BT-Drucksache 16/12982

zu dem Antrag der Abgeordneten Christoph Waitz, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Dr. Karl Addicks, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP -16/9803- Inoffizielle Stasi-Mitarbeiter in Bundesministerien, Bundesbehörden und Bundestag enttarnen - Aufarbeitung des Stasi-Unrechts stärken

Vom 12. Mai 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/12982
16. Wahlperiode 12. 05. 2009

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Kultur und Medien (22. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Christoph Waitz, Hans-Joachim Otto (Frankfurt),
Dr. Karl Addicks, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
– Drucksache 16/9803 –

Inoffizielle Stasi-Mitarbeiter in Bundesministerien, Bundesbehörden und
Bundestag enttarnen – Aufarbeitung des Stasi-Unrechts stärken

A. Problem

Der Staatssicherheitsdienst der DDR hat auch im Westen inoffizielle Mitarbeiter
(IM) geführt und Informationen abgeschöpft. Noch heute seien Stasi-Zuträger,
die damals im Westteil Deutschlands lebten, in obersten und nachgeordneten
Bundesbehörden beschäftigt, kritisiert die Fraktion der FDP in ihrem Antrag
und verlangt, dass die Bundesregierung die Bundesbeauftragte für die Unter-
lagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen
Republik (BStU) bittet, wissenschaftlich zu untersuchen, wie viele ehemalige
Stasi-Mitarbeiter heute noch in Bundesministerien und nachgeordneten Bundes-
behörden arbeiten. Geprüft werden soll zudem, welche dienstrechtlichen Mög-
lichkeiten es gibt, dieses Personal entweder aus dem Dienstverhältnis zu entfer-
nen oder wenigstens zu versetzen, sofern die Betroffenen in sicherheitsrelevan-
ten Bereichen arbeiten. Das Stasi-Unterlagen-Gesetz soll so verändert werden,
dass es flexible Regelungen zur Überprüfung auf Stasi-Mitarbeit von Beamten
und Angestellten auf Bundesebene erlaubt. Da immer noch nicht alle Stasi-
Akten erschlossen sind, setzt sich die Fraktion zudem dafür ein, die BStU in die
Lage zu versetzen, den Anteil der jährlich erschlossenen Akten zu erhöhen und
die Aufarbeitung der Stasi-Hinterlassenschaften zu beschleunigen. Die Abge-
ordneten fordern darüber hinaus eine Untersuchung, welche Mitglieder des
Deutschen Bundestages zwischen 1949 und 1989 dem Staatssicherheitsdienst
wissentlich und willentlich zugearbeitet haben.

B. Lösung

Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD
und DIE LINKE. gegen die Stimmen der Fraktion der FDP bei Stimm-

enthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

C. Alternativen

Annahme des Antrags.

D. Kosten

Kosten wurden nicht erörtert.

Drucksache 16/12982 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag auf Drucksache 16/9803 abzulehnen.

Berlin, den 6. Mai 2009

Der Ausschuss für Kultur und Medien

Hans-Joachim Otto (Frankfurt)
Vorsitzender

Maria Michalk
Berichterstatterin

Dr. h. c. Wolfgang Thierse
Berichterstatter

Christoph Waitz
Berichterstatter

Dr. Lukrezia Jochimsen
Berichterstatterin

Katrin Göring-Eckardt
Berichterstatterin

Sitzungen am 25. März 2009 und am 6. Mai 2009 mit dem
Antrag befasst. Dabei zog der Ausschuss zunächst die Bun- Stasi-Mitarbeiter in den Belegschaften gemacht, und wenn

desbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdiens-
tes der ehemaligen DDR zur Beratung hinzu. Im Ergebnis
empfahl der Ausschuss die Ablehnung des Antrags mit den
Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD und DIE LINKE.

in Einzelfällen Stasi-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter
öffentlich bekannt würden, bleibe undurchsichtig, wie die
Ressorts mit diesen Fällen umgingen. Die BStU dürfe zu die-
sen Vorgängen keine Auskünfte geben, selbst wenn dieses
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/12982

Bericht der Abgeordneten Maria Michalk, Dr. h. c. Wolfgang Thierse, Christoph
Waitz, Dr. Lukrezia Jochimsen und Katrin Göring-Eckardt

I. Überweisung

Der Deutsche Bundestag hat den Antrag auf Drucksache
16/9803 am 17. Oktober 2008 zur federführenden Beratung
an den Ausschuss für Kultur und Medien und zur Mitbera-
tung an den Innenausschuss und an den Rechtsausschuss
überwiesen.

II. Wesentlicher Inhalt des Antrags

Der Staatssicherheitsdienst der DDR hat auch im Westen
inoffizielle Mitarbeiter geführt und Informationen abge-
schöpft. Dass noch heute Stasi-Zuträger, die damals im
Westteil Deutschlands lebten, in obersten und nachgeordne-
ten Bundesbehörden beschäftigt seien, kritisiert die Fraktion
der FDP in ihrem Antrag. Sie verlangt, dass die Bundesregie-
rung die Stasi-Unterlagenbehörde (BStU) bittet, wissen-
schaftlich zu untersuchen, wie viele ehemalige Stasi-Mitar-
beiter heute noch in Bundesministerien und nachgeordneten
Bundesbehörden arbeiten. Geprüft werden soll zudem, wel-
che dienstrechtlichen Möglichkeiten es gibt, dieses Personal
entweder aus dem Dienstverhältnis zu entfernen oder we-
nigstens zu versetzen, sofern die Betroffenen in sicherheits-
relevanten Bereichen arbeiten. Das Stasi-Unterlagen-Gesetz
(StUG) soll so verändert werden, dass es flexible Regelun-
gen zur Überprüfung auf Stasi-Mitarbeit von Beamten und
Angestellten auf Bundesebene erlaubt. Da immer noch nicht
alle Stasi-Akten erschlossen sind, setzt sich die Fraktion zu-
dem dafür ein, die BStU personell und organisatorisch in die
Lage zu versetzen, den Anteil der jährlich erschlossenen Ak-
ten zu erhöhen und die Aufarbeitung der Stasi-Hinterlassen-
schaften zu beschleunigen. Die Abgeordneten fordern da-
rüber hinaus eine Untersuchung, welche Mitglieder des
Deutschen Bundestages zwischen 1949 und 1989 dem DDR-
Staatssicherheitsdienst wissentlich und willentlich zugear-
beitet haben.

III. Stellungnahmen der mitberatenden
Ausschüsse

Der Innenausschuss und der Rechtsausschuss haben am
22. April 2009 die Ablehnung empfohlen mit den Stimmen
der Fraktionen CDU/CSU, SPD und DIE LINKE. gegen die
Stimmen der Fraktion der FDP bei Stimmenthaltung der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse im
Ausschuss für Kultur und Medien

Der Ausschuss für Kultur und Medien hat sich in seinen

Die Fraktionen der CDU/CSU und SPD betonten aus-
drücklich, dass die Aufarbeitung der Stasi-Hinterlassen-
schaften weitergehen werde, dies sei völlig unumstritten. Die
Forderungen, die die Fraktion der FDP in ihrem Antrag da-
mit verbinde, seien jedoch wenig hilfreich. Die Fraktion der
CDU/CSU verwies auf die Beratungen zur jüngsten Novelle
zum Stasi-Unterlagen-Gesetz. Damals habe der Deutsche
Bundestag sich ausführlich mit den Regelungen für die
Überprüfung von Beschäftigten des öffentlichen Dienstes
befasst. Nunmehr sei das Hauptaugenmerk auf die wissen-
schaftliche Aufarbeitung des Stasi-Erbes zu legen. Der BStU
sei ein wissenschaftliches Beratungsgremium an die Seite
gestellt worden, das Projekt der computergestützten Rekon-
struktion von zerrissenen Akten werde vorangetrieben und
vor allem müsse Wissen an die nachwachsenden Generatio-
nen weitergegeben werden. Die Fraktion der CDU/CSU kriti-
sierte, dass die Fraktion der FDP ihre jetzt erhobenen Forde-
rungen nicht in die Beratungen zur StUG-Novellierung
eingebracht habe. Es sei nicht glaubwürdig, Positionen so
schnell zu ändern. Die Fraktion der SPD erinnerte daran,
dass bereits Ende der 1990er Jahre der für die Untersuchung
der West-Spionage der DDR zuständige Bundesanwalt er-
klärt habe, alle Agenten seien enttarnt. Auch die BStU habe
bestätigt, dass es keinen Anlass gebe, von der weiteren Er-
forschung der Stasi-Akten noch Enthüllungen in großem
Umfang zu erwarten. Der Antrag der Fraktion der FDP ziele
im Übrigen darauf, Regelungen des gerade erst novellierten
StUG zu umgehen. Schon deshalb sei er nicht zustimmungs-
fähig. Die Personalverantwortung in den Bundesbehörden
liege bei den Ressorts der Bundesregierung. Diese Tatsache
sei zu respektieren. Die Forderungen der Fraktion der FDP
seien unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten problema-
tisch, ihre Hoffnungen unrealistisch. Deshalb könne auch die
Fraktion der SPD nicht zustimmen.

Die Fraktion der FDP unterstrich, sie habe es sich zur Auf-
gabe gemacht, nicht nur zu erhellen, was der Staatssicher-
heitsdienst den Bürgern der DDR angetan habe, sondern
ebenso deutlich zu machen, inwieweit die Stasi mit Hilfe von
Bundesbürgern im Westen politischen Einfluss ausgeübt ha-
be. In diesem Zusammenhang sei es geboten, dass sich der
Deutsche Bundestag seiner Geschichte bis 1989 stellt und
aufklärt, inwieweit seine Mitglieder oder deren Mitarbeiter
für die Stasi tätig waren. Die Untersuchungen zur 6. Wahl-
periode hätten ergeben, dass es einige Stasi-Zuträger unter
den Mitgliedern des Deutschen Bundestages gegeben habe,
deshalb müssten die anderen Bundestage genauso durch-
leuchtet werden. Unbefriedigend sei auch die Situation in
Bundesministerien und Behörden des Bundes. Zu keinem
Zeitpunkt habe die Bundesregierung klare Angaben über die
gegen die Stimmen der Fraktion der FDP bei Stimmenthal-
tung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Personal der Bundesrepublik Deutschland durch Geheimnis-
verrat in hohem Maß geschadet habe. Deshalb sei es gebo-

Drucksache 16/1298 destag – 16. Wahlperiode

2 – 4 – Deutscher Bun

ten, das StUG so zu ändern, dass die BStU in solchen Fällen
Informationen weitergeben dürfe.

Die Fraktion DIE LINKE. betonte, sie unterstütze zwar die
Forderung der Fraktion der FDP, die BStU in die Lage zu
versetzen, die Stasi-Akten schneller zu erschließen. Sie
lehne es aber ab, das gesamte Personal der obersten Bundes-
behörden auf bloßen Verdacht zu überprüfen. Damit werde
eine neue Qualität der Stasi-Überprüfung angestrebt, die auf
eine grundlegende Änderung des Stasi-Unterlagen-Gesetzes
ziele und schon rein rechtlich nicht haltbar sei. Angesichts
langer Diskussionen aus Anlass der Novellierung des StUG
sei es erstaunlich, dass die Fraktion der FDP nicht wenigstens
diese Forderung zurücknehme. Die Fraktion DIE LINKE.
könne den Antrag nur ablehnen.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN machte eben-
falls deutlich, dass für sie eine derart umfassende Revision
der gesetzlichen Möglichkeiten zur Überprüfung von Be-
schäftigten im öffentlichen Dienst des Bundes nicht in Frage
komme. Sie warnte davor, ein ernstes Thema durch Aktio-
nismus zu beschädigen. Auch sei es falsch, den Eindruck zu
erwecken, der Deutsche Bundestag sei zu DDR-Zeiten von
der Stasi regelrecht unterwandert gewesen. Wenn die Fraktion
der FDP schreibe, in der 6. Wahlperiode seien 43 Mitglieder
des Deutschen Bundestages als IM registriert gewesen, sei
diese Aussage falsch, die Abgeordneten seien lediglich auf
IM-Vorgängen registriert worden. Das sei ein wichtiger Un-
terschied, hier müsse sauber differenziert werden. Das An-
liegen, die Aufarbeitung voranzutreiben, unterstütze die
Fraktion. Sie plädiere dafür, das große Maß an Übereinstim-
mung, das bei der Novellierung des StUG über die Frak-
tionsgrenzen hinweg zum Ausdruck gekommen sei, weiter
zu pflegen und enthalte sich deshalb bei der Abstimmung der
Stimme.

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