BT-Drucksache 16/12692

Manipulierte Strompreise - Verbraucherinteressen wahren

Vom 22. April 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/12692
16. Wahlperiode 22. 04. 2009

Antrag
der Abgeordneten Bärbel Höhn, Nicole Maisch, Ulrike Höfken, Cornelia Behm,
Hans-Josef Fell, Kai Gehring, Bettina Herlitzius, Winfried Hermann, Peter Hettlich,
Dr. Anton Hofreiter, Sylvia Kotting-Uhl, Undine Kurth (Quedlinburg) und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Manipulierte Strompreise – Verbraucherinteressen wahren

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Deutsche Kartellbehörden haben die Pflicht, Manipulationen von Stromhandels-
preisen zu untersuchen und die entstandenen Vorteile abzuschöpfen. Sofern eine
Vielzahl von Verbraucherinnen und Verbrauchern betroffen ist, sollte die Vor-
teilsabschöpfung neben Branchenverbänden zukünftig auch den Verbraucher-
verbänden ermöglicht werden.

Das wettbewerbsrechtliche Ermittlungsverfahren der EU-Kommission gegen
die Preisbildungspolitik deutscher Stromunternehmen hat bedenkliche Mani-
pulationsmöglichkeiten wie die Kapazitätszurückhaltung und die Beeinflussung
der Regelenergiemärkte zu Tage gefördert. So heißt es in der offiziellen Ent-
scheidung der EU-Kommission zum Abschluss des Verfahrens gegen E.ON, das
Mitte Februar 2009 veröffentlicht wurde, es „bestehe Grund zu der Annahme,
dass zwischen 2002 und 2007 verfügbare Erzeugungskapazität über hunderte
von Stunden, das heißt wiederholt und andauernd über mehrere Jahre, zurück-
gehalten worden sein könnte (…), um damit einen Anstieg der Strompreise zum
Nachteil der Verbraucher zu bewirken“. Durch eine gezielte Verknappung des
Angebots an der Strombörse in Leipzig wurde der Preis in die Höhe getrieben.
Ein nicht unwesentlicher Teil der Preissprünge für die Megawattstunde von
20 Euro in 2002 auf über 60 Euro im Jahr 2007 dürfte aus diesen und ähnlichen
Verstößen von Deutschlands Stromkonzernen gegen das Kartell- und Börsen-
recht resultieren. Experten taxieren die Mehreinnahmen der vier großen Strom-
produzenten durch die Manipulationen auf viele Milliarden Euro, die Verbrau-
cherinnen und Verbrauchern und Unternehmen über die Jahre zu viel gezahlten
haben.

Die EU-Kommission hat das Verfahren gegen E.ON leider gegen einen Ver-
gleich eingestellt. E.ON muss sein Übertragungsnetz verkaufen und deutsche
Kraftwerke mit einer Leistung von 4 000 Megawatt an andere Unternehmen ab-

geben. Die EU-Kommission wollte einen langwierigen Rechtsstreit mit E.ON
über ein entsprechend hohes Bußgeld vermeiden und stattdessen strukturelle
Weichen für die Zukunft stellen. Die Verbraucher und Unternehmen in Deutsch-
land haben nur wenig von diesem Vergleich. Auch weil er für die Zukunft nur
marginal mehr Wettbewerb bringt und damit kaum sinkende Preise.

Drucksache 16/12692 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
Der Vergleich der EU-Kommission im Verfahren gegen E.ON lässt zudem
wesentliche Verbraucherinteressen außer Acht und enthebt die deutschen
Kartellbehörden nicht der Pflicht, eine eigene kartellrechtliche Überprüfung
einzuleiten. Auch die bisher entstandenen Schäden für Verbraucherinnen und
Verbraucher sowie Unternehmen in Deutschland müssen angemessen ausge-
glichen werden.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

– die genaue Schadensumme, die durch Manipulation an der Strombörse in
Leipzig entstanden ist, zu beziffern – auch für bilaterale Lieferverträge, die
den Preis an der Börse als Referenz nutzen,

– Beweismittel der EU-Kommission insbesondere gegen E.ON für die Ein-
leitung eines nationalen kartellrechtlichen Verfahrens gemäß § 29 des Geset-
zes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) zu nutzen,

– den Verbraucherverbänden die Möglichkeit zur Vorteilsabschöpfung gemäß
§ 34a GWB einzuräumen,

– im Rahmen einer Vorteilsabschöpfung gemäß § 34 GWB gegen E.ON auch
für eine Prüfung zu sorgen, inwiefern zu viel gezahlte Strompreise bei
Liegenschaften des Bundes zurückgefordert werden können,

– Maßnahmen zur Stärkung der Börsenaufsicht zu entwickeln und umzusetzen,

– die Bemühungen der EU-Kommission zur Einführung von kollektiven Rechts-
durchsetzungsverfahren für Verbraucherinnen und Verbraucher bei Schaden-
ersatzklagen wegen Verletzung des EG-Wettbewerbsrechts (KOM(2008) 794)
proaktiv zu unterstützen.

Berlin, den 22. April 2009

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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