BT-Drucksache 16/13603

zu dem Antrag der Abgeordneten Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Christoph Waitz, Detlef Parr, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP -16/12472- Presse- und Medienvielfalt sichern - Wettbewerb stärken, Werbung entbürokratisieren

Vom 30. Juni 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/13603
16. Wahlperiode 30. 06. 2009

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Kultur und Medien (22. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Christoph
Waitz, Detlef Parr, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
– Drucksache 16/12472 –

Presse- und Medienvielfalt sichern – Wettbewerb stärken, Werbung
entbürokratisieren

A. Problem

Das breite Medienangebot in Deutschland wird wesentlich durch Werbung
finanziert. Die Werbung stellt daher nach Einschätzung der Fraktion der FDP
eine der Hauptsäulen der Presse- und Medienvielfalt im Land dar. Außerdem
sei die Werbewirtschaft mit 600 000 Beschäftigten (2007) von gesamtwirt-
schaftlicher Bedeutung. Angesichts sinkender Umsätze in der Branche und der
bereits spürbaren negativen Auswirkungen auf die Medienlandschaft setzt sich
die Fraktion dafür ein, Einschränkungen für Werbeformate und -inhalte zu
überprüfen und zu reduzieren, Werbung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk
auszuschließen und statt auf Verbote auf das Prinzip der Selbstkontrolle bei
Werbung in Medienangeboten zu setzen.

B. Lösung

Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD,
DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der
Fraktion der FDP

C. Alternativen

Annahme des Antrags.

D. Kosten
Keine

Drucksache 16/13603 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag auf Drucksache 16/12472 abzulehnen.

Berlin, den 17. Juni 2009

Der Ausschuss für Kultur und Medien

Hans-Joachim Otto (Frankfurt)
Vorsitzender und Berichterstatter

Reinhard Grindel
Berichterstatter

Monika Griefahn
Berichterstatterin

Dr. Lukrezia Jochimsen
Berichterstatterin

Grietje Staffelt
Berichterstatterin

SPD, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen
mieden. Eine derartige Entwicklung gelte es in Deutschland
zu verhindern. Die Redaktionen privater Rundfunkver-
die Stimmen der Fraktion der FDP.

IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse
im federführenden Ausschuss

anstalter bestätigten, dass die Nachrichtenproduktion viel-
fach ausgelagert sei, Recherche nicht mehr stattfinde und
sich Nachrichten auf Berichte von Unfällen oder auf andere
unpolitische Ereignisse reduzierten. Die Fraktion der SPD
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/13603

Bericht der Abgeordneten Reinhard Grindel, Monika Griefahn, Hans-Joachim Otto
(Frankfurt), Dr. Lukrezia Jochimsen und Grietje Staffelt

I. Überweisung
Der Deutsche Bundestag hat den Antrag auf Drucksache
16/12472 in seiner 221. Sitzung am 13. Mai 2009 zur feder-
führenden Beratung an den Ausschuss für Kultur und
Medien und zur Mitberatung an den Ausschuss für Wirt-
schaft und Technologie sowie an den Ausschuss für Ernäh-
rung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz überwiesen.

II. Wesentlicher Inhalt des Antrags
Die Fraktion der FDP geht in ihrem Antrag davon aus, dass
Werbung ein wesentliches Element zur Sicherung der
Medienvielfalt in Deutschland ist, weil hauptsächlich über
Werbung die Finanzierung der Medienangebote gesichert
werde. Dies gilt nach Einschätzung der Fraktion sowohl für
den Printbereich als auch für den Rundfunk und für den
Online-Bereich. Die Abgeordneten betonen darüber hinaus
die gesamtwirtschaftliche Bedeutung des Wirtschaftssektors,
der im Jahr 2007 rund 600 000 Menschen Beschäftigung
geboten habe.
Vor diesem Hintergrund machen der Fraktion der FDP
sinkende Umsätze und sinkende Anteile der Werbewirt-
schaft am Bruttoinlandsprodukt Sorgen. Auswirkungen auf
Presse- und Mediendienste seien bereits spürbar. Um gegen-
zusteuern, setzen die Antragstellerinnen und Antragsteller
auf Lockerungen bei den Vorschriften, die Werbeformen
und -inhalte begrenzen. Konkret schlagen sie beispielsweise
vor, den über Gebühren hinreichend finanzierten öffentlich-
rechtlichen Rundfunk zu verpflichten, ohne Werbung aus-
zukommen. Von weiteren Verboten für bestimmte Werbe-
formate und -inhalte soll abgesehen, stattdessen sollen be-
stehende Einschränkungen auf ihre Effizienz überprüft und
gegebenenfalls abgeschafft werden. Da in weiten Bereichen
die Regelungskompetenz bei den Bundesländern oder auf
europäischer Ebene liegt, soll die Bundesregierung in der
EU und bei den Ländern ihren Einfluss zugunsten von Libe-
ralisierungen geltend machen. So soll sie zum Beispiel
dafür eintreten, dass Wett- und Glücksspiele dereguliert
werden und in Bereiche wie Lebensmittel-, Tabak- oder
Alkoholwerbung nicht noch weiter eingegriffen wird.

III. Stellungnahmen der mitberatenden
Ausschüsse

Der Ausschuss für Wirtschaft und Technologie hat am
17. Juni 2009 Ablehnung empfohlen mit den Stimmen der
Fraktionen CDU/CSU, SPD, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktion der FDP.
Der Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Ver-
braucherschutz hat am 17. Juni 2009 ebenfalls Ablehnung
empfohlen mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU,

men der Fraktionen CDU/CSU, SPD, DIE LINKE. und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Frak-
tion der FDP die Ablehnung des Antrags empfohlen.

Nach Auffassung der Fraktion der CDU/CSU beweist der
Antrag, dass die Fraktion der FDP Medien ausschließlich
als Wirtschaftsgut betrachtet und nicht als Kulturgut an-
erkennt. Die Fraktion versuche, das öffentlich-rechtliche
System so stark zu fesseln, dass dieses seinem kulturellen
Auftrag nicht mehr gerecht werden könnte. Hinzu kämen
Widersprüchlichkeiten: Auf der einen Seite werde das Prin-
zip der Selbstkontrolle für den privaten Mediensektor gelobt
und gefördert, auf der anderen Seite für den öffentlich-
rechtlichen Rundfunk jedoch verworfen, um stattdessen
externe Kontrollen zu fordern. Die Landesmedienanstalten
zu Wächtern über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu
machen, sei abenteuerlich. Außerdem diskreditiere die
Fraktion der FDP die Arbeit der Rundfunkräte in den öffent-
lich-rechtlichen Sendeanstalten, wenn sie pauschal für eine
stärkere Professionalisierung plädiere. Die Forderung, den
öffentlich-rechtlichen Rundfunk völlig werbefrei zu stellen,
werde nicht einmal von der Werbewirtschaft unterstützt.
Zum einen gebe es Publikum, das die Branche nur über den
öffentlich-rechtlichen Rundfunk erreichen könne, zum an-
deren würden steigende Kosten erwartet, wenn nur noch
private Rundfunkanbieter existierten. Es sei nicht nachvoll-
ziehbar, dass die Liberalen in ihrem Antrag zwar einen un-
mittelbaren Zusammenhang zwischen Werbemöglichkeiten
und Medienvielfalt proklamierten, den öffentlich-recht-
lichen Rundfunk von dieser Einnahmequelle jedoch gänz-
lich abschneiden wollten.

Wenn die Fraktion der FDP zudem die Forderung erhebe,
den Glücksspielstaatsvertrag zu liberalisieren und private
Angebote von Wett- und Glücksspielen zu ermöglichen,
müsse ihr klar sein, dass sie das Fundament der Sportförde-
rung angreife.

Mit der Umsetzung der EU-Fernsehrichtlinie werde für die
Rundfunklandschaft in Deutschland ein solider Rechts-
rahmen geschaffen. Fernsehen sei mehr als Werbung, die
von ein paar Spielfilmschnipseln unterbrochen wird. Für die
Union seien die Medien gleichermaßen Kultur- wie Wirt-
schaftsgut. Sie wolle den Kulturauftrag der Medien ab-
sichern.

Die Fraktion der SPD schloss sich dieser Argumentation
an und ergänzte, Medien ohne Programm dienten nicht der
Vielfalt. Welche Folgen eine völlige Liberalisierung nach
sich ziehe, könne jeder in den USA sehen, wo inzwischen
Teile des Publikums angesichts eines Übermaßes an Werbe-
unterbrechungen das frei zugängliche Fernsehen gänzlich
Der Ausschuss für Kultur und Medien hat den Antrag in
seiner Sitzung am 17. Juni 2009 beraten und mit den Stim-

sei wegen solcher Entwicklungen der Meinung, dass über
den öffentlichen Auftrag aller Medien diskutiert werden

Darüber hinaus stelle sich die Frage, ob nicht auch die Print-
medien einen öffentlichen Auftrag hätten, der ja letztlich
auch die Voraussetzung für Privilegien wie Auskunftsrechte
oder das Zeugnisverweigerungrecht bilde. Einem solchen
öffentlichen Auftrag würden die Printmedien zunehmend
weniger gerecht. Daher sei zu überlegen, ob im Printbereich
eine öffentlich-rechtliche Zeitung gebraucht werde und ob
es den öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten auf Wunsch er-
laubt sein müsste, ihre Nachrichten aus dem Online-Bereich
in einer Printversion zu verbreiten. Sonst drohe die Gefahr,
dass es Gebiete im Land gebe, in denen nur noch werbe-
finanzierte Medien angeboten würden. Insofern weise der
Antrag der Fraktion der FDP genau in die falsche Richtung.

Die Fraktion der FDP betonte, die Presse- und Medien-
vielfalt sei in Gefahr, dies bestätige nicht zuletzt der
Medien- und Kommunikationsbericht der Bundesregierung.
Um die Vielfalt der Angebote zu sichern, sei zwingend eine
Vielfalt von Anbietern erforderlich. Deshalb müssten die
Anbieter die Chance haben, sich zu finanzieren. Für Private
sei die Werbung nach wie vor das wichtigste Finanzierungs-
instrument, weshalb ein unmittelbarer Zusammenhang zwi-
schen Werbemöglichkeiten und medialer Vielfalt bestehe.
Daher sei es das Hauptanliegen des Antrags, weiteren Ein-
schränkungen von Werbemöglichkeiten eine Absage zu er-
teilen. Darüber hinaus müsse das bestehende Regime über-
prüft werden. So gehörten zum Beispiel die Reglementie-
rungen der Werbezeiten im privaten Rundfunk auf den Prüf-
stand. Der Fraktion der FDP gehe es nicht darum, alle
Regeln und Einschränkungen aufzuheben, niemand wolle
Alkoholwerbung in Kindersendungen, aber unsinnige Wer-
beverbote gehörten abgeschafft und neue – die aus Brüssel
zu befürchten seien – müssten verhindert werden.

Die Gleichstellung von Privaten und Öffentlich-Rechtlichen
sei unzulässig. Übersehen werde dabei, dass die Öffentlich-
Rechtlichen mit beinahe 8 Mrd. Euro Gebühren pro Jahr
finanziert würden. Die Privaten müssten sich dagegen aus
Werbung finanzieren. Eine Antwort auf die Frage, warum
der öffentlich-rechtliche Rundfunk 8 Mrd. Euro erhalte,
seien alle Kriterinnen und Kritker des Antrags schuldig ge-
blieben. Schließlich erfüllten auch die privaten Rund-
funkanbieter und die Zeitungen einen öffentlichen Auftrag.
Sie seien dazu aber im Gegensatz zu den öffentlich-recht-
lichen Sendeanstalten nicht verpflichtet.

Wenn die Fraktion der FDP die Professionalisierung der
Aufsicht über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk fordere,
sei damit im Wortsinn eine hauptamtliche Überwachung ge-

Wenn das staatliche Glücksspielmonopol tatsächlich die
Achillesferse der Sportförderung darstelle, dann stünde die
Sportförderung auf unsolider Basis. Die Fraktion der FDP
äußerte sich jedoch überzeugt, der Glücksspielstaatsvertrag
diene allein fiskalischen Interessen, um staatliche Ein-
nahmen zu sichern und werde über kurz oder lang aus
europarechtlichen Gründen fallen.

Die Fraktion DIE LINKE. führte aus, wenn die Medien-
landschaft in Deutschland als gefährdet beschrieben werde,
sei die Analyse zwar zutreffend. Dies sei völlig unumstritten.
Die in dem Antrag vorgeschlagene Therapie sei jedoch ge-
nau falsch. Offenbar wolle die Fraktion der FDP zugunsten
der Privaten und zu Lasten der Öffentlich-Rechtlichen um-
schichten. Dabei hätten sich Deregulierung und Privatisie-
rung schon in anderen Wirtschaftsbereichen als Irrweg er-
wiesen, auch für die Medienbranche seien sie die falschen
Mittel, um Vielfalt, Unabhängigkeit und kulturelle Angebote
zu sichern. Darüber hinaus schloss sich die Fraktion DIE
LINKE. der von den Fraktionen CDU/CSU und SPD bereits
geäußerten Kritik an.

Die Fraktion legte darüber hinaus Wert auf die Feststellung,
dass private Rundfunkanbieter Informations- und kultu-
relle Angebote durchaus nicht freiwillig in ihr Programm
aufnähmen. Vielmehr werde ihnen das durch die Landes-
mediengesetze vorgegeben.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN knüpfte an
diese Begründungen für ein ablehnendes Votum an und
fügte hinzu, eine Einschränkung der Werbemöglichkeiten
für die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten unter den der-
zeit geltenden Bedingungen sei nicht akzeptabel. Außerdem
sei zu bemängeln, dass in dem Antrag der Eindruck erweckt
werde, die Verwendung der Rundfunkgebühren werde nicht
geprüft. Dabei sei das Gegenteil richtig: Neben der Kom-
mission zur Ermittlung der Konzentration im Medien-
bereich (KEK) und der Kommission zur Ermittlung des
Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) prüften auch
die Rechnungshöfe. Eine weitere Kontrollinstanz wäre da-
her absolut unnötig und kaum mit dem Ziel vereinbar, Büro-
kratie abzubauen, für das die Fraktion der FDP sonst so gern
eintrete.

Zur Bestands- und Entwicklungsgarantie für den öffentlich-
rechtlichen Rundfunk gehört nach Meinung der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Internet als dritte Säule
neben Radio und Fernsehen. Die Antragsteller zielten da-
gegen klar auf Umverteilung zugunsten der Privaten.

Berlin, den 17. Juni 2009

Reinhard Grindel
Berichterstatter

Monika Griefahn
Berichterstatterin

Hans-Joachim Otto (Frankfurt)
Berichterstatter
Drucksache 16/13603 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

müsse. Es gehe nicht nur um den öffentlich-rechtlichen
Rundfunk und seinen Grundversorgungsauftrag, weil auch
die Vergabe der Lizenzen an die Privaten an Bedingungen
gekoppelt gewesen sei, die es zu erfüllen gelte. Wenn dort
öffentliche Aufträge nicht erfüllt würden, müssten Lizenzen
auch einmal entzogen werden.

meint. Derzeit fehle den ehrenamtlich arbeitenden Räten
schlicht die Zeit für eine intensive Kontrolle, wie sie bei-
spielsweise der BBC Trust in Großbritannien leiste. Sowohl
die Aufsicht über die Privaten als auch die Kontrolle der Öf-
fentlich-Rechtlichen müssten beruflich unabhängige Prüfer
übernehmen.
Dr. Lukrezia Jochimsen
Berichterstatterin

Grietje Staffelt
Berichterstatterin

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.