BT-Drucksache 16/13579

zu dem Antrag der Abgeordneten Winfried Hermann, Katrin Göring-Eckardt, Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN -16/13175- Dopingvergangenheit umfassend aufarbeiten

Vom 30. Juni 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/13579
16. Wahlperiode 30. 06. 2009

Beschlussempfehlung und Bericht
des Sportausschusses (5. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Winfried Hermann, Katrin Göring-Eckardt, Volker
Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 16/13175 –

Dopingvergangenheit umfassend aufarbeiten

A. Problem

Die umfassende Aufarbeitung der Dopingvergangenheit im Sport muss zu
einem zentralen Bestandteil einer konsequenten Dopingbekämpfung in
Deutschland werden. Die Anfang April 2009 vorgelegte pauschale Entschuldi-
gungserklärung von dopingbelasteten Trainern wird einer wirkungsvollen und
glaubwürdigen Dopingbekämpfung nicht gerecht. Der im Mai 2009 veröffent-
lichte Abschlussbericht einer unabhängigen Kommission zur Aufklärung der
Dopingpraktiken an der Universität Freiburg und weitere belegte Fälle von zu-
wendungswidriger Förderung von dopingbelasteten Personen in Sportorgani-
sationen und Sporteinrichtungen machen deutlich, dass es in Deutschland an
notwendigen sportpolitischen und zuwendungsgerechten Konsequenzen man-
gelt.

Daher muss die Politik unmissverständlich zur Fortführung der Aufarbeitung
der Dopingvergangenheit des Sports in der DDR und in der Bundesrepublik
Deutschland eintreten und zu einer dauerhaften Unterstützung für gesundheit-
lich geschädigte Dopingopfer beitragen.

B. Lösung

Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU
und SPD gegen die Stimmen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei
Abwesenheit der Fraktionen FDP und DIE LINKE.
C. Alternativen

Annahme des Antrags.

D. Kosten

Wurden nicht erörtert.

Drucksache 16/13579 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag auf Drucksache 16/13175 abzulehnen.

Berlin, den 17. Juni 2009

Der Sportausschuss

Dr. Peter Danckert
Vorsitzender

Klaus Riegert
Berichterstatter

Dagmar Freitag
Berichterstatterin

Detlef Parr
Berichterstatter

Katrin Kunert
Berichterstatterin

Winfried Hermann
Berichterstatter

Im Einzelnen wird auf die Drucksache 16/13175 verwiesen.
Dopingopfern unbürokratisch finanzielle Entschädigung ge-
III. Stellungnahmen der mitberatenden
Ausschüsse

währt worden war.

Die SPD-Fraktion sieht der wissenschaftlichen Aufarbeitung
der Dopingproblematik durch die avisierte Studie „Doping
in Deutschland von 1950 bis heute aus historisch-soziologi-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/13579

Bericht der Abgeordneten Klaus Riegert, Dagmar Freitag, Detlef Parr,
Katrin Kunert und Winfried Hermann

I. Überweisung

Der Deutsche Bundestag hat die Vorlage auf Drucksache
16/13175 in seiner 224. Sitzung am 28. Mai 2009 beraten
und an den Sportausschuss zur Beratung überwiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fordert eine um-
fassende Aufarbeitung der Dopingvergangenheit im Sport
als zentralen Bestandteil einer konsequenten Doping-
bekämpfung in Deutschland. Demnach müsse die Politik
unmissverständlich zur Fortführung der Aufarbeitung der
Dopingvergangenheit des Sports der DDR und in der Bun-
desrepublik Deutschland eintreten und zu einer dauerhaften
Unterstützung für gesundheitlich geschädigte Dopingopfer
beitragen.

Dementsprechend wird die Bundesregierung aufgefordert,

1. die in der Vergangenheit gezahlten öffentlichen Mittel für
dopinggeständige sowie dopingbelastete Trainerinnen
und Trainer und weitere belastete Funktionsträger im
deutschen Sport zurückzufordern und stattdessen der
Dopingbekämpfung und Dopingprävention einschließ-
lich einer langfristigen Unterstützung von Dopingopfern
zur Verfügung zu stellen;

2. eine unabhängige externe Überprüfungskommission mit
einer rückwirkenden Überprüfung ab 1990 von Deut-
schem Olympischem Sportbund (DOSB) sowie seiner
Vorgängerverbände, von Sportfachverbänden, Olympia-
stützpunkten und spotwissenschaftlichen Einrichtungen
bezüglich der Einhaltung von zuwendungsrechtlichen
Vorschriften, der Förderrichtlinien und sonstiger Bestim-
mungen in der Dopingbekämpfung zu beauftragen;

3. die Rolle des Bundesministeriums des Innern und des
Bundesinstituts für Sportwissenschaft (BISp) im Hin-
blick auf die genannten Mängel in der Dopingbekämp-
fung einschließlich der Beteiligung an umstrittener
Dopingforschung durch eine externe wissenschaftliche
Studie klären zu lassen;

4. mit internationalen Sportorganisationen wie dem Inter-
nationalen Olympischen Komitee (IOC) Gespräche zu
führen mit dem Ziel, zu einer umfassenden Aufarbeitung
der Dopingvergangenheit zu kommen und die daraus
notwendigen Konsequenzen für eine konsequente
Dopingbekämpfung zu ziehen.

IV. Beratungsverlauf und -ergebnis
im federführenden Ausschuss

Der Sportausschuss hat die Vorlage in seiner 77. Sitzung am
17. Juni 2009 beraten und empfiehlt die Ablehnung des An-
trags mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und
SPD gegen die Stimmen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN bei Abwesenheit der Fraktionen FDP und DIE
LINKE.

Die Fraktion der CDU/CSU begrüßt, dass das Präsidium
des DOSB eine Unabhängige Kommission zur Überprüfung
von Trainern und Trainerinnen und Offiziellen mit Doping-
vergangenheit unter Vorsitz von Prof. Dr. Udo Steiner, Bun-
desverfassungsrichter a. D. (Steiner-Kommission), um eine
Empfehlung gebeten hat. In ihrer Stellungnahme führt die
Kommission aus: „Die Kommission hat die ihr durch das
Präsidium des DOSB zugegangene Erklärung von DLV-
Trainern, die bis 1990 als DVfL-Trainer in der Deutschen
Demokratischen Republik gearbeitet haben, beraten und be-
grüßt die Erklärung als einen wichtigen und hilfreichen
sport-ethischen Schritt. Sie hat keine Bedenken, dass dieje-
nigen Trainer, die diese Erklärung unterzeichnen, im Bereich
des DLV als Trainer beschäftigt oder weiterbeschäftigt wer-
den. Sie empfiehlt, von einer Rückforderung der sog. Ent-
sendekosten im Zusammenhang mit den Olympischen Spie-
len in Peking 2008 abzusehen.“ Die CDU/CSU-Fraktion
vertritt die Auffassung, dass der autonome Sport alle Fakten
auf den Tisch legen muss. Der Forderung nach einer Gene-
ralamnestie für Dopingtrainer tritt die Fraktion entgegen. Es
bedarf hier vielmehr genauer Aufklärung und angemessener
Konsequenzen in jedem Einzelfall. Der Antrag ist abzuleh-
nen.

Die Fraktion der SPD begrüßt grundsätzlich den Wunsch
nach Aufarbeitung der Dopingvergangenheit in Ost und
West. Die Forderungen, die die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN mit diesem Antrag aufstellen, seien dazu jedoch
nicht ausreichend zielführend. Die pauschale Forderung,
Mittel für dopingbelastete Trainer zurückzufordern, ver-
kenne, dass der Bund nicht einzelne Trainer fördert, sondern
eine Verbandsförderung gewährt. Eine Rückforderung setze
daher voraus, dass der Verband seinen Verpflichtungen in
der Dopingbekämpfung nicht nachgekommen ist. Die staat-
lichen Mittel für die Dopingbekämpfung und -prävention
seien in den vergangenen Jahren in besonderem Maße erhöht
worden, die Beteiligung von Sport und Wirtschaft lasse hin-
gegen noch immer zu wünschen übrig. Eine entsprechende
Formulierung fehlt dem Antrag gänzlich. Zur finanziellen
Entschädigung von Dopingopfern sei bereits im Jahr 2002
das Dopingopferhilfegesetz verabschiedet worden, mit dem
Keine Mitberatungen
scher Sicht im Kontext ethischer Legitimation“ mit großem
Interesse und hohen Erwartungen entgegen. Nach Abschluss

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN aber mit folgender Begrün-
dung ab:

Aus dem Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
geht in keiner Weise hervor, wie Doping und Dopingmiss-
brauch in der Bundesrepublik Deutschland bis vor das Jahr
1990 aufgearbeitet werden sollen. In dem Antrag werden le-
diglich solche Trainer erwähnt, die ihre Beteiligung bereits
zugegeben haben. Die Fraktion DIE LINKE. ist der Mei-
nung, dass hier beispielsweise eine Enquete-Kommission
des Bundestages mit einem präzise formulierten Arbeitsauf-
trag tätig werden könnte. Ein wesentlicher Schwachpunkt
des Antrags ist, dass er außer Acht lässt, dass Doping und

Selbst bei den Fällen, bei denen den Sportorganisationen in
Deutschland deutliche Verstöße gegen die Anti-Doping-
Richtlinien angelastet werden konnten, hätte die große Koali-
tion vor notwendigen zuwendungsrechtlichen Konsequen-
zen zurückgeschreckt.

Die Erklärung von ehemaligen DDR-Trainern, die in das
Dopingsystem eingebunden waren, sei ein Schlag ins
Gesicht der Dopingopfer, führte die Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN weiter aus. Die Erklärung entbehre einer
individuellen Verantwortung und leiste daher keinen wirk-
samen Beitrag zu einer weiter notwendigen Hilfe und Unter-
stützung für Dopingopfer.

Berlin, den 17. Juni 2009

Klaus Riegert
Berichterstatter

Dagmar Freitag
Berichterstatterin

Detlef Parr
Berichterstatter

Katrin Kunert
Berichterstatterin

Winfried Hermann
Berichterstatter
Drucksache 16/13579 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

dieser umfassenden Studie könne erneut diskutiert werden,
ob einzelne Bereiche einer weiteren wissenschaftlichen Auf-
arbeitung bedürfen. Die Notwendigkeit einer von der Frak-
tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN geforderten unabhängi-
gen externen Überprüfungskommission sei daher aus aktuel-
ler Sicht nicht erkennbar.

Die Fraktion der FDP lehnt den Antrag ab. Zum einen liegt
der von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gefor-
derten Rückerstattung keine rechtliche Grundlage zugrunde.
Zudem belegt der Bericht der Steiner-Kommission, dass eine
Aufarbeitung der Vergangenheit immer noch stattfindet.
Darüber hinaus wird auch in Zukunft eine Debatte über Ver-
fehlungen einzelner Trainer stattfinden, aus welcher die ge-
gebenen Konsequenzen gezogen werden.

Die Fraktion DIE LINKE. unterstützt ausdrücklich die
Forderung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,
Doping und Dopingmissbrauch in der Bundesrepublik
Deutschland bis über das Jahr 1990 zurückreichend aufzuar-
beiten. Damit würde der bestehenden Ost-West-Schieflage
in der aktuell geführten Diskussion über Doping und Doping-
missbrauch in Deutschland entgegengewirkt.

Die Fraktion DIE LINKE. lehnt den Antrag der Fraktion

Dopingmissbrauch vor 1990 nach geltender Rechtslage be-
reits verjährt sind. Eine Aufarbeitung, inwieweit das BMI
gegen Richtlinien verstoßen hat, der DOSB oder die Sport-
fachverbände billigend in Kauf genommen haben, dopingbe-
lastete Trainer beschäftigt zu haben, gestaltet sich daher
rechtlich schwierig.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hob als An-
tragsteller hervor, dass viele Themen auch deswegen immer
wieder auf die politische Agenda zurückkehrten, weil sie als
nicht systematisch aufgearbeitet gelten. Knapp 20 Jahre nach
dem Mauerfall müsse jedoch auch das Thema Sport und Do-
ping einmal systematisch angegangen werden, dies betreffe
auch die westdeutsche Dopingvergangenheit. In Deutsch-
land habe man zwar seit 1992 die olympischen Erfolge mit-
getragen, aber über die Hintergründe und mögliche Doping-
praktiken sei jedoch bisher noch viel zu wenig bekannt. Als
Konsequenz müsse daher eine unabhängige Kommission die
Rolle der Sportorganisationen und des BMI untersuchen.
Denn ganz offensichtlich habe es in vielen Fällen ein über-
greifendes Fehlverhalten gegeben, das sich insbesondere
auch durch eine mangelnde Kontrolle bei den staatlichen Zu-
wendungen für den Spitzensport in Deutschland zeige.

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