BT-Drucksache 16/12841

zu dem Antrag der Abgeordneten Ulrike Höfken, Cornelia Behm, Hans-Josef Fell, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN -16/11919- Anbau von gentechnisch verändertem Mais stoppen

Vom 5. Mai 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/12841
16. Wahlperiode 05. 05. 2009

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz
(10. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Ulrike Höfken, Cornelia Behm, Hans-Josef Fell,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 16/11919 –

Anbau von gentechnisch verändertem Mais stoppen

A. Problem

Der Widerstand gegen den MON810-Anbau ist seit Beginn des kommerziellen
Anbaus in Deutschland stark gestiegen. Inzwischen steht die vierte Anbausaison
für den umstrittenen Mais im Frühjahr 2009 bevor. Immer mehr Landwirte und
Imker wehren sich gegen diesen Anbau. Sie haben jedoch nur einen unzurei-
chenden rechtlichen Schutz vor einer Verunreinigung ihrer Produkte. Die ver-
säumte Berücksichtigung etwa von Imkern und Bienen im Gentechnikgesetz
und bei Schutzmaßnahmen führt zu Rechtsunsicherheiten, die diesen Wirt-
schaftsbereich vor riesige Probleme stellen. Daher sind Verkauf und Aussaat
von MON810-Saatgut in Deutschland zu stoppen.

Auch in anderen Ländern der EU gründen sich immer mehr gentechnikfreie Re-
gionen. Trotzdem will die EU-Kommission in den kommenden Monaten zwei
neue gentechnisch veränderte Maissorten (Bt11-Mais und Bt-Mais 1507) für
den Anbau in der EU zulassen. Ferner will sie, dass noch bestehende nationale
Einfuhrverbote für MON810 durch die jeweiligen Mitgliedstaaten aufgehoben
werden. Schließlich soll die Zulassung für MON810 trotz zahlreicher wissen-
schaftlicher kritischer Untersuchungen verlängert werden. Die wesentlichen
Schutzziele des EU-Gentechnikrechts – Schutz von Mensch und Umwelt und
Gewährleistung des Schutzes gentechnikfreier Landwirtschaftsformen – werden
in den letzten Jahren zunehmend durch die Umsetzungspraxis der EU-Kommis-
sion sowie durch die starke Verflechtung der Experten in den Zulassungsbehör-
den mit der Agro-Gentechnik-Industrie gefährdet. Ziel muss sein, eine deutliche
Verbesserung der Risikoprüfung und ein transparentes und demokratisches Zu-
lassungsverfahren zu erreichen.

B. Lösung

Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU,
SPD und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Drucksache 16/12841 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

C. Alternativen

Annahme des Antrags.

D. Kosten

Kosten wurden nicht erörtert.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/12841

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag auf Drucksache 16/11919 abzulehnen.

Berlin, den 22. April 2009

Der Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz

Ulrike Höfken
Vorsitzende und Berichterstatterin

Dr. Max Lehmer
Berichterstatter

Elvira Drobinski-Weiß
Berichterstatterin

Dr. Christel Happach-Kasan
Berichterstatterin

Dr. Kirsten Tackmann
Berichterstatterin

Drucksache 16/12841 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Bericht der Abgeordneten Dr. Max Lehmer, Elvira Drobinski-Weiß,
Dr. Christel Happach-Kasan, Dr. Kirsten Tackmann und Ulrike Höfken

I. Überweisung
Der Deutsche Bundestag hat die Vorlage auf Drucksache
16/11919 in seiner 214. Sitzung am 26. März 2009 beraten
und an den Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz zur federführenden Beratung und an den
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
sowie den Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäi-
schen Union zur Mitberatung überwiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage
Der Widerstand gegen den MON810-Anbau ist seit Beginn
des kommerziellen Anbaus in Deutschland stark gestiegen.
Inzwischen steht die vierte Anbausaison für den umstritte-
nen Mais im Frühjahr 2009 bevor. Immer mehr Landwirte
und Imker wehren sich gegen diesen Anbau. Sie haben je-
doch nur einen unzureichenden rechtlichen Schutz vor einer
Verunreinigung ihrer Produkte. Die versäumte Berücksich-
tigung etwa von Imkern und Bienen im Gentechnikgesetz
und bei Schutzmaßnahmen führt zu Rechtsunsicherheiten,
die diesen Wirtschaftsbereich vor riesige Probleme stellen.
So können Imker Honig, der mit MON810-Pollen verunrei-
nigt ist, nicht verkaufen, da MON810 keine EU-rechtliche
Zulassung als Lebensmittel hat. Daher sind Verkauf und
Aussaat von MON810-Saatgut in Deutschland zu stoppen.

Auch in anderen Ländern der EU gründen sich immer mehr
gentechnikfreie Regionen. Trotzdem will die EU-Kommissi-
on in den kommenden Monaten zwei neue gentechnisch ver-
änderte Maissorten (Bt11-Mais des Unternehmens Syngenta
und Bt-Mais 1507 des Unternehmens Pioneer) für den An-
bau in der EU zulassen. Hinzu kommt, dass es sich bei diesen
beiden neuen zum Anbau beantragten Maislinien um gen-
technisch veränderte Pflanzen mit gekoppelten Eigenschaf-
ten handelt. Das heißt, diese sind nicht nur insektenresistent,
sondern auch noch resistent gegen das risikoreiche Herbizid
Glufosinat.

Ferner will sie, dass noch bestehende nationale Einfuhrver-
bote in Frankreich, Ungarn und Griechenland für MON810
durch die jeweiligen Mitgliedstaaten aufgehoben werden.

Schließlich soll die Zulassung für MON810 trotz zahlreicher
wissenschaftlicher kritischer Untersuchungen verlängert
werden.

Die wesentlichen Schutzziele des EU-Gentechnikrechts
– Schutz von Mensch und Umwelt und Gewährleistung des
Schutzes gentechnikfreier Landwirtschaftsformen – werden
in den letzten Jahren zunehmend durch die Umsetzungspra-
xis der EU-Kommission sowie durch die starke Verflechtung
der Experten in den Zulassungsbehörden mit der Agro-Gen-
technik-Industrie gefährdet. Ziel muss sein, eine deutliche
Verbesserung der Risikoprüfung und ein transparentes und
demokratisches Zulassungsverfahren zu erreichen.

Die Bundesregierung soll daher im Wesentlichen dazu auf-
gefordert werden,

– den Verkauf und die Aussaat von MON810-Saatgut in
Deutschland zu stoppen;

– sich auf EU-Ebene gegen eine Neuzulassung von
MON810 einzusetzen;

– sich auf EU-Ebene gegen eine Anbauzulassung der gen-
technisch veränderten Maislinien Bt11 und Bt1507 ein-
zusetzen;

– auf EU-Ebene gegen eine Aufhebung der jeweiligen na-
tionalen Einfuhrverbote zu stimmen;

– sich sowohl auf EU-Ebene als auch in Deutschland für ei-
ne konkrete Umsetzung der Empfehlungen des EU-Um-
weltministerrats vom Dezember 2008 zum Einsatz von
gentechnisch veränderten Organismen einzusetzen und

– sich für eine Verbesserung des EU-Zulassungsverfahrens
für gentechnisch veränderte Pflanzen einzusetzen.

III. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse

Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktor-
sicherheit hat die Vorlage auf Drucksache 16/11919 in sei-
ner 88. Sitzung am 22. April 2009 beraten und empfiehlt die
Ablehnung mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU,
SPD und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen DIE
LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Der Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen
Union hat die Vorlage auf Drucksache 16/11919 in seiner
83. Sitzung am 22. April 2009 beraten und empfiehlt die
Ablehnung mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU,
SPD und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen DIE
LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

IV. Beratungsverlauf im federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau-
cherschutz hat die Vorlage auf Drucksache 16/11919 in sei-
ner 102. Sitzung am 22. April 2009 abschließend beraten.

Die Fraktion der CDU/CSU stellte fest, man müsse bei der
sog. grünen Gentechnik – wie bei anderen innovativen
Technologien – Entscheidungen auf wissenschaftlicher Ba-
sis treffen. Ansonsten werde man der damit verbundenen
Verantwortung nicht gerecht und könne Chancen und Risi-
ken dieser Technologie nicht objektiv und klar erkennen.
Emotionale, ideologische oder wahltaktische Gesichtspunk-
te dürften bei dieser Thematik nicht in den Vordergrund ge-
stellt werden. Zu betonen sei, dass im Rahmen einer kürz-
lich stattgefundenen Fachkonferenz, bei der u. a. der erste
europäische Langzeitversuch der Bayerischen Landesanstalt
für Landwirtschaft und der Technischen Universität Mün-
chen vorgestellt worden wäre, sämtliche diesbezügliche Fra-
gen minutiös und wissenschaftlich beantwortet worden wä-
ren. Auch enthielten sämtliche Studien keine Hinweise zu
den im Antrag zitierten Risiken. Spreche man weiter von Ri-
siken und nicht ausreichenden wissenschaftlichen Erkennt-
nissen als Basis für Entscheidungen, ignoriere man den
Sachstand. Daher plädiere man für eine klare wissenschaft-
liche Kompetenz in Form der EFSA in Verbindung mit allen

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/12841

Erkenntnissen deutscher Ressorts und wissenschaftlicher
Einrichtungen.

Die Fraktion der SPD stellte u. a. mit Blick auf die Ausfüh-
rungen der Fraktion der CDU/CSU fest, dass im Ausschuss
beim Thema Wissenschaftlichkeit mit zweierlei Maß gemes-
sen werde. Die grüne Gentechnik sei nach wie vor eine Risi-
kotechnologie. Ungeklärt sei etwa, welche Gefahren sich
möglicherweise in gentechnisch veränderten Lebensmitteln
befänden oder welche Auswirkungen gentechnisch verän-
dertes Saatgut auf die Natur habe. Wichtig sei, das Vorsorge-
prinzip und nicht das geforderte Laisser-faire-Prinzip zur
Anwendung kommen zu lassen. Insofern halte man die Ent-
scheidung der zuständigen Bundesministerin hinsichtlich
des weiteren Umgangs mit MON810 für richtig.

Die Fraktion der FDP führte aus, man sei ebenfalls der
Auffassung, dass die Diskussion in Deutschland über die
Entscheidung einer Züchtungsmethode nicht rational geführt
werde. Die Haltung der antragstellenden Fraktion sei sehr
widersprüchlich. Zum einen beklage sie das Monopol von
Monsanto und zum anderen wende sie sich gegen die Zulas-
sung von Sorten anderer Unternehmen. Ferner gebe es nach
ihrer Kenntnis keinen Beleg dafür, dass im tatsächlichen An-
bau Nichtzielorganismen wirklich betroffen seien. Mit Blick
auf das in Rede stehende Anbauverbot sei festzustellen, dass
der nicht überzeugende Bescheid des Bundesamtes für Ver-
braucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) für den
Erlass eines Anbauverbots nicht ausreiche. Das Anbauver-
bot sei eine politische Entscheidung, die nur fachlich ver-
brämt werde. Zudem sei es nicht akzeptabel, dass das BVL
in seinen Bescheiden die steuerfinanzierte Forschungstätig-
keit des Bundesministeriums für Bildung und Forschung
unberücksichtigt lasse. Man wolle Forschungsfreiheit und
Zuwendung zu dieser Technologie. Der diesbezügliche Wi-
derstand der bayrischen Bevölkerung könne nicht zu einem
bundesweiten Anbauverbot führen. Dies sei nicht akzepta-
bel. Das im vorliegenden Antrag aufgezeigte Demokratie-
verständnis sei bemerkenswert. Nach dem Grundgesetz hät-
ten Abgeordnete nach ihrem Gewissen und nicht nach
Umfragen von Allensbach zu entscheiden. Daher lehne man
den Antrag ab.

Die Fraktion DIE LINKE. stellte fest, Wissenschaft könne
auch selektiv und einseitig wahrgenommen werden. Daher
sollte zumindest registriert werden, dass es auch andere ernst
zu nehmende, wissenschaftlich fundierte Studien gebe, auf

die sich warnende Stimmen bezögen. Vor diesem Hinter-
grund werde der in Rede stehende Versuch in Bayern kritisch
gesehen. Festzustellen sei ferner, dass das Zulassungsverfah-
ren dem Vorsorgeprinzip nicht wirklich vollständig folge
und nicht der geforderten Unabhängigkeit und Transparenz
genüge. Zudem gebe es eine ganze Reihe von Imageproble-
men auch für die Landwirtschaft. Als Ausschuss stehe man
in der Verantwortung, das Image der Landwirtschaft als Pro-
duzent von lebensnotwendigen und gesunden Nahrungsmit-
teln unter ökologisch, umwelt und sozial verantwortbaren
Bedingungen mitzubegleiten und hierfür politische Rahmen-
bedingungen zu setzen. Dem widerspreche eine Zulassung
von gentechnisch veränderten Organismen (GVOs), die zu-
mindest nach wie vor zahlreiche Fragen offen ließen. Vor
diesem Hintergrund begrüße man die Entscheidung der zu-
ständigen Bundesministerin, auch wenn erheblicher politi-
scher Druck notwendig gewesen wäre.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zeigte sich er-
freut über die Entscheidung der Bundesministerin für Ernäh-
rung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, wonach jeder
Anbau und weitere Saatgutverkauf von Mais der Linie
MON810 unzulässig sei. Hervorzuheben sei, dass diese Ent-
scheidung aufgrund des von verschiedenen Akteuren, etwa
Landwirten oder Verbrauchern, ausgeübten Drucks getroffen
worden wäre. Dennoch sei der vorliegende Antrag noch
nicht erledigt. Gefordert werde u. a., dass sich die Bundesre-
gierung gegen die EU-Anbauzulassung der gentechnisch
veränderten Maislinien Bt11 des Unternehmens Syngenta
und Bt1507 des Unternehmens Pioneer stelle. Hierfür müss-
ten die im Zusammenhang mit MON810 formulierten Argu-
mente ebenfalls gelten. Ein entsprechendes Abstimmungs-
verhalten werde erwartet. Zudem würden Forschungsmittel
für die Sicherheitsforschung und nicht für Neuentwicklun-
gen benötigt. Der bisherige Nutzen des Einsatzes transgenen
Saatguts sei etwa in Entwicklungs- und Schwellenländern in
Bezug auf das Spektrum der Pflanzenarten, -sorten und -ei-
genschaften begrenzt. Auch sei die Datenlage zu den sozio-
ökonomischen Effekten nach wie vor schwach. Selbst auf
nationaler Ebene fehle eine abschließende Bewertung der
bisherigen betriebs- und volkswirtschaftlichen Effekte.

Der Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Ver-
braucherschutz empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen
der CDU/CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen der
Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,
den Antrag auf Drucksache 16/11919 abzulehnen.

Berlin, den 22. April 2009

Dr. Max Lehmer
Berichterstatter

Elvira Drobinski-Weiß
Berichterstatterin

Dr. Christel Happach-Kasan
Berichterstatterin

Dr. Kirsten Tackmann
Berichterstatterin

Ulrike Höfken
Berichterstatterin

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