BT-Drucksache 16/12773

Polizei- und Zolleinsätze im Ausland

Vom 22. April 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/12773
16. Wahlperiode 22. 04. 2009

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Wolfgang Gehrcke, Heike Hänsel, Inge Höger,
Jan Korte, Kersten Naumann, Petra Pau, Paul Schäfer (Köln) und der Fraktion
DIE LINKE.

Polizei- und Zolleinsätze im Ausland

Auslandseinsätze von Polizeibeamtinnen und -beamten entwickeln sich immer
mehr zu einem Mittel deutscher und EU-Außenpolitik. Die Militärdoktrin der
Europäischen Union, die sogenannte Europäische Sicherheitsstrategie, sieht
ausdrücklich den kombinierten Einsatz militärischer und ziviler (d. h. auch
polizeilicher) Mittel vor, um „einen besonderen Mehrwert“ zu erzielen.

Diese Entwicklung ist aus mehreren Gründen besorgniserregend.

So leistet sie der Vermischung von polizeilichen und militärischen Zuständig-
keiten Vorschub. Die Grenzen zwischen Polizei und Militär drohen zu ver-
schwimmen. Das gilt umso mehr, als gerade bei Einsätzen in Kriegs- und Kri-
sengebieten, Polizisten immer wieder in lebensbedrohliche Situationen
kommen. Diese dienen dann wiederum als Legitimation für eine Aufrüstung der
Polizei, bis hin zu Überlegungen, schwerbewaffnete Einheiten der Bundespoli-
zei speziell für Auslandseinsätze aufzustellen.

Hinzu kommt, dass für polizeiliche Auslandseinsätze keinerlei parlamentarische
Zustimmung erforderlich ist. Je nach Rechtsgrundlage ist noch nicht einmal die
Information des Deutschen Bundestages vorgeschrieben. Damit wird ein wich-
tiger Bereich der Außenpolitik der parlamentarischen Kontrolle entzogen. Be-
denklich ist dies vor allem wegen der gerade bei Einsätzen in Kriegs- und Kri-
sengebieten stets vorhandenen Eskalationsgefahr.

Ähnliches gilt für Einsätze von Zollbeamtinnen und -beamten. Auch für ihre
Entsendung ins Ausland ist keine Zustimmung des Deutschen Bundestages er-
forderlich.

Mit einigem Unverständnis bewerten die Fragesteller die Tatsache, dass die
Bundesregierung auf die bisherigen einschlägigen Anfragen der Fraktion DIE
LINKE. keine Angaben zu sicherheitsrelevanten Vorfälle machen konnte oder
wollte, denen deutsche Polizeibeamte in ihren Missionen ausgesetzt waren.
Nach Ansicht der Fraktion DIE LINKE. gehört die Erfassung solcher Vorfälle
zur Sorgfaltspflicht der Bundesregierung.
Wir fragen die Bundesregierung:

1. An welchen bi- und multilateralen Missionen sind derzeit deutsche Polizis-
tinnen und Polizisten (bitte aufgliedern nach Bundesländern, Zugehörigkeit zu
Bundespolizei/Bundeskriminalamt (BKA)) sowie Zollbeamtinnen und -be-
amte beteiligt?

Drucksache 16/12773 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

a) Welche rechtliche Grundlage hat die Mission, wer ist Missionsträger bzw.
wer hat gegebenenfalls das Mandat erteilt, welche Mandatsobergrenze ist
vorgesehen, und welche tatsächliche Gesamtstärke hat die Mission derzeit?

b) Welchen Auftrag haben die Polizistinnen und Polizisten sowie Zollbeam-
tinnen und -beamten?

c) Wann wird die Mission voraussichtlich beendet sein?

2. Wie viele deutsche Polizistinnen und Polizisten (bitte aufgliedern nach Bun-
desländern, Zugehörigkeit zu Bundespolizei/BKA) bzw. Zollbeamtinnen und
-beamte sind dabei jeweils eingesetzt?

a) Welche konkreten Aufgaben verrichten sie dort (bitte jeweils die einzel-
nen Personalzahlen angeben)?

b) An welchen Orten sind sie eingesetzt?

c) In welchen Stäben, Einrichtungen und Stellen sind sie tätig (bitte jeweils
die einzelnen Personalzahlen angeben)?

d) Wie bewertet die Bundesregierung die Relation von Mandatsobergrenze,
derzeitigem tatsächlichem Gesamtumfang und dem Umfang der deut-
schen Beteiligung?

e) Inwieweit beabsichtigt die Bundesregierung eine Veränderung hinsicht-
lich der Art und/oder des Umfangs der deutschen Beteiligung, und bis
wann soll diese umgesetzt sein (bitte gegebenenfalls konkrete Angaben
und Zahlen zu den einzelnen Missionen geben)?

3. Welche Kosten für die Missionen sind für das kommende Jahr veranschlagt,
und aus welchen Haushaltstiteln werden diese bestritten (bitte aufgeschlüs-
selt nach den einzelnen Missionen)?

4. Wie viele Verbindungsbeamtinnen und -beamte des BKA halten sich derzeit
in welchen Ländern auf (bitte jeweils die Einsatzländer und -orte sowie die
zugehörige Zahl von Beamtinnen/Beamten angeben)?

5. Wie viele deutsche Polizeibeamte werden derzeit im Ausland als

a) Dokumentenberaterinnen/-berater,

b) Sicherheitsbeamtinnen/-beamte,

c) grenzpolizeiliche Verbindungsbeamtinnen/-beamte,

d) Unterstützungskräfte sowie Beraterinnen/Berater in Fragen der Grenz-
sicherheit eingesetzt (bitte jeweils, d. h. zu jedem Unterpunkt, Einsatzland
und -ort sowie die Zahl der eingesetzten Polizeibeamtinnen/-beamten
nennen und angeben, ob sie vom BKA, der Bundespolizei oder einer Län-
derpolizei gestellt werden)?

6. Wie viele deutsche Polizeibeamtinnen/-beamte wurden bislang in diesem
Jahr im Rahmen der „Europäischen Agentur für die operative Zusammen-
arbeit an den Außengrenzen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union“
(FRONTEX) eingesetzt?

a) als Dokumentenberaterinnen/-berater im Rahmen welcher Operationen
und an welchen Standorten,

b) als Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter in der Warschauer Zentrale (bitte mit der
jeweiligen Funktion auflisten),

c) als Teilnehmerinnen/Teilnehmer von Operationen zur Überwachung und
Kontrolle der Außengrenzen, die deutsches Gerät aus der FRONTEX-
„tool box“ bedienen (bitte mit Einsatzstandort und jeweiligem Tätig-

keitsprofil),

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/12773

d) als Mitglied der „Rapid Border Intervention Teams“ (RABIT),

e) und welche Melde- und Berichtswege zwischen diesen Beamtinnen/Be-
amten und deren deutscher Führungsstelle bestehen für die einzelnen
operativen Bereiche?

7. Wie viele deutsche Polizeibeamtinnen/-beamte werden zum gegenwärtigen
Zeitpunkt im Rahmen der FRONTEX eingesetzt?

a) als Dokumentenberaterinnen/-berater im Rahmen welcher Operationen
und an welchen Standorten,

b) als Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter in der Warschauer Zentrale (bitte mit
der jeweiligen Funktion auflisten),

c) als Teilnehmerinnen/Teilnehmer von Operationen zur Überwachung und
Kontrolle der Außengrenzen, die deutsches Gerät aus der FRONTEX-
„tool box“ bedienen (bitte mit Einsatzstandort und jeweiligem Tätig-
keitsprofil),

d) als Mitglied der RABIT?

8. Welche Informationen liegen der Bundesregierung vor bezüglich sicher-
heitsrelevanter Vorfälle, in die deutsche Polizistinnen und Polizisten sowie
Zollbeamtinnen und -beamten bislang in diesem Jahr involviert bzw. denen
sie ausgesetzt waren?

9. Wie bewertet die Bundesregierung die politische und militärische Gefähr-
dungslage in den jeweiligen Einsatzgebieten?

10. Welche mittlerweile abgeschlossenen Ausbildungsmaßnahmen für auslän-
dische Sicherheitskräfte haben deutsche Polizeibeamtinnen und -beamte
seit Beantwortung der letzten diesbezüglichen Anfrage (Bundestagsdruck-
sache 16/10252) begonnen bzw. an welchen waren sie beteiligt?

a) Wie lauteten die Bezeichnungen der Maßnahmen, und wo fanden sie statt?

b) Was waren die Ziele der Maßnahmen, wann haben sie begonnen, und
wann wurden sie beendet?

c) Wie vielen und welchen ausländischen Sicherheitskräften wurde welche
Art der Ausbildung gewährt?

d) Worin bestanden die Aufgaben und Tätigkeiten der deutschen Polizei-
beamtinnen und -beamten und in welchen Stäben, Einrichtungen und
sonstigen Stellen waren sie vertreten?

e) Wie viele deutsche Polizeibeamtinnen und -beamte waren jeweils an den
Maßnahmen beteiligt (bitte für die einzelnen Maßnahmen detailliert aus-
weisen)?

f) Welche Kosten entstanden der Bundesrepublik Deutschland für die Aus-
bildungsmaßnahmen, und aus welchen Haushaltstiteln wurden diese
bestritten?

11. Welche Ausbildungsmaßnahmen für ausländische Sicherheitskräfte führen
deutsche Polizeibeamtinnen und -beamte gegenwärtig durch bzw. an wel-
chen sind sie beteiligt?

a) Wie lautet die Bezeichnung der Maßnahmen und wo finden sie statt?

b) Was ist Ziel der Maßnahmen, wann haben sie begonnen, und bis wann
sind sie voraussichtlich beendet?

c) Wie vielen und welchen ausländischen Sicherheitskräften wird welche
Art der Ausbildung gewährt?

Drucksache 16/12773 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
d) Worin bestehen die Aufgaben und Tätigkeiten der deutschen Polizei-
beamtinnen und -beamten und in welchen Stäben, Einrichtungen und
sonstigen Stellen sind sie vertreten?

e) Wie viele deutsche Polizeibeamtinnen und -beamte sind jeweils an den
Maßnahmen beteiligt?

f) Welche Kosten entstehen dem Bund für die Ausbildungsmaßnahmen,
und aus welchen Haushaltstiteln werden diese bestritten?

12. Welche Ausbildungsmaßnahmen für ausländische Sicherheitskräfte sind für
die nächste Zukunft geplant, welche Kosten werden dem Bund dafür ent-
stehen, und aus welchen Haushaltstiteln sollen diese bestritten werden (bitte
nach dem Schema der vorangegangenen Frage beantworten)?

13. In welchem Rahmen sind außerdem noch deutsche Polizistinnen und
Polizisten bzw. Zollbeamtinnen und -beamte im Ausland eingesetzt, und
welche Tätigkeiten verrichten sie dort (bitte nach Einsatzländern und -orten
sowie Zugehörigkeit zu Bundesländern/BKA/Bundespolizei aufgliedern)?

Berlin, den 21. April 2009

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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