangene mit HIV/AIDS die von ihnen benötigte
besondere Gesundheitsversorgung, Behandlung und Unterstützung erhalten;

10.6. dafür zu sorgen, dass weibliche Gefangene während der Haftdauer im Hinblick auf
Anzeichen von Depression oder andere Geisteskrankheiten überwacht werden. Dabei ist
besonders auf gefährdete Gruppen zu achten, z.B. inhaftierte Frauen, bei denen die
Wahrscheinlichkeit höher ist, dass sie sich selbst Schaden zufügen;

10.7. zu gewährleisten, dass weitere Studien im Hinblick auf die Arten und die Verbreitung
unterschiedlicher psychischer Störungen unternommen werden, die Frauen in Haft betreffen,
und dass Ressourcen zur Behandlung dieser Störungen in allen Frauengefängnissen zur
Verfügung gestellt werden;

10.8. dafür zu sorgen, dass Strafvollzugsbeamte die Bestimmungen für ehemals drogen- und
alkoholabhängige weibliche Gefangene überwachen und dass es in allen Gefängnissen
geeignete Programme mit Blick auf ihre besonderen Bedürfnisse gibt.

11. Im Hinblick auf die Bildungsbedürfnisse weiblicher Gefangener fordert die Versammlung die
Mitgliedstaaten auf,

11.1. anzuerkennen, dass die Lese- und Schreibkenntnisse und rechnerischen Fähigkeiten
unter allen Gefangenen einschließlich Frauen sehr gering sind, und dafür zu sorgen, dass allen
weiblichen Gefangenen wöchentlich mindestens zwanzig Stunden für Bildungs- und
Ausbildungsmaßnahmen zur Verfügung stehen;

11.2. dafür zu sorgen, dass für Mütter, die Säuglinge oder Kleinkinder in der Haft bei sich
haben, innerhalb und außerhalb des Gefängnisses Kinderbetreuungseinrichtungen zur
Verfügung gestellt werden, sodass sie arbeiten oder Bildungsunterricht in Anspruch nehmen
können, sofern sie dies wünschen;

11.3. dafür zu sorgen, dass weibliche Jugendliche getrennt von weiblichen Erwachsenen
inhaftiert werden. Sollte dies jedoch die Bildungsmöglichkeiten einschränken, sollten
Vorkehrungen getroffen werden, damit Jugendliche nicht in Kontakt mit Frauen mit einem
langjährigen Vorstrafenregister kommen.

12. Im Hinblick auf die Durchführung von Besuchen für Frauen in Haft fordert die Versammlung
die Mitgliedstaaten auf,

12.1. dafür zu sorgen, dass alle Gefängnisse über Besucherzentren verfügen; diese Zentren
könnten besonders für Kleinkinder von Nutzen sein;

12.2. dafür zu sorgen, dass besondere Maßnahmen getroffen werden, um es den Kindern von
Gefangenen zu ermöglichen, Besuche im Gefängnis abzustatten, und dass das Personal eine
Schulung für die Behandlung von Kindern auf Besuch erhält. Alle vorgeschlagenen neuen
Maßnahmen oder Politiken sollten im Hinblick auf die Auswirkungen analysiert werden, die sie
auf Kinder, die in der Haftanstalt auf Besuch sind, haben könnten, sowie die Rechte des Kindes
berücksichtigen. Die Sicherheitsmaßnahmen rund um den Besuch dürfen Kinder nicht
einschüchtern;

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 35 – Drucksache 16/14161

12.3. dafür zu sorgen, dass Haftanstalten über überwachte Spielbereiche verfügen, die die
Betreuung der Kinder ermöglichen, damit ihre Mutter und andere Besucher im Verlauf des
Besuchs gegebenenfalls private Gespräche führen können;

12.4. allen Gefangenen Besuche des Ehegatten zu ermöglichen und dafür zu sorgen, dass
Verhütungsmittel kostenlos zur Verfügung gestellt werden;

12.5. weiblichen Gefangenen weitestgehend zu ermöglichen, sich mit ihren minderjährigen
Kindern bei besonderen Gelegenheiten, z.B. Geburtstagen oder wichtigen religiösen Feiern,
außerhalb des Gefängnisses zu treffen.

13. Im Hinblick auf die Wahrung der Menschenwürde weiblicher Gefangener fordert die
Versammlung die Mitgliedstaaten auf,

13.1. dafür zu sorgen, dass männliche Aufseher keine Aufgaben wahrnehmen, die körperliche
Kontakte mit weiblichen Gefangenen beinhalten, und dass sie weibliche Häftlinge nicht in
Situationen bewachen, in denen diese möglicherweise unbekleidet sind;

13.2. Vorkehrungen zu treffen, um weibliche Gefangene vor allen Formen des Missbrauchs
einschließlich des geschlechtsspezifischen Missbrauchs, der Gewalt oder der Ausbeutung durch
andere Häftlinge oder Mitarbeiter im Gefängnis oder während eines vorübergehenden
Aufenthalts zu schützen;

13.3. dafür zu sorgen, dass weibliche Gefangene die Möglichkeit haben, im Falle des
sexuellen Missbrauchs von Seiten anderer Gefangener, Besucher oder Mitarbeiter im Gefängnis
oder während eines vorübergehenden Aufenthalts Beschwerde einzulegen.

14. Im Hinblick auf die gesellschaftliche Wiedereingliederung weiblicher Häftlinge fordert die
Versammlung die Mitgliedstaaten auf, dafür zu sorgen, dass die Bedürfnisse weiblicher Gefangener
bei ihrer Freilassung berücksichtigt werden, z.B. im Hinblick auf Obdachlosigkeit, Arbeitslosigkeit,
Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt und Wiedererlangung der Erziehungsberechtigung für die
Kinder, wodurch die Gefahr einer erneuten Straffälligkeit verringert wird. Wenn die Sozialdienste
zuvor Kontakt zu einer Gefangenen hatten, sollten sie informiert werden, dass diese freigelassen wird,
und gebeten werden, ihr bei der Resozialisierung zu helfen. Die Versammlung fordert die
Mitgliedstaaten auf, Beschäftigungsprogramme für weibliche Gefangene zu entwickeln, um ihnen
Zugang zu Beschäftigungsmöglichkeiten zu geben und ihnen dadurch zu ermöglichen, einen Beitrag
zu den gesetzlichen Sozialversicherungssystemen zu leisten.

Drucksache 16/14161 – 36 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Entschließung 1664 (2009)11

betr. Die humanitären Folgen des Krieges zwischen Georgien und Russland:
Weiterverfolgung von Entschließung 1648 (2009)

1. Die Parlamentarische Versammlung verweist auf ihre Entschließung 1648 (2009) betreffend die
humanitären Folgen des Krieges zwischen Georgien und Russland. Sie hält es für wichtig, diese
Entschließung weiterzuverfolgen, indem sie die besondere humanitäre Lage in Südossetien sowie
einige der jüngeren Entwicklungen, die Auswirkungen auf die humanitäre Lage in den übrigen Teilen
Georgiens und den übrigen Konfliktgebieten haben, ausführlicher untersucht.

2. Von den 130.000 ethnischen Georgiern, die während des Konflikts vertrieben wurden, leben
noch immer ca. 26.000 als Vertriebene in Auffangzentren und Gastfamilien in Tiflis und anderen
Teilen Georgiens. Von den ca. 33.000 bis 38.000 Menschen ethnischer südossetischer Herkunft, die
während des Konflikts nach Nordossetien vertrieben wurden, sind ca. 1.200 Menschen noch nicht
nach Südossetien zurückgekehrt.

3. Den unmittelbaren humanitären Bedürfnissen nach dem Konflikt wurde während des Winters
Genüge getan, und die Maßnahmen zugunsten von Menschen auf dem Staatsgebiet unter der Kontrolle
der georgischen Regierung müssen der Regierung Georgiens, dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten
Nationen (UNHCR), dem Welternährungsprogramm (WFP), dem Internationalen Kinderhilfswerk der
Vereinten Nationen (UNICEF) und den zahlreichen anderen humanitären Agenturen und
internationalen und nationalen nichtstaatlichen Organisationen (NGOs) sowie den vielen
internationalen Geberländern und –organisationen hoch angerechnet werden. Auch die Verdienste
Russlands um die humanitäre Hilfe, die es vor allem in Nordossetien und Südossetien geleistet hat,
müssen anerkannt werden. Erwähnt werden sollte auch der wesentliche Beitrag des Internationalen
Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) im Rahmen seiner humanitären Arbeit von Tiflis aus, sowie auch
seine Arbeit von Zchinwali aus, wo es der einzige in der Region Südossetien präsente internationale
humanitäre Akteur war.

4. Nach der dringenden humanitären Hilfe müssen jetzt dauerhafte Lösungen, die Erholung und
Entwicklung, einschließlich des Wiederaufbaus der Häuser und Strukturen, die während und infolge
des Kriegs zerstört wurden, Priorität erhalten. Die Wiederherstellung und Garantie der Erdgas-,
Wasser- und Stromversorgung ist eine Priorität.

5. Die freiwillige Rückkehr in Sicherheit und Würde aller Vertriebenen und Flüchtlinge muss
gefördert werden. Dies gilt für die vom jüngsten Konflikt betroffenen Vertriebenen, jedoch auch für
die von früheren Konflikten Betroffenen.

6. Im August 2008 wies die Regierung der Russischen Föderation 10 Milliarden Rubel für die
Umsetzung eines Plans für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung Südossetiens zu (2008-11).
Dem Plan zufolge wurde ein Teil der Arbeiten bereits mit dem Bau von 46 von insgesamt 422 zu
bauenden Einrichtungen ausgeführt, und 1,5 Milliarden Rubel wurden bis Ende 2008 verwendet. Dies
wird dazu beitragen, Gebäude und Infrastrukturen wieder aufzubauen, und eine neue Erdgas-Pipeline
wird von Nordossetien nach Zchinwali gebaut. Diese Schritte werden zur Erleichterung der
schwierigen Lage beitragen, in der die Menschen in Südossetien leben, darunter mehr als 3.000
Menschen, die seit früheren Konflikten noch immer in Auffangzentren leben.

11 Debatte der Versammlung am 29. April 2009 (14. Sitzung) (siehe Dok. 11859, Bericht des Ausschusses für
Wanderbewegungen, Flüchtlings- und Bevölkerungsfragen, Berichterstatterin: Frau Jonker; Der Text wurde von
der Versammlung am 29. April 2009 (14. Sitzung) verabschiedet. Siehe auch Empfehlung 1869 (2009).

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 37 – Drucksache 16/14161

7. Sicherheitsbedenken bestehen im Hinblick auf viele der in Südossetien lebenden Menschen fort,
wie auch in Bezug auf die im übrigen Georgien lebenden Menschen und insbesondere die in der Nähe
der administrativen Grenze lebende Bevölkerung. Es gibt noch immer ein hohes Maß an Unsicherheit
und Angst auf allen Seiten im Hinblick auf Vorfälle, bei denen die administrative Grenze überschritten
wurde, Geiselnahmen sowie die Möglichkeit einer Wiederaufnahme der bewaffneten Feindseligkeiten.

8. Die ehemals unter georgischer Kontrolle befindlichen Dörfer in Südossetien wurden bis auf ein
paar Häuser dem Erdboden gleichgemacht. Die Absicht, die Gegend von ethnischen Georgiern zu
säubern, ist eindeutig.

9. Es gibt eindeutige Beweise für die Zerstörung zivilen Eigentums und von Häusern im Besitz
von Südossetiern durch georgische Militärtruppen während des Krieges.

10. Große Besorgnis besteht weiterhin in Bezug auf die Lage der ethnischen Georgier im besetzten
Bezirk Akhalgori, und während diese Menschen derzeit nicht durch Drohungen oder Gewalt
gezwungen werden, ihre Häuser zu verlassen, sind sie mit zahlreichen Problemen konfrontiert, die,
sofern sie nicht angegangen werden, zu einer weiteren Abwanderung von Menschen aus dieser Region
führen werden. Zu diesen Problemen gehören Beschränkungen im Hinblick auf das Überqueren der
administrativen Grenze, die Ungewissheit in Bezug auf das Bildungssystem und Unterricht in
georgischer Sprache, Druck, südossetische Pässe anzunehmen, Akte der Diskriminierung durch
Einzelpersonen und Probleme in Bezug auf den Zugang zur Gesundheitsversorgung.

11. Die Kriegsschäden, Studien sowie Zeugenaussagen nach dem Ende des Krieges belegen, dass
auf allen Seiten Menschenrechtsverletzungen und Verletzungen des humanitären Völkerrechts
begangen wurden, die Gegenstand einer internationalen unabhängigen Untersuchung sein müssen. Es
ist insbesondere notwendig, die Anschuldigungen im Hinblick auf wahllose Angriffe auf Zivilisten zu
untersuchen, wie Angriffe durch den Einsatz von Streubomben, die angeblich sowohl von russischer
als auch von georgischer Seite eingesetzt wurden, angebliche Angriffe auf ethnische südossetische
Zivilisten, die versuchten, aus der Kampfzone von Zchinwali zu fliehen, sowie Angriffe auf ethnische
Georgier, die aus der Kampfzone auch nahe Eredvi zu fliehen versuchten.

12. Die Lage in Abchasien bleibt ebenfalls gespannt. Fragen im Hinblick auf die Einschränkungen
bei der Überquerung der administrativen Grenze südlich des Bezirks Gali, in Bezug auf Rechte,
insbesondere das Recht auf Unterricht in der Muttersprache, die Frage der ethnischen Georgier, die de
facto in einer Minderheitssituation im Bezirk Gali leben, sowie der Druck auf die Menschen,
abchasische Pässe anzunehmen, sind besonders besorgniserregend. Der jüngste Vorfall in dem Dorf
Otobaia, wo 50 Familien vertrieben wurden, ihnen jedoch später die Rückkehr gestattet wurde, ist
ebenfalls von großer Besorgnis für die Versammlung.

13. Die Zukunft und die Rolle internationaler Organisationen in der Region sind weiterhin unsicher.
Das Büro der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) wird geschlossen,
obwohl das Mandat der unbewaffneten militärischen Überwachungsbeamten der Organisation bis zum
30. Juni 2009 verlängert wurde. In Bezug auf Abchasien ist es den Vereinten Nationen gelungen, ein
verlängertes Mandat bis zum 15. Juni 2009 für ihre Beobachtermission auszuhandeln, doch es wird
über ein neues Mandat verhandelt werden müssen. Russland und die De-Facto-Behörden hindern die
Beobachtermission der Europäischen Union (EUMM) an einem Zugang zu den Gebieten Südossetiens
und Abchasiens.

14. Es müssen weitere Schritte unternommen werden, um einen Dialog und Vertrauen zwischen
allen Konfliktparteien und der internationalen Gemeinschaft aufzubauen. Dies kann nicht getan
werden, wenn die administrativen Grenzen abgeriegelt werden und Gemeinschaften völlig isoliert
werden. Die internationalen Organisationen, darunter die Vereinten Nationen und der Europarat,
müssen in diesen Regionen vertreten sein, um den Dialog zu fördern und Vertrauen aufzubauen.

Drucksache 16/14161 – 38 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

15. In Anbetracht der oben genannten Überlegungen ruft die Versammlung Georgien, Russland und
die De-Facto-Behörden in Südossetien und Abchasien auf,

15.1. die in Entschließung 1648 (2009) der Versammlung betreffend die humanitären Folgen
des Krieges zwischen Georgien und Russland abgegebenen Empfehlungen vollständig
umzusetzen;

15.2. die administrativen Grenzen Abchasiens und Südossetiens offen zu halten und im
Hinblick auf die Frage des Zugangs der Region vom Norden oder Süden her flexibel und
praktisch zu bleiben, wenigstens zu allen humanitären Zwecken;

15.3. sicherzustellen, dass die gesamte Grundversorgung, wie Erdgas, Strom und Wasser,
nicht unterbrochen wird. Dies ist besonders wichtig in Bezug auf Gaslieferungen nach
Zchinwali sowie Wasserlieferungen von Südossetien in Dörfer südlich der administrativen
Grenze;

15.4. internationalen Überwachungsorganen, wie dem Europäischen Komitee zur Verhütung
von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (CPT) und dem
IKRK umfassenden und freien Zugang zu allen Haftzentren zu ermöglichen;

15.5. daran zu arbeiten, Verschwundene zu identifizieren und das Problem der Geiselnahme
und des Austauschs von Gefangenen anzugehen, ggf. unter Nutzung der guten Dienste der
verschiedenen Ombudsmänner in der Region und des Menschenrechtskommissars des
Europarates;

15.6. die zivilgesellschaftlichen Initiativen zu unterstützen, die für die Stärkung der Rolle der
Menschen, vor allem junger Menschen, sowie der Entwicklung der Gesellschaft von
entscheidender Bedeutung sind, um eine starke Kultur der Menschenrechte und humanitäre
Kultur in den ehemaligen Konfliktgebieten zu gewährleisten;

15.7. im humanitären Zusammenhang einer flexiblen und kreativen Einigung über das
Mandat und die Rolle der in der Region tätigen internationalen Organisationen Vorrang
einzuräumen, um Frieden und Stabilität zu fördern und die Menschenrechtslage und die
humanitäre Lage zu überwachen, sowie in dieser Hinsicht insbesondere

15.7.1. die Fortsetzung der von der Beobachtermission der Vereinten Nationen in
Georgien geleisteten Arbeit zu vereinbaren;

15.7.2. es den unbewaffneten militärischen Beobachtern der OSZE zu erlauben, ihr
Überwachungsmandat fortzusetzen und eine verlängerte OSZE-Präsenz in der Region
Südossetien auszuhandeln;

15.7.3. das Mandat der EUMM zu stärken und ihr den Zugang zu allen
Konfliktgebieten zu gestatten;

15.7.4. die Notwendigkeit einer neuen internationalisierten Friedenstruppe in der
Region zu prüfen;

15.7.5. sich zu verpflichten, vom Einsatz von Gewalt gegeneinander abzusehen, was
eine umfassende Lösung für alle humanitären Probleme, die infolge des Krieges vom
August 2008 entstanden, nachdrücklich erleichtern würde.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 39 – Drucksache 16/14161

16. Die Versammlung ruft die De-Facto-Behörden in Südossetien und Russland dazu auf,

16.1. sicherzustellen, dass die von der Russischen Föderation zugewiesenen 10 Milliarden
Euro so effektiv wie möglich zum Zweck der sozioökonomischen Entwicklung in Südossetien
verwendet werden, u.a. für den Wiederaufbau von Häusern, die Verlegung der Menschen aus
den Auffangzentren und die Reparatur der beschädigten und vernachlässigten Infrastruktur;

16.2. Maßnahmen gegen alle Personen zu ergreifen, die an der Zerstörung oder Plünderung
von Häusern teilgenommen haben, und sicherzustellen, dass die Häuser, das Eigentum, die
Habe und die körperliche Sicherheit aller Personen ethnischer georgischer Herkunft gewahrt
werden und dass Häuser und Eigentum restauriert und, wo es praktisch erscheint,
zurückgegeben werden; falls dies nicht möglich ist, sollte nach den internationalen Normen und
dem Willen des Antragstellers eine Entschädigung von einem unabhängigen Gericht festgelegt
werden;

16.3. im Einklang mit dem Völkerrecht die freiwillige Rückkehr aller Vertriebenen in
Sicherheit und Würde zu gewährleisten;

16.4. von allen Schritten abzusehen, die zu einer weiteren Abwanderung ethnischer Georgier
insbesondere aus dem besetzten Bezirk Akhalgori beitragen, und die Menschen zur Rückkehr
aufzufordern, die ihn bereits verlassen haben. In dieser Hinsicht sollten Maßnahmen ergriffen
werden, um

16.4.1. Reisen der örtlichen Bevölkerung im Bezirk Akhalgori über die südliche
administrative Grenze zu erleichtern;

16.4.2. dabei zu helfen, alles beschädigte oder zerstörte Eigentum in dem Bezirk
wieder aufzubauen;

16.4.3. die Bildungsrechte der ethnischen Georgier, die im Bezirk Akhalgori leben, zu
garantieren, einschließlich des Unterrichts in der Muttersprache;

16.4.4. sicherzustellen, dass die Bevölkerung nicht gezwungen wird, südossetische
Pässe anzunehmen;

16.4.5. Situationen der Staatenlosigkeit zu vermeiden;

16.5.5. alle Akte der Diskriminierung anzugehen, gleich, ob diese von Einzelpersonen
oder den Behörden begangen wurden.

17. Die Versammlung ruft die De-facto-Behörden in Abchasien und Russland auf,

17.1. die südliche administrative Grenze offen zu halten, insbesondere für diejenigen, die im
Bezirk Gali leben oder dorthin zurückkehren möchten;

17.2. sicherzustellen, dass Vorfälle wie die Vertreibung der Dorfbewohner des Dorfes
Otobaia sich nicht wiederholen;

17.3. die freiwillige Rückkehr in Sicherheit und Würde zu gewährleisten, auch die Rückkehr
der Menschen in das Kodori-Tal;

17.4. sicherzustellen, dass die Bevölkerung nicht gezwungen wird, abchasische Pässe
anzunehmen;

Drucksache 16/14161 – 40 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

17.5. Situationen der Staatenlosigkeit zu vermeiden;

17.6. die Bildungsrechte der ethnischen Georgier, auch den Unterricht in der Muttersprache,
zu garantieren.

18. Die Versammlung ruft Georgien auf,

18.1. in Zusammenarbeit und Absprache mit dem Amt des Hohen Flüchtlingskommissars der
Vereinten Nationen und anderen internationalen Partnern weiterhin die überarbeiteten
staatlichen Strategien für Binnenvertriebene umzusetzen;

18.2. das Gesetz über die besetzten Gebiete zu überarbeiten oder davon abzusehen, es auf
eine Art und Weise umzusetzen, die mit den von der Europäischen Kommission für Demokratie
durch Recht (Venedig-Kommission) ermittelten internationalen Menschenrechts- und
humanitären Rechtsstandards nicht zu vereinbaren ist.

19. Die Versammlung ruft Russland auf, den Unterkunftsbedarf und andere humanitäre Bedürfnisse
der Vertriebenen und Flüchtlinge des jüngsten Konflikts sowie früherer Konflikte in Georgien
ungeachtet ihrer ethnischen Herkunft zu prüfen und die Umsiedlung der Menschen, die derzeit in
Langzeitauffangzentren in Nordossetien leben, zu beschleunigen.

20. Die Versammlung ruft die internationale Gemeinschaft auf, ihre Anstrengungen für eine
Präsenz in Südossetien und auch in Abchasien zu verdoppeln, um das Misstrauen der lokalen
Bevölkerung zu mildern und die Möglichkeit für einen Dialog mit allen Parteien zu erhöhen.

21. Die Versammlung ermutigt den Menschenrechtskommissar des Europarates, seine wichtige
Menschenrechtsarbeit in der Region fortzusetzen.

22. Sie ersucht die Entwicklungsbank des Europarates, weiterhin Unterstützung für humanitäre
Projekte in den vom Krieg betroffenen Regionen zu leisten, ggf. durch die Bereitstellung von Darlehen
oder Spenden.

23. Die Versammlung wird die Umsetzung von Entschließung 1648 (2009) betreffend die
humanitären Folgen des Krieges zwischen Georgien und Russland und der vorliegenden
Entschließung sowie den einschlägigen Bericht des Überwachungsausschusses betreffend die
Umsetzung der Entschließungen 1633 (2008) und 1647 (2009) weiterhin genau verfolgen.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 41 – Drucksache 16/14161

Empfehlung 1869 (2009)12

betr. Die humanitären Folgen des Krieges zwischen Georgien und Russland: Weiterverfolgung
von Entschließung 1648 (2009)

1. Die Parlamentarische Versammlung verweist auf ihre Entschließung 1664 (2009) betreffend
„Die humanitären Folgen des Krieges zwischen Georgien und Russland: Weiterverfolgung von
Entschließung 1648 (2009)”.

2. Sie ist der Ansicht, dass dem Europarat eine wichtige Rolle in Georgien, einschließlich
Südossetien und Abchasien, zukommt.

3. Daher empfiehlt die Versammlung dem Ministerkomitee, die in Empfehlung 1857 (2009)
betreffend die humanitären Folgen des Krieges zwischen Georgien und Russland enthaltenen
Empfehlungen voll und ganz zu berücksichtigen und insbesondere

3.1. weiterhin mit der EU, den Vereinten Nationen, der Organisation für Sicherheit und
Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und anderen internationalen Akteuren Verbindung zu
halten;

3.2. den Vereinten Nationen bei ihren Bemühungen zur Aushandlung eines neuen Mandats für
die Beobachtermission der Vereinten Nationen in Georgien (UNOMIG) umfassende
Unterstützung zu leisten;

3.3. einen Aktionsplan, insbesondere mit besonderen Maßnahmen, die sich auf den Schutz
und die Förderung der Menschenrechtsnormen und der Normen des humanitären Völkerrechts
in Südossetien und Abchasien konzentrieren, zu verabschieden und zu prüfen, wie der Europarat
in diesen beiden Regionen präsent sein könnte, und zwar entweder mit einer eigenständigen
Mission oder als Teil einer anderen, von den VN oder einer anderen Organisation geleiteten
internationalen Mission;

3.4. umfassende Unterstützung und Finanzierung für die Aktivitäten und das Programm des
Menschenrechtskommissars des Europarates in Südossetien und Abchasien zu leisten;

3.5. sicherzustellen, dass die regelmäßige Berichterstattung, um die das Ministerkomitee den
Generalsekretär im Hinblick auf die Lage der Menschenrechte in den vom Konflikt betroffenen
Gebieten (auf der 1048. Sitzung der Abgeordneten am 11. und 12. Februar 2009) gebeten hatte,
humanitäre Fragen voll und ganz berücksichtigt, auch die der neuen und alten
Binnenvertriebenen. Außerdem sollte sich die Berichterstattung auf alle vom Konflikt in
Georgien betroffenen Gebiete, einschließlich der Regionen Südossetien und Abchasien sowie
Nordossetien, sowie die Not der neuen und alten Flüchtlinge und Binnenvertriebenen in all
diesen Gebieten beziehen.

3.6. Initiativen zur Herstellung eines Dialogs und zum Aufbau von Vertrauen zwischen allen
Parteien, darunter allen Konfliktparteien und der internationalen Gemeinschaft, zu ergreifen;

3.7. zivilgesellschaftliche Initiativen zu unterstützen, die für die Stärkung der Rolle der
Menschen, insbesondere junger Menschen, und für die Entwicklung der Gesellschaft eine
entscheidende Rolle spielen, um eine starke Kultur der Menschenrechte und des humanitären
Rechts in den ehemaligen Konfliktgebieten zu gewährleisten.

12 Debatte der Versammlung am 29. April 2009 (14. Sitzung) (siehe Dok. 11859, Bericht des Ausschusses für
Wanderbewegungen, Flüchtlings- und Bevölkerungsfragen, Berichterstatterin: Frau Jonker). Der Text wurde von
der Versammlung am 29. April 2009 (14. Sitzung) verabschiedet.

Drucksache 16/14161 – 42 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Entschließung 1665 (2009)13

betr. Das Verfahren zur Wahl des Generalsekretärs des Europarates

1. Die Amtszeit des derzeitigen Generalsekretärs des Europarates endet am 31. August 2009. Im
Oktober 2008 wurde das Verfahren zur Wahl des (neuen) Generalsekretärs eingeleitet.

2. Nach Ansicht der Parlamentarischen Versammlung haben sich im Verlauf dieses Prozesses
mehrere Fragen ergeben, die sich in erheblichem Umfang auf den Wahlprozess auswirken:

2.1. die Hinzufügung neuer Bestimmungen im Hinblick auf die Qualifikationen der
Bewerber um dieses Amt durch das Ministerkomitee im Mai 2007 ohne vorherige
Konsultierung der Versammlung;

2.2. die Möglichkeit einer Vorauswahl der Bewerber;

2.3. die Annahme eines Entschließungsentwurfs durch die Ministerstellvertreter am 23.
April 2009, der die Zahl der Bewerber einschränkt, was der Möglichkeit einer echten
Konsultierung der Versammlung im Gemeinsamen Ausschuss vorzugreifen scheint.

3. Außerdem stellt die Versammlung fest, dass es keine weiblichen Kandidaten gibt.

4. Die Versammlung ist der Auffassung, dass eine Vorauswahl der Bewerber ihr Recht
einschränken würde, einen Kandidaten auszuwählen.

5. Die Versammlung ist darüber hinaus der Auffassung, dass der auf seiner 117. Sitzung im Mai
2007 vom Ministerkomitee getroffene Beschluss nicht in die Bestimmungen des Europarates für die
Ernennung des Generalsekretärs, des Stellvertretenden Generalsekretärs und des Generalsekretärs der
Versammlung aufgenommen wurde und dass sich das Ministerkomitee daher nicht ohne die offizielle
Zustimmung der Versammlung darauf stützen sollte.

6. Die Versammlung ist daher der Ansicht, dass zur Gewährleistung der Legitimität des neuen
Generalsekretärs des Europarates

6.1. die Ministerstellvertreter ihre Vorschläge (Entschließungsentwurf) vom 23. April 2009
im Hinblick auf die Übermittlung der Liste der Bewerber für das Amt des Generalsekretärs des
Europarates an die Versammlung überprüfen sollten;

6.2. das Ministerkomitee auf seiner Ministersitzung am 12. Mai 2009 eine Entschließung
über die Wahl des Generalsekretärs des Europarates verabschieden sollte, um der Versammlung
eine Liste vorzulegen, die ihr die Auswahl unter den vier vorhandenen Bewerbern ermöglicht.

7. In Zukunft sollte das Ministerkomitee die Mitgliedstaaten auffordern, weibliche Kandidaten
vorzuschlagen.

8. Die Versammlung ist darüber hinaus der Auffassung, dass das Ministerkomitee einen echten
Dialog mit ihr wiederherstellen sollte, um ein ordnungsgemäßes institutionelles Gleichgewicht und ein
effizienteres Funktionieren des Europarates im Geiste der Zusammenarbeit zu gewährleisten.

9. Schließlich ist die Versammlung der Ansicht, dass die Bestimmungen zur Wahl der drei
höheren Beamten des Europarates, die seit mehr als fünfzig Jahren unverändert geblieben sind, nicht
mehr zeitgemäß sind, und fordert das Präsidium auf, den zuständigen Ausschuss anzuweisen, dem
Präsidium über mögliche Änderungen Bericht zu erstatten.

13 Debatte der Versammlung am 29. April 2009 (15. Sitzung) (siehe Dok. 11877, Bericht des Ausschusses für
Geschäftsordnung, Immunitäten und institutionelle Angelegenheiten, Berichterstatter: Herr Greenway). Der Text
wurde von der Versammlung am 29. April 2009 (15. Sitzung) verabschiedet.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43 – Drucksache 16/14161

Entschließung 1666 (2009)14

betr. Das Funktionieren der demokratischen Institutionen in der Republik Moldau

1. Am 5. April 2009 fanden in der Republik Moldau Parlamentswahlen statt. Diese Wahlen waren
ein wichtiger Prüfstein für die Demokratie in der Republik Moldau und sollten dem Land die Stärkung
der demokratischen Institutionen und die Erzielung von Fortschritten im Hinblick auf die Europäische
Integration ermöglichen. Nach Auffassung des Ad-hoc-Ausschusses der Parlamentarischen
Versammlung, der die Wahlen beobachtete, "erfüllten sie viele internationale Standards und
Verpflichtungen, aber es waren weitere Verbesserungen erforderlich, um einen Wahlprozess zu
gewährleisten, bei dem es zu keiner ungebührlichen Einmischung seitens der Behörden kommt, und
um das Vertrauen der Öffentlichkeit zu erhöhen". Bei den Debatten im öffentlich-rechtlichen
Fernsehen über den Grundsatz der Durchführung einer Abstimmung zur Festlegung der Redner hätten
die Kandidaten die Gelegenheit erhalten sollen, ihren jeweiligen Standpunkt darzulegen. Dessen
ungeachtet wurde festgestellt, dass die Opposition ihre Vorstellungen und Programme nicht darlegen
konnte. Darüber hinaus stellten die Beobachter fest, dass

1.1. es im Wahlprozess zu einer Reihe erheblicher verfahrenstechnischer Mängel kam und
deutliche Verbesserungen in Bezug auf den Wahlprozess vonnöten waren;

1.2. die staatliche Rundfunkanstalt nicht eindeutig zwischen der Berichterstattung über die
Pflichten der Staatsbeamten und ihren Wahlkampfaktivitäten unterschied;

1.3. zwar das Umfeld der Kampagne pluralistisch und friedlich war und es zu keinen
nennenswerten Ausschreitungen kam, dieses aber von zahlreichen Anschuldigungen bezüglich
der Einschüchterung von Wählern und Kandidaten und dem mutmaßlichen Missbrauch
administrativer Ressourcen geprägt war.

2. Die Parlamentarische Versammlung stellt mit Bedauern fest, dass die gleichen Probleme schon
bei früheren Wahlen und zuletzt bei den Kommunalwahlen vom 3. und 17. Juni 2007 in der Republik
Moldau aufgetreten sind. In diesem Zusammenhang erinnert die Versammlung an ihre Entschließung
1572 (2007) über die Einhaltung der Pflichten und Verpflichtungen seitens der Republik Moldau, in
der sie

2.1. hervorhebt, dass die wiederholt auftretenden Probleme im Zusammenhang mit der
Wahlpraxis in der Republik Moldau nicht den Pflichten entsprechen, die die Mitgliedstaaten des
Europarates, die den Aufbau einer pluralistischen demokratischen Gesellschaft auf der
Grundlage der Rechtsstaatlichkeit anstreben, erfüllen müssen;

2.2. die Behörden auffordert, sich sorgfältig mit den Schlussfolgerungen der internationalen
Beobachter bezüglich der Kommunalwahlen vom Juni 2007 zu befassen und diese zu
berücksichtigen, um alle Mängel im Hinblick auf die Einhaltung der europäischen Normen für
demokratische Wahlen zu beseitigen und vollkommen freie, faire und demokratische
Parlamentswahlen im Jahr 2009 durchzuführen.

3. Die Versammlung ist ernsthaft besorgt angesichts der Tatsache, dass ihre früheren
Empfehlungen hinsichtlich der Verbesserung des Wahlprozesses und der Stärkung der demokratischen
Institutionen des Staates vor den Parlamentswahlen vom 5. April 2009 seitens der moldauischen
Behörden nur teilweise eingehalten wurden. Bei den im April 2008 verabschiedeten Änderungen des

14 Debatte der Versammlung am 29. April 2009 (15. Sitzung) (siehe Dok. 11878, Bericht des Ausschusses für die
Einhaltung der von den Mitgliedstaaten des Europarates eingegangenen Verpflichtungen (Monitoringausschuss,
Koberichterstatter: Frau Durrieu und Herr Vareikis). Der Text wurde von der Versammlung am 29. April 2009
(15. Sitzung) verabschiedet.

Drucksache 16/14161 – 44 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Wahlgesetzes wurde die Sperrklausel von 4 % auf 6 % angehoben, es wurden keine Wahlkoalitionen
zwischen politischen Parteien und gesellschaftlich-politischen Organisationen ermöglicht, und die
Ausübung herausgehobener öffentlicher Ämter durch moldauische Bürger, die mehrere
Staatsbürgerschaften besitzen, wurde verboten. Insgesamt hatten diese Änderungen zur Folge, dass
einige politische Kräfte nur eingeschränkt die Möglichkeit hatten, sich effektiv in den politischen
Prozess einzubringen, und somit der Pluralismus geschwächt wurde. Ungeachtet der Debatten über
den Grundsatz der Durchführung einer Abstimmung zur Festlegung der Redner nutzte die Opposition
diese Gelegenheit nicht zur Erläuterung ihrer Vorstellungen und politischen Programme, sondern
verbrachte die Zeit damit, sich zu streiten.

4. Die Versammlung bedauert die Tatsache, dass der friedliche Protest vor dem Amtssitz des
Präsidenten und dem Parlamentsgebäude, der am 6. April 2009 hauptsächlich auf Initiative junger
Menschen begann, die sich mit den Wahlergebnissen nicht abfinden wollten, am 7. April 2009 in
einen gewalttätigen Angriff auf das Parlamentsgebäude und den Amtssitz des Präsidenten und in die
Zerstörung verschiedener öffentlicher Gebäude mündete. Das Demonstrationsrecht ist in einer
Demokratie von grundlegender Bedeutung. Die Regierungen und zuständigen Behörden sind
verpflichtet, das Recht ihrer Bürger auf Sicherheit zu gewährleisten, wenn die öffentliche Ordnung
gestört wird. Es ist stets schwierig, die Einhaltung dieser gegenseitigen Rechte in Einklang zu bringen.
Kein Recht lässt indessen die Zerstörung und das Niederbrennen öffentlicher Gebäude und damit
einhergehend die Gefährdung der sich in diesen Gebäuden aufhaltenden Menschen zu. Die
Versammlung verurteilt daher entschieden diese Gewaltakte, die in einer demokratischen Gesellschaft
keinesfalls als Mittel zur politischen Meinungsäußerung angewandt werden dürfen.

5. Gleichzeitig missbilligt die Versammlung die Aussagen der moldauischen Behörden
unmittelbar nach dem Gewaltausbruch, in denen Behördenvertreter auf höchster politischer Ebene
ohne vorherige gründliche Untersuchung die Opposition beschuldigten, die gewalttätigen Proteste im
Rahmen des Versuchs der Durchführung eines Staatsstreichs inszeniert zu haben. Die Versammlung
ist überzeugt, dass sich die Behörden unter diesen Umständen zurückhaltender hätten äußern sollen,
um die Situation zu beruhigen.

6. Die Versammlung ist sehr besorgt über die während der Ereignisse nach den Wahlen von Seiten
der Polizei begangenen Gewalttaten. Den verfügbaren Informationen zufolge wurden mehr als 300
Menschen verhaftet, und neun Menschen werden nach wie vor in Gewahrsam gehalten. Diese Zahlen
wurden von zahlreichen internationalen und nationalen nichtstaatlichen Organisationen sowie von dem
im Rahmen des Fakultativprotokolls zum Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Folter und
andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe geschaffenen Nationalen
Präventionsmechanismus gegen Folter genannt. Diese beinhalten

6.1. bestimmte Fälle von mutmaßlichen "Schlägen und Misshandlungen";

6.2. Verstöße gegen das Recht auf ein faires Verfahren und das Recht auf wirksamen
Rechtsbehelf nach Maßgabe der Europäischen Menschenrechtskonvention (SEV Nr. 5) und der
Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte;

6.3. unverhältnismäßige Einschränkungen des freien Zugangs zu Informationen und der
Freiheit der Medien und Angriffe auf Journalisten.

7. Die Versammlung fordert nachdrücklich eine sofortige unabhängige und sorgfältige
Untersuchung all dieser mutmaßlichen Gewalttaten und die strafrechtliche Verfolgung der für diese
Verstöße verantwortlichen Personen. In diesem Zusammenhang ist die umfassende Zusammenarbeit
mit den zuständigen Gremien des Europarates, insbesondere dem Menschenrechtskommissar und dem
Europäischen Ausschuss zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender
Behandlung oder Strafe, zu gewährleisten.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 45 – Drucksache 16/14161

8. Um das Vertrauen in die demokratischen Institutionen des Landes zu stärken, fordert die
Versammlung die moldauischen Behörden erneut nachdrücklich auf, in diesem speziellen
Zusammenhang die Empfehlungen ihrer früheren Entschließung 1572 vollständig umzusetzen. Die
Versammlung fordert die Behörden insbesondere nachdrücklich auf,

8.1. in Zusammenarbeit mit der Europäischen Kommission für Demokratie durch Recht
(Venedig-Kommission) die Reform des Wahlrechts wieder aufzunehmen, um die Sperrklausel
für politische Parteien zu senken und damit den politischen Prozess für mehr Pluralismus zu
öffnen, die Wählerlisten unverzüglich zu überprüfen, um diese endgültig festzulegen, und dabei
die Verpflichtung zur regelmäßigen Überprüfung einzuführen und zukünftig keine
Ergänzungslisten zu führen sowie Mechanismen und Verfahren zu schaffen, die den im Ausland
lebenden Bürgern der Republik Moldau die effektive Ausübung ihres Wahlrechts ermöglichen;

8.2. die Anwendung der Artikel des Wahlgesetzes auszusetzen, die Menschen mit
mehrfacher Staatsangehörigkeit die Ausübung herausgehobener öffentlicher Ämter verwehren,
und das Urteil der Großen Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Fall
Tanase und Chirtoaca gegen die Republik Moldau abzuwarten;

8.3. die Reform der nationalen und lokalen Medien fortzuführen und dabei de jure und de
facto den Medienpluralismus zu fördern und die staatlich finanzierten Fernseh- und Radiokanäle
in einen echten öffentlichen Rundfunkdienst umzuwandeln, der der Bevölkerung
Meinungsvielfalt vermittelt, und gleichzeitig die von den kommunalen Behörden kontrollierten
und finanzierten Printmedien und audiovisuellen Medien dem Einflussbereich des Staates zu
entziehen;

8.4. die Wirksamkeit und Professionalität der Gerichte zu erhöhen und das Vertrauen der
Bevölkerung in die Wirksamkeit der inländischen gerichtlichen Rechtsbehelfe gegenüber
mutmaßlichen Verstößen gegen die Menschenrechte aufzubauen;

8.5. weitere Reformen im Polizeiwesen durchzuführen, wirksame Rechtsbehelfe gegen
unverhältnismäßige Gewaltanwendung von Angehörigen der Polizei zu schaffen und
Ausbildungsprogramme für Polizeibeamte aufzubauen, um dafür zu sorgen, dass sie stets in
vollem Einklang mit dem Gesetz und den Normen des Europäischen Kodex der Polizeiethik
handeln, der in Empfehlung Nr. 10/2001 des Ministerkomitees an die Mitgliedstaaten betreffend
den Europäischen Kodex der Polizeiethik verankert ist;

8.6. die Haftbedingungen erheblich zu verbessern und diese in vollem Umfang in Einklang
mit den europäischen Normen zu bringen und die Zuständigkeit für die Untersuchungshaft vom
Innenministerium auf das Justizministerium zu übertragen;

8.7. den Zugang von Menschenrechtsaktivisten zu allen Haftanstalten, darunter auch den
nach wie vor vom Innenministerium verwalteten Einrichtungen, zu erleichtern;

8.8. dafür zu sorgen, dass alle Fälle von Misshandlungen durch die Polizei unverzüglich
sorgfältig, unabhängig und unparteiisch untersucht und in der Folge gegebenenfalls
strafrechtlich verfolgt werden, und die Empfehlungen des Europäischen Ausschusses zur
Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe
vollständig umzusetzen.

9. Die Versammlung fordert die Republik Moldau und ihre Nachbarn und Partner, insbesondere
Rumänien, die Ukraine und Russland, die ebenfalls Mitglieder des Europarates sind, auf, konstruktiv
zum Abbau der Spannungen beizutragen und den Dialog zwischen allen politischen Interessengruppen
zu fördern und dabei die Souveränität und territoriale Unversehrtheit des Landes zu achten.

Drucksache 16/14161 – 46 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

10. Gleichzeitig stellt die Versammlung heraus, dass alle politischen Interessengruppen der
Republik Moldau, die die parlamentarische Mehrheit und die Opposition vertreten, ihrer
Verantwortung gerecht werden müssen, vor allem im Hinblick auf die Situation nach den Wahlen, um
die aktuelle politische Krise zu lösen und einen normalen politischen Prozess wieder in Gang zu
setzen. Zu diesem Zweck empfiehlt sie

10.1. allen politischen Interessengruppen, die Rechtsgültigkeit der Entscheidung des
Verfassungsgerichts anzuerkennen, in der die Wahlergebnisse bestätigt wurden; Personen, die
gegen die Wahlergebnisse Einspruch erheben, dürfen sämtliche ihnen zur Verfügung stehenden
Rechtsmittel nutzen, darunter auch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte;

10.2. den Behörden und allen politischen Interessengruppen, die Gewalt unverzüglich und
entschieden zu verurteilen und sich zu verpflichten, ihre Auffassungen, Vorstellungen und
Programme ausschließlich mit politischen Mitteln zu verteidigen;

10.3. neben der unabhängigen Untersuchung aller bereits genannten mutmaßlichen Verstöße
gegen die Menschenrechte unverzüglich eine unabhängige, transparente und glaubwürdige
Untersuchung der Ereignisse nach den Wahlen und der Umstände, die zu diesen Ereignissen
führten, durchzuführen;

10.4. den Parteien, die erfolgreich die Wahlhürde überwinden und im Parlament vertreten
sind, im Rahmen des parlamentarischen Prozesses einen konstruktiven Dialog zu führen, um die
aktuelle politische Krise zu lösen und den politischen Prozess wieder in die richtigen Bahnen zu
lenken; die demokratische Debatte muss jetzt im Parlament stattfinden; die Wahl des
zukünftigen Präsidenten des Landes sollte eine konkrete Chance zur Wiederherstellung des
Vertrauens in den demokratischen Prozess bieten;

10.5. gleichzeitig der parlamentarischen Mehrheit und der Opposition einen umfassenden
politischen Dialog mit breiter Beteiligung der außerparlamentarischen Kräfte und der
Zivilgesellschaft zu führen, um ihre Vorstellungen über die Zukunft des Landes auf der
Grundlage demokratischer Grundsätze und der europäischen Integration, zu der sie sich
verpflichtet haben, zu entwickeln;

10.6. dem neuem Parlament, unverzüglich einen Aktionsplan mit konkreten Maßnahmen und
Fristen in Bezug auf die Umsetzung der in der vorliegenden Entschließung enthaltenen
Empfehlungen der Versammlung sowie der in der Entschließung 1572 (2007) über die
Einhaltung der Pflichten und Verpflichtungen durch die Republik Moldau vereinbarten
Verpflichtungen zu erstellen und zu verabschieden.

11. Die Versammlung beschließt daher, die Situation in der Republik Moldau weiter zu beobachten,
und fordert ihren Überwachungsausschuss auf, in seiner nächsten Sitzung vor der Teilsitzung im Juni
2009 die Fortschritte der moldauischen Behörden und der Opposition im Hinblick auf die Umsetzung
der vorliegenden Entschließung und früherer Entschließungen zu untersuchen und situationsbedingt
gegebenenfalls weitere Maßnahmen vorzuschlagen.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 47 – Drucksache 16/14161

Entschließung 1667 (2009)15

betr. Den Anbau von Nahrungsmitteln und Brennstoffen

1. Angesichts schwindender Ressourcen bei fossilen Brennstoffen und der alarmierenden Folgen
des Klimawandels schien die Herstellung von Agrarkraftstoffen eine ideale Lösung zu sein.

2. Während ihr zunehmender Einsatz dazu beigetragen hat, die Energieabhängigkeit von und den
Verbrauch an fossilen Brennstoffen zu reduzieren, zeichnen sich Probleme anderer Art ab. Es ist eine
Tatsache, dass die Verwendung von früher zur Produktion von Nahrungsmitteln genutztem Land für
den Anbau von Agrarkraftstoffen nachteilige Folgen für die Nahrungsmittelproduktion hat und
Zweifel im Hinblick auf die Frage bestehen, ob Agrarkraftstoffe tatsächlich zur Erhaltung der Umwelt
beitragen.

3. Ferner haben Studien gezeigt, dass Agrarkraftstoffe häufig mehr Treibhausgasemissionen
verursachen als die fossilen Brennstoffe, die sie ersetzen, wenn man alle Faktoren in ihrer
Produktionskette berücksichtigt.

4. Abholzung und veränderte Landnutzung führen zur Freisetzung großer Mengen von
gespeichertem CO2. Darüber hinaus kommt es bei Herstellung, Umwandlung und Transport von
Agrarkraftstoffen sowie beim Einsatz von Technologien, bei denen Ölderivate und andere CO2-
emittierende Komponenten verwendet werden, zu Treibhausgasemissionen.

5. Einige Studien deuten darauf hin, dass das Klima wirksamer durch die Erhaltung oder die
Wiederherstellung von Wäldern und Grünflächen als durch die Entwicklung von Sorten für die
Produktion von Agrarkraftstoffen geschützt werden könnte. Durch Wiederaufforstung könnte über
einen Zeitraum von 30 Jahren das zwei bis neun Mal mehr an Kohlendioxid gespeichert werden als
über diesen Zeitraum an Emissionen durch die Verwendung von Agrarkraftstoffen eingespart würde.

6. Nach Angaben der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD)
können Agrarkraftstoffe die CO2-Emissionen höchstens um 3 % verringern; die Kosten würden sich
auf 360 Euro pro eingesparter Tonne CO2 belaufen.

7. Die Entwicklung von Agrarkraftstoffen ist daher vom Standpunkt der Energiebilanz her äußerst
umstritten. Manchmal wird sogar mehr Öl benötigt, um Agrarkraftstoffe herzustellen.

8. Im Hinblick auf Nahrungsmittel geht man davon aus, dass die Menge an Getreide, die zur
Füllung eines Lkw-Tanks mit Agrarkraftstoff benötigt wird, einen Menschen ein ganzes Jahr lang
ernähren könnte. Schätzungen der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten
Nationen (FAO) zufolge sind 10 % des gesamten Preisanstiegs im Nahrungsmittelsektor auf
Agrarkraftstoffe zurückzuführen; der Internationale Währungsfonds (IWF) geht von 30 % aus. Die
Weltbank veranschlagt diesen Prozentsatz auf etwa 75 %.

9. Eine Studie der Universität Stanford ergab, dass Agrarkraftstoffe sich auch nachteilig auf die
Gesundheit auswirken. Die Verwendung von Ethanol könnte durchaus ein erheblich größeres Problem
für die öffentliche Gesundheit verursachen als die zurzeit mit der CO2-Verschmutzung in Verbindung
gebrachten Krankheiten. Ethanol-Verbrennungsmotoren lassen die Ozongiftwerte in der Luft stark
ansteigen, vor allem in Städten, die bereits von Luftverschmutzung betroffen sind.

15 Debatte der Versammlung am 30. April 2009 (17. Sitzung) (siehe Dok. 11790, Bericht des Ausschusses für
Umwelt, Landwirtschaft und kommunale und regionale Angelegenheiten, Berichterstatter: Herr Evans; und Dok.
11824, Stellungnahme des Ausschusses für Wirtschaft und Entwicklung, Berichterstatterin: Frau Barnett). Der
Text wurde von der Versammlung am 30. April 2009 (17. Sitzung) verabschiedet.

Drucksache 16/14161 – 48 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

10. Eine weitere Gefahr, die mit der Entwicklung von Agrarkraftstoffen in Zusammenhang steht, ist
die Einführung von invasiven gebietsfremden Pflanzenarten, die eine Hauptursache für den Verlust der
biologischen Vielfalt sein können, wenn sie sich außerhalb der Anbaufeldern ausbreiten.

11. Die Parlamentarische Versammlung war überrascht über den Beschluss der Europäischen
Kommission, ungeachtet der Warnungen die von Wissenschaftlern, Landwirten und Umweltaktivisten,
die Entwicklung von Agrarkraftstoffen nachdrücklich zu unterstützen. Noch überraschter war sie über
den Hinweis der Europäischen Kommission, die betonte, dass Agrarkraftstoffe nur einen sehr geringen
Einfluss auf den Anstieg der Nahrungsmittelpreise hätten, und dass ihr Ziel sei, den Anteil der
Agrarkraftstoffe bis 2020 auf 10 % zu erhöhen.

12. Die Versammlung begrüßt die Tatsache, dass die Europäische Kommission ihre Haltung im Juli
2008 nochmals überprüft und betont hat, dass ihr Ziel eigentlich keine spezielle Verpflichtung im
Hinblick auf die Nutzung von Agrartreibstoffen, sondern in Bezug auf erneuerbare Energien im
Allgemeinen beinhalte.

13. Nach Ansicht der Versammlung ist es wünschenswert, dass sich die Mitgliedstaaten und Nicht-
Mitgliedstaaten des Europarates sowie die Europäische Kommission und andere betroffene
internationale Organisationen unverzüglich bemühen, eine Kompromisslösung zwischen dem
weltweiten Kraftstoffbedarf (vor allem in den reichen Ländern) und dem Nahrungsmittelbedarf (vor
allem in den armen Ländern) zu finden.

14. Aus diesen Gründen fordert die Versammlung die Regierungen der Mitgliedstaaten und
Beobachterstaaten des Europarates sowie alle betroffenen internationalen Organisationen auf,
Agrarkraftstoffe als eines der wichtigsten Elemente in ihrer Politik im Hinblick auf erneuerbare
Energien zu erachten und dabei

14.1. bei der Gestaltung ihrer Energie- und Agrarpolitik die nachteiligen Auswirkungen auf
Umwelt, Landwirtschaft und Nahrungsmittel stärker zu berücksichtigen, wenn die Entwicklung
von Agrarkraftstoffen zu weit getrieben wird, vor allem vor dem Hintergrund der Entschließung
über den Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die
Förderung der Nutzung der Energie aus erneuerbaren Ressourcen, die vom Europäischen
Parlament am 17. Dezember 2008 verabschiedet wurde;

14.2. die positiven und negativen Erfahrungen zu nutzen, da sich auch ein erfolgreiches
Modell nicht eins zu eins wiederholen lässt, wenn die Gegebenheiten vor Ort nicht
berücksichtigt werden;

14.3. alle finanziellen Anreize für die Hersteller von Agrarkraftstoffen über einen bestimmten
Zeitraum abzubauen und den freien Handel mit Agrarkraftstoffen und den zu ihrer Herstellung
verwendeten Rohstoffen zu verstärken;

14.4. dafür zu sorgen, dass alle importierten Agrarkraftstoffe unter vollständiger Einhaltung
der Nachhaltigkeitskriterien und der entsprechenden Konventionen der Internationalen
Arbeitsorganisation produziert werden;

14.5. dafür zu sorgen, dass sich invasive gebietsfremde Pflanzenarten, die für die Herstellung
von Agrarkraftstoffen genutzt werden, nicht außerhalb der Anbaufelder ausbreiten, vor allem
durch Reduzierung der Möglichkeit der Samenausbreitung;

14.6. Investitionen in Forschung und Entwicklung auf dem Gebiet der Agrarkraftstoffe der
zweiten und nachfolgenden Generation stärker zu fördern und gleichzeitig die Agrarkraftstoff-
Generationen nach ihrer Leistungsfähigkeit in Bezug auf Ressourcennutzung,
Umweltauswirkungen und CO2-Emissionen eindeutig zu klassifizieren;

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 49 – Drucksache 16/14161

14.7. Forschungsvorhaben im Hinblick auf die Entwicklung von Agrarkraftstoffen aus Algen
zu unterstützen;

14.8. den Bau von Bio-Raffinerien zu fördern, die in der Lage sind, verschiedene Produkte
herzustellen und nicht auf Agrarkraftstoffe beschränkt sind;

14.9. alle aus alternativen Energiequellen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten
ausführlicher zu untersuchen, um billiger Strom zu erzeugen;

14.10. verstärkt Politiken zu entwickeln, die auf die Senkung der Energienachfrage und der
Treibhausgas-Emissionen abzielen, unter anderem durch die Förderung der Entwicklung von
Fahrzeugen, die die Umwelt weniger stark verschmutzen und energieeffizienter sind,
insbesondere vor dem Hintergrund der Richtlinie 2006/32/EG des Europäischen Parlaments und
des Rates über Endenergieeffizienz und Energiedienstleistungen, die weiter gestärkt werden
sollte;

14.11. sich für die Wiederentdeckung der vielen nicht genutzten Erfindungen, die in den
europäischen und nationalen Patentämtern liegen, einzusetzen, wobei die derzeitige Finanzkrise
die Chance bietet, Erfindern und Entwicklern Startkapital zu verschaffen und auf diese Weise
Innovationen in der Wirtschaft anzukurbeln und neue Arbeitsplätze zu schaffen.

Drucksache 16/14161 – 50 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Stellungnahme 271 (2009)16

betr. Protokollentwurf Nr. 14bis zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und
Grundfreiheiten (2009)17

1. Die Parlamentarische Versammlung misst der Funktionsfähigkeit des Europäischen
Gerichtshofs für Menschenrechte (im Folgenden "der Gerichtshof" genannt), dessen
Leistungsfähigkeit angesichts des immer größer werdenden Zustroms von neuen Anträgen und
Rückstands bei der Bearbeitung von Fällen ernsthaft gefährdet ist, größte Bedeutung zu. Sie begrüßt
daher die Initiative des Ministerkomitees, baldmöglichst den Protokollentwurf Nr. 14bis zu
verabschieden, der die Kapazitäten des Gerichtshofs in Bezug auf die Bearbeitung von Fällen
vorbehaltlich des Inkrafttretens des Protokolls Nr. 14 zur Europäischen Menschenrechtskonvention
(SEV Nr. 194) erhöhen wird.

2. Die Versammlung nimmt darüber hinaus in diesem Zusammenhang die Parallelinitiative zur
Planung der vorläufigen Anwendung der Bestimmungen des Protokolls Nr. 14bis in Form einer
Erklärung einer Konferenz der Hohen Vertragsparteien der Europäischen Menschenrechtskonvention
(SEV Nr. 5) am Rande der 119. Ministertagung am 12.Mai 2009 in Madrid zur Kenntnis und schließt
sich der Initiative in vollem Umfang an. Dies würde dem Gerichtshof die Anwendung dieser
Bestimmungen auf bestimmte Vertragsparteien der Konvention vor Inkrafttreten des Protokolls Nr.
14bis oder unabhängig davon ermöglichen.

3. Die Versammlung erinnert in diesem Zusammenhang an die Warschauer Erklärung vom
17. Mai 2005, in der sich alle Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten des Europarates
nachdrücklich für eine langfristige Strategie zur Gewährleistung der Wirksamkeit des
Konventionssystems einsetzten und dabei die anfängliche Wirkung des Protokolls Nr. 14 und weiterer
Entscheidungen des Ministerkomitees im Mai 2004 berücksichtigten. Das Nicht-Inkrafttreten des
Protokolls Nr. 14 bereitet daher nach wie vor Anlass zu größter Besorgnis.

4. In diesem Zusammenhang bedauert die Versammlung zutiefst die Haltung der Staatsduma der
Russischen Föderation, die seit Dezember 2006 der Ratifizierung des Protokolls Nr. 14 zum
Übereinkommen eines wichtigen Änderungsprotokolls, das nur nach Ratifizierung durch alle
Vertragstaaten des Übereinkommens in Kraft treten kann, die Zustimmung verweigert. Dadurch hat
die russische Staatsduma im Grunde die Situation, in der sich der Gerichtshof befindet, erheblich
verschärft und verwehrt darüber hinaus Personen, die ihrer Hoheitsgewalt unterstellt wird, die Vorteile
einer strafferen Prozessführung vor dem Gerichtshof. Die Staatsduma wird mit aller Schärfe
nachdrücklich aufgefordert anzuerkennen, dass die in Protokoll Nr. 14 (und Protokoll Nr. 14bis)
vorgesehenen Änderungen des Kontrollsystems dem Gerichtshof die rasche Bearbeitung von Anträgen
ermöglicht, damit er sich auf wichtige Fälle konzentrieren kann, die eine gründliche Untersuchung
erfordern.

5. Da das Inkrafttreten des Protokolls Nr. 14 zum Übereinkommen der effektivste Weg zur
Verbesserung der schwierigen Situation wäre, in der sich der Gerichtshof und die vor dem Gerichtshof
erscheinenden Antragsteller befinden, fordert die Versammlung die russische Staatsduma erneut
nachdrücklich auf, ihre Weigerung, der Ratifizierung des vorliegenden Protokolls durch Russland
zuzustimmen, unverzüglich zu überdenken.

16 Debatte der Versammlung am 30. April 2009 (16. Sitzung) (siehe Dok. 11879, Bericht des Ausschusses für
Recht und Menschenrechte, Berichterstatter: Herr De Vries). Der Text wurde von der Versammlung am
30. April 2009 (16. Sitzung) verabschiedet.

17 Siehe Dok. 11864

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 51 – Drucksache 16/14161

6. Nach Auffassung der Versammlung stellt Protokoll Nr. 14bis indessen eine gute Zwischen-
lösung dar, die die vorübergehende Anwendung von zwei im Protokoll Nr. 14 zum Übereinkommen
enthaltenen Bestimmungen rasch umsetzt. Es handelt sich um ein Zusatzprotokoll, das nicht die
Ratifizierung seitens aller Vertragsstaaten des Übereinkommens erfordert. Es ermöglicht
Einzelrichtern, sich mit offenkundig unzulässigen Anträgen zu befassen, die zurzeit von aus drei
Richtern bestehenden Ausschüssen bearbeitet werden, und erweitert darüber hinaus die Zu-
ständigkeiten der aus drei Richtern bestehenden Ausschüsse, die sich dann mit eindeutig begründeten
und wiederholten Fällen befassen können, die sich aus strukturellen oder systemischen Mängeln
ergeben und die zurzeit von den aus sieben Richtern bestehenden Kammern des Gerichtshofs
behandelt werden. Das Protokoll Nr. 14bis erlischt unmittelbar nach Inkrafttreten des Protokolls
Nr. 14 zum Übereinkommen.

7. Die Versammlung dankt dem Ministerkomitee für dessen Rückgriff auf die Bestimmung der
Versammlung bezüglich Dringlichkeitsverfahren, die ihm ermöglicht hat, kurzfristig Stellung zu einer
wichtigen Frage zu beziehen, die nach wie vor auf zwischenstaatlicher Ebene aktiv geprüft wird.

8. Die Versammlung empfiehlt dem Ministerkomitee, die folgenden Änderungen am
Protokollentwurf Nr. 14bis vorzunehmen:

8.1. Einfügung eines neuen dritten Absatzes in der Präambel mit dem Wortlaut: "3. im
Hinblick auf die Stellungnahme 271 (2009), die von der Parlamentarischen Versammlung des
Europarates am 30. April 2009 verabschiedet wurde;";

8.2. Streichung von "Parteien" in Artikel 1 und Ersetzung durch "Hohen Vertragsparteien";

8.3. Streichung von "Mitgliedstaaten" in Artikel 6, Absatz 1, und Ersetzung durch "Hohe
Vertragsparteien";

8.4. Ersetzung von "Mitgliedstaat" in Artikel 6, Absatz 2, und Ersetzung durch "Hohe
Vertragspartei der Konvention", Streichung von "dadurch" und Ersetzung durch "durch das
Protokoll" und Hinzufügung von "für diese Hohe Vertragspartei" hinter "in Kraft";

8.5. Streichung der eckigen Klammern in Artikel 7; Streichung von "des Protokolls" und
Ersetzung durch "dieses Protokolls" und Streichung von "dass es dafür gilt" und Ersetzung
durch "dass die Bestimmungen dieses Protokolls dafür gelten";

8.6. Streichung aller eckigen Klammern in den Artikeln 8,9 und 10.

9. im Hinblick auf den erläuternden Bericht empfiehlt die Versammlung, nach Erstellung der
endgültigen Fassung von Absatz 6, gesondert auf die vorliegende Stellungnahme der
Parlamentarischen Versammlung und das Datum ihrer Verabschiedung hinzuweisen.

Drucksache 16/14161 – 52 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

VI Reden deutscher Delegationsmitglieder

Zwischenbericht des Präsidiums der Versammlung und des Ständigen Ausschusses

Abgeordneter Joachim HÖRSTER:

Sehr geehrter Herr Präsident,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

weil die Tagesordnung sehr angefüllt ist, werde ich mich kurz fassen und aller Voraussicht nach die
Zeit nicht brauchen, die Sie mir freundlicherweise zugebilligt haben.

Dem vorliegenden Bericht können Sie entnehmen, dass die Mitglieder unseres Präsidiums seit der
letzten Teilsitzung viel zu tun hatten. Ich werde nicht auf jeden Punkt des Fortschrittsberichts zu
sprechen kommen, sondern mich auf die meines Erachtens wichtigsten Punkte konzentrieren.

1. Die Entscheidung zum Menschenrechtspreis der Parlamentarischen Versammlung

Am 12. März stimmte das Präsidium gemäß den Bestimmungen für die Verleihung des Preises den
Empfehlungen des Auswahlgremiums zu, das die Organisation British Irish Rights Watch als
Preisträger vorgeschlagen hat. Dieser Vorschlag muss natürlich noch im Rahmen des vorliegenden
Fortschrittsberichts seitens dieser Versammlung ratifiziert werden.

2. Die Wahlen

Einige Mitglieder unserer Versammlung haben die Präsidentschaftswahlen in der ehemaligen
Jugoslawischen Republik Mazedonien und die Parlamentswahlen in Montenegro und der Republik
Moldau beobachtet.

Die Vorsitzenden der Beobachtermissionen werden Ihnen in wenigen Augenblicken diesbezüglich
weitere Einzelheiten über ihre Eindrücke und Erfahrungen vermitteln.

Darüber hinaus reiste eine Delegation der Versammlung vom 16. bis 19. März 2009 nach Baku in
Aserbaidschan, um die Präsenz der Versammlung während der Durchführung des
Verfassungsreferendums in diesem Land am 18. März 2009 zu gewährleisten. Das Memorandum des
Delegationsleiters Paul Wille ist dem vorliegenden Fortschrittsbericht beigefügt.

In diesem Zusammenhang möchte ich allen Mitgliedern der Versammlung, die ihre wertvolle Zeit
geopfert haben, um die Präsenz der Versammlung bei diesen Wahlbeobachtungen zu gewährleisten,
meinen aufrichtigen Dank aussprechen, weil dies immer ein zusätzliches Engagement erfordert.

3. Die Zusammenarbeit mit dem Büro für Demokratische Institutionen und Menschenrechte
(ODIHR) der OSZE

Am 12. März traf sich das Präsidium zu einem Gedankenaustausch mit Botschafter Janez Lenarcic,
dem Direktor des Büros für Demokratische Institutionen und Menschenrechte der OSZE. Das
Gespräch bot die Gelegenheit zum freien und offenen Meinungsaustausch, die auch genutzt wurde, um
die Zusammenarbeit zwischen der Versammlung und ODIHR in Bezug auf Wahlbeobachtungen zu
verbessern.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 53 – Drucksache 16/14161

Es wurde ein offenes Gespräch geführt, das nach meiner Überzeugung sehr nützlich für die Zukunft
sein wird. Ich hoffe, dass all die guten Gedanken, die dort ausgetauscht wurden, auch in die Realität
umgesetzt und Meinungsverschiedenheiten wie in der Vergangenheit vermieden werden.

Gleichwohl muss gesagt werden, dass ODIHR gewisse Schwierigkeiten hat, die Rolle und Haltung der
Versammlung insgesamt nachzuvollziehen. Bei der Durchführung von Wahlbeobachtungen ergeben
sich häufig unterschiedliche Standpunkte, da die Beobachter an verschiedenen Orten eingesetzt
werden und daher zu unterschiedlichen Schlüssen kommen können. ODHIR wird in die Verfahren zu
einem wesentlich früheren Zeitpunkt einbezogen, da es eine Vielzahl von Langzeitbeobachtungen
macht.

Allerdings trifft dies im Grunde auch auf die Versammlung mit ihren Besuchen bereits während der
Vorbereitung der Wahlen zu, die ihr eine vollständige Evaluierung der Wahlprozesse über einen
bestimmten Zeitraum ermöglichte. Die Mitglieder der Parlamentarischen Versammlung des
Europarates sind darüber hinaus vor Ort präsent und mit der Situation des betreffenden Landes
vertraut. Es ist notwendig, mit allen an Wahlbeobachtungen beteiligten Institutionen den Dialog
aufzunehmen und die Idee eines gemeinsamen und sich gegenseitig ergänzenden Ansatzes zu fördern.

4. Die Kooperationsvereinbarung mit dem Parlament der Republik Kasachstan

Am 12. März traf sich das Präsidium zu einem Gedankenaustausch mit einer Parlamentarierdelegation
der Republik Kasachstan unter der Leitung von Alexander Sudin, dem Vizepräsidenten des
kasachischen Senats.

Es wurde intensiv über die Fortschritte gesprochen, die in Kasachstan hinsichtlich der Förderung der
in der Kooperationsvereinbarung festgelegten Grundsätze erzielt wurden. Der Gedankenaustausch
erwies sich als nützlich, und ich hoffe, dass Kasachstan nunmehr den Reformprozess beschleunigt, um
baldmöglichst die Normen des Europarates zu erfüllen.

5. Die europäische Parlamentspräsidentenkonferenz

Schließlich möchte ich Sie darauf hinweisen, dass die nächste Konferenz der Parlamentspräsidenten
vom 10. bis 12. Juni 2010 in Zypern stattfinden wird. Wir freuen uns sehr auf diese Konferenz, bei der
sicherlich Themen besprochen werden, die für die Demokratien in unseren Ländern von höchster
Bedeutung sind.

Herr Präsident, ich habe versucht, mich kurz zu fassen und mich auf das Wesentliche zu
konzentrieren. Dem schriftlichen Bericht können Sie weitere Einzelheiten entnehmen, die ich in der
Kürze der Zeit nicht erwähnen konnte.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Abgeordneter Joachim HÖRSTER:

Vielen Dank Frau Präsidentin,

das ist sehr großzügig, aber ich werde diese Zeit nicht brauchen.

Ich bedanke mich bei allen Kolleginnen und Kollegen – wenn ich es richtig gezählt habe insgesamt 18
an der Zahl –, die sich an der Debatte über den Bericht beteiligt haben. Ich habe jetzt nicht die
Absicht, die einzelnen Debattenbeiträge zu kommentieren; ich will mich auf drei Punkte
konzentrieren.

Drucksache 16/14161 – 54 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Der erste Punkt ist, dass die Wahlbeobachtungen, die stattgefunden haben, doch zu unterschiedlichen
Wahrnehmungen geführt haben. Es gibt also nicht unbedingt einheitliche Betrachtungen zu jeder
Wahlbeobachtung durch die Teilnehmer.

Das Zweite, was ich feststellen möchte, ist, dass übereinstimmend zum Ausdruck gebracht worden ist,
dass die unterschiedlichen Wahlbeobachtungen, die bei diesen Wahlen stattfinden, sozusagen unter
einen Hut gebracht werden sollten, damit nicht unterschiedliche Organisationen zu unterschiedlichen
Ergebnissen kommen, sondern hier gleiche Maßstäbe angewendet werden. Das beginnt damit, dass der
Gedankenaustausch mit ODIHR, der wichtigsten Wahlbeobachterorganisation, mit der wir zu tun
haben, fortgesetzt wird, damit sie zu gleichen Maßstäben kommt.

Besonders bemerkenswert fand ich die Intervention des Kollegen Mota Amaral, der darauf
hingewiesen hat, dass es bei Mitgliedsstaaten des Europarates eigentlich sinnvoll wäre,
Wahlbeobachtung im Rahmen des Monitoringverfahrens zu machen. Das hätte zur Folge, dass das
Verfahren in seiner Gesamtheit beobachtet werden könnte; also nicht nur am Vorabend der Wahl,
sondern während der Wahlvorbereitung, der Aufstellung der Kandidaten usw. Ich glaube, es wäre
sinnvoll, wenn im Monitoringausschuss über diese Überlegung einmal nachgedacht würde, weil sich
ein solches Vorgehen auch organisch in die Systematik des Europarates und der Parlamentarischen
Versammlung einpassen würde.

Abschließend möchte ich mich bei all den Kolleginnen und Kollegen bedanken, die an der Debatte
teilgenommen haben, sowie beim Sekretariat für die Unterstützung und die Vorbereitung des Berichts.

Ich hoffe, dass das, was wir heute diskutiert haben, nicht mit dem Ende dieser Debatte erledigt ist,
sondern die Auseinandersetzung und die Diskussion in den Ausschüssen fortgesetzt werden.

Vielen Dank.

Der Schutz der Menschenrechte in Notstandssituationen

Abgeordneter Holger HAIBACH:

Vielen Dank, Herr Präsident!

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

wir haben in dieser Woche eine „urgent debate“ zur Frage des Funktionierens politischer Institutionen
in der Republik Moldau. Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dass die Frage, wie die
Menschenrechte in Ausnahmezuständen effektiv beschützt werden können, von größter Wichtigkeit
ist, dann wäre das hier der Fall gewesen.

Doch ich möchte gleich zu Anfang klarmachen, dass es bei diesem Bericht nicht darum geht, mit dem
Finger auf einzelne Länder zu zeigen, aufzuweisen, was nicht in Ordnung sei und zu verlangen, dies in
Ordnung zu bringen, sondern um die prinzipielle Frage, wie in einer Ausnahmesituation, in der der
Ausnahmezustand verhängt wird, sichergestellt werden kann, dass die grundlegenden Menschenrechte
dennoch eingehalten werden.

Das ist das Erste, was der Bericht auch sagt: Jawohl, es kann eine Situation auftreten, in der der Staat
die Grundrechte der Bürger einschränken muss, um das Funktionieren, das Überleben des Staates zu
sichern.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 55 – Drucksache 16/14161

Der Bericht stellt ausdrücklich nicht fest, dass es keine Ausnahmezustände geben könne. Aber er legt
sehr viel Wert darauf, deutlich zu machen, dass jedes andere Mittel zuerst genutzt werden muss, bevor
tatsächlich ein Ausnahmezustand ausgerufen wird. Der Ausnahmezustand und die damit verbundenen
Eingriffe in die Grundrechte der Menschen dürfen immer nur als ultima ratio, als letzte Maßnahme
betrachtet werden; vorher sollten alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft werden, um diesen Zustand
zu verhindern.

Deshalb beschäftigt sich der Bericht auch bis zu einem gewissen Grade mit der Frage der Prävention:
Was kann getan werden, um das Ausrufen eines Ausnahmezustandes zu verhindern? Wenn es denn zu
einem Ausnahmezustand kommt, sind gewisse Regeln einzuhalten. Ich darf die Versammlung daran
erinnern, dass auch der Europarat sich schon des Öfteren mit dieser Frage beschäftigt und Regeln
festgesetzt hat, auf die der Bericht noch einmal ganz eindeutig hinweist.

Es sind insgesamt sieben Kriterien, die erfüllt werden sollten, wenn ein Ausnahmezustand ausgerufen
wird. Die erste Regel betrifft die Frage der zeitlichen Begrenztheit. Ausnahmezustände sind, wie der
Name sagt, per Definition Zustände, die nur eine bestimmte Zeit lang dauern dürfen; ansonsten würde
die Ausnahme zur Regel gemacht.

Der zweite Punkt ist, dass es wirklich zwingend notwendig sein muss, den Ausnahmezustand zu
verhängen. Auch muss diese Notwendigkeit dargelegt werden.

Der dritte und vierte Punkt ist, dass es auch öffentlich klargemacht werden muss, was es heißt, in eine
solche Situation zu kommen. Dies muss nicht nur der Öffentlichkeit außerhalb des Landes
klargemacht werden – wir haben da Regeln, was dem Ministerkomitee und den anderen Gremien des
Europarates anzumelden ist –, sondern auch innerhalb des Landes muss dies verdeutlicht werden,
damit jeder Bürger sich vergegenwärtigen kann, was es heißt, in eine solche Situation zu kommen.

Der fünfte Punkt ist die Frage der Proportionalität. Die Mittel, die in einer solchen Situation
angewendet werden, müssen den Ereignissen angemessen sein. Die Frage der Verhältnismäßigkeit
gerade bei Gewaltanwendung, bei der Einschränkung von Grundrechten, ist ganz wichtig, und hier ist
mit äußerster Vorsicht vorzugehen.

Der sechste Punkt ist die Frage, dass alles, was in einem Ausnahmezustand geschieht, sich im Rahmen
der für solche Ausnahmezustände gesetzlichen Maßnahmen bewegt, und dass nicht mutwillig darüber
hinausgegangen wird.

Der siebte Punkt ist, dass es gewisse nicht wegnehmbare Grundrechte gibt, wie die Unverletzlichkeit
der Person, an denen auch in Ausnahmesituationen nicht gerüttelt werden kann und darf.

Darüber hinaus sagt der Bericht zum einen, dass die Gesetzgeber, die Parlamente, in dieser Frage eine
wichtige Rolle zu spielen haben. Denn wie auch in jeder normalen Situation hat das Parlament zwei
Aufgaben: Es ist Gesetzgeber, aber es kontrolliert eben auch die Arbeit der Regierung.

Wenn eine Regierung den Ausnahmezustand ausruft, dann ist es eben extrem wichtig, dass das
Parlament nicht nur nachvollzieht, sondern auch während des Ausnahmezustands kontrolliert, ob die
Dinge so ablaufen werden, wie sie im Gesetz vorgesehen sind, und den gesetzlichen Regelungen
entsprechen.

Darüber hinaus stellt sich uns als Parlamentarischer Versammlung des Europarates die Frage, welche
Informationen wir aus einem Land erhalten, in dem ein Ausnahmezustand ausgerufen wird, und wie
wir mit diesen Informationen umgehen. Deswegen auch unser Vorschlag, den Generalsekretär zu
ermächtigen, Informationen einzuholen und mit uns zu teilen, damit wir uns ein Bild über die
Situation in dem Land machen und entsprechende Schritte unternehmen können, sei es ein
Monitoringverfahren, seien es entsprechende Debatten im Europarat oder in den anderen Ausschüssen
dieser Versammlung.

Drucksache 16/14161 – 56 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Das ist meines Erachtens wichtig, damit ein Land nicht zu einem „closed shop“ wird und damit
Öffentlichkeit und Transparenz weiterhin hergestellt werden.

Das alles setzt natürlich voraus, dass die Mitgliedsstaaten, in denen solche Situationen auftreten, guten
Willens sind; und ich bin optimistisch genug, von diesem guten Willen auszugehen. Insofern hoffe
ich, dass die Vorschläge, die wir hier machen, Berücksichtigung bei der nationalen Gesetzgebung
finden.

Doch sollen sie uns auch Mahnung sein, dass wir unsere Aufgabe als Wächter der Grundrechte und
der Menschenrechte gerade in Situationen, in denen das extrem schwierig ist, ernst nehmen. Gerade in
Ausnahmesituationen, Notständen und den Situationen, von denen der Bericht spricht, müssen wir
besonders wachsam sein und nicht voreilig zugestehen, dass Grundrechte eingeschränkt werden.

Ein Letztes noch: Der Bericht spricht auch davon, dass es notwendig ist, die jeweilige nationale
Gesetzgebung daraufhin zu überprüfen, inwieweit all die Kriterien, die ich eben gerade genannt habe,
tatsächlich eingehalten werden, und inwieweit sie den Konventionen und Übereinkünften, die der
Europarat vorschreibt und auf die sich die Mitgliedsstaaten ja auch geeinigt haben, eingehalten
werden.

Ich glaube, wenn all das zusammenkommt, kann auch in einer schwierigen Situation, und
Ausnahmezustände sind immer schwierige Situationen, sichergestellt werden, dass die Grundrechte
der Menschen eingehalten werden. Und das ist es ja letzten Endes, worum wir hier kämpfen.

Wir wissen, dass wir als Politiker immer in einer gespaltenen Situation sind, und können uns nicht
aussuchen, was auf uns zukommt. Wenn wir in eine Ausnahmesituation kommen, müssen wir eben
auch sie meistern. Aber es ist wichtig, dass man weiß, auf welcher Grundlage und in welcher Weise
man einer solchen Ausnahmesituation begegnen muss.

Dafür gibt es ein grundlegendes Argument: die Europäische Menschenrechtskonvention. Sie gilt auch
und besonders in Ausnahmesituationen.

Danke sehr.

Abgeordneter Holger HAIBACH:

Vielen Dank Herr Präsident,

ich möchte mich zuerst bei allen Kolleginnen und Kollegen, die in der Debatte das Wort ergriffen
haben, recht herzlich für die freundlichen Worte und die Anregungen bedanken, die ich erhalten habe.
Ich möchte den Dank auch an das Ausschusssekretariat weitergeben, das sehr stark dazu beigetragen
hat, dass der Bericht so geworden ist, wie er heute vor uns liegt.

Ich möchte einige Punkte aufgreifen, die hier noch genannt wurden und aus meiner Sicht wichtig sind
und die auch in unserer weiteren Arbeit eine Rolle spielen sollten.

Das eine ist, dass es ganz entscheidend ist, dass es die Möglichkeit einer freien Presse, einer freien
Berichterstattung gibt. Hierauf hat auch Herr Kollege Clappison hingewiesen. Nicht umsonst wird ja
in manchen Ländern die Medienlandschaft neben der Exekutive, der Legislative und der Judikative als
sog. vierte Gewalt benannt. Auch wenn das nicht jedem von uns jeden Tag gefällt, glaube ich nicht,
dass wir in einer Gesellschaft leben wollten, in der das nicht so wäre.

Zweitens bin ich Herrn Kollegen Kox ausgesprochen dankbar, dass er unser Bild noch einmal
erweitert und erneut darauf hingewiesen hat, dass wir natürlich auch in unserem täglichen politischen

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 57 – Drucksache 16/14161

Handeln, und nicht nur in Ausnahmesituationen, sondern wenn es um Gesetzgebung in so sensiblen
Bereichen wie dem Kampf gegen den Terrorismus geht, aufpassen müssen, nicht allzu leichtfertig
Grundrechte einzuschränken, wenn es andere Möglichkeiten gibt, die Dinge zu lösen.

Auch ist darauf hingewiesen worden – und ich glaube, das zeichnet unsere Versammlung in
besonderem Maße aus –, dass wir natürlich durch unsere Doppelrolle als Mitglieder der Versammlung
einerseits und als Mitglieder von nationalen Parlamenten andererseits in ganz besonderer Art und
Weise nicht nur beauftragt sind, sondern eben auch in besonderer Art und Weise die Möglichkeit
haben, auf beiden Seiten des Spektrums darauf hinzuwirken, dass die Grundrechte – sei es in
Ausnahmesituationen oder sei es bei der regulären Gesetzgebung – auch tatsächlich eingehalten
werden. Das unterscheidet uns von fast jeder anderen parlamentarischen Institution, die wir kennen.

Es ist auch ganz zu Recht von Herrn Kollegen Díaz Tejera darauf hingewiesen worden, dass das
Gewaltmonopol des Staates uns zu einer noch vorsichtigeren und noch bedachtsameren
Herangehensweise hinsichtlich der Einschränkung von Grundrechten verpflichtet. Das gilt natürlich in
ganz besonderem Maße, wenn es um solche Fragen wie Ausnahmesituationen geht.

Wir werden noch über die Frage der Erwähnung der Russischen Föderation diskutieren. Ich möchte
unserem Kollegen aus der Russischen Föderation, der das Wort ergriffen hat, sagen, dass ich verstehen
kann, dass keiner gern seinen Namen in einem solchen Bericht liest. Zuerst will ich aber darauf
hinweisen, dass wir mit Absicht hineingeschrieben haben, dass es um Gesetzgebung geht, wie solche,
die in der Russischen Föderation zum Teil noch vorhanden ist.

Ich verweise auch auf den § 28 des Memorandums, der noch einmal aufgreift, dass es eben auch um
neue Gesetzgebung bzw. gesetzgebungsähnliche Vorschriften geht, die nicht aus der Zeit der UdSSR
stammen, sondern erst neu in den Kanon von Vorschriften gekommen sind, die sich mit
Ausnahmesituationen und -zuständen beschäftigen. Insofern glaube ich, dass das seine Berechtigung
hat, doch dazu kommen wir gleich noch.

Abschließend möchte ich aufgreifen, was unser Kollege Volonté aus Italien gefragt hat: „Wie gehen
wir eigentlich weiter?“ Natürlich kommt dieser Bericht erst einmal zu Ende, denn mein Mandat als
Berichterstatter endet in dem Moment, wenn die Versammlung meinen Bericht tatsächlich beschließen
sollte.

Aber natürlich wurde - gerade im Zusammenhang mit dem 60-jährigen Bestehen der Versammlung -
zu Recht darauf hingewiesen, dass dies eine dauerhafte Aufgabe für uns bleibt. Wir alle müssen in
unseren mannigfaltigen Funktionen, sei es zu Hause im Parlament oder hier in all den Ausschüssen, in
denen wir mitarbeiten, auf solche Dinge achten.

Die Frage danach, welche Möglichkeiten wir haben, diskutieren wir ja praktisch bei jedem
Monitoringbericht, wenn es um bestimmte Länder geht, und bei jedem Bericht, den der
Rechtsausschuss zu juristischen Phänomenen macht. Insofern wird das Thema uns auch weiterhin
begleiten, auch wenn es keinen Rapport dazu gibt, obwohl ich anrege, darüber nachzudenken, einen
solchen Rapport weiterhin zu führen und über die Dinge nachzudenken.

Für mich besteht der Unterschied zwischen einer funktionierenden Demokratie und anderen Systemen,
die vielleicht nicht so gut funktionieren, nicht darin, dass keine Fehler gemacht werden. Eine
funktionierende Demokratie zeichnet sich dadurch aus, dass sie die Institutionen hat, die helfen, Fehler
zu behelfen: ein juristisches, unabhängiges System, freie Presselandschaft, eine wahre
Zivilgesellschaft und ein starkes Parlament. Wenn das zusammenkommt, brauchen wir vielleicht keine
Ausnahmezustände, aber in Ausnahmezuständen brauchen wir sie auf jeden Fall.

Danke sehr.

Drucksache 16/14161 – 58 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Abgeordnete Dr. Herta DÄUBLER-GMELIN:

Herzlichen Dank, Herr Präsident,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

ich glaube, dass der Berichterstatter, Herr Haibach, und alle diejenigen, die sich heute an der
Diskussion beteiligt haben, ausgesprochen Recht haben, wenn sie die Bedeutung dieses Berichtes und
dieses Themas betonen.

In der Tat sind Regeln, wie sie in der europäischen Konvention der Menschenrechte enthalten sind,
eigentlich nie so wichtig wie in Notfällen.

In der Tat ist es so, dass, wenn es unseren Staaten und unserer Gesellschaft gut geht, Missbräuche oder
auch Verletzungen von Menschenrechten oder von rechtsstaatlichen Prinzipien sehr viel weniger
wahrscheinlich sind als dann, wenn Notsituationen eintreten. Gerade deshalb ist es so wichtig, dass
man sich in Notsituationen auf diese Prinzipien besinnt, ein ganz klares Ziel im Auge hat und ganz
genau weiß, in welche Richtung eine Notsituation geführt werden muss.

Deshalb danke ich allen, die sich hier um dieses Thema verdient gemacht haben. Das Committee on
Legal Affairs and Human Rights hat sich in Berlin ausführlich mit diesem hervorragenden Bericht
befasst. Herr Haibach, herzlichen Dank, dem Sekretariat herzlichen Dank.

Ich glaube, wir müssen diese Fragen auf unserer Tagesordnung der Parlamentarischen Versammlung
behalten.

Herzlichen Dank.

Abgeordnete Sabine LEUTHEUSSER-SCHNARRENBERGER:

Änderungsantrag 5

Ich bin der Meinung, dass diese Änderung den hervorragenden Bericht wirklich schwächen würde,
denn es ist richtig, hier deutlich zu machen, dass es eben in der Russischen Föderation und auch in
anderen Ländern sehr wohl noch Bestimmungen gibt, die gerade in Notsituationen den
Sicherheitskräften, die eine starke Machtstellung haben, noch sehr wohl eine Fülle von
Eingriffsbefugnissen geben, die dann auch die Menschenrechte betreffen. Dies hier zu erwähnen, als
Ermunterung zur Änderung der geltenden Rechtslage, ist richtig.

Abgeordnete Sabine LEUTHEUSSER-SCHNARRENBERGER:

Änderungsantrag 6

Gerade in Ausnahmesituationen in Staaten, in denen es zur Gefährdung von Menschenrechten kommt,
ist es besonders wichtig, dass die Rolle der Opposition gesichert ist. Sie hat ja eine wichtige
Kontrollaufgabe gegenüber den staatlichen Autoritäten und deshalb muss an dieser Stelle die
Formulierung im Interesse der Gesamtaussage des Berichtes hier so enthalten bleiben.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 59 – Drucksache 16/14161

Die Lage der Menschenrechtsschützer in den Mitgliedstaaten des Europarates

Abgeordneter Holger HAIBACH:

Vielen Dank Herr Präsident,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

als Menschenrechtsverteidiger wird man nicht geboren. Menschenrechtsverteidiger werden die
meisten Menschen in ihrem Leben deshalb, weil sie die Erkenntnis haben, dass sie sich für andere
einsetzen müssen, deren Rechte nicht gewahrt sind. Das können ganz unterschiedliche Umstände sein,
unter denen Menschen zu Menschenrechtsverteidigern werden. Es können Journalisten,
Rechtsanwälte, Vertreter von zivilgesellschaftlichen Organisationen sein – in diesem Feld ist
prinzipiell alles möglich.

Ich muss sagen, dass ich diejenigen, die unter sehr schwierigen Umständen für die Rechte anderer
eintreten, sehr bewundere. Da ich aus Deutschland komme, einem Land, das eine friedliche
Wiedervereinigung, eine quasi friedliche Revolution erlebt hat, habe ich hohen Respekt vor den
politisch Verantwortlichen in Deutschland und in allen Teilen der Welt, die die deutsche Einheit
möglich gemacht haben.

Mein Respekt ist mindestens genauso groß für all diejenigen, die namenlos sind, die in Leipzig, Berlin
oder anderswo in der ehemaligen DDR auf die Straße gegangen sind und gesagt haben: „Wir sind das
Volk – nicht diejenigen da oben, sondern wir!“ Aus diesem Ruf wurde dann irgendwann „Wir sind ein
Volk!“ und daraus ist dann die friedliche Wiedervereinigung meines Vaterlandes zustande gekommen.

Insofern glaube ich, dass der vorliegende Bericht einen wichtigen Punkt trifft, nämlich die Frage:
„Was können wir als parlamentarische Versammlung des Europarates tun, um diejenigen zu schützen,
die in ihren Heimatländern für Menschenrechte, für die Rechte anderer eintreten und welche
Möglichkeiten haben wir, um die entsprechenden Institutionen zu unterstützen?“

Die Frage danach, ob solche Menschen besonders gefährdet sind, beantwortet sich, glaube ich, von
selbst. Das zeigen viele Beispiele aus der Vergangenheit: Morde an Journalisten, Angriffe auf
Rechtsanwälte; das alles konnten wir in den vergangenen Jahren sehen. Auch die Tatsache, dass die
internationale Gemeinschaft – und nicht nur der Europarat – sich intensiv mit dieser Frage
auseinandersetzt, durch Konventionen, Erklärungen, Regelungen, Guidelines zeigt, dass es
offensichtlich ein Problem gibt und die Frage, wie man damit umgeht, beschäftigt uns heute.

Dieser Bericht versucht auch die Frage danach anzugehen, welchen Bedrohungen diejenigen
ausgesetzt sind, die für andere Bedrohte eintreten. Das können Bedrohungen von nichtstaatlichen
Akteuren sein, die vom Staat geduldet werden oder gegen die der Staat zwar vorgeht, aber deren
Aktivitäten er nicht unterbinden kann, aber es können auch staatlich motivierte Verfolgungen sein.
Dieser ganzen Bandbreite gilt es zu begegnen, und das ist wahrlich keine einfache Aufgabe.

Ich komme zu der Rolle, die der Europarat unserer Meinung nach an dieser Stelle spielen muss und
auch zu der Frage, was wir speziell tun können. Es ist sehr zu begrüßen, dass das Ministerkomitee im
vergangenen Jahr erklärt hat, dass die Frage der Menschenrechtsverteidiger eine wichtige Frage ist
und dass es auch beschlossen hat, dem Menschenrechtskommissar an dieser Stelle eine besondere
Aufgabe, ein besonderes Mandat zu geben.

Gerade aufgrund der Tatsache, dass noch nicht alle Spezifitäten dieses Mandates klar sind, ist es
wichtig, uns mit dieser Frage zu beschäftigen und zu sehen, wo unsere spezielle Rolle ist. Wir wollen
natürlich nicht die Arbeit anderer wiederholen, sondern wir wollen einen zusätzlichen Wert einbringen

Drucksache 16/14161 – 60 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

in dieses Anliegen, die Rechte derer, die für andere eintreten, zu schützen. Aus diesem Grund ist der
vorliegende Bericht entstanden.

Es geht um unsere Rolle bei dieser Aufgabe. Diese Rolle ist eine besondere, weil wir einerseits hier
Vertreter der Parlamentarischen Versammlung sind, aber eben andererseits auch zu Hause
Verantwortung tragen. Das ist relativ einzigartig und einmalig, denn es bedeutet, dass wir auf beiden
Seiten die Möglichkeit haben, Einfluss zu nehmen und entsprechende Veränderungen durchzuführen.

Wir haben natürlich auf der einen Seite die Möglichkeit, die nationale Gesetzgebung dahingehend zu
beeinflussen, dass Menschrechtsverteidiger bestmöglich geschützt sind und ihre Arbeit gefördert wird,
und auf der anderen Seite haben wir die Möglichkeit, nichtgesetzliche Arbeit zu tun und durch
Erklärungen und Anträge in den Parlamenten deutlich zu machen, wie wichtig diese Arbeit sowohl in
der Innen- als auch in der Außenpolitik ist.

Ich glaube, dass die Verteidigung der Menschenrechte nur in einer Gesellschaft gelingen kann, in der
ein Sinn dafür herrscht, dass derjenige gegenüber, auch wenn er eine andere Meinung vertritt, einen
Mehrwert für diese Gesellschaft darstellt.

Wenn wir diejenigen, die Menschenrechte verteidigen, immer nur als Feinde sehen, dann wird es nicht
zu einem fruchtbaren Dialog kommen. Deswegen brauchen wir alle Akteure: eine wahre
Zivilgesellschaft, freie Medien, ein unabhängiges Rechtssystem und ein starkes Parlament; eben alles,
was dazugehört, um diese Dinge funktionieren zu lassen.

Wir schlagen konkrete Maßnahmen vor; wir unterstützen die Tätigkeit des Menschenrechts-
kommissars. Was unsere Maßnahmen betrifft, so wollen wir nicht nur – und das gilt insbesondere für
den Rechtsausschuss –, dass mit diesem Bericht einmal ein Statement gesetzt wird, sondern es ist uns
wichtig, dass der Rechtsausschuss und die gesamte Versammlung das Thema auch weiterhin auf der
Tagesordnung hält und sich weiterhin mit der Frage beschäftigt.

Denn wir wissen, dass der Einsatz für die Rechte anderer nichts ist, was mit einem Mal getan sein
kann. Wenn Sie sich die berühmten Menschenrechtler dieser Welt anschauen, dann sehen Sie, dass
deren Arbeit manchmal erst nach Jahrzehnten, in denen sie durch schwierige Situationen gegangen
sind, in Gefängnissen waren und bedroht wurden, wirklich Erfolg gezeigt hat.

Erlauben Sie mir noch eine abschließende Bemerkung: Ich bewundere diejenigen, die sich unter
äußerst schwierigen Umständen über Jahre und Jahrzehnte für die Verteidigung der Rechte anderer
eingesetzt haben. Das nötigt mir großen Respekt ab.

Ich bin mir nicht sicher, ob ich, wenn ich unter ähnlichen Umständen, in solcher Art und Weise in
einem Land leben müsste, tatsächlich in der Lage und mutig genug wäre, das zu tun. Ich frage mich,
woher diese Menschen eigentlich immer die Hoffnung und die Zuversicht nehmen, dass die Dinge
irgendwann besser werden.

Ich glaube, dass kein anderer als Václav Havel schöner gesagt hat, worum es eigentlich geht. Ich
möchte ihn hier zum Abschluss meiner Ausführungen zitieren: „Hoffnung ist eben nicht Optimismus,
ist nicht Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat, ohne
Rücksicht darauf, wie es ausgeht.“

Vielen Dank.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 61 – Drucksache 16/14161

Abgeordnete Sabine LEUTHEUSSER-SCHNARRENBERGER:

Herr Vorsitzender,

ich beglückwünsche wie mein Vorredner den Berichterstatter im Namen meiner, der ALDE-Gruppe,
sehr herzlich zu diesem umfassenden, sehr informativen Bericht, der ja auch viele Aufforderungen an
uns Parlamentarier enthält, also auch eine Selbstverpflichtung ist.

Die Lage derjenigen, die sich für die Menschenrechte Anderer ehrenamtlich oder auch professionell
einsetzen, ist alles andere als gesichert. Dieser Bericht - gerade in seinem erläuternden Teil - wirft
einen hervorragenden, detaillierten Blick auf die Situation dieser Menschenrechtsverteidiger in vielen
Ländern.

Gerade wegen ihrer Tätigkeit, wegen dieses von uns allen so gerühmten, wichtigen Engagements, sind
Menschenrechtsschützer immer wieder schlimmsten staatlichen Pressionen ausgesetzt und brauchen
dann selber den Schutz, den sie mit ihrer Tätigkeit anderen geben wollen.

Ohne den Einsatz von Menschenrechtsverteidigern sind viele der Werte des Europarates, also der
Werte, die in der Europäischen Menschenrechtskonvention stehen, überhaupt nicht durchsetzbar.
Deshalb kommt dem Menschenrechtskommissar des Europarats mit einem verstärkten Mandat eine
herausragende Rolle zu, und da muss er sich auch bewähren.

Es gibt viele gute Einzelvorschläge, mehr Anerkennung für Menschenrechtsverteidiger zu schaffen
und sich für verstärkte Mittelausstattung, Ressourcenverbesserung des Menschenrechtskommissars
einzusetzen.

Öffentlichkeit ist, wie wir aus unserer gemeinsamen Erfahrung seit vielen Jahren wissen, häufig eine
der wichtigsten Schutzvorkehrungen für Menschenrechtsverteidiger und -aktivisten.

Auch müssen wir Vorschläge, die der Berichterstatter gemacht hat, in unsere nationalen Parlamente
mitnehmen. Ich will dafür nur ein kleines Beispiel herausgreifen, das aber häufig existentiell für
Menschenrechtsverteidiger ist, nämlich die von Ihnen positiv bewerteten sogenannten „Notfallvisa“,
also die Möglichkeit, in einem beschleunigten, unbürokratischen Verfahren ein zeitlich und territorial
begrenztes Visum zu erhalten.

Denn wenn erst einmal die Behördenmühlen mahlen, dann wird bei den Stellen zurückgefragt, die ja
gerade eher im Sinn haben, den Menschenrechtsverteidiger, der ausreisen will und muss, an der
Ausreise zu hindern, sodass er in dem Land bleiben muss, in dem er dann Pressionen ausgesetzt ist.

Deshalb halte ich die Notfallvisa ebenso wie Ihre Hinweise auf zwei Mitgliedstaaten des Europarates,
die hier entsprechende humanitäre Visaerfordernisse haben, für ein gutes Beispiel. Diese guten
Beispiele sollten zur Gesamtpraxis der Mitgliedstaaten des Europarates werden.

Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass ich wirklich über die Unerschrockenheit, Unermüdlichkeit
und Selbstlosigkeit von Menschenrechtsverteidigern immer wieder tief beeindruckt bin. Besonders
mein letztes Erlebnis in Moskau hat mich wirklich tief beeindruckt. Ich hatte dort Gelegenheit, ein
vertrauliches Gespräch mit dem seit vielen Jahren bekannten Menschenrechtler Lev Ponomarev zu
führen. Mehrere Stunden danach wurde er auf der Straße überfallen und brutal niedergeschlagen.
Obwohl er im Krankenhaus intensiv behandelt werden musste, lässt er sich nicht davon einschüchtern!

Solchen Menschenrechtsschützern müssen wir den Rücken stärken! Holen wir sie stärker ins Licht der
Öffentlichkeit. Dieser Bericht ist dazu ein wichtiger Schritt.

Vielen Dank.

Drucksache 16/14161 – 62 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Abgeordneter Dr. Hakki KESKIN:

Herr Präsident,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

auch ich möchte Herrn Haibach für seine sehr gelungene Arbeit danken.

Zu den Hauptaufgaben des Europarates gehören vor allem die drei Säulen Menschenrechte,
Rechtsstaatlichkeit und Demokratie.

Seit gestern diskutieren wir über die Menschenrechte und über die Lage der Menschenrechtsschützer.
Menschenrechte sind universale Rechte; sie sind nicht teilbar.

Ich bin Abgeordneter des Bundestages. Meine Muttersprache ist Türkisch. Deshalb verfolge ich die
Entwicklung in der Türkei, was Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie betrifft, sehr
intensiv.

Die Türkei hat insbesondere in den Jahren 2000-2007 beachtliche Reformen durchgeführt. Seit
nunmehr eineinhalb Jahren sind jedoch im Bereich Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit
berechtigte Sorgen entstanden.

Der Verband türkischer Richter und Staatsanwälte, 58 Rechtsanwaltskammern, viele namhafte Juristen
und renommierte Verfassungsrechtler warnen vor einer Politisierung des Justizwesens.

Zahlreiche Professoren, Rektoren der Hochschulen, Journalisten, Vertreter anderer Organisationen
werden in Nacht- und Nebelaktionen ohne Gerichtsentscheidung aus dem Bett geholt und zum Teil
inhaftiert. Manche Inhaftierte sind seit Monaten in Haft, ohne zu wissen, weshalb.

Interessanterweise sind fast alle dieser Menschen als überzeugte Laizisten bekannt. Sie haben gemäß
der Entscheidung des Verfassungsgerichtes Studentinnen mit Kopftuch den Zugang zu Seminaren
verwehrt.

Es hat sich daher der Eindruck verstärkt, dass es sich bei diesen Operationen um eine Unterdrückung
und Verfolgung von Laizisten durch fundamentalistisch orientierte Islamisten handelt. Deren Presse
führt eine Verleumdungs- und Hetzkampagne gegen diese Menschen.

Bis vor kurzem war ich bei der Kritik gegen Missstände in der Türkei sehr zurückhaltend, weil die
Türkei oft zu Unrecht und mit zweierlei Maß kritisiert wurde.

Nun jedoch sind der Rechtsstaat und die Menschenrechte in der Türkei akut gefährdet. Deshalb habe
ich heute das Wort ergriffen, um hier ganz klar Stellung zu nehmen. Selbstverständlich steht es jedem
Staat zu, gegen strafbare Handlungen mit rechtsstaatlichen Mitteln vorzugehen. Es kann jedoch nicht
akzeptiert werden, dass Menschen, die seit Jahren für mehr Demokratie, Menschenrechte und
Rechtsstaat kämpfen, mit nichtrechtsstaatlichen Mitteln verleumdet und sogar inhaftiert werden.

Ich danke Ihnen.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 63 – Drucksache 16/14161

Abgeordneter Holger HAIBACH:

Danke, Herr Präsident,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

ich möchte mich ganz herzlich bei all denjenigen bedanken, die hier das Wort genommen und
wichtige Beiträge zu diesem Thema geliefert haben. Den Dank, den ich für diesen Bericht bekommen
habe, möchte ich an das Ausschuss-Sekretariat, an Frau Maffucci weiterleiten, die ihn erst möglich
gemacht hat.

In einer idealen Welt, darauf haben einige Kolleginnen und Kollegen hingewiesen, bräuchten wir diese
ganze Debatte nicht. Denn idealerweise fühlen wir uns natürlich alle - als Mitglieder des Europarates -
den Menschenrechten verpflichtet und haben alle die Menschenrechtskonvention unterzeichnet.
Insofern sollte es diese Probleme nicht geben. Aber mit paradiesischen Verhältnissen auf Erden ist es
natürlich nicht so einfach, insofern brauchen wir diese Resolution!

Zu der Frage, wer Menschenrechtsverteidiger ist und wer nicht: Dafür gibt es eine ganz klare
Definition seitens der UN. Ein Menschenrechtsverteidiger ist jemand, der für die Rechte anderer
eintritt, aber auf friedlichem Wege. Es geht nicht darum, Menschen zu unterstützen, die versuchen,
gewaltsam etwas zu erreichen, oder Menschen, die ein totalitäres System wollen. Sondern es geht um
Menschen, die auf friedlichem Wege für ihre Meinung oder für andere streiten. Genau darum dreht
sich dieser Bericht.

Herr Kollege Mignon und viele andere haben darauf hingewiesen, dass das nicht nur die Frage eines
Landes ist. Es ist eine Frage, die in vielen verschiedenen Facetten in vielen unserer Mitgliedstaaten
auftauchen kann.

Unser Kollege aus Italien, der das Wort ergriffen hat, hat davon gesprochen, dass es nicht nur darum
gehen soll, zu kritisieren, sondern dass man auch entsprechende Hilfestellung leisten muss. Das ist
richtig; es gehört beides zusammen. Wenn es Probleme gibt, muss das gesagt werden, aber es muss
auch Hilfestellung geleistet werden.

Aus unserer eigenen Erfahrung in Deutschland möchte ich hier anfügen, dass, als wir im Rahmen des
Balkankrieges die Aufgabe hatten, bosnische Flüchtlinge aufzunehmen, Deutschland mehr Flüchtlinge
aufgenommen hat als der Rest der Europäischen Union zusammen. Damals war es mit der Solidarität
leider nicht besonders weit her; deshalb hoffe ich, dass wir in Zukunft alle etwas daraus lernen.

Bei der Frage, was wir tun können, hat Frau Kollegin Gautier zu Recht darauf hingewiesen, dass uns
ein beachtliches Instrumentarium zur Verfügung steht, um unserer Meinung Ausdruck zu verleihen.
Doch nutzen wir dieses Instrumentarium nicht immer. Wenn wir ehrlich sind, müssen wir zugeben,
dass jeder von uns schon einmal bei einer Resolution die Hand gehoben hat, bei der wir gesagt hätten,
dass, wenn wir alleine auf der Welt wären, wir es etwas schärfer ausgedrückt und vielleicht andere
Maßnahmen ergriffen hätten.

Da ist es unsere Verpflichtung, Herr De Vries hat davon gesprochen, nicht angreifend, nicht
beleidigend, aber dennoch deutlich zu sagen, wie die Dinge liegen. Dies müssen wir auch tun, indem
wir Maßnahmen, die uns zur Verfügung stehen, auch tatsächlich ergreifen.

Noch einmal zu der Frage, wer ein Menschenrechtsverteidiger ist: Ich fand es sehr interessant, dass
Herr Vyatkin gesagt hat, es gebe so manche, die eigentlich keine echten Menschenrechtsverteidiger
sondern Politiker seien und das gegen Geld machten. Ich möchte nur darauf hinweisen, dass, obwohl
das Ansehen von Politikern in der Öffentlichkeit nicht sonderlich hoch ist, theoretisch auch Politiker
Menschenrechtsverteidiger sein können.

Drucksache 16/14161 – 64 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Auch gibt es ja sehr viele Menschenrechtsverteidiger, die nachher Politiker geworden sind, wie z.B.
Václav Havel, Lech Walesa, oder Nelson Mandela. Es gibt keine klare Trennlinie; es ist nicht so, dass
Politiker nicht auch Menschenrechte verteidigen können, im Gegenteil: Es gibt sehr viele mutige
Kollegen in Ländern, in denen es wirklich nicht einfach ist, sich für solche Dinge einzusetzen.

Auch für uns ist das eine wirkliche Herausforderung, dies hier in unsere Arbeit einzubeziehen. Dazu
gehört auch, dass wir die Institutionen, die uns zur Verfügung stehen, entsprechend unterstützen,
indem wir ihnen die nötigen Ressourcen geben. Das ist, wie ich weiß, im Europarat besonders schwer,
aber nichtsdestoweniger ist der Schutz der Menschenrechte unsere Hauptaufgabe. Daher haben wir
sicher die Verpflichtung, zu schauen, wie wir das am besten organisieren können.

Zum Schluss möchte ich sagen: Ich kann verstehen, dass jeder Staat seine Dinge erst einmal für sich
selbst regeln will. Es gibt eine große Diskussion darüber, inwieweit andere Staaten oder internationale
Organisationen kritisieren und eingreifen dürfen. Aber der Europarat ist die Organisation, in der sich
alle Mitgliedstaaten für die Einhaltung der Menschenrechte verpflichtet haben, und wie soll das
durchgesetzt werden, wenn jeder Staat davon ausgeht, dass alles seine eigene Angelegenheit sei und er
sich da nicht hineinreden lassen will?

Die Frage über die sog. „responsibility to protect“ beschäftigt nicht nur den Europarat, sondern die
internationale Gemeinschaft inzwischen seit Jahren und Jahrzehnten, und man merkt, dass da etwas in
Bewegung gekommen ist.

Ich will, nicht weil sie meiner Partei angehört und nicht, weil sie aus Deutschland kommt, sondern
weil sie etwas Richtiges gesagt hat, hier Angela Merkel zitieren, die vor dieser Versammlung gesagt
hat: „Die Mitglieder der Parlamentarischen Versammlung des Europarates haben nicht nur das Recht
zur Intervention, sondern sie haben die Pflicht zur Intervention, wenn es um die Einhaltung der
Menschenrechte geht.“

Danke sehr.

Abgeordnete Dr. Herta DÄUBLER-GMELIN:

Herzlichen Dank Herr Präsident,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

wir reden heute über ein Herzstück der Menschenrechtspolitik, nicht nur von uns selbst, die wir ja
Parlamentarier in unseren nationalen Parlamenten sind, sondern eben auch von uns als Mitgliedern des
Parlaments des Europarates in der Verantwortung für etwa 900 Millionen Menschen.

Ich möchte gern zwei Punkte nochmals kurz aufgreifen, die in unseren heftigen Diskussionen im
Ausschuss für Rechtsangelegenheiten und Menschenrechte auch bei den Experten, die wir befragt
haben, eine große Rolle gespielt haben.

Der erste Punkt ist der Zusammenhang zwischen Zivilgesellschaft und der Umsetzung von
Menschenrechtspolitik. Die Resolution, über die wir heute reden, stellt diesen Zusammenhang sehr
stark in den Vordergrund, weil sie sagt: „Menschenrechtsverteidiger, also Mitglieder der
Zivilgesellschaft, die sich um Menschenrechte kümmern, brauchen unsere Unterstützung und unseren
aktiven Schutz.“ Es ist viel darüber diskutiert worden, warum das so ist: nämlich aufgrund der
besonderen Gefährdung.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 65 – Drucksache 16/14161

Ich will aber herausstreichen, dass gerade auch wir Parlamentarier, die wir uns um die
Menschenrechte kümmern, die Zivilgesellschaft und diese aktiven Menschenrechtsverteidiger
brauchen, weil wir sonst unsere Arbeit, nämlich die Überwachung der von uns gewollten und
beschlossenen Menschenrechtskonventionen, gar nicht machen könnten.

Der zweite Punkt ist der folgende: Wir haben alle gesagt, dass wir ein einheitliches europäisches
System der Menschenrechte wollen; übrigens nicht nur in Konventionen, sondern auch in der
europäischen Überwachung. Deswegen haben wir uns von dem aus dem 19. Jahrhundert stammenden,
überalterten Begriff der Souveränität verabschiedet, die ja nur ausschloss und nicht verband, und
gesagt, dass wir eine gemeinsame europäische Implementierung und eine gemeinsame europäische
Kontrolle wollen.

Das heißt aber, dass der Begriff der Nicht-Einmischung in andere Angelegenheiten bei Staaten, die
Mitgliedsstaaten des Europarates sind, einfach nicht mehr greifen kann, sondern wir haben hier eine
gemeinsame Verantwortung an der Stelle der überalterten, ehemaligen nationalistischen Souveränität.

Das streicht die Resolution heraus und deswegen sind wir sehr für ihre Annahme.

Danke sehr.

Drucksache 16/14161 – 66 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Die Einhaltung der Pflichten und Verpflichtungen durch Serbien

Abgeordneter Detlef DZEMBRITZKI:

Herr Präsident,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

auch von meiner Seite aus ein Kompliment und einen Dank an unsere Kollegen Herrn Goerens und
Herrn Gross, die diesen Bericht vorgelegt haben. Er zeigt differenziert auf, welche Herausforderungen
schon gemeistert worden sind, und welche noch zu lösen sind.

Ich denke, dass ein Rückblick immer wieder notwendig ist, um deutlich zu machen, dass diejenigen,
GLH�GHU]HLW�9HUDQWZRUWXQJ� WUDJHQ��QLFKW�GLUHNW� IU�GLH�VFKUHFNOLFKH�3ROLWLN�0LORãHYLüV�YHUDQWZRUWOLFK�
gemacht werden können, für die dieser in seinem Land eigentlich nie zur Rechenschaft gezogen
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sozusagen zum Teufel gejagt haben.

Srebrenica ist angesprochen worden. Dabei muss man sich immer wieder erinnern, dass beim Dayton-
$ENRPPHQ� 0LORãHYLü� QRFK� PLW� DP� 7LVFK� VD‰� XQG� GLH� LQWHUQDWLRQDOHQ� 9HUWUHWHU� KLHU� 'LQJH�
akzeptierten, die eigentlich nicht zu akzeptieren waren. Die Konsequenzen dieser Politik müssen
unsere Kolleginnen und Kollegen von heute austragen.

Kollege Gross hat zu Recht auf die schwierigen zehn Jahre verwiesen, denn wenn man sich in die
Situation der Betroffenen versetzt, so ist eigentlich immer wieder die Quadratur des Kreises erwartet
worden! Einerseits wurde erwartet, den inneren Reformprozess mit vielen Herausforderungen an die
eigene Bevölkerung umzusetzen, und andererseits den staatspolitischen Prozess, zu sehen in
Montenegro, im Kosovo.

Ich glaube, dass man an dieser Stelle auch den jetzigen Verantwortungsträgern, ob Präsident,
Regierung oder Parlament, Komplimente machen und ihnen Anerkennung aussprechen muss, dass sie
diesen Prozess bis hierher in dieser Form durchgestanden haben.

Ich glaube, dass, wie die letzten Wahlen gezeigt haben, die EU, die ja hier für Serbien die Perspektive
aufgezeigt hat, die Zusagen, die ihm unterbreitet wurden, wirklich einzuhalten hat und dort, wo
zusätzliche Unterstützung notwendig ist, diese auch erbringen muss. Wenn man sich das Wahlergebnis
anschaut, dann war es insbesondere die junge Generation, die dazu beigetragen hat, dass dieser
europafreundliche, nach Europa wollende Kurs sich durchgesetzt hat.

Vielleicht ist die jetzige Koalition in Serbien ja auch schon ein wenig ein Zeichen dafür, dass der
innere Versöhnungsprozess in Gang gesetzt worden ist und tatsächlich gelingen kann. Das ist meine
Hoffnung, und wir sollten das unterstützen. Der Bericht legt ja da eine entsprechende Fährte bzw. setzt
eine Roadmap fest, aus der hervorgeht, dass dieser Versöhnungsprozess sich nicht nur auf Serbien
selbst bezieht, sondern z.B. auch auf Serbien/Kosovo und letztendlich auf die Konflikte, die insgesamt
in dieser Region immer noch schwelen, auszudehnen ist.

Hier appelliere ich insbesondere an die Innenpolitiker unserer Länder, insbesondere an die
Innenpolitiker der EU: Hier wäre ein Visaregime zu schaffen, das insgesamt mehr Freizügigkeit
besonders für junge Leute ermöglicht, als das bisher der Fall ist. Hier liegt ein Schlüssel, wo wir in
Europa helfen können, mehr Verständigung und mehr Versöhnung zu ermöglichen.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 67 – Drucksache 16/14161

Herr Kollege MacShane, Sie haben die Reisefreiheit angesprochen. Für uns ist ja immer die besondere
Bitterkeit, dass dieser Prozess jetzt im ehemaligen Jugoslawien so schmerzlich zu spüren ist, wo doch
gerade Jugoslawien damals im Ostblock eigentlich das Land war, wo wir Alternativen erkannten.

In dieser Region sehen wir heute Slowenien und Kroatien, die sich in Konflikt befinden - nicht im
großen Konflikt, aber in einem, der kaum nachvollziehbar ist. Wir sehen Mazedonien und
Griechenland im Streit um den Namen, wir sehen Serbien und Kosovo… Daher mein Appell: Ich
glaube, dass wir als Parlamentarische Versammlung des Europarates alle aufgerufen sind, zur
Beilegung dieser Konflikte beizutragen.

Diese Region muss endlich zusammenfinden. Diese Konflikte sind doch zu überwinden und zwar
ohne Aggression, vielmehr in einer gemeinsamen Verständigung unter dem Dach des Europarates
bzw. der Europäischen Union.

Vielen Dank.

Drucksache 16/14161 – 68 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Die humanitären Folgen des Krieges zwischen Georgien und Russland:
Weiterverfolgung von Entschließung 1648 (2009)

Abgeordneter Dr. Hakki KESKIN:

Herr Präsident,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

sehr geehrte Damen und Herren,

der Krieg vom August 2008 zwischen Georgien und Russland hat tiefe Wunden geschlagen, die noch
lange nachwirken werden.

Dies betrifft vor allem die schwierige Lage der Kriegsflüchtlinge und Binnenvertriebenen in Georgien.
Ihr Recht auf Rückkehr in die früheren Wohnorte muss gewährleistet werden!

Zahlreiche Binnenvertriebene, ca. 100 000 Menschen, können bereits in ihre Wohnorte in den
ehemaligen sog. Pufferzonen zurückkehren. Der Wiederaufbau von Wohnungen und Infrastruktur in
Georgien kommt zügig voran.

Zahlreiche ehrenamtliche Helferinnen und Helfer aus der örtlichen Bevölkerung sowie humanitäre und
technische Hilfsorganisationen aus den Mitgliedstaaten des Europarates unterstützen aktiv den
Aufbauprozess. Ihnen gebühren unser Dank und unsere Anerkennung.

In der Praxis dürfen sich die Rückkehrmöglichkeiten für die Flüchtlinge nicht nur auf kerngeorgische
Gebiete beschränken, sondern müssen auch für Südossetien und Abchasien gelten. Dies gilt für die
Flüchtlinge des letzten Krieges, aber auch für diejenigen aus früheren Konflikten. Ebenso benötigen
zivile Hilfsorganisationen dringend einen ungehinderten Zugang zu den Konfliktgebieten!

Wichtig sind des Weiteren vertrauensbildende Maßnahmen, internationale Sicherheitsgarantien und
wirtschaftliche Kooperationsanreize. Die Mitgliedstaaten des Europarates sollten die Einsetzung einer
neuen Beobachtermission der OSZE für ganz Georgien, inklusive Südossetiens, fordern.

Zum Schluss möchte ich Ihre Aufmerksamkeit auf ein sehr wichtiges Thema lenken: Die Produktion
und Verwendung von Streubomben. Bereits heute haben 94 Staaten dieser Welt sich gegen die
Herstellung und Verwendung von Streubomben ausgesprochen. Allein in diesem Hause sind es
zahlreiche linke Parteien, die sich ebenfalls dagegen ausgesprochen haben. Meines Erachtens ist es
eine äußerst wichtige Aufgabe dieses Hauses, des Europarates, sich ganz aktiv dagegen zu engagieren,
und die Produktion und Verwendung von Streubomben zu verbieten bzw. verbieten zu helfen.

Vielen Dank.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 69 – Drucksache 16/14161

Abgeordneter Eduard LINTNER:18

Sehr geehrter Herr Präsident,

es gehört zu den wichtigsten Aufgaben des Europarats, sich um Menschen zu kümmern, die durch
Krieg, Vertreibung, Verfolgung, Terror in Not geraten sind, meist um Leib und Leben fürchten
müssen. Ihnen zu helfen, müssen wir alles uns Mögliche tun. Und die Aktivitäten und Vorschläge
unserer Berichterstatter im Konflikt zwischen Georgien und Russland entsprechen genau dieser
Vorgabe. Dafür Anerkennung und Dank.

Diese Bemühungen dürfen auch nie aufgegeben werden, etwa weil die Lösung unendlich schwierig ist
und sich über lange Zeit hinzieht. Dabei müssen wir ein Beispiel für konsequente Beharrlichkeit
geben, denn es gehört zum innersten Kern der Aufgaben des Europarats, nie müde zu werden, sich in
humanitären Angelegenheiten zu engagieren. Und zwar verlässlich und beharrlich, denn nur so
gewinnt und behält man Glaubwürdigkeit und Durchsetzungsvermögen in humanitären Dingen.

Außerdem gibt es bei der Umsetzung der vereinbarten Waffenstillstandsbedingungen, unter anderem
auf russischer Seite, große Defizite, so dass wir leider feststellen müssen, dass viele vereinbarte
Schritte noch nicht umgesetzt worden sind. Unsere Berichte nennen diese nicht eingelösten
Versprechen klar beim Namen, zum Beispiel halten russische Truppen sich immer noch in dem im
georgischen Kernland gelegenen Ort Perevi auf und die internationalen Beobachter haben immer noch
keine ausreichende Bewegungsfreiheit.

Wir dürfen aber ob des so eindringlichen aktuellen Elends auch nicht müde werden, die Ursachen
dafür anzuprangern und die dafür Verantwortlichen zu nennen. Diese Ursachen liegen letztlich darin,
dass Regierungen von Staaten elementare Gebote des Völkerrechts und des humanitären
Menschenrechts absichtlich massiv verletzt haben und diese Verletzungen immer noch anhalten.

So wurden und werden elementare Menschenrechte, wie zum Beispiel das Gebot körperlicher
Unversehrtheit, genauso wie das Verbot der Vertreibung oder von Terror und Folter nicht beachtet.
Oder im Falle des Völkerrechts gegen das ganz zentrale Recht jeden Staates auf territoriale Integrität,
das heißt den Grundsatz, dass Staatengrenzen nur friedlich und einvernehmlich geändert werden
dürfen, verstoßen.

Diesem Eckstein des Völkerrechts kommt deshalb eine so große Bedeutung zu, weil wir aus Erfahrung
und der Geschichte – bis hin zum jüngsten Krieg in Georgien – wissen, dass jeder Verstoß
zwangsläufig fatale Folgen hat: So

- gibt es regelmäßig große Opfer unter der unschuldigen Zivilbevölkerung; in Georgien zum
Beispiel durch den Einsatz von Streubomben auf beiden Seiten;

- werden Tausende von sesshaften Menschen zu heimatlosen Flüchtlingen gemacht, was

- immer mit massenhaftem Absturz in Elend und Armut einhergeht, die lange anhält, weil

- regelmäßig auch die für den Alltag der Bevölkerung unverzichtbare Infrastruktur und
wirtschaftliche Basis vernichtet wird.

- Und es werden Angst und Schrecken, Misstrauen, Wut, Hass und Vergeltungs- und
Rachegefühle gesät, was auf unbestimmt lange Zeit

- jedes gedeihliche Zusammenwirken unter Nachbarn zum gegenseitigen Nutzen und zur
Mehrung des Wohlstands der Bevölkerung unmöglich macht.

18 nicht mündlich gehaltener Redebeitrag

Drucksache 16/14161 – 70 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Das bedeutet, dass die Menschen in der Region um Jahrzehnte zurückgeworfen werden. Dabei
müssten sie ihre Kraft, ihre Talente bündeln, um die reichhaltigen Chancen zu nutzen, die in diesem
von der Natur und der Lage so begünstigten Teil unserer Erde vorhanden sind, gemeinsam zu
entwickeln und zu nutzen.

Dies verhindert zu haben, halte ich für ein Verbrechen an der jetzt von Leid und Elend geplagten und
um ihre Zukunftschancen gebrachten Bevölkerung.

Und weil wir am Beispiel Georgiens wieder einmal erleben mussten, wie schnell sich nicht gelöste
Konflikte in einen offenen Krieg verwandeln können, müssen wir alles daran setzen, ähnliche
Problemlagen schon vor dem Ausbruch eines Feuers zu befrieden – unter Berücksichtigung unserer
Erfahrungen und unseres Wissens um die zentrale Bedeutung wichtiger völkerrechtlicher Prinzipien,
wie der Achtung des Rechts auf territoriale Unversehrtheit.

Das bedeutet für den südkaukasischen Raum eben, dass jetzt mit aller Kraft daran gearbeitet werden
muss, den weiteren möglichen Brandherd friedlich zu beseitigen, nämlich den Konflikt um Nagorno-
Karabach, dem auch die Missachtung von Völkerrecht zugrunde liegt. Hier hat im übrigen Russland –
wie bei allen sog. frozen conflicts – kraft direkter oder indirekter Beteiligung auch eine besondere
Verantwortung und wir müssen verlangen, dass Russland diese verantwortungsbewusst und
lösungsorientiert auch nutzt. Das immer wieder anzumahnen gehört geradezu zu unserer Pflicht als
Europarat.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 71 – Drucksache 16/14161

Protokollentwurf Nr. 14bis zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten

Abgeordneter Holger HAIBACH:

Herr Präsident,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

im Namen der EPP-Gruppe möchte ich Klaas de Vries zu seinem hervorragenden Bericht gratulieren,
der ein schwieriges Thema in sehr enger Zeit behandelt und im Grunde genommen das sagt, was hier
zu sagen ist, nämlich dass dieses Zusatz-, Fakultativprotokoll 14bis ein Teil der Lösung sein kann,
aber nicht die endgültige Lösung ist. Das ist ja bei meinem Vorredner schon angeklungen.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ist in vieler Hinsicht einzigartig. Er ist eines der
wenigen Individual-Beschwerde-Organe weltweit und, glaube ich, auch zu Recht etwas, auf das wir
stolz sind und stolz sein können, weil er wirklich eine hervorragende Arbeit macht.

Aber wenn ich mir anschaue, wie viele Fälle vor dem Gericht eigentlich landen, dann frage ich mich:
„Können wir darauf stolz sein?“ Ist es nicht wirklich ein Zeichen dafür, dass unsere Rechtssysteme in
unseren Mitgliedsstaaten nicht so funktionieren, wie sie eigentlich funktionieren sollten, wenn so viele
Fälle hier nach Straßburg gehen müssen? Deswegen ist es genau richtig zu sagen, dass es unsere
Aufgabe zu Hause in unseren Parlamenten ist, darauf zu sehen, dass unsere Rechtssysteme in unseren
Nationalstaaten funktionieren. Dann wird auch der Druck, der nach Straßburg kommt, sicherlich
weniger werden.

Das wird aber nicht dazu führen, dass der Gerichtshof weniger gebraucht wird; es wird nur dazu
führen, dass der Gerichtshof sich auf die wirklich wichtigen Dinge konzentrieren kann, wo es darum
geht, Urteile zu fällen, die weit über die Ländergrenzen des jeweiligen Staates, gegen den Klage
erhoben wird, wichtig sind.

Im Monitoringbericht über die Russische Föderation kann man zum Beispiel nachlesen, dass 70% der
dort anhängigen Fälle und gesprochenen Urteile nicht exekutiert werden. Es ist vollkommen klar, dass
es, wenn man den Gerichtshof hat, zu einem Druck führt, diese Fälle dort auch hinzubringen.

Gegen Deutschland werden vielleicht nicht ganz so viele Urteile gesprochen – im letzten Jahr waren es
vielleicht sieben oder acht, wenn ich es richtig in Erinnerung habe –, aber das heißt nicht, dass diese
Urteile nicht bedeutend gewesen wären. Es gab das Caroline–Urteil, das wichtige Zeichen gesetzt hat
zur Frage der Persönlichkeitsrechte von Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen. Es gab ein Urteil
zur Frage der Rückgabe oder Entschädigung von Eigentum, das zur Zeit des Unrechtsregimes in der
DDR enteignet worden ist. Es gab viele wichtige Urteile – nicht viele in der Zahl, aber sie haben
unsere Rechtsprechung entscheidend beeinflusst.

Wir müssen dafür einstehen und heute auch ein wichtiges Zeichen setzen, dass dieser Gerichtshof das
auch weiterhin machen kann. 14bis wird hoffentlich ein wenig die Situation beruhigen, aber 14bis ist
nicht die endgültige Lösung des Problems. Nicht einmal Protokoll 14 wird die Lösung des Problems
sein, aber irgendwo muss man an dieser Stelle ja ansetzen.

Deswegen glaube ich, dass es wichtig ist, dass zwei Zeichen von der heutigen Debatte ausgehen: Das
eine Zeichen muss sein, dass wir sagen, wir sind pragmatisch genug, einen Weg zu unterstützen, der
zumindest hilft, die Probleme des Gerichtshofes zu lindern. Das andere Zeichen muss sein, dass wir
weiterhin darauf drängen – und es ist nun einmal die russische Staatsduma, die die Ratifikation
momentan aufhält –, dass diese Ratifikation tatsächlich stattfindet. Deswegen habe ich mit anderen

Drucksache 16/14161 – 72 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Kollegen zusammen einen entsprechenden Änderungsantrag eingebracht und ich hoffe, dass das hier
die Mehrheit der Versammlung findet.

Ich finde es ein bisschen bedauerlich, dass wir dieses so wichtige Thema relativ am Ende unserer
Tagesordnung, auch mit der entsprechenden Abwesenheit von Mitgliedern diskutieren. Es hat diese
Woche andere Themen gegeben, die vielleicht momentan aktueller und wichtiger sind, aber ich
möchte noch einmal betonen, dass die Frage des Gerichtshofes bleibt, auch lange nachdem wir die
Frage des Generalsekretärs entschieden haben und viele wichtige Debatten dieser Tagesordnung hinter
uns gebracht haben werden. Insofern hoffe ich, dass wir einmal zu einer Zeit kommen, in der wir nicht
mehr über diese Frage diskutieren müssen. Aber wenn wir über sie diskutieren müssen, dann sollten
wir es zu einer Zeit tun, in der sowohl die Präsenz als auch die Zeit dafür sorgen, dass wir die
Wichtigkeit dieses Themas erkennen.

Abgeordneter Holger HAIBACH:

Änderungsantrag 1

Herr Präsident,

es sollen zwei Botschaften von der heutigen Debatte ausgehen: Das eine ist, dass wir 14bis brauchen,
um die Situation des Gerichtshofs zu verbessern. Aber wir wollen auch klar machen, dass es trotzdem
immer noch notwendig ist, zu einer Ratifikation des Protokolls 14 an sich zu kommen. Das soll nun
dieses Amendment hier noch einmal deutlich machen, dass wir auch klar machen: Es ist in unser aller
Interesse, dass die russische Staatsduma den Weg freimacht für die endgültige Ratifizierung von
Protokoll 14.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 73 – Drucksache 16/14161

VII Ausgewählte weitere Reden

Eröffnungsrede von Lluis Maria de Puig, Präsident der Parlamentarischen Versammlung des
Europarates

Meine Damen und Herren, liebe Kollegen,

gerade vor einer Woche hat die Konferenz der Vereinten Nationen unter dem Titel „Durban II”
jemandem das Wort erteilt, der kriegsähnliche Bemerkungen machte, die mit Rassismus und
Negierungen gespickt waren.

Einige der Anwesenden haben den Sitzungssaal verlassen, andere sind sogar gar nicht erst gekommen.
Aber es gab auch jene, die applaudiert haben.

Glücklicherweise haben die anwesenden Länder am nächsten Tag erreichen können, eine Erklärung zu
vereinbaren.

Die Meinungen gehen darüber auseinander, ob diese Konferenz ein Misserfolg oder ein Erfolg war.

Vom Standpunkt der Werte und Grundsätze unserer Organisation, des Europarates, aus betrachtet,
würde ich dazu neigen, beidem zuzustimmen.

Die Konferenz war insofern ein Misserfolg, als sie demonstrierte, dass jener Hass, jene Intoleranz und
destruktiven Impulse keine flüchtigen Ideen sind. Sie werden auf den wichtigsten internationalen
Foren zum Ausdruck gebracht und sind sogar die Grundlage einer staatlichen Politik. Sie bestehen
noch immer trotz der Entschlossenheit, die bei allen demokratischen Bewegungen seit dem Zweiten
Weltkrieg die treibende Kraft war: die Entschlossenheit, die durch diesen Hass hervorgerufenen
Schrecken zu beseitigen.

Doch war die Konferenz auch ein Erfolg der Länder mit dem festen Glauben an die Methode des
Dialogs und der Möglichkeit zur Erzielung einer Vereinbarung über politische Verbindlichkeiten
hinaus.

Genau das ist es, was wir hier im Europarat versuchen zu erreichen.

Diese Methode ist umso notwendiger, als das Böse, das wir weltweit bekämpfen müssen, sich immer
unverhüllter zeigt und sich immer gewalttätiger ausdrückt. Es reicht schon aus, das Beispiel der
Wirtschaftskrise oder die Auswirkungen der globalen Erwärmung zu nehmen.

Meine lieben Kollegen,

das Besondere an dieser Teilsitzung ist, dass sie kürzer als gewöhnlich ist, doch ist sie überaus
kompakt im Hinblick auf die Agenda und sehr intensiv hinsichtlich der zu behandelnden Themen.

Dass die Folgen des Krieges zwischen Georgien und Russland zum dritten Mal in Folge auf der
Tagesordnung einer Teilsitzung stehen, zeigt leider, wie langsam und mühsam es ist, Fortschritte zu
erzielen. Es gab einige wenige positive Zeichen in dem Umfang, dass der Ad-hoc Ausschuss des
Sekretariats für den Dialog zwischen der georgischen und russischen Delegation erfolgreich dahin
geführt hat, dass die zwei Delegationen nun an demselben Tisch sitzen. Doch während die Beratungen
geführt werden, um zu sehen, was aus diesem Ausschuss hervorgeht, ist die humanitäre Lage vor Ort
schrecklich und tausende Menschen leiden weiterhin und zahlen fälschlicherweise den Preis für einen
politischen Konflikt, der nicht ihr eigener ist.

Drucksache 16/14161 – 74 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Während nun der Konflikt und die Probleme zwischen den beiden Ländern weit davon entfernt sind,
beigelegt zu sein, ist ein weiterer Konflikt in Moldau ausgebrochen. Wir alle sind sehr beunruhigt über
die Vorwürfe von Misshandlungen von Demonstranten, die von den Behörden festgehalten wurden,
von Verletzungen der freien Meinungsäußerung und dem Recht auf Information sowie von
Wahlbetrug. Dieser Zustand muss mit größter Eile behoben werden. Nur ein blühendes und
demokratisches Moldau kann seinen Bürgern wirklich dienen und eine gerechte Beilegung des
Transnistrien-Konfliktes gewährleisten.

Die demokratischen Fortschritte in anderen Ländern - wie zum Beispiel Armenien, Aserbaidschan und
der Ukraine - sind auch noch zögerlich. Der Monitoringausschuss der Versammlung sowie alle
anderen betroffenen Organe des Europarates, wie zum Beispiel die Venedig-Kommission, werden
weitere beträchtliche Arbeit zu leisten haben, damit diese Demokratie, Menschenrechte und die
Rechtsstaatlichkeit in jenen Ländern Wurzeln schlagen.

Liebe Freunde,

etwas später heute werden wir in einer kleinen Feierstunde das 60-jährige Bestehen unserer
Organisation begehen. Diese 60 Jahre spiegeln die gesamte Geschichte Europas mit seinen
Fortschritten und den Augenblicken des Rückschritts wider. Doch alles in dieser Geschichte zeigt uns,
dass Konfrontation nirgendwohin führt, dass der Wille zur Schaffung des eigenen Gesetzes und der
eigenen Wahrheit, die mit Gewalt durchgesetzt werden, nur Unglück bewirkt und dass das Anliegen,
die persönlichen Interessen vor gemeinsame Interessen zu stellen, am Ende niemandem dient.

Deshalb hoffe ich, dass wir in dieser Teilsitzung vielleicht erreichen, beiseite zu legen, was uns trennt
und unsere Anstrengungen darauf zu richten, was uns vereint. Unsere Organisation kann es sich nicht
leisten, nur eine Widerspiegelung der Vergangenheit Europas zu sein. Die Zukunft Europas muss auch
unsere Zukunft sein.

Deshalb wünsche ich Ihnen eine ergebnisreiche Woche, sei es in Ausschüssen oder in der
Plenarsitzung, für das Wohlergehen aller unserer Länder und auch für das Wohl unserer Organisation.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 75 – Drucksache 16/14161

Rede von Lluis Maria de Puig, Präsident der Parlamentarischen Versammlung des Europarates,
anlässlich der Feier zum sechzigjährigen Bestehen des Europarates

Liebe Freunde, liebe Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete,

wie es Paul-Henri Spaak in dem soeben gesehenen Film treffend ausdrückte: es gehörte wohl ein gutes
Maß an Verrücktheit dazu, die es jenen großen Männern und Frauen vor sechzig Jahren erlaubte, kurz
nach Ende des tödlichsten Krieges in der Geschichte der Menschheit einen Schwur darauf abzulegen,
diesem Albtraum ein Ende zu bereiten und an seine Stelle einen wunderbaren Traum zu setzen – den
Traum vom vereinten Europa.

Sie begnügten sich dabei keinesfalls mit Träumereien, sondern taten alles in ihren Kräften stehende,
um diesen Traum auch wahr werden zu lassen. Nachkommende arbeiteten weiter an diesem Auftrag,
und nach und nach, Stein um Stein, bauten sie das, was wir heute für gewöhnlich unser großes
europäisches Haus nennen.

Dieses Haus, in dem die große europäische Familie daheim ist, ist der Europarat.

Können wir heute, da wir den 60. Geburtstag des Europarates feiern, mit reinem Gewissen behaupten,
dass dieser Traum nun Wirklichkeit ist?

Wir haben gute Gründe, diese Frage mit ja zu beantworten. Alle Staaten eines Kontinents um einen
Kern von gemeinsamen Idealen und Grundsätzen zu versammeln, Staaten mit den unterschiedlichsten
Werdegängen, Kulturen, Sprachen und Erfahrungen, ist das kühnste und anspruchvollste politische
Konstrukt der Geschichte.

Die Rolle des Europarates auf unserem Kontinent und darüber hinaus auf der ganzen Welt ist es vor
allem, deutlich zu machen, dass Sicherheit und Wohlergehen der Menschen nicht allein eine Frage der
Landesverteidigung und der Märkte sind. Das Fortbestehen der Organisation über all diese 60 Jahre ist
Beweis dafür, dass Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit die tragenden Säulen jeder
um ihre Mitbürger bemühten Gesellschaft darstellen.

Durch sein Wirken hat sich der Europarat jenen Theorien entgegen gestellt, die das politische Leben
über Jahrhunderte beherrscht hatten, und die behaupteten, manche Völker, Kulturen und sozio-
ökonomische Voraussetzungen seien für die Demokratie prädestiniert und andere nicht. Allen
Versuchen, Demokratie zu exportieren, in ein anderes Land zu verpflanzen, oder gar - wie im Irak
geschehen - mit Bombengewalt erzwingen zu wollen, wurde von unserer Organisation mit friedlichem
aber wirksamen Druck entgegengewirkt. Tagtäglich pflegt der Europarat die Demokratie in allen
Teilen unseres Kontinents durch Dialog, Teilhabe und Zusammenarbeit. Er vermag deshalb auch
andere Staaten in anderen Weltgegenden zur Nachahmung zu begeistern, die an die gleichen
Grundsätze glauben.

Der Europarat ist in erster Linie eine moralische Macht. Diese Macht wird in vielfältiger Weise
ausgeübt und verfolgt doch immer das gleiche Ziel; einige dieser Träger moralischer Macht sind der
Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, der in diesem Jahr sein fünfzigjähriges Bestehen feiert,
und seine Urteile, das Ministerkomitee als Vertreter der Regierungen der Mitgliedsländer, die
Einrichtung des Menschenrechtskommissars, die Venedig-Kommission, das Europäische
Jugendzentrum und dann natürlich diese Versammlung, die den Stimmen der 800 Millionen Europäer
durch ihre hier vertretenen Abgeordneten Gehör verschafft.

Der Europarat verfügt auch über einen unermesslichen Wissensschatz an Rechtsstandards,
Erfahrungen und bewährten Praktiken aus 47 Mitgliedsländern, der allen Bürgern, aber auch
Nichtmitgliedsstaaten, die sich unseren Standards anschließen wollen, frei zu Diensten steht.

Drucksache 16/14161 – 76 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Der Europarat fungiert auch als Anzeiger neuer Trends und Ideengeber. Er ist Vordenker in so
verschiedenen und wichtigen Bereichen wie Bioethik, Computerkriminalität, Menschenhandel,
Korruption und vielem mehr.

Einigkeit macht stark, und aus dieser Sicht ist bereits die Tatsache, dass wir 47 Mitgliedsstaaten unter
einem Dach vereinen, eine schöne Leistung.

Lange Zeit waren die Ziele unserer Organisation klar, wohl allein schon aufgrund dieser starken
quantitativen Komponente. Jetzt stehen wir vor einer neuen Etappe, und die Fragen, die es zu lösen
gilt, sind zunehmend qualitativer Art.

Demokratie ist kein statisches und in Stein gemeißeltes Konzept. Sie entwickelt sich gemeinsam mit
der Gesellschaft weiter, und im Augenblick ist es so, dass vieles in unseren Gesellschaften in einem
totalen Umbruch begriffen ist.

Zweifel ist eine der Triebfedern der Demokratie; der aktuelle Alltag stellt uns vor Fragen, die zu
beantworten nicht einfach sind: Wie wird die Demokratie von morgen beschaffen sein – wird sie
zentral oder dezentral organisiert sein? Partizipativ oder repräsentativ? Wie wird ein ausgewogenes
Verhältnis zwischen Bestimmungen auf nationaler und übernationaler Ebene aussehen? Stehen wir vor
einer Ära der elektronischen Demokratie? Wie ist mit einer Demokratie zu verfahren, die nur vorgibt,
eine solche zu sein und sich somit selbst verleugnet, sei es von oben nach unten durch Machthaber, die
ihre eigenen Spielregeln aufstellen, an die sich dann alle halten müssen, sei es von unten nach oben,
durch Anhänger von Zerstörungstheorien, die sich gegen Ungerechtigkeiten wehren, indem sie alles
um sie herum zunichte machen. Wie kann die Sicherheit der Bürger garantiert werden, wenn sie durch
fanatische Terrorangriffe bedroht wird? Wie kann angesichts der Schwankungen des Finanzsystems
der Wohlstand einer Gesellschaft garantiert werden, ohne durch Überreglementierung die Freiheit des
einzelnen und andere Grundrechte zu untergraben und zu verletzen? Wie soll man zu neuen
gesellschaftlichen Organisationsformen stehen, wie sie das Internet hervorbringt?

Abgesehen von all diesen noch unbeantworteten Fragen mag der demokratische Traum in Europa auch
deshalb noch nicht ganz Wirklichkeit geworden sein, weil die europäische Wirklichkeit nicht immer
zum Träumen Anlass gibt.

Zwar haben wir in den letzten 60 Jahren keinen Krieg von jenem Ausmaß erleben müssen, wie es in
der Vergangenheit der Fall war; dafür herrschte aber vierzig Jahre lang der Kalte Krieg, auf den dann
die schrecklichen Auseinandersetzungen auf dem Balkan folgten, und noch im vergangenen Jahr der
kriegerische Konflikt zwischen den beiden Mitgliedsstaaten Georgien und Russland. Was gemeinhin
als „eingefrorene” Konflikte bezeichnet wird, sind in Wirklichkeit schlummernde Vulkane, hinter
denen sich das Risiko eines Ausbruchs an mehr als nur einer Stelle in Europa nur mühsam verbirgt.
Die Demokratie in all jenen Staaten, die auf Jahrzehnte des Totalitarismus zurückblicken, steht noch
auf unsicheren Beinen. Und auch reife und erfahrene Demokratien sind vor Fehlern nicht gänzlich
geschützt und können unsere Gesellschaften erschüttern.

Unsere Arbeit ist also noch nicht zur Gänze getan. Demokratie, Menschenrechte und
Rechtsstaatlichkeit sind starke aber auch verwundbare Werte. Sie gehören ständig gepflegt, umsorgt
und geschützt. Darin besteht auch in Zukunft die Hauptaufgabe unserer Organisation.

Meine lieben Freunde,

Erinnern wir uns kurz daran, dass der Begriff „Globalisierung” ursprünglich mit zwei Kriegen des 20.
Jahrhunderts in Verbindung gebracht wurde, die ein globales Ausmaß erreicht hatten. Zum Glück hat
die Globalisierung inzwischen einen anderen Weg eingeschlagen und durch den freien Verkehr von
Handel, Kultur und Menschen uns alle einander näher gebracht und Grenzen überwunden. Ermöglicht
wurde dies vor allem durch die geradezu blitzartige Entwicklung der Telekommunikation.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 77 – Drucksache 16/14161

Der Europarat hat an dieser natürlichen Entwicklung der jüngeren Geschichte mitgewirkt, und darin
mag auch ein Teil seines Erfolges begründet liegen.

Aber auch die Herausforderungen haben einen globalen Charakter angenommen, und dieses Faktum
wird in Zukunft die Arbeit des Europarates bestimmen.

Der internationale Terrorismus ist zu einer neuen globalen Herausforderung geworden. In ihm finden
Hass, Rassismus, Ausländerfeindlichkeit und religiöser Fanatismus eine schreckliche Möglichkeit sich
auszudrücken. Dazu kommen Intoleranz und Diskriminierung, die sich in unserem Alltag eingenistet
haben.

Die Erwärmung der Erdatmosphäre stellt eine weitere schwierige Herausforderung dar. Sie bedroht
nicht nur das Leben ganzer Bevölkerungen, sondern birgt auch das Risiko sozialer Unruhen infolge
massiver Wanderbewegungen in sich, mit denen weltweit zu rechnen sein wird.

Liebe Freunde,

Es ist nicht meine Absicht, hier ein pessimistisches Bild zu entwerfen, sondern nur auf die vielen
guten Gründe zu verweisen, weshalb der Europarat seine Tätigkeit auch in Zukunft ausüben soll.

Unsere oberste Pflicht ist es, unseren wichtigsten Auftrag nicht zu vergessen und uns immer wieder
den Spruch der Gründerväter der europäischen Integration in Erinnerung zu rufen: „Nie wieder!”
Niemand ist absolut sicher vor neuen Auswüchsen, und deshalb müssen wir ständig auf der Hut sein,
um eine Wiederholung jenes Unheils auf alle Zeiten zu verhindern, das bereits die Gründer unserer
Organisation ein für alle Mal aus der Welt verbannen wollten.

Wir müssen unseren Grundsätzen und Werten treu bleiben. Gleichzeitig müssen wir uns bemühen,
diese Grundsätze und Werte immer dann mit innovativen Ideen umzusetzen, wenn dem
demokratischen Fortschritt eine Verlangsamung droht.

Wir sollten uns auch Gedanken machen, wie wir es unserer Organisation ermöglichen können, sich in
den Mitgliedsstaaten und auf der internationalen Bühne mehr Geltung zu verschaffen. Es geht darum,
wenn nötig, die Beschlüsse des Europarates auch dort umzusetzen, zu kontrollieren – durchzusetzen –,
wo sie auf Gleichgültigkeit oder fehlenden politischen Willen stoßen. Gleichzeitig sollten wir das
bewahren, was unsere Besonderheit ausmacht, jene intellektuelle Freiheit, die auch vor politischen und
nationalen Interessen nicht Halt macht.

Im Europarat verfügen wir über eine Macht, derer wir uns nicht immer ganz bewusst sind. Vor sechzig
Jahren hatten die Gründer des Europarates die Macht ihrer Träume. Heute ist unsere Macht eine
wirkliche, die vereinte Macht aller Länder unseres Kontinents. Lasst uns mit ihr nicht unachtsam
umgehen, sondern sie im richtigen Ausmaß einsetzen.

Sechzig Jahre, meine lieben Freunde, sind nur wenig im Vergleich zur gesamten Geschichte der
Menschheit; dennoch entsprechen sie immerhin fast einem Menschenleben. Welches Leben erwartet
die Männer und Frauen, die im Europa von morgen leben werden? Dieser Herausforderung sollen wir
uns heute stellen, indem wir unsere Vergangenheit feiern und uns um einen Neubeginn bemühen. Der
Weg, den wir einschlagen werden, muss ganz im Zeichen unserer Verantwortung für die kommenden
Generationen stehen.

Ich danke Ihnen.

Drucksache 16/14161 – 78 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Mitteilung des Ministerkomitees, vorgetragen von Miguel Ángel Moratinos, spanischer Minister
für Auswärtige Angelegenheiten und Zusammenarbeit und Vorsitzender des Ministerkomitees

Guten Morgen, Herr Präsident der Parlamentarischen Versammlung des Europarates und mein lieber
Freund, Lluís María de Puig,

verehrte Parlamentarier, meine Damen und Herren,

ich freue mich sehr darüber, vor der Parlamentarischen Versammlung des Europarates noch einmal
eine Rede halten zu dürfen, bevor der spanische Vorsitz auf der Sitzung in Madrid am 12. Mai, die
sich bereits in Vorbereitung befindet, zu Ende gehen wird.

Wie Sie wissen, wird diese Sitzung das Ende des spanischen Vorsitzes kennzeichnen, während dessen
sich einige bedeutende Ereignisse auf der internationalen Bühne ereignet haben und Maßnahmen
ergriffen wurden, um eine systemische Krise in den Griff zu bekommen, die das wirtschaftliche und
finanzielle Modell, die globale Governance und die Institutionen betrifft. Wir sind Zeugen einer Zeit
tiefgreifenden Wandels in allen Bereichen und eines Paradigmenwechsels verbunden mit den
Herausforderungen des 21. Jahrhunderts.

Die Sitzung in Madrid beendet sechs Monate intensiver Arbeit, aus der unsere Werte, Unterstützung
eines wirksamen Multilateralismus, demokratische Grundsätze und die europäische Identität gestärkt
hervorgehen. Bei dieser Arbeit haben wir uns von den Organen des Europarates und insbesondere
durch die Parlamentarische Versammlung ermutigt und geleitet gefühlt, welche Ideen eingebracht hat,
immer aufmerksam gewesen ist und dazu beigetragen hat, eine stärkere Sensibilisierung für die Ziele
dieser Organisation bei den Bürgern zu entwickeln, welche seinerseits tiefe demokratische Wurzeln
besitzt und als ein Bezugspunkt auf dem Gebiet der Menschenrechte gilt.

Diese sechs Monate waren auch ein Zeitraum von Gedenkfeiern anlässlich von Jahrestagen in
Verbindung mit dem Europarat und der Verteidigung von Menschenrechten. Die feierliche Begehung
dieser Jahrestage wurde mit dem Ziel verbunden, der Arbeit des Europäischen Gerichtshofes für
Menschenrechte einen neuen Aufschwung zu geben und seine Effizienz zu erhöhen, um die Rechte
von mehr als 800 Millionen europäischen Bürgern zu gewährleisten.

Für dieses Ziel wird der spanische Vorsitz uneingeschränkt bis zum letzten Augenblick arbeiten, um
somit zu einer Lösung für die Mitgliedstaaten zu gelangen und dem Problem der Arbeitsüberlastung
des Gerichtshofes ein Ende zu bereiten und den Engpass zu weiten, unter dem er schon seit 2004
leidet.

Dieses Ziel ist die Leitlinie der Handlungen des spanischen Vorsitzes und der Kontakte des spanischen
Premierministers zu den Führenden der Mitgliedstaaten gewesen. Die Stellungnahmen des Ad-Hoc
Ausschusses der Rechtsberater für Völkerrecht (CAHDI) und des Lenkungsausschusses für
Menschenrechte (CDDH) öffnen den Weg zu einer Vereinbarung und zur Annahme der erforderlichen
Mechanismen, damit die langfristige Funktionsweise gewährleistet wird, solange die vollständige
Ratifizierung von Protokoll Nr. 14 und sein endgültiges Inkrafttreten noch aussteht.

Die Arbeit und der Enthusiasmus des Präsidenten und Kanzlers des Gerichtshofes haben in diesem
Prozess eine unentbehrliche Rolle gespielt. Ich gratuliere ihnen und ich bitte sie dringend, die
Förderung der Umsetzung von verfahrenstechnischen Mechanismen fortzuführen, um somit Methoden
zu verbessern und die Wirksamkeit des Gerichtshofes zu erhöhen.

Meine Damen und Herren,

der spanische Vorsitz hat seine feste Entschlossenheit zur Förderung der institutionellen Kohärenz
durch dauerhaften Kontakt mit der Versammlung, durch Verfolgung ihrer Debatten und dem Abhalten
von Treffen mit ihrem Präsidenten aufrechterhalten, dem ich für sein Engagement und seine

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 79 – Drucksache 16/14161

Bereitschaft zum Dialog dankbar bin. Ebenso möchte ich dem Vorsitzenden der Ständigen Vertreter
danken, dass er unsere Arbeit erleichtert und einen frischen Impuls gegeben hat.

Wir sind uns der Rolle und politischen Dimension des Europarates bewusst, welche ihm durch den
Auftrag auf dem Dritten Gipfel der Staats- und Regierungschefs in Warschau übertragen wurde.
Deshalb müssen wir unsere Arbeit für die Förderung des Friedens und die Ausweitung demokratischer
Rechte fortsetzen, und wir müssen dazu beitragen, dass die sogenannten „eingefrorenen“ Konflikte in
unserer Region beendet werden und nach einer Lösung mit politischen Mitteln suchen.

Der spanische Vorsitz hat es als notwendig erachtet, in Georgien tätig zu werden und sich um die
ernste humanitäre Lage des Landes zu kümmern, indem der Organisation und insbesondere dem
Kommissar für Menschenrechte die erforderlichen Mittel an die Hand gegeben werden, damit die
Arbeit in diesem Gebiet fortgesetzt werden kann. Die Arbeit des Kommissars in dieser komplexen
Situation bedarf der Anerkennung von dieser Bühne: Ich möchte Thomas Hammarberg für seine
Anstrengungen und sein Engagement danken.

Die Versammlung und der spanische Vorsitz erachteten die humanitäre Lage Georgiens als
unannehmbar und ich bin deshalb voller Hoffnung, dass eine Vereinbarung auf der Ministersitzung in
Madrid über konkrete und substanzielle Maßnahmen erreicht wird, die im Ministerkomitee derzeit
diskutiert werden. Diese Maßnahmen ziehen Anregungen aus dem Bericht des Generalsekretärs, der
Richtlinien für nachhaltige und tragfähige Handlungen des Europarates festlegt sowie für die stärkere
Sichtbarkeit und Wirksamkeit in Georgien. Ich glaube, dass die Arbeit der Versammlung in diesem
Konflikt entschieden war und dass ihr politischer Wille deutlich auf der Sitzung im März in Valencia
hervorgetreten ist.

Im Hinblick auf Weißrussland, dem einzigen Staat in Europa, der kein Mitglied des Europarates ist,
möchte ich Sie darüber informieren, dass der gemeinsame Wunsch, dass dieses Land ein Teil unserer
Organisation wird, weitergeleitet wurde. Bei einem vor kurzem getätigten Besuch hatte ich die Freude,
Mitglieder der weißrussischen Zivilgesellschaft, Präsident Lukaschenko, Minister Martinow und
zahlreiche andere Personen des öffentlichen Lebens zu treffen, denen ich die Wichtigkeit der
Erhöhung des Tempos politischer Reformen übermittelt habe sowie die Notwendigkeit für dieses
Land, unserer Organisation so bald wie möglich beizutreten und damit Menschenrechte zu verteidigen
und die Todesstrafe endgültig abzuschaffen.

Bei meinen Gesprächen habe ich wiederholt die große Bedeutung des Schutzes der öffentlichen
Meinungs- und Versammlungsfreiheit und der Aufrechterhaltung der Rechtsstaatlichkeit
hervorgehoben sowie dass der Praxis der Verfolgung aus politischen Gründen ein Ende gesetzt wird.
Als Vorsitzender des Ministerkomitees überbrachte ich in Minsk unsere Hoffnungen und bei meinem
Besuch der Universität wurde eine Vereinbarung erzielt, einen Informationsstand zum Europarat
einzurichten.

Auf dieselbe Art und Weise habe ich die Behörden in Moldau dringend gebeten, die vollkommene
Achtung der Rechtsstaatlichkeit, der Grundfreiheiten und Menschenrechte zu gewährleisten und ich
habe gleichzeitig zu einem größeren Engagement für das Recht auf friedliche Versammlung, das
Recht auf Information und freie Meinungsäußerung aufgerufen.

Meine Damen und Herren,

beim Umgang mit den fortbestehenden Herausforderungen, die uns in Europa durch aktuelle
Ereignisse gestellt werden, müssen wir politischen Willen und die Achtung für die grundlegenden
Werte zeigen, die vor sechzig Jahren in London definiert wurden. Die Krisen dieser frühen Jahre des
21. Jahrhunderts dürfen jene Werte nicht beschädigen, sondern müssen sie ganz im Gegenteil noch
tiefer in den verschiedenen und multikulturellen Gesellschaften der 47 Mitgliedstaaten verankern, in
Weißrussland als einem Beitrittskandidaten und in den 5 Staaten mit Beobachterstatus.

Drucksache 16/14161 – 80 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Wir müssen wachsam gegenüber dem Ausbruch von Rassismus, Intoleranz und Fremdenfeindlichkeit
sein und die uns zur Verfügung stehende Maschinerie für den Schutz der Rechte der Randgruppen der
Gesellschaft stärken, die am leichtesten zu verletzen sind: die Behinderten, Minderheiten und
Einwanderer. Der einzig mögliche Weg, die Zukunft zu gewinnen, ist der durch die Normen definierte
Weg, die in den 60 Jahren des Bestehens dieser Organisation aufgebaut wurden, die Erfahrung in der
Bekämpfung von Diskriminierung und Extremismus bewiesen hat, welche ein friedvolles Miteinander
in Europa untergraben.

Diese Aspekte und das Gewicht unserer historischen Erinnerung waren die hauptsächlichen
Tätigkeiten des Europarates im Zeitraum des spanischen Vorsitzes, in dem die Priorität auf die volle
Chancengleichheit von Frauen und Männern, die Auswirkung der neuen Informationstechnologien,
den Schutz von Kindern im Rechtssystem, die Bekämpfung von auf dem Geschlecht beruhender
Gewalt und des Menschenhandels gelegt wurde sowie der Notwendigkeit, die [Probleme] der
Migration mit umfassenden politischen Maßnahmen zu lösen, welche die Menschenrechte achten. In
der Mitteilung über die Tätigkeiten des Ministerkomitees, die wir der Versammlung vorgelegt haben,
finden Sie weitere Einzelheiten zu diesen Tätigkeiten und eine Aufstellung von Maßnahmen, die in
diesem Zeitraum ergriffen wurden.

Meine Damen und Herren,

wie aus der letzen Sitzung der Versammlung klar hervorgegangen ist, bieten die neuen Informations-
und Kommunikationstechnologien ein immenses Potenzial für die Entwicklung von Demokratie und
Freiheiten, doch stellen sie ebenso Herausforderungen für das Recht auf Privatsphäre und unsere
Sicherheit dar. Wir müssen deshalb die Bekämpfung krimineller Netzwerke und anderer Bedrohungen
wie zum Beispiel den Terrorismus in diesem Bereich aufrechterhalten. In diesem Zusammenhang
trugen von der Versammlung verabschiedete Dokumente dazu bei, die Diskussionen auf der vor
kurzem in San Lorenzo de El Escurial abgehaltenen Konferenz über „Terrorismus und Computer- und
Netzsicherheit” mit Beteiligung des Europarates und dem Interamerikanischen Komitee zur
Bekämpfung des Terrorismus als Leitlinie zu dienen, welche die Umsetzung verschiedener
Konventionen überprüfte.

Der Fortschritt bei der Ratifizierung des Übereinkommens über Computerkriminalität stellt ein
positives Zeichen der Tätigkeit des Europarates in diesem Bereich dar, ebenso wie das Inkrafttreten
der Konvention über Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung und das Übereinkommen zur
Verhütung des Terrorismus, deren Unterzeichnerstaaten ihre erste Sitzung auch in Madrid abhalten
werden. Diese Konventionen sind kraftvolle Instrumente, die uns in die Lage versetzen, auf das
schwierige Ziel der Ausmerzung von Terrorismus jeder Art hin zu arbeiten, weil Terrorismus eine
abscheuliche Verletzung der Menschenrechte ist und eine große Herausforderung für den Europarat
und unsere Sicherheit darstellt.

Die Dynamik der Menschenrechte verlangt auch von uns, eine besondere Aufmerksamkeit auf
mögliche Verletzungen der Rechte der Randgruppen unserer Gesellschaften zu richten, die am
verletzlichsten sind und neue Instrumente zur Verhütung zu entwickeln. Der Fortschritt bei der
Unterzeichnung der Konvention gegen Menschenhandel, die hochrangige Europäische Konferenz über
Frauen und Behinderung in León (Spanien) und der Runde Tisch zur Bekämpfung der
Diskriminierung von Frauen, der in New York als eine begleitende Veranstaltung zum Treffen der
Kommission über die Situation der Frauen in den Vereinten Nationen stattfand, sind deutliche Schritte
in die richtige Richtung und ein Schub für die politische Beteiligung von Frauen, einschließlich der
Frauen mit Behinderungen.

Meine Damen und Herren,

wie Sie wissen, wird Spanien vom nächsten Januar an die Ratspräsidentschaft in der Europäischen
Union übernehmen und ich kann Ihnen versichern, dass Spanien die Abstimmung mit dem Europarat
in seiner Rolle als Förderer und Verteidiger der Menschenrechte, demokratischer Werte und der
Rechtsstaatlichkeit ordnungsgemäß vornehmen wird. Diese Abstimmungsmaßnahmen werden durch

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 81 – Drucksache 16/14161

ein Vierer-Treffen noch verstärkt. Die Vertreter beider Präsidentschaften werden zusammen mit dem
Sekretariat des Europarates und der Europäischen Kommission in diesem Rahmen im nächsten Monat
in Madrid zusammentreffen (11. Mai). Die Arbeit hat bereits begonnen und Sitzungen zur
Formulierung von Schlussfolgerungen und Maßnahmen, die für die Arbeit beider Organisationen
nützlich sein werden, wurden bereits abgehalten.

Dies war der Wunsch nach multilateraler Zusammenarbeit, der den Anlass zur Sitzung des
Europarates und der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) am 13. März
gab. Die Sitzung in Wien war konstruktiv und fand vor dem Hintergrund einer Sitzung mit der
Agentur der Europäischen Union für Grundrechte statt, mit deren Arbeit unsere Organisation eng
verbunden ist.

Im Zusammenhang mit der multilateralen Zusammenarbeit des Europarates bin ich ganz besonders
dankbar für den Impuls, der durch die Anwendung des Memorandum of Understanding mit der
Allianz der Zivilisationen gegeben wurde, welches – wie Sie wissen – im letzten September
unterzeichnet wurde. Mir ist bewusst, mit welchem Interesse die Versammlung die Entwicklung der
Allianz der Zivilisationen verfolgt hat und ich freue mich, sagen zu können, dass wir den Weg zu einer
soliden Zusammenarbeit des Europarates mit der Allianz geebnet haben, wie der Beweis dafür auf
dem Seminar in Sevilla über die Rolle der Medien bei der Bekämpfung der Diskriminierung erbracht
wurde, welches vom Hohen Vertreter des Generalsekretärs der Vereinten Nationen, Jorge Sampaio
eröffnet wurde. Das Seminar gab Gelegenheit zur Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der
Diskriminierung in diesem Bereich, mit Organisationen der Medien und mit Fachleuten, die
zusammen gekommen sind, um ihre Verantwortung im Hinblick auf verschiedene Formen von
Intoleranz und Diskriminierung zu diskutieren.

Meine Damen und Herren,

die Sitzung des Ministerkomitees in Madrid wird eine Bestandsaufnahme des spanischen Vorsitzes
vornehmen und den slowenischen Vorsitz begrüßen, mit dem wir in den letzten Wochen bereits sehr
eng zusammengearbeitet haben, um damit unsere Organisation und ihre grundlegenden Ziele zu
stärken und uns somit den Herausforderungen zu stellen, die in einer komplexen und voneinander
abhängigen Welt daraus hervorgehen.

Die Sitzung in der spanischen Hauptstadt wird den Rahmen für die Feiern zum 60-jährigen Bestehen
unserer Organisation bilden und das Ministerkomitee arbeitet mit allen Mitgliedstaaten und dem
Sekretariat daran, dass anlässlich des Jahrestages die in Madrid angenommene Erklärung anerkannt
wird, wie viel wir als Europäer dem Europarat zu verdanken haben und sie wird die zukünftigen Ziele
festlegen.

Unser Vorsitz möchte dieser Organisation den Stempel der Anerkennung aufsetzen, weil der Europarat
sechzig Jahre lang das Wesentliche in Europa vertreten hat und einen wesentlichen Bestandteil der
institutionellen Architektur Europas darstellt. Dies ist die Botschaft, die die Erklärung von Madrid
hervorbringen muss, welche neue Zukunftsaussichten eröffnen wird.

Die Modernisierung der Institutionen und Arbeitsverfahren, die der Europarat bereits aufgegriffen hat,
muss diese Organisation dazu bringen, die Sichtbarkeit ihrer Arbeit und Errungenschaften zu erhöhen
und auch die Wirksamkeit ihrer Tätigkeiten in Zukunft zu erhöhen, so dass diese den Bürgern, den
Mitgliedstaaten und dem Europarat selbst zugute kommen. Wie der spanische Schriftsteller Jorge
Semprún sagte, „besitzt die Erinnerung eine grundlegende Rolle, weil Erinnerung Identität ist“, und
die europäische Identität des 21. Jahrhunderts ist die Aufgabe dieser Organisation, welche den
Grundsätzen und Werten der Verteidigung des demokratischen Pluralismus und der Menschenrechte
zusätzliche Stärke und Aktualität verleiht.

Ich danke Ihnen.

Drucksache 16/14161 – 82 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

VIII Mitgliedsländer des Europarates (47)

Albanien

Andorra

Armenien

Aserbaidschan

Belgien

Bosnien und Herzegowina

Bulgarien

Dänemark

Deutschland

ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien

Estland

Finnland

Frankreich

Georgien

Griechenland

Irland

Island

Italien

Kroatien

Lettland

Liechtenstein

Litauen

Luxemburg

Malta

Moldau

Monaco

Montenegro

Niederlande

Norwegen

Österreich

Polen

Portugal

Rumänien

Russland

San Marino

Schweden

Schweiz

Serbien

Slowakische Republik

Slowenien

Spanien

Tschechische Republik

Türkei

Ukraine

Ungarn

Vereinigtes Königreich

Zypern

Länder mit Sondergaststatus
(zur Mitwirkung in der Parlamentarischen Versammlung ohne Stimmrecht berechtigt)

Beobachterstatus in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates:

Israel, Kanada, Mexiko

Beobachterstatus beim Europarat: Heiliger Stuhl, USA, Japan

Der Sondergaststatus von Belarus wurde am 13. Januar 1997 ausgesetzt.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 83 – Drucksache 16/14161

IX Funktionsträger der Parlamentarischen Versammlung des Europarates

Präsident Lluís Maria de Puig (Spanien – SOC)

Vizepräsidenten 20, darunter Joachim Hörster (Deutschland – CDU/CSU; EPP/CD)

Generalsekretär Mateo Sorinas (Spanien)

Politischer Ausschuss

Vorsitzender Göran Lindblad (Schweden – EPP/CD)

Stv. Vorsitzende David Wilshire (Vereinigtes Königreich – EDG)

Björn von Sydow (Schweden – SOC)

Kristiina Ojuland (Estland – ALDE)

Ausschuss für Recht und Menschenrechte

Vorsitzende Herta Däubler-Gmelin (Deutschland – SOC)

Stv. Vorsitzende Christos Pourgourides (Zypern – EPP/CD)

Pietro Marcenaro (Italien – SOC)

Rafael Huseynov (Aserbaidschan – ALDE)

Ausschuss für Wirtschaft und Entwicklung

Vorsitzender Márton Braun (Ungarn – EPP/CD)

Stv. Vorsitzende Robert Walter (Vereinigtes Königreich – EDG)

Doris Barnett (Deutschland – SOC)

Antigoni Papadopoulos (Zypern – ALDE)

Ausschuss für Sozialordnung, Gesundheit und Familie

Vorsitzende Christine McCafferty (Vereinigtes Königreich – SOC)

Stv. Vorsitzende Denis Jacquat (Frankreich – EPP/CD)

Darinka Stantcheva (Bulgarien – ALDE)

Liliane Maury Pasquier (Schweiz – SOC)

Ausschuss für Kultur, Wissenschaft und Bildung

Vorsitzende Anne Brasseur (Luxemburg – ALDE)

Stv. Vorsitzende Detlef Dzembritzki (Deutschland – SOC)

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Drucksache 16/14161 – 84 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
Ausschuss für Umwelt, Landwirtschaft und kommunale und regionale Angelegenheiten

Vorsitzender Alan Meale (Vereinigtes Königreich – SOC)

Stv. Vorsitzende Maria Manuela de Melo (Portugal – SOC)

Juha Korkeaoja (Finnland – ALDE)

Cezar Florin Preda (Rumänien – EPP/CD)

Ausschuss für Wanderbewegungen, Flüchtlings- und Bevölkerungsfragen

Vorsitzende Corien W.A. Jonker (Niederlande – EPP/CD)

Stv. Vorsitzende Hakki Keskin (Deutschland – UEL)

Doug Henderson (Vereinigtes Königreich – SOC)

Pedro Agramunt (Spanien – EPP/CD)

Ausschuss für Geschäftsordnung und Immunitäten

Vorsitzender John Greenway (Vereinigtes Königreich – EDG)

Stv. Vorsitzende Rudi Vis (Vereinigtes Königreich – SOC)

Maria Postoico (Moldau – UEL)

Eduard Lintner ( Deutschland – EPP/CD)

Ausschuss für die Gleichstellung von Frauen und Männern

Vorsitzender Pernille Frahm (Dänemark – UEL)

Stv. Vorsitzende José Mendes Bota (Portugal – EPP/CD)

Ingrida Circene (Lettland – EPP/CD)

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Ausschuss für die Einhaltung der von den Mitgliedstaaten des Europarates eingegangenen
Pflichten und Verpflichtungen (Monitoring-Ausschuss)

Vorsitzender Serhiy Holovaty (Ukraine – ALDE)

Stv. Vorsitzende György Frunda (Rumänien – EPP/CD)

Konstantin Kosachev (Russland – EDG)

Leonid Slutsky (Russland – SOC)

SOC Sozialistische Gruppe

EPP/CD Gruppe der Europäischen Volkspartei

EDG Gruppe der Europäischen Demokraten

ALDE Gruppe der Liberalen, Demokraten und Reformer

UEL Gruppe der Vereinigten Europäischen Linken
Inhaltsverzeichnis
I Teilnehmer
II Einführung
III Schwerpunkte der Beratungen
IV Weitere Themen
V Entschließungen und Empfehlungen
VI Reden deutscher Delegationsmitglieder
VII Ausgewählte weitere Reden
VIII Mitgliedsländer des Europarates
IX Funktionsträger der Parlamentarischen Versammlung des Europarates

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