BT-Drucksache 16/12730

Tourismuskooperation und Jugendaustausch mit den neuen EU-Staaten fördern

Vom 22. April 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/12730
16. Wahlperiode 22. 04. 2009

Antrag
der Abgeordneten Klaus Brähmig, Jürgen Klimke, Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof),
Dorothee Bär, Wolfgang Börnsen (Bönstrup), Helmut Brandt, Cajus Caesar, Gitta
Connemann, Dr. Stephan Eisel, Dr. Hans Georg Faust, Ingrid Fischbach, Reinhard
Grindel, Monika Grütters, Uda Carmen Freia Heller, Christian Hirte, Hartmut
Koschyk, Ingbert Liebing, Marlene Mortler, Dr. Norbert Röttgen, Anita Schäfer
(Saalstadt), Wilhelm Josef Sebastian, Kurt Segner, Marco Wanderwitz, Volker
Kauder, Dr. Peter Ramsauer und der Fraktion der CDU/CSU
sowie der Abgeordneten Annette Faße, Renate Gradistanac, Siegmund Ehrmann,
Monika Griefahn, Gabriele Hiller-Ohm, Hans-Joachim Hacker, Bettina Hagedorn,
Dr. Reinhold Hemker, Brunhilde Irber, Dr. h. c. Susanne Kastner, Angelika Krüger-
Leißner, Ute Kumpf, Hilde Mattheis, Thomas Oppermann, Heinz Paula, Christoph
Pries, Steffen Reiche (Cottbus), Ludwig Stiegler, Jörg Tauss, Engelbert Wistuba,
Dr. Peter Struck und der Fraktion der SPD

Tourismuskooperation und Jugendaustausch mit den neuen EU-Staaten fördern

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Mit der EU-Osterweiterung ist das 40 Jahre lang geteilte Europa wieder eng
zusammengewachsen. Diese Entwicklung hat auch zu einer Intensivierung des
Reiseverkehrs geführt, die durch den Beitritt verschiedener ostmitteleuropäi-
scher Staaten zum Schengenraum noch gefördert wurde. Durch die teilweise er-
folgte beziehungsweise bevorstehende Einführung des Euros in diesen Staaten
wird der gegenseitige Reiseverkehr weiter wachsen. Für das Reiseland Deutsch-
land ergeben sich aus dieser Entwicklung neue Konkurrenzlagen, vor allem
aber auch große Chancen. Trotz der aktuellen Wirtschaftskrise hat das wirt-
schaftliche Wachstum der vergangenen Jahre diese Staaten als Quellmarkt für
den Deutschlandtourismus zunehmend interessant gemacht, weil das Interesse
am Reiseland Deutschland dort auch aufgrund der kurzen Wege, der Einkaufs-
möglichkeiten und des hohen Standards in Hotellerie und Gastronomie bereits
sehr ausgeprägt ist. Diese Bedeutung hat die Deutsche Zentrale für Tourismus
(DZT) bereits erkannt und Polen zu einem Schwerpunktland der deutschen
Auslandswerbung gemacht. Chancen ergeben sich jedoch nicht nur für

Deutschland als Destination, sondern auch für deutsche Reisebüros und Reise-
unternehmen, die sich auf den Wunsch vieler Deutscher einstellen, die neuen
EU-Staaten kennenzulernen und zu bereisen.

Eine große Bedeutung für die Entwicklung der Reiseströme hat auch der Aus-
bau der europäischen Verkehrswege. So kann der Bau von Autobahnen und
Hochgeschwindigkeitsbahnstrecken die Reisezeiten zwischen Deutschland und
den neuen EU-Mitgliedstaaten deutlich verkürzen. Trotz großer Investitionen in

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die Verkehrsinfrastruktur besteht hier noch Verbesserungspotenzial. Bei der na-
tionalen Verkehrswegeplanung sollte die Bundesregierung die Belange des
Tourismus noch stärker berücksichtigen und sich bei der EU dafür einsetzen,
dass dies auf europäischer Ebene gleichfalls geschieht.

Eine weitere Chance betrifft das Thema der Tourismuskooperationen, die sich
vor allem mit den deutschen Nachbarländern Polen und Tschechien anbietet,
weil hier grenzübergreifende Destinationen bestehen bzw. entwickelt und ge-
meinsam vermarktet werden können. Beispiele dafür sind die Sächsische bzw.
Böhmische Schweiz, das Erzgebirge, der Böhmerwald bzw. der Bayerische
Wald, das Oder- und Neißetal, die „Via Regia“, der Muskauer Park sowie die
Städte Frankfurt (Oder)/Slubice und Görlitz/Zgorzelec.

Es liegt im Interesse Deutschlands und der Länder Bayern, Sachsen, Branden-
burg und Mecklenburg-Vorpommern, grenzübergreifende Kooperationen im
Tourismusbereich zu fördern und Marketingmittel zu bündeln, um gemeinsam
eine größere Außenwirkung zu erzielen. Vor diesem Hintergrund hat der Aus-
schuss für Tourismus des Deutschen Bundestages die Erfahrungen von grenz-
übergreifenden Tourismuskooperationen am 23. April 2008 in einer Anhörung
thematisiert und zusammengetragen. Diese Dokumentation ist für alle Regio-
nen hilfreich, die grenzüberschreitend kooperieren wollen. Als Ergebnis der
Anhörung ist festzuhalten, dass die EU-Förderrichtlinien an die Bedürfnisse
grenzübergreifender Kooperationen besser angepasst werden sollten. Zudem
wäre es wünschenswert, wenn die Bundesregierung als sog. Türöffner bei der
Suche nach Ansprechpartnern jenseits der Grenze fungieren und bei auftreten-
den Hindernissen unterstützend tätig werden könnte.

Kooperationen beschränken sich jedoch nicht nur auf die lokalen Grenzregio-
nen, sondern sie sind eine Herausforderung für Schulen, Berufsschulen, Uni-
versitäten aber auch für Städte, Regionen und gesellschaftliche Gruppen. Die
grenzüberschreitende Zusammenarbeit durch die Bildung von Partnerschaften
bringt die deutsche Bevölkerung mit den Menschen aus den neuen EU-Staaten
zusammen, fördert das Verständnis, das Zusammenwachsen Europas und – nicht
zuletzt – den Tourismus. Auf dem Gebiet der Hochschul- und Ausbildungspart-
nerschaften bilden gerade touristische Ausbildungsgänge durch die Flexibilität
der Azubis und Studenten und die Internationalität der Ausbildungswege
erhebliche Chancen für Partnerschaften, von denen beide Seiten profitieren.
Sowohl bei deutschen als auch bei osteuropäischen Hochschulen gibt es großes
Interesse an solchen Partnerschaften. Die Bundesregierung sollte hier Hilfestel-
lung leisten und gegebenenfalls interessierte Partner zueinander bringen. Wei-
tere Unterstützung könnte die Bundesregierung durch Informationen über die
EU-Fördermöglichkeiten für solche Partnerschaften leisten.

Der Jugendaustausch dient dem Kennenlernen und der Völkerverständigung,
weil er längere und intensivere Begegnungen und ein tieferes Verständnis er-
möglicht. Eine grenzübergreifende Zusammenarbeit im Bereich der Jugend-
politik ist auch für Deutschland als Wirtschafts- und Tourismusstandort bedeut-
sam, weil die deutsche Wirtschaft von guten Kontakten mit den neuen EU-
Staaten profitiert und Jugendliche aus diesen Staaten, die im Rahmen eines
Austausches Deutschland besuchen und kennenlernen, eine positive Beziehung
zu unserem Land aufbauen und später häufig als Touristen wiederkehren.

Die positiven Auswirkungen des Jugendaustausches belegt auch eindrucksvoll
eine Studie über Langzeitwirkungen der Teilnahme an internationalen Jugend-
bewegungen auf die Persönlichkeitsentwicklung der Teilnehmerinnen und Teil-
nehmer, die unter der Federführung der Bundesvereinigung Kulturelle Kinder-
und Jugendbildung mit mehreren Partnern über einen Zeitraum von zwei-
einhalb Jahren durchgeführt und am 6. und 7. Juli 2005 veröffentlicht wurde.

Finanziert wurde die Studie von der Stiftung Deutsche Jugendmarke e. V.
Durch diese wissenschaftliche Grundlagenstudie, die von Forschern der Uni-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/12730

versität Regensburg durchgeführt wurde, wird ausdrücklich bestätigt, dass auch
internationale Kurzzeitbegegnungen jugendlichen Teilnehmern die vielfältigs-
ten Erfahrungen vermitteln und sehr viel Neues in deren Lebensweg dadurch
angestoßen werden können.

Die Untersuchung belegt eindeutig, dass sich der Jugendaustausch positiv auf
die Entwicklung der Teilnehmenden auswirkt. Dies zeigt sich unter anderem in
der Stärkung von Selbstvertrauen und Selbstsicherheit, insbesondere mit frem-
den Kulturen; eine größere Offenheit, Flexibilität und Gelassenheit; Vertiefung
der Fremdsprachenkenntnisse; Förderung der interkulturellen Identitätsbildung
sowie der Stärkung sozialer Kompetenzen. Für viele Jugendliche waren die Er-
fahrungen sogar ein Anstoß für ein bürgerschaftliches Engagement, bei anderen
Jugendlichen hatte die Teilnahme Einfluss auf die spätere Berufs- und Studien-
wahl. 71 Prozent der befragten Jugendlichen bewerten die gemachten Erfahrun-
gen für sich als „wichtig“ oder „sehr wichtig“. Auch zeigt die Studie, dass inter-
nationale Jugendbegegnungen Plattformen für zwangloses interkulturelles
Lernen sind. Sie tragen dazu bei, dass Jugendliche weltoffen sind und es ihnen
leichter fällt, Menschen mit Migrationshintergrund in unsere Gesellschaft zu
integrieren. Dies stärkt unsere Zivilgesellschaft und beugt Extremismus vor.
Internationale Begegnungen ermutigen Jugendliche, sich zu engagieren und
gemeinsame Anliegen über nationale Grenzen hinweg zu entdecken. Sie ver-
mitteln Jugendlichen demokratische Handlungskompetenzen und ermutigen
diese zur Partizipation an politischen und gesellschaftlichen Entscheidungspro-
zessen. Besonders bedeutsam für eine nachhaltig positive Wirkung ist dabei der
Jugendaustausch über einen längeren Zeitraum.

Gerade mit den neuen EU-Staaten Polen und Tschechien, die an Deutschland
grenzen und bezüglich denen es besonders gilt, Vorurteile und Ressentiments
auszuräumen und gemeinsame Kontakte als europäische Partner zu intensivie-
ren, kommt dem Jugendaustausch besondere Bedeutung zu. Verstärkt werden
sollte der Jugendaustausch auch mit den Staaten Südosteuropas, die derzeit
noch nicht der EU angehören, wie Kroatien, Serbien, Kosovo, Albanien, Maze-
donien, Montenegro und Bosnien und Herzegowina. Hier besteht dringender
Bedarf an weiteren Angeboten, die das Zusammenwachsen eines gemeinsamen
Europas unterstützen würden.

Das Jahr 2007 war das „Europäische Jahr der Chancengleichheit für alle“. Ziel
der von der Europäischen Kommission ausgerufenen Initiative war es, Diskri-
minierungen wirksam zu bekämpfen, die Vielfalt als positiven Wert zu vermit-
teln und Chancengleichheit für alle zu fördern. Für benachteiligte Jugendliche,
hierzu zählen auch Jugendliche mit Behinderung, bedeutet Chancengleichheit
auch die Möglichkeit der uneingeschränkten und barrierefreien Teilhabe an
Jugendreisen. Zur Förderung der Integration wäre es wünschenswert, im Be-
reich des internationalen Jugendaustausches verstärkt auf Treffen behinderter
und nicht behinderter Jugendlicher zu achten.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. sich bei der EU für eine Wettbewerbsgleichheit der Rahmenbedingungen für
Tourismusunternehmen einzusetzen;

2. die Chancen, die sich aus dem Zusammenwachsen mit den neuen EU-Staa-
ten ergeben, zu nutzen, um hier noch stärker das Reiseland Deutschland über
die Deutsche Zentrale für Tourismus zu vermarkten;

3. gemeinsame Tourismuskooperationen zwischen Deutschland und den neuen
EU-Staaten im Rahmen der bestehenden Institutionen nach Kräften zu unter-
stützen sowie bei der Vermittlung von Ansprechpartnern bei den ausländi-

schen Partnern und bei der Lösung eventueller Probleme behilflich zu sein;

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4. die Erfahrungen aus der Anhörung des Ausschusses für Tourismus des
Deutschen Bundestages zu grenzübergreifenden Partnerschaften den Bun-
desländern zur Verfügung zu stellen, damit diese Erfahrungen zukünftige
grenzübergreifende Kooperationen erleichtern;

5. sich bei der EU dafür einzusetzen, dass die Förderprogramme der EU stär-
ker den Bedürfnissen grenzübergreifender Kooperation angepasst werden.
Maßgeblich für die Änderungen sollten die Ergebnisse der entsprechenden
Anhörung des Ausschusses für Tourismus des Deutschen Bundestages
sein;

6. gemeinsam mit den Ländern nach Wegen zu suchen, Berufsschul- und
Hochschulkooperationen sowie grenzüberschreitende Ausbildungsgänge
für touristische Berufsbilder mit Hoch- und Berufsschulen aus den neuen
EU-Staaten verstärkt anzuregen und zu unterstützen;

7. auf nationaler und europäischer Ebene weiterhin für leistungsfähige Ver-
kehrsverbindungen zwischen Deutschland und den neuen EU-Staaten ein-
zutreten;

8. den Jugendaustausch zwischen Deutschland und den neuen EU-Mitglied-
staaten weiter zu fördern und Bestrebungen zur Bildung oder Intensivie-
rung von Partnerschaften zwischen Schulen, Unternehmen, Universitäten,
Vereinen und Interessengruppen zu unterstützen;

9. die nationalen Austauschprogramme mit den neuen EU-Staaten kontinu-
ierlich weiterzuentwickeln sowie zusätzlich neue Austauschprogramme
mit den noch nicht zur EU gehörenden Staaten Südosteuropas (Kroatien,
Serbien, Mazedonien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Albanien,
Montenegro) zu initiieren;

10. innerhalb der bestehenden Förderung von Jugendaustauschprogrammen
einen zusätzlichen Akzent auf Langzeitprogramme zu legen und zu diesem
Zweck die Einführung eines einjährigen Austauschprogramms nach dem
Vorbild des Parlamentarischen Patenschaftsprogramms (PPP) mit den
Staaten Ost- und Südosteuropas zu prüfen;

11. die bereits bestehende Förderung des Jugendaustausches mit den neuen
EU-Mitgliedstaaten weiterhin angemessen mit finanziellen Mitteln auszu-
statten;

12. darauf hinzuwirken, dass die staatlich geförderten Austauschprogramme,
auch die der anderen Träger der freien Jugendhilfe, in Deutschland und in
den neuen EU-Staaten bekannter gemacht werden und die Zukunftspers-
pektiven, die sich aus Aufenthalten für deutsche Jugendliche dort ergeben,
offensiv anzusprechen;

13. gegenüber deutschen Unternehmen, die in stärkerem Maße in den neuen
EU-Staaten engagiert sind, anzuregen, dass sie den beiderseitigen Jugend-
austausch durch die Gewährung von Praktikumsplätzen verstärkt unterstüt-
zen;

14. sich dafür einzusetzen, dass sich die Anzahl der Freiwilligen in gesetzlich
geregelten grenzüberschreitenden Freiwilligendiensten erhöht und das frei-
willige Jahr und die Freiwilligendienste ausgebaut werden;

15. weiterhin gemeinsame, grenzüberschreitende Projekte für die Zusammen-
arbeit von Jugendlichen zu fördern;

16. grenzübergreifende Sportveranstaltungen, den Austausch von Sportlern im
Rahmen von Trainingslagern sowie die Herstellung von Kontakten zwi-
schen Sportvereinen weiterhin zu unterstützen;

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17. bei den Ländern darauf hinzuwirken, dass die Bedeutung von Besuchen
der Gedenkstätten für die Opfer des Nationalsozialismus in Polen, Tsche-
chien und anderen Staaten durch deutsche Schulen und Jugendgruppen
noch stärker unterstützt wird;

18. sich bei den Ländern für die grundsätzliche Anerkennungsmöglichkeit von
Auslandsschuljahren einzusetzen;

19. gegenüber den Ländern, auch über die direkt an die Staatsgrenze zu Polen
und Tschechien grenzenden Länder hinaus, anzuregen, dass die Angebote
zum Erlernen der polnischen bzw. tschechischen Sprache an Schulen und
Universitäten gefördert werden;

20. die Wissenschaftskooperationen zwischen Deutschland und den neuen EU-
Staaten weiter zu fördern;

21. den mit der Einführung des Programms für lebenslanges Lernen im Jahr
2007 erfolgten Ausbau der EU-Förderung der Programme LEONARDO
DA VINCI, ERASMUS, COMENIUS und GRUNDTVIG sowie das
EU-Programm Jugend in Aktion an Schulen, Berufsbildungseinrichtungen,
Hochschulen und Erwachsenenbildungseinrichtungen bekannt zu machen.

Berlin, den 22. April 2009

Volker Kauder, Dr. Peter Ramsauer und Fraktion
Dr. Peter Struck und Fraktion

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