BT-Drucksache 16/12798

Verglasungseinrichtung Karlsruhe und Rückbau der Wiederaufarbeitungsanlage Karlsruhe

Vom 23. April 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/12798
16. Wahlperiode 23. 04. 2009

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl, Hans-Josef Fell, Bärbel Höhn, Cornelia
Behm, Bettina Herlitzius, Peter Hettlich, Ulrike Höfken, Dr. Anton Hofreiter,
Nicole Maisch und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Verglasungseinrichtung Karlsruhe und Rückbau
der Wiederaufarbeitungsanlage Karlsruhe

In der Wiederaufarbeitungsanlage Karlsruhe (WAK) befinden sich rund 60 m3

hochradioaktiver Flüssigabfall (High Active Waste Concentrate, HAWC), die
aus der Betriebszeit der WAK stammen und seit einigen Jahren in Tanks
lagern. Das hochradioaktive und stark saure Konzentrat wird permanent
gekühlt und in Zirkulation gehalten, um eine atomare Kettenreaktion und die
Freisetzung von Radioaktivität und hochgiftigen Stoffen zu vermeiden. Am
24. Februar 2009 erteilte das baden-württembergische Umweltministerium die
zweite Teilbetriebsgenehmigung für die Verglasungseinrichtung Karlsruhe
(VEK). Damit kann der Flüssigabfall in der VEK in Glas eingeschmolzen und
verfestigt werden. Der Verglasungsbetrieb wird voraussichtlich von Mitte 2009
bis Ende 2010 dauern.1 Der verfestigte Abfall soll in das Zwischenlager Nord
bei Greifswald gebracht werden, hierfür sind voraussichtlich fünf Castor-Be-
hälter erforderlich.2

Bis dato kam es zu mehreren Verzögerungen beim Rückbau der WAK, die
Inbetriebnahme der Verglasungseinrichtung war ursprünglich für das Jahr 2006
vorgesehen. Die Verglasung des hochradioaktiven Flüssigabfalls stellt für die
Bundesrepublik Deutschland in der großtechnischen praktischen Anwendung
technisches Neuland dar. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass der
Verglasungsbetrieb länger dauert als geplant. Weitere Herausforderungen beim
Rückbau sind die Sedimentierung explosiver und toxischer Teilchen in den
Lagertanks und die Tanks selbst. Nach Ende der Verglasung werden sie unter
anderem aufgrund ihrer Größe zum Problemmüll, ihre Entsorgung ist nicht
trivial.

Die WAK-Gesamtprojektkosten liegen bei geschätzten 2,63 Mrd. Euro, hiervon
rund 2,2 Mrd. Euro für Verglasung und Rückbau. Den Großteil der Kosten trägt
der Bund. Die für die Verglasung und den Rückbau zuständige WAK GmbH ist
seit Anfang 2006 eine Tochter der bundeseigenen Energiewerke Nord (EWN)
und wird durch die öffentliche Hand finanziert. Die angespannte Haushaltslage
und die geschätzten Gesamtkosten von 2,63 Mrd. Euro lassen einen gewissen

Spardruck befürchten. Es besteht die Gefahr, dass Sicherheitsabstriche gemacht
werden könnten, um Kosten gering zu halten bzw. zu senken.

1 Stand 9. Februar 2009, vgl. Landtag von Baden-Württemberg, Drucksache 14/3983.
2 Vgl. Stellungnahme der Entsorgungskommission (ESK) zur 2. VEK-Teilbetriebsgenehmigung.

Drucksache 16/12798 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

Beschaffenheit des hochradioaktiven Flüssigabfalls

1. Wie setzt sich das HAWC zusammen (bitte tabellarische Übersicht mit Art
und Menge der radioaktiven und nichtradioaktiven Bestandteile)?

2. In wie vielen Tanks lagert das HAWC, und welche Strahlungsdosiswerte
sowie Radioaktivitätswerte aus Probenahmen wurden in den einzelnen
Tanks seit Lagerungsbeginn jährlich gemessen?

3. Auf welcher Temperatur wird das HAWC gehalten und weshalb?

4. Was würde im Falle eines Totalversagens der Kühlung, inklusive der redun-
danten Komponenten, passieren?

5. Weshalb wird der HAWC kontinuierlich in Zirkulation gehalten, und wie
wird dies technisch bewerkstelligt?

6. Wie viel Energie ist jährlich notwendig, um das HAWC zu kühlen und,
getrennt davon ausgewiesen, um das HAWC zu rühren (Gesamtenergieauf-
wand inklusive redundanter Komponenten etc.)?

7. Wie viel Energie wurde insgesamt seit Beginn der Lagerung bis heute zur
HAWC-Kühlung und -Zirkulation aufgewandt (Gesamtenergieaufwand)?

8. Welcher Energieaufwand für die HAWC-Lagerung war seit Beginn bis
heute insgesamt nötig, und mit welchem Energieaufwand rechnet die Bun-
desregierung für den gesamten Verglasungsprozess?

9. Gibt es Störfallanalysen für den WAK-Rückbau, und welche Szenarien be-
trachten sie im Wesentlichen?

10. Gibt es Störfallanalysen speziell für die Verglasung, und welche Szenarien
betrachten sie im Wesentlichen?

11. Wo können Bürgerinnen und Bürger diese Störfallanalysen einsehen?

In welchen Akten welcher Bundesministerien und nachgeordneten Stellen
finden sie sich?

Zwischenlagerung/Transportbereitstellung

12. Kann die Bundesregierung bestätigen, dass für den Transport des verglasten
Abfalls nach Greifswald voraussichtlich fünf Castoren notwendig sind oder
gibt es andere Planungen?

13. Ist geplant, jeden einzeln zum Zwischenlager Nord zu transportieren oder
alle zusammen?

14. Wie lange steht der erste Behälter dort voraussichtlich mindestens, und mit
welchen Wartezeiten rechnet die Bundesregierung für die anderen Behäl-
ter?

15. Welche Maßnahmen sind bei der Lagerung der beladenen Behälter im For-
schungszentrum Karlsruhe (FZK) vorgesehen, um die Strahlungswerte der
wartenden Behälter zu überwachen?

16. Wie ist beabsichtigt, in der Stahlbetonumhausung den Dichtigkeitsnach-
weis für die wartenden Behälter zu führen?

17. Welche Maßnahmen sind vorgesehen, falls einer der wartenden Behälter in
der Stahlbetonumhausung undicht würde?

18. Werden die Behälter wie andernorts mit zwei Dichtdeckeln gelagert, und
wenn nein, warum nicht?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/12798

19. Falls kein Zwei-Deckel-System für die Behälter vorgesehen ist, welchen
zusätzlichen Aufwand würde ein solches System bedeuten,

a) baulich,

b) technisch,

c) personell und

d) finanziell?

20. Welche Kosten entstehen durch die Lagerung der Behälter im FZK, für die
Transporte, für die Zwischenlagerung im Zwischenlager Nord (ZLN) und
für die spätere Endlagerung?

Problem HAWC-Behälter

21. Welche Maße haben die Tanks, und aus welchen Werkstoffen bestehen sie?

22. Sind die Tanks und ihre Einbauten durch die Strahlung aktiviert, und wie
sind gegebenenfalls die Aktivitätswerte in den einzelnen Komponenten?

23. Existieren – wie in Lagertanks üblich – Sedimente, und wie ist ihre stoffli-
che Zusammensetzung sowie ihr Aktivitätsinventar?

24. Stellen die Sedimente ein Problem beim Rückbau dar?

25. Welches Vorgehen ist bezüglich der Sedimente geplant?

26. Welche Chemikalien sollen zu Sedimentlösung und zur Reinigung der
Tanks eingesetzt werden?

27. Welche Stoffe werden bei der Tankreinigung anfallen, und was soll mit
ihnen geschehen?

28. Welche konkreten Schritte und Maßnahmen sind für die Tankentsorgung
vorgesehen, und welche zeitliche Planung?

29. Auf welchen Erfahrungswerten basiert die Planung der Tankentsorgung?

30. Welche Kosten werden für die Entsorgung der Tanks vom Zeitpunkt ihrer
Entleerung bis einschließlich ihrer Endlagerung erwartet?

Berlin, den 23. April 2009

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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