BT-Drucksache 16/13294

Zur Wirtschaftlichkeit des Betreibermodells für den mehrstreifigen Autobahnausbau (A-Modell)

Vom 4. Juni 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/13294
16. Wahlperiode 04. 06. 2009

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Anton Hofreiter, Winfried Hermann, Bettina Herlitzius, Peter
Hettlich, Cornelia Behm, Hans-Josef Fell, Bärbel Höhn, Sylvia Kotting-Uhl, Undine
Kurth (Quedlinburg), Nicole Maisch und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Zur Wirtschaftlichkeit des Betreibermodells für den mehrstreifigen
Autobahnausbau (A-Modell)

Der Bundesbeauftragte für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung, Dieter Engels,
hat ein Gutachten zu Öffentlich Privaten Partnerschaften (ÖPP) im Bundesfern-
straßenbau vorgelegt. Grundsätzlich hat der Bundesbeauftragte Zweifel, ob mit
den A-Modellen in ihrer bisherigen Form wirtschaftliche Vorteile erreicht wer-
den können. Es besteht daher Anlass zur Nachfrage.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Schließt sich die Bundesregierung der Auffassung des Bundesbeauftragten
für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung an, dass ihre Untersuchungen bei
der Vergabe der Pilotprojekte nicht geeignet waren, die Wirtschaftlichkeit
der A-Modelle nachzuweisen, und wenn nein, wie begründet die Bundes-
regierung ihre Ansicht?

2. Wie konnte die Bundesregierung eine gesicherte Aussage über die Wirt-
schaftlichkeit der A-Modelle treffen, wenn sie laut Gutachten des Bundes-
beauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung selbst zugesteht, dass
bezüglich der Datengrundlage der Bau-, Betriebs- und Erhaltungskosten
eine erhebliche Unsicherheit besteht?

Wurden aufgrund dieser unsicheren Datenlage Vorkehrungen im Vertrag
mit den Bietern getroffen, um den Vertrag nachträglich anzupassen, und
wenn ja, welche?

3. Sieht die Bundesregierung ihre Wirtschaftlichkeitsuntersuchung der
A-Modelle als gesichert an, obwohl sie laut Gutachten des Bundesbeauftrag-
ten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung einräumt, dass sie kein allge-
meinverbindliches Verfahren zur Verkehrsprognose und Schätzung der Maut-
einnahmen hat, und wenn ja, warum ist die Bundesregierung dieser Ansicht?

4. Wie erklärt sich die Bundesregierung die Abweichungen ihrer Prognose der
Mauteinnahmen mit der der Bieter, obwohl auch die Bundesregierung laut
Gutachten des Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung

davon ausgeht, dass die Annahmen der Bieter seriös und professionell
recherchiert waren?

Drucksache 16/13294 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

5. Inwieweit stimmt die Bundesregierung der Auffassung des Bundesbeauf-
tragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung zu, dass es sich bei der
höheren Einnahmekalkulation der Bieter um ein reines Markteintrittsphä-
nomen handeln könnte, um eine möglichst niedrige Anschubfinanzierung
seitens des Bundes zu erreichen?

Sieht die Bundesregierung andere Gründe für die Abweichungen der Prog-
nose der Mauteinnahmen?

6. Rechnet die Bundesregierung damit, dass in zukünftigen Vergabeverfahren
die Abweichungen in der Prognose der Mauteinnahmen nicht mehr auftre-
ten?

7. Wird die Bundesregierung diesbezüglich ihre Prognosen anpassen bzw. das
Verfahrensmodell zur Erhebung der Berechnung der Mauteinnahmen än-
dern, und wenn ja, welche Maßnahmen sind dabei vorgesehen?

8. Wie rechtfertigt die Bundesregierung die in der Untersuchung zur Wirt-
schaftlichkeit des A-Modells der Ausbaustrecke der Autobahn 8 (A 8) zwi-
schen Augsburg und München herangezogene ab 2012 real abnehmende
Prognose der Mauteinnahmen angesichts des sechsspurigen Ausbaus der
A 8 und der allgemeinen Erwartung der Verkehrssteigerung beispielsweise
im aktuellen Verkehrswegeinvestitionsbericht des Bundesministeriums für
Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS)?

9. Trifft die Auffassung zu, dass die der Wirtschaftlichkeitsuntersuchung zu-
grunde gelegte Prognose der Mauteinnahmen auf einer Prognose der Lkw-
Verkehrsmengen auf dem Teilstück der A 8 beruht, und wenn ja, womit be-
gründet die Bundesregierung die Abnahme des Lkw-Verkehrs in diesem
Streckenabschnitt?

10. Stimmt die Bundesregierung der Auffassung zu, dass ihre Prognose der
Mauteinnahmen für das A-Modell der A 8 bei Annahme einer allgemeinen
Verkehrssteigerung nicht eintreffen wird und im Widerspruch zu einem
sechsspurigen Ausbau der A 8 steht, und wenn nein, wie kommt die Bun-
desregierung dann zu der Annahme, dass ihre Prognose plausibler ist als
die der Bieter im Vergabeverfahren?

11. Warum lässt die Bundesregierung angesichts ihrer Prognose einer auf Dauer
sinkenden Lkw-Verkehrsprognose einen Ausbau des Streckabschnitts der
A 8 auf sechs Spuren vornehmen?

12. Welche Abteilungen im BMVBS hatten konkret Kenntnis der in der Wirt-
schaftlichkeitsuntersuchung dargelegten Prognosen der Mauteinnahmen?

13. Welche weiteren Ministerien und Institutionen des Bundes hatten konkret
Kenntnis der in der Wirtschaftlichkeitsuntersuchung dargelegten Progno-
sen der Mauteinnahmen?

14. Ist der Bundesregierung bekannt, welche Personen im BMVBS und den
anderen mitberatenden Ministerien und Institutionen des Bundes konkret
für die Überprüfung der Prognose der Mauteinnahmen in der Untersuchung
der Wirtschaftlichkeit zuständig waren?

15. Trifft die Auffassung zu, dass – falls die in der Untersuchung der Wirt-
schaftlichkeit zugrunde gelegte Prognose der Mauteinnahmen aufgrund
ansteigender Verkehrsmengen nicht zutrifft und sich damit keine höhere
Wirtschaftlichkeit der ÖPP-Variante im Vergleich zur PSC-Variante (PSC =
Public Sector Comparator) ergibt – die Vergabe des A-Modells für das
Teilstück der A 8 nicht dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit der Verwal-
tung in § 7 der Bundeshaushaltsordnung entspricht?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/13294

16. Stimmt die Bundesregierung der Auffassung zu, dass – falls die in der Un-
tersuchung der Wirtschaftlichkeit zugrunde gelegte Prognose der Maut-
einnahmen aufgrund ansteigender Verkehrsmengen nicht zutrifft und sich
damit keine höhere Wirtschaftlichkeit der ÖPP-Variante im Vergleich zur
PSC-Variante ergibt – der Bund aufgrund der vertraglichen Bindung mehr
Mauteinnahmen als in der Untersuchung vorgesehen an den Betreiber des
A-Modells für das Teilstück der A 8 abgeben muss und dem Bund daraus
ein Verlust und Schaden in Millionenhöhe entsteht, da er durch die PSC-
Variante den Ausbau, Betrieb und Unterhalt der Strecke günstiger be-
streiten hätte können, und wenn nein, wie begründet die Bundesregierung
ihre Ansicht?

17. Inwieweit wäre die Bundesregierung Schadenersatzansprüchen der Bieter
ausgesetzt gewesen, falls das Vergabeverfahren aufgrund mangelnder Wirt-
schaftlichkeit aufgehoben worden wäre?

18. Wie beurteilt die Bundesregierung die Einschätzung des Bundesbeauftrag-
ten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung, dass in zukünftigen Vergabe-
verfahren die Bieter vorab über die Aufhebung der Ausschreibung bei
mangelnder Wirtschaftlichkeit informiert werden, um so Schadenersatzan-
sprüche auszuschließen?

Plant die Bundesregierung diesbezüglich vertragliche oder andere Rege-
lungen mit den Bietern, und wenn ja, welche?

19. Wurden die im Musterkonzessionsvertrag für das Betreibermodell für den
mehrstreifigen Autobahnausbau (A-Modell) vorgeschlagenen Regelungen
zu Kompensationszahlungen bei Verkehrsbeeinträchtigung in den Verträ-
gen mit dem Betreiber des A-Modells des Streckenabschnitts der A 8 zwi-
schen Augsburg und München übernommen, und wenn nein, welche Rege-
lungen wurden davon abweichend getroffen?

20. Wurden die im Musterkonzessionsvertrag für das Betreibermodell für den
mehrstreifigen Autobahnausbau (A-Modell) vorgeschlagenen Regelungen
zu Kompensationszahlungen bei Verkehrsbeeinträchtigung auch in den
weiteren Projekten des A-Modells übernommen, und wenn nein, welche
Regelungen wurden davon abweichend getroffen?

21. Wie beurteilt die Bundesregierung die Möglichkeit drohender Kompensa-
tionszahlungen an den Betreiber des A-Modells des Streckenabschnitts der
A 8 zwischen Augsburg und München aufgrund der von ihr angenomme-
nen Prognosen der Mauteinnahmen?

22. Trifft die Aussage zu, dass die Bundesregierung – falls ihre Prognose der
Mauteinnahmen auf dem Streckenabschnitt der A 8 zwischen Augsburg
und München eintrifft – vertraglich zu Kompensationszahlungen an den
Betreiber verpflichtet ist, und wenn nein, wie begründet die Bundesregie-
rung ihre abweichende Absicht?

23. Welche Gründe sind im Vertrag mit den Betreibern des A-Modells auf dem
Autobahnabschnitt der A 8 zwischen Augsburg und München vorgesehen,
die Kompensationsleistungen des Bundes begründen?

24. Ist die Beeinträchtigung des Verkehrs ein solcher Grund?

25. Wer trägt die Beweislast dafür, ob der Verkehr beeinträchtigt wurde?

26. Ab welcher Verringerung des Verkehrs zum Vorjahr/Vormonat sieht der
Vertrag mit den Betreibern des A-Modells auf dem Autobahnabschnitt der
A 8 zwischen Augsburg und München Ausgleichszahlungen vor?

In welcher Höhe bestehen diese Zahlungen?

Drucksache 16/13294 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

27. Wie schätzt die Bundesregierung – falls ihre Prognose der Mauteinnahmen
auf dem Streckenabschnitt der A 8 zwischen Augsburg und München ein-
trifft – die mögliche Forderung nach vertraglichen Nachverhandlungen sei-
tens der Betreiber des A-Modells des Streckenabschnitts der A 8 zwischen
Augsburg und München ein?

28. Droht – falls die Regierungsprognose der Mauteinnahmen auf dem Stre-
ckenabschnitt der A 8 zwischen Augsburg und München eintrifft – nicht
eine Vertragsänderung oder -anpassung aufgrund eines Wegfalls der Ge-
schäftsgrundlage mit finanziellen Nachteilen für den Bund?

29. Plant die Bundesregierung die vertraglichen Regelungen zu den Kompen-
sationszahlungen in Zukunft anderweitig zu gestalten, und wenn ja, welche
Regelungen sollen getroffen werden?

30. Inwieweit wurden die möglichen Kompensationszahlungen bei der Prog-
nose der Wirtschaftlichkeit berücksichtigt bzw. hatte dies nennenswerten
Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit der Projekte, und wenn nein, warum
wurden diese nicht berücksichtigt und wird die Bundesregierung dies in
Zukunft ändern?

31. Wie schätzt die Bundesregierung die zukünftige Belastung des Staatshaus-
haltes durch vertraglich zugesicherte Kompensationszahlungen an die Bie-
ter aufgrund externer, nicht steuerbarer Einflüsse wie z. B. die Höhe der
Mauteinnahmen ein, die der Bundesbeauftragte für Wirtschaftlichkeit in
der Verwaltung in seinem Gutachten erwartet, falls die Annahmen der Bun-
desregierung bezüglich der Mauteinnahmen eintreffen?

32. Wie wird die Bundesregierung auf die zu erwartenden vertraglichen Un-
klarheiten bzw. Rechtsstreitigkeiten bezüglich der Kompensationszahlun-
gen mit den Bietern reagieren?

Sind diesbezüglich Umstellungen in der Vertragsgestaltung, insbesondere
bei der wirtschaftlichen Risikoverteilung, geplant?

33. Inwieweit wird die Bundesregierung in Zukunft den Leitfaden „Wirtschaft-
lichkeitsuntersuchungen bei ÖPP-Projekten“ bei der zukünftigen Vergabe
der A-Modelle berücksichtigen, nachdem dieser laut Gutachten des Bun-
desbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung bislang nicht an-
gewandt wurde?

34. In welchem Umfang wird derzeit ein wie im gerade benannten Leitfaden
vorgesehenes Projektcontrolling seitens der Bundesregierung durchgeführt,
das die wirtschaftliche Vorteilhaftigkeit der Pilotprojekte belegt?

35. Liegen der Bundesregierung schon Ergebnisse aus einer solchen Unter-
suchung vor bzw. wann strebt die Bundesregierung eine Auswertung der
Untersuchung an?

36. Wann ist konkret mit einer Evaluation der A-Modelle in Bezug auf die an-
gestrebten Ziele der Wirtschaftlichkeit zu rechnen?

37. Wie wird die Bundesregierung die Forderung des Bundesbeauftragten für
Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung nach einem höheren Finanzierungs-
anteil des Bundes bei der Vergabe der A-Modelle Rechnung tragen?

Sieht die Bundesregierung diesbezüglich eine Änderung der Vergabekrite-
rien, insbesondere bei der Anschubfinanzierung, vor?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/13294

38. Geht die Bundesregierung trotz der Auffassung des Bundesbeauftragten für
Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung, dass die Effizienzvorteile durch Inno-
vation bei den Baukosten durch die Planfeststellung erheblich beschränkt
werden, weiterhin davon aus, dass durch die A-Modelle mehr als nur ge-
ringe Kosteneinsparungen zu erwarten sind und einen wesentlichen Anteil
zu dessen Wirtschaftlichkeit beitragen?

In welchen Bereichen und in welchem Umfang erwartet die Bundesregie-
rung konkret diese Vorteile, und sind diese bei den bereits laufenden Pro-
jekten aufgetreten?

39. Teilt die Bundesregierung die Auffassung des Bundesbeauftragten für Wirt-
schaftlichkeit in der Verwaltung, dass der punktuelle Einsatz der A-Modelle
nicht zu einem wirtschaftlich effizienten Betriebsdienst an den Autobahnen
führt, und wenn nein, wie begründet die Bundesregierung ihre Ansicht?

40. Teilt die Bundesregierung die Auffassung des Bundesbeauftragten für
Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung, dass es für ein optimales Vergabever-
fahren notwendig ist, auch die Restwerte der Strecke am Ende der Konzes-
sionslaufzeit in die Wirtschaftlichkeitsuntersuchung einzubeziehen, und
wenn nein, warum ist die Bundesregierung anderer Ansicht?

41. Plant die Bundesregierung diesbezüglich einen Standard für die Restwert-
bestimmung bei Straßen aufzustellen?

42. Welcher Wirtschaftlichkeitsvorteil für die ÖPP-Realisierung wird für das
A-Modell an der A 4 erwartet?

43. Sind Varianten im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsuntersuchung für das
A-Modell an der A 4 gerechnet worden, und welche Wirtschaftlichkeits-
ergebnisse ergeben sich für relevante Varianten?

44. In welchem Umfang sind Zahlungen aufgrund systematischer Risiken in
korrigiertem Umfang für das A-Modell an der A 4 berücksichtigt worden?

45. Welcher Wirtschaftlichkeitsvorteil für die ÖPP-Realisierung wird für das
A-Modell an der A 1 erwartet?

46. Sind Varianten im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsuntersuchung für das
A-Modell an der A 1 gerechnet worden, und welche Wirtschaftlichkeitser-
gebnisse ergeben sich für relevante Varianten?

47. In welchem Umfang sind Zahlungen aufgrund systematischer Risiken in
korrigiertem Umfang für das A-Modell an der A1 berücksichtigt worden?

48. Welcher Wirtschaftlichkeitsvorteil für die ÖPP-Realisierung wird für das
A-Modell an der A 5 erwartet?

49. Sind Varianten im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsuntersuchung für das
A-Modell A 5 gerechnet worden, und welche Wirtschaftlichkeitsergebnisse
ergeben sich für relevante Varianten?

50. In welchem Umfang sind Zahlungen aufgrund systematischer Risiken in
korrigiertem Umfang beim A-Modell an der A 5 berücksichtigt worden?

Berlin, den 3. Juni 2009

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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