BT-Drucksache 16/13205

zu dem Antrag der Abgeordneten Rainder Steenblock, Jürgen Trittin, Manuel Sarrazin, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN -16/12109- Zwei Jahre Europa-Vereinbarung - Bundesregierung muss ihre Verpflichtungen unverzüglich vollständig erfüllen

Vom 27. Mai 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/13205
16. Wahlperiode 27. 05. 2009

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union
(21. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Rainder Steenblock, Jürgen Trittin, Manuel
Sarrazin, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 16/12109 –

Zwei Jahre Europa-Vereinbarung – Bundesregierung muss ihre Verpflichtungen
unverzüglich vollständig erfüllen

A. Problem

Die Vereinbarung zwischen dem Deutschen Bundestag und der Bundesregie-
rung über die Zusammenarbeit in Angelegenheiten der Europäischen Union
(BBV) wurde am 28. September 2006 vom Deutschen Bundestag und der Bun-
desregierung unterzeichnet. Sie regelt wichtige Beteiligungs- und Informations-
rechte des Deutschen Bundestages. Auch wenn das Parlament die Ausübung sei-
ner Mitwirkungsrechte in europäischen Angelegenheiten seit Einführung der
BBV erheblich verbessern konnte, wird zwei Jahre nach ihrem Inkrafttreten Ver-
besserungsbedarf hinsichtlich der Umsetzung der Unterrichtungspflichten der
Bundesregierung gesehen.

Mit dem Antrag wird die Bundesregierung aufgefordert, die BBV vollständig
umzusetzen und eine Klärung zur Herstellung des Einvernehmens vor der Auf-
nahme von Verhandlungen zu Beitritten und Primärrechtsänderungen herbeizu-
führen.

B. Lösung

Der Deutsche Bundestag soll die Bundesregierung nach dem Willen der Antrag-
steller auffordern,

● mit ihm eine Klärung herbeizuführen hinsichtlich der Abläufe zur Herstel-
lung des Einvernehmens vor der Aufnahme von Verhandlungen zur Vorberei-
tung von Beitritten zur Europäischen Union sowie zur Aufnahme von Ver-
handlungen zur Änderung der vertraglichen Grundlagen der Europäischen
Union;

● den Unterrichtungspflichten in den Bereichen Gemeinsame Außen- und
Sicherheitspolitik (GASP) und Europäische Sicherheits- und Verteidigungs-
politik (ESVP) frühzeitig und umfassend nachzukommen;

Drucksache 16/13205 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

● bei Stellungnahmen des Deutschen Bundestages gemäß Artikel 23 Absatz 3
des Grundgesetzes (GG) einen Parlamentsvorbehalt einzulegen, wenn die
durch den Bundestag festgelegten wesentlichen Belange in Ratsverhandlun-
gen nicht durchsetzbar sind;

● den Deutschen Bundestag in einem frühen Verhandlungsstadium über ge-
plante völkerrechtliche Verträge der Gemeinschaft zu informieren und ihm
Beschlüsse, durch die die Kommission zur Verhandlung über völkerrecht-
liche Verträge ermächtigt wird (Verhandlungsmandat), förmlich zu überwei-
sen;

● den Deutschen Bundestag grundsätzlich frühzeitig und vollständig über
Tagungen des Rates, inklusive Arbeitsgruppentagungen, zu unterrichten,
„Umfassende Bewertungen“ zu allen beratungsrelevanten Rechtsetzungsvor-
schlägen anzufertigen und den Zugang zu vorbereitenden Papieren der Kom-
mission, als „restreint“ klassifizierten Dokumenten sowie zu Mahnschreiben
der Kommission an die Bundesregierung zur Einleitung eines Vertragsverlet-
zungsverfahrens zu ermöglichen.

Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und
SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion FDP

C. Alternativen

Annahme des Antrags.

D. Kosten

Kosten wurden nicht ermittelt.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/13205

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag auf Drucksache 16/12109 abzulehnen.

Berlin, den 6. Mai 2009

Der Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

Michael Stübgen
amtierender Vorsitzender
und Berichterstatter

Michael Roth (Heringen)
Berichterstatter

Markus Löning
Berichterstatter

Dr. Diether Dehm
Berichterstatter

Rainder Steenblock
Berichterstatter

Drucksache 16/13205 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Bericht der Abgeordneten Michael Stübgen, Michael Roth (Heringen), Markus
Löning, Dr. Diether Dehm und Rainder Steenblock

1. Überweisung und Voten der mitberatenden
Ausschüsse

Der Deutsche Bundestag hat den Antrag der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 16/12109 in
seiner 208. Sitzung am 5. März 2009 beraten und federfüh-
rend an den Ausschuss für die Angelegenheiten der Euro-
päischen Union sowie mitberatend an den Ausschuss für
Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung und den
Rechtsausschuss sowie auf seiner 211. Sitzung am 19. März
2009 an den Verteidigungsausschuss überwiesen.

Der Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Ge-
schäftsordnung hat in seiner 48. Sitzung am 26. März
2009 den Antrag mit den Stimmen der Fraktionen der
CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen
FDP, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ab-
gelehnt.

Der Rechtsausschuss hat in seiner 135. Sitzung am 22. April
2009 den Antrag mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/
CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen FDP,
DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN abgelehnt.

Der Verteidigungsausschuss hat in seiner 104. Sitzung am
22. April 2009 den Antrag mit den Stimmen der Fraktionen
der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen
FDP, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ab-
gelehnt.

2. Inhalt der Vorlage

Mit ihrem Antrag kritisiert die Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN zum wiederholten Male die aus ihrer Sicht
unzureichende Umsetzung der Zusammenarbeitsvereinba-
rung. Die Antragsteller berufen sich auf den hierin festge-
schriebenen Grundsatz, wonach der Deutsche Bundestag
„frühzeitig, fortlaufend und in der Regel schriftlich über alle
Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union zu unterrich-
ten“ ist. Dieser sei unzureichend umgesetzt, wenn entgegen
Abschnitt VI BBV vor Eröffnung der Regierungskonferenz
zur Verhandlung des Vertrags von Lissabon kein Einver-
nehmen mit den Fraktionen hergestellt oder wenn Doku-
mente im Bereich GASP und ESVP nicht, nur teilweise oder
zu spät zugeleitet würden. Auch sei entgegen Abschnitt II
Nummer 4 BBV (Parlamentsvorbehalt) bei den Verhandlun-
gen zum Emissionshandel im Rahmen des Klima- und Ener-
giepakets der entsprechende Beschluss des Deutschen Bun-
destages nicht berücksichtigt worden. Im Übrigen würden
inoffizielle Dokumente entgegen Abschnitt I Nummer 2
Buchstabe a BBV nur vereinzelt übermittelt und seien Be-
richte über Ratsarbeitsgruppen gemäß Abschnitt I Nummer 2
Buchstabe c BBV lückenhaft. Nur zur Hälfte der beratungs-
relevanten Rechtsetzungsvorschläge würden umfassende
Bewertungen angefertigt, deren Qualität zudem erheblich
schwanke. Über Dokumente der Kommission und ihrer
Dienststellen, insbesondere Mahnschreiben, würde entgegen
Abschnitt I Nummer 2 Buchstabe a BBV unzureichend be-
richtet.

Der Deutsche Bundestag soll nach dem Willen der Antrag-
steller die Bundesregierung deshalb auffordern, ihre Ver-
pflichtungen unverzüglich vollständig zu erfüllen. Insbeson-
dere solle eine Klärung der Abläufe zur Herstellung des
Einvernehmens nach Artikel VI BBV herbeigeführt, frühzei-
tig und umfassend über die Bereiche GASP und ESVP sowie
generell über Ratsarbeitsgruppen unterrichtet und ein Parla-
mentsvorbehalt eingelegt werden, wenn die durch den Deut-
schen Bundestag festgelegten wesentlichen Belange in Rats-
verhandlungen nicht durchsetzbar sind. Auch solle die
Bundesregierung vorbereitende Papiere der Kommission zur
Verfügung stellen, sog. A-Punkte in die Vor- und Nach-
berichterstattung mit aufnehmen, den Zugang zu den als
„restreint“ klassifizierten Dokumenten ermöglichen und um-
fassende Bewertungen zu allen beratungsrelevanten Recht-
setzungsvorschlägen anfertigen.

3. Behandlung im federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen
Union hat über den Antrag auf Drucksache 16/12109 in
seiner 82. Sitzung am 25. März 2009 beraten sowie in seiner
84. Sitzung am 6. Mai 2009 beraten und abgestimmt und mit
den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen
die Stimmen der Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der Fraktion der FDP
dem Deutschen Bundestag die Ablehnung empfohlen.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betonte das Er-
fordernis einer umfassenderen Unterrichtung als sie die Bun-
desregierung gegenwärtig praktiziere bzw. in Aussicht stelle.
Denn auch der von der Bundesregierung vorgeschlagene
Kompromiss zu den Berichten aus den Ratsarbeitsgruppen
bedeute nach Prüfung durch PA 1 faktisch die Unterrichtung
über nur zwei weitere Ratsarbeitsgruppen. Auch die Unter-
richtung im Bereich der Außenpolitik habe gegen die BBV
verstoßen, so dass monatelang überhaupt keine Dokumente
mehr aus diesem Bereich eingingen. Das Angebot eines in-
terfraktionellen Antrags musste abgelehnt werden, da dieser
nicht weit genug gegangen sei.

Die Fraktion der CDU/CSU bewertete die Vereinbarung
als einen Erfolg. Die BBV habe dazu beigetragen, dass der
Bundestag die europäische Politik mitgestalte. Die parla-
mentarische Kontrolle europäischer Rechtsetzung habe sich
erheblich verbessert. Insgesamt habe sich auch die Qualität
und Vollständigkeit der Unterrichtung des Deutschen Bun-
destages durch die Bundesregierung kontinuierlich verbes-
sert, insbesondere durch ein internes Mahnsystem zur Behe-
bung von Unterrichtungsdefiziten. Bundesregierung und
Bundestag hätten sich auf das Instrument einer „Indikativen
Vorausschau“ geeinigt, welches dem Bundestag einen gere-
gelten Zugang zu den Dokumenten der Gemeinsamen
Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) und eine rechtzeitige
Beschlussfassung dazu ermögliche. Sie begrüßte die Absicht
der Bundesregierung zukünftig über die Inhalte der Rats-
arbeitsgruppen im Hauptstadtformat – jedenfalls der „High-
Level-Groups“ – zu informieren.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/13205

Die Fraktion der SPD betonte den generell fraktionsüber-
greifenden Konsens hinsichtlich der Unterrichtungspflichten
der Bundesregierung nach der BBV und des insoweit beste-
henden Nachbesserungsbedarfs. Allerdings halte sie weitere
Beratungen mit dem Ziel einer möglichst breit getragenen
Lösung für zweckdienlich und bedauerte daher, dass die An-
tragsteller die Vorlage bereits in dieser Ausschusssitzung ab-
schließend zu behandeln wünschten. Auch sie begrüßte die
Bereitschaft der Bundesregierung, in Zukunft über Rats-
arbeitsgruppen im Hauptstadtformat zu unterrichten.

Die Fraktion der FDP unterstrich, dass die verbesserten
Mitwirkungsmöglichkeiten vom Bundestag noch besser ge-
nutzt werden müssten. Auf Seiten der Koalitionsfraktionen
habe es zu oft an dem dazu erforderlichen politischen Willen
gefehlt, was sich etwa an der geringen Zahl von Stellungnah-
men nach Artikel 23 GG zeige. Die Fraktion der FDP wies
zudem auf das Erfordernis einer frühzeitigen Unterrichtung
des Deutschen Bundestages über Mahnschreiben der Kom-
mission im Rahmen von Vertragsverletzungsverfahren hin.

Die Fraktion DIE LINKE. vertrat die Ansicht, dass die
Unterrichtung durch die Bundesregierung noch erhebliche
Defizite aufweise. Sie kritisierte insbesondere unzureichen-
de Informationen während der Verhandlungen zum Vertrag
von Lissabon und forderte eine umfassende Unterrichtung
über das Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht ge-
gen die Ratifikation des Vertrags von Lissabon.

Berlin, den 27. Mai 2009

Michael Stübgen
Berichterstatter

Michael Roth (Heringen)
Berichterstatter

Markus Löning
Berichterstatter

Dr. Diether Dehm
Berichterstatter

Rainder Steenblock
Berichterstatter

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