BT-Drucksache 16/12943

Berücksichtigung von Gender-Belangen in der Verkehrs- und Raumplanung

Vom 7. Mai 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/12943
16. Wahlperiode 07. 05. 2009

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Anton Hofreiter, Bettina Herlitzius, Winfried Hermann,
Peter Hettlich, Cornelia Behm, Hans-Josef Fell, Ulrike Höfken, Sylvia Kotting-Uhl,
Undine Kurth (Quedlinburg), Nicole Maisch und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

Berücksichtigung von Gender-Belangen in der Verkehrs- und Raumplanung

Mit Kabinettsbeschluss vom 23. Juni 1999 hat die Bundesregierung die Gleich-
stellung von Frauen und Männern als durchgängiges Leitprinzip ihres Handelns
anerkannt und beschlossen diese Aufgabe mittels des Instrumentes des Gender
Mainstreaming (GM) zu fördern. Das Ziel von GM ist es, in alle Entstehungs-
und Entscheidungsprozesse die Perspektive des Geschlechterverhältnisses ein-
zubeziehen und alle Prozesse für die Gleichstellung der Geschlechter nutzbar
zu machen.

Gerade im Verkehrsbereich und auch bei der Nutzung des öffentlichen Raumes
sind die Lebenswirklichkeiten der Geschlechter oftmals sehr unterschiedlich.
Zum Beispiel in Bezug auf individuellen bzw. öffentlichen Nahverkehr, was
Begleitverkehr, Nutzung von Radwegen und Fußgängerwegen oder aber die
Nutzung von öffentlichen Parkanlagen und Freiflächen etc. angeht. Straßen-
raum und öffentlicher Raum sind für Kinder und Jugendliche auch Sozialisa-
tions- und Bildungsraum. Obwohl heute zunehmend auch Männer Aufgaben
der Versorgungsarbeit wahrnehmen, bleibt die Grundproblematik der unter-
schiedlichen Lebensgewohnheiten von Menschen unterschiedlichen Alters und
Geschlechts und die jeweils damit verbundenen Ansprüche an den öffentlichen
Raum bestehen. Das Planungsinstrument des GM bietet durch seine strate-
gischen Ansatz beste Möglichkeiten hierauf positiven Einfluss zu nehmen.
Fraglich bleibt, wie weit dieses Instrument greift, das ja gesetzlich gut ver-
ankert ist.

In der Verkehrs- und Raumplanung wird das Verwaltungshandeln durch viele
Regelwerke reglementiert. Bei der Berücksichtigung von Gender-Belangen
können jedoch nur Fortschritte erzielt werden, wenn Gender-Aspekte im Regel-
werk explizit genannt und in Verwaltungsprozessen dann tatsächlich abgearbei-
tet werden. Eine Handlungsanweisung bei allen Bauprojekten ist zum Beispiel,
bei allen Bauten die Auswirkungen auf die Belange von Männern und Frauen
zu beachten. Hier besteht allerdings die Gefahr, dass ein reines Abhaken aus-
reicht und niemand nachfragt, ob tatsächlich die Auswirkungen auf eventuelle

unterschiedliche Lebensgewohnheiten berücksichtigt wurden. Die Bundestags-
fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vermutet, dass auf die Überprüfung we-
nig Wert gelegt wird.

In einer Übersicht über die Pilotprojekte der Bundesregierung zum Thema
Gender Mainstreaming findet sich beim Bundesministerium für Verkehr, Bau

Drucksache 16/12943 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

und Stadtentwicklung lediglich ein Pilotprojekt zum Thema Städtebaupolitik
des Bundes. Bereits die Umsetzung im Bund-Länder-Programm ist fraglich.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Rundschreiben der Abteilung Straßenbau des Bundesministeriums
für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) befassen sich mit
Gender-Aspekten?

2. Welche Rundschreiben des BMVBS befassen sich mit Gender-Aspekten in
der Stadt- und Raumplanung?

3. Welche Rundschreiben aus dem BMVBS im Bereich des öffentlichen Per-
sonennahverkehrs und des Schienenverkehrs befassen sich mit Gender-
Aspekten?

4. Wie werden in diesen Rundschreiben jeweils die Gender-Aspekte be-
handelt?

5. Wie stellt das Bundesministerium sicher, dass der Gender-Mainstreaming-
Aspekt in allen Regelwerken (Richtlinien, Empfehlungen usw.), für die das
BMVBS zuständig ist, verbindlich berücksichtigt wird?

6. Wie werden in diesen Regelwerken Gender-Aspekte behandelt?

7. In wie vielen Regelwerken, die das BMVBS für seinen Zuständigkeits-
bereich für verbindlich erklärt hat, werden Gender-Aspekte nicht berück-
sichtigt?

8. Warum werden in diesen Regelwerken Gender-Aspekte nicht berück-
sichtigt?

9. Sind im BMVBS ein Gender-Berichtswesen und ein Gender-Controlling
eingeführt?

Wenn nein, warum nicht?

10. Gibt es Untersuchungen zur Nutzung von Autobahnen und Eisenbahnen
nach Geschlecht?

Wenn ja, welchen Inhalts ist diese Untersuchung, wenn nein, warum nicht?

11. Was ist aus der Verkehrsauswirkungs-Prüfung von 1993 im Bundesminis-
terium für Verkehr geworden?

Gibt es hierzu Daten, die die Auswirkungen für Männer und Frauen auf-
zeigen?

Wenn nein, warum nicht?

12. Wurden in jüngster Zeit zielgruppen- und geschlechtsspezifische Unter-
suchungen zum Mobilitätsverhalten durchgeführt?

Wenn ja, wie sehen die Ergebnisse aus, wenn nein, warum nicht?

13. Werden kontinuierliche Erhebungen zum geschlechterspezifischen Ver-
kehrsverhalten der Bundesbürgerinnen und Bundesbürger unterstützt,
wenn ja, in welchem Rahmen, und wo?

14. Gibt es in diesem Rahmen gesonderte Erkenntnisse über den Begleit- oder
Versorgungsverkehr?

15. Gibt es für Fußwege und Radwege ebenso Normgrößen wie für Straßen,
wenn ja, in welcher Breite, wenn nein, warum nicht?

16. Gibt es Vorschriften beim Bau von Park&Ride-Plätzen Frauenverbände
oder Frauenorganisationen zu beteiligen?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/12943

17. Wie sieht die Umsetzungskonzeption des BMVBS aus um Genderbelange
in der Bauleitplanung zu verankern, werden Frauenverbände bzw. Frauen-
organisationen als Träger öffentlicher Belange in die Planungsverfahren
eingebunden?

Wenn ja, in welcher Form, wenn nein, wann erfolgen die ersten Schritte?

18. Sind dafür Änderungen der Planungsgesetze auf Bundesebene (z. B.
Raumordnungsgesetz, Baugesetz) erforderlich?

19. Werden im Rahmen der Verkehrs- und Raumgestaltung in Verantwortung
des BMVBS auch die Anforderungen der Handlungsfelder Stadtsoziologie,
Pädagogik und Sozialarbeit berücksichtigt?

Wenn ja, wie?

Wenn nein, warum nicht?

20. Welche Erfolge sind durch eine Beteiligung betroffener Bürgerinnen und
Bürger in verschiedenen Projekten der Verkehrs- und Raumplanung fest-
zustellen?

21. Wurden die Kosten dieser Projekte durch die Beteiligungsverfahren höher?

Wenn ja, in welchem Rahmen?

22. Welche Art der Beteiligung von Betroffenen hält das BMVBS bei der
Umsetzung von Infrastrukturmaßnahmen für angemessen?

23. Warum ist bei der Aufstellung des Bundesverkehrswegeplans das Gender
Mainstreaming nicht berücksichtigt worden?

24. Warum wird bislang keine Evaluierung des Bundesverkehrswegeplans
durchgeführt, die diese Belange berücksichtigt?

25. Wie kann die Verkehrspolitik Mobilitätsbedürfnisse von nichtmotorisierten
Personen besser berücksichtigen?

26. Wo könnte in der praktischen Anwendung das Instrument des GM im
Aufgabenbereich des BMVBS zukünftig besser oder verstärkt genutzt
werden?

27. Werden Maßnahmen der Städtebauförderung in der Praxis so gestaltet,
dass sowohl unterschiedliche Ausgangsbedingungen als auch unterschied-
liche Auswirkungen bezüglich Alter und Geschlecht berücksichtigt und
abgebaut werden?

Wenn ja, welche Kriterien und Prüffragen legt das BMVBS zugrunde,
wenn nein, warum nicht?

28. Finden bei der Auftragsvergabe für Bauleitpläne der öffentlichen Hand
sowie bei der Vergabe von vorbereitenden oder ergänzenden Gutachten
Gender-Belange in der Aufgabenbeschreibung Eingang?

Wenn ja, wie sehen diese aus?

Wenn nein, warum nicht?

29. Wurde vom BMVBS fachbezogene Genderkompetenz als Auswahlkrite-
rium in alle Ausschreibungsverfahren zur Verkehrs- und Stadtentwicklung
aufgenommen?

Wenn ja, was versteht das BMVBS unter fachbezogener Genderkompe-
tenz, wenn nein, warum nicht?

30. Gibt es im BMVBS Schulungsmaßnahmen für Genderkompetenz, an der
regelmäßig alle Angestellten teilnehmen müssen?

Wenn nein, warum nicht, wenn ja, in welchem Umfang?

Drucksache 16/12943 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
31. Wird bei der Einstellung und Förderung von Mitarbeiterinnen und Mit-
arbeitern im BMVBS auf ein ausgeglichenes Verhältnis von Frauen und
Männern nach dem Bundesgleichstellungsgesetz geachtet?

Hat das BMVBS im Bereich der Frauenförderung damit Erfolge erzielt?

Wenn ja, wie sehen diese aus?

Wenn nein, warum nicht?

32. Wie groß ist der Frauenanteil in den für die Verkehrs- und Raumplanung
zuständigen Bundes- und Landesministerien?

Wie groß ist der Anteil in Führungspositionen?

33. Wie groß ist der Frauenanteil in den Aufsichtsräten (z. B. Bahnaufsichts-
rat), Gremien und Fachjurys an denen das BMVBS beteiligt ist?

Und wie beabsichtigt das BMVBS den Frauenanteil in diesen Gremien zu
steigern?

Berlin, den 7. Mai 2009

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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