BT-Drucksache 16/13336

Bundeswehrgelöbnis am 20. Juli 2009 in Berlin

Vom 11. Juni 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/13336
16. Wahlperiode 11. 06. 2009

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Monika Knoche, Heike Hänsel, Inge Höger und der
Fraktion DIE LINKE.

Bundeswehrgelöbnis am 20. Juli 2009 in Berlin

Am 20. Juli 2009 sollen Rekruten des Wachbataillons der Bundeswehr vor dem
Reichstagsgebäude ihr Gelöbnis leisten.

Solche Militärzeremonien im öffentlichen Raum erregen regelmäßig Protest.
Dieser begründet sich zum Teil daraus, dass die Zeremonien einer reaktionären
Militärtradition entspringen.

Einer Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundes-
tages zufolge ist das Truppenzeremoniell der Gelöbnisse in der Öffentlichkeit
„insbesondere von der Wehrmacht“ übernommen worden. Waren im Kaiser-
reich und in der Weimarer Republik diese Zeremonien in der Regel hinter
Kasernenmauern, hätten die Nazis diese „Zurückhaltung … aufgegeben“ und
das Zeremoniell gewissermaßen mit Pauken und Trompeten aufgewertet. Es
liegt auf der Hand, dass die propagandistische Zurschaustellung des Militärs in
Zusammenhang mit der Kriegspolitik des „Dritten Reiches“ stand. Der Bundes-
wehr stünde es daher gut an, auf die Fortführung dieser Tradition zu verzichten
und die Gelöbnisse in schlichtem Rahmen zu belassen.

Der Protest antimilitaristischer Gruppen richtet sich allerdings auch dagegen,
dass die Bundeswehr zur Interventionsarmee umgebaut wird, die weltweit
kriegführungsfähig sein soll. Diese Politik läuft darauf hinaus, kapitalistische
Interessen notfalls mit Gewalt durchzusetzen.

Mit dem Reichstagsrasen besetzt die Bundeswehr gewissermaßen symbolisch
die Mitte der (zivilen) Gesellschaft. Das Datum 20. Juli soll außerdem die Bun-
deswehr in eine angeblich antifaschistische Traditionslinie stellen. Dabei wird
freilich unterschlagen, dass die Mehrzahl der Attentäter des 20. Juli zum Teil
bis kurz vor dem Attentat an Kriegsverbrechen beteiligt war und außerdem mit
Demokratie und Parlamentarismus nichts im Sinn hatten.

Die Fraktion DIE LINKE. lehnt den Umbau der Bundeswehr zur Interventions-
armee ab und hält öffentlich vorgeführte Militärzeremonien für einen militaris-
tischen Anachronismus.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie viele Soldaten sollen am 20. Juli 2009 in Berlin ihr Gelöbnis leisten?

2. Wie viele weitere Soldatinnen und Soldaten sollen an der Zeremonie teil-
nehmen bzw. in deren Umfeld eingesetzt werden?

a) Von welchen Einheiten stammen diese, und welche Funktion haben sie
dabei jeweils?

b) Wie viele Feldjägerinnen und -jäger sollen eingesetzt werden?

Drucksache 16/13336 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

3. Rechnet die Bundesregierung mit ähnlich hohen Kosten wie im Vorjahr, als
insgesamt rund 1 Mio. Euro ausgegeben worden sind?

Wenn nicht, mit welchen Kosten rechnet sie, und wie erklärt sich die Ab-
weichung?

4. Warum führt die Bundeswehr das Gelöbnis nicht wie in den Jahren 2000
bis 2007 auf dem Antreteplatz des Bendlerblocks durch, wo die gleiche
Zeremonie billiger zu haben und mit weniger Einschränkungen für die All-
gemeinheit verbunden wäre?

5. Wann ist die Bundeswehr bzw. das Bundesministerium der Verteidigung
(BMVg) an welche Berliner Behörde erstmals mit dem Ziel herangetreten,
das Gelöbnis am 20. Juli 2009 vor dem Reichstagsgebäude durchzuführen,
und wie hat sich der Prozess der Planung bzw. Genehmigung mit diesen
Behörden seither entwickelt?

6. Will die Bundeswehr ein Straßensondernutzungsrecht und/oder eine Haus-
rechtsübernahme in Anspruch nehmen, und wenn ja, mit welcher Begrün-
dung, in welchem zeitlichen und örtlichen Umfang, und zu welchem
Zweck (bitte einzelne Straßenzüge nennen)?

a) Inwiefern werden hiervon die Bürgerinnen und Bürger sowie Touristin-
nen und Touristen betroffen?

b) Sind entsprechende Bescheide oder Genehmigungen bereits erlassen,
und wenn ja, von welcher Behörde bzw. Stelle?

7. Beabsichtigt die Bundeswehr, einen Militärischen Sicherheitsbereich (MSB)
einzurichten, und wenn ja, sind entsprechende Anträge bereits gestellt
(bitte angeben, bei welcher Behörde und zu welchem Zweck sowie den
zeitlichen und örtlichen Umfang des MSB angeben)?

8. Ist beabsichtigt, ein öffentliches Gelöbnis in dem Sinne durchzuführen,
dass die Teilnahme allen interessierten Personen offensteht, oder sollen die
Gäste wieder handverlesen werden?

9. Falls der Einlass nur geladenen Gästen offensteht:

a) Wie viele Gäste sollen eingeladen werden, und mit wie vielen Zuschau-
ern rechnet die Bundesregierung?

b) Nach welchen Kriterien wird bei der Erstellung der Gästeliste verfahren,
und wer legt diese fest?

c) Wird die Bundesregierung Sorge dafür tragen, dass nicht wieder, wie
beim Zapfenstreich im Jahr 2005, Rechtsextremisten als Gäste zur Mili-
tärzeremonie eingeladen werden (vgl. Bundestagsdrucksache 16/10210,
Antwort zu Frage 7)?

10. Wie viele Bundespolizisten sollen bei der Zeremonie eingesetzt werden?

11. Wird der Militärische Abschirmdienst in Zusammenhang mit dem Gelöb-
nis aktiv oder ist er dies bereits?

12. Beabsichtigt die Bundesregierung, die Berliner Polizei darum zu bitten,
dass in der Nähe des Gelöbnisses keine Protestkundgebungen genehmigt
werde, oder hat sie dies bereits getan (bitte ggf. präzisieren)?

13. Ist der Bundesregierung bewusst, dass die symbolische Verknüpfung von
20. Juli (Anschlag nationalistischer Offiziere auf Hitler) und Reichstag
höchst widersprüchlich ist, weil die große Mehrheit der Verschwörer des
20. Juli mit Demokratie und Parlamentarismus nichts im Sinn hatte?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/13336

14. Beabsichtigt die Bundesregierung, Rekruten der Bundeswehr künftig das
Beispiel von Deserteuren und Kriegsverrätern zu empfehlen, die anders als
zahlreiche der am 20. Juli beteiligten Offiziere keine Kriegsverbrechen be-
gangen hatten?

15. Welche weiteren Gelöbnisse, Zapfenstreiche und andere Militärzeremonien
außerhalb militärischer Liegenschaften sind zum jetzigen Zeitpunkt bun-
desweit geplant (bitte jeweils Ort, Zeitpunkt und Anlass nennen)?

Berlin, den 8. Juni 2009

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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