BT-Drucksache 16/1264

Ursachen der Zunahme der Anzahl der Bedarfsgemeinschaften nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch

Vom 20. April 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/1264
16. Wahlperiode 20. 04. 2006

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Katja Kipping, Dr. Martina Bunge, Diana Golze,
Inge Höger-Neuling und der Fraktion DIE LINKE.

Ursachen der Zunahme der Anzahl der Bedarfsgemeinschaften
nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch

Die Anzahl der Bedarfsgemeinschaften nach dem Zweiten Buch Sozialgesetz-
buch (SGB II) ist in den letzten Monaten ständig angestiegen. Es werden unter-
schiedliche Ursachen und Vermutungen für diesen Anstieg in der Öffentlichkeit
diskutiert, so z. B. niedrige Erwerbseinkommen, niedrige Arbeitslosengeld-
bezüge nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III), Übergänge von
Erwerbslosen oder Menschen mit geringem Einkommen vom SGB III in den
Leistungsbezug nach SGB II, das Verschieben von nicht Erwerbsfähigen aus
dem Bereich des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) in den Bereich
des SGB II seitens der Kommunen, eine bestimmte Anzahl von eheähnlichen
Partnerschaften, die aber gesonderte Bedarfsgemeinschaften bilden, eine be-
stimmte Anzahl von Menschen, die wegen fehlender Arbeitsbereitschaft oder
wegen ausreichender Einkommen nicht leistungsberechtigt sind und dennoch
Leistungen beziehen. Bereits mit dem Änderungsgesetz zum SGB II sollen Ein-
sparungen durch die Unterbindung der Bildung eigener Bedarfsgemeinschaften
junger Menschen zwischen 18 und 25 Jahren erfolgen. Das von der Bundesre-
gierung angekündigte Optimierungsgesetz des SGB II zielt darauf ab, weitere
Einsparungen im Bereich des SGB II zu erreichen. Dies soll auch durch die
Minimierung der Anzahl der Bedarfsgemeinschaften infolge einer erneuten
Neufassung bzw. einer verschärften Überprüfung der Anspruchsberechtigung
nach dem SGB II erfolgen. In der Koalitionsvereinbarung zwischen CDU, CSU
und SPD wurden bereits solche Veränderungen benannt, z. B. die Beurteilung
der Erwerbsfähigkeit durch die Krankenkassen, die Überprüfung der Definition
und die Umkehrung der Beweislast bei eheähnlichen Partnerschaften, die ver-
schärfte Überprüfung der Arbeitswilligkeit vom Beginn der Antragstellung auf
Leistungen nach dem SGB II an, die gesetzliche Verpflichtung der Beziehenden
von Leistungen nach dem SGB II zur Teilnahme an Telefonabfragen über die
aktuelle Lebenssituation.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie entwickelte sich die Anzahl der Bedarfsgemeinschaften in der Bundes-

republik Deutschland und in den einzelnen Bundesländern seit dem 1. Januar
2005 bis zum 30. April 2006 (Monatsangaben, Bund und einzelne Bundes-
länder getrennt)?

2. a) Was sind nach Auffassung der Bundesregierung die Ursachen des Anstei-
gens der Anzahl der Bedarfsgemeinschaften in diesem Zeitraum?

b) Wie gewichtet die Bundesregierung die unterschiedlichen Ursachen?

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3. Wie viele Bedarfsgemeinschaften sind monatlich seit Februar 2005 (bis zum
April 2006) durch den Übergang von Erwerbslosen aus dem Bezug von
Arbeitslosengeld nach dem SGB III zum Bezug der Grundsicherung nach
dem SGB II zu der bestehenden Anzahl der Bedarfsgemeinschaften hinzu-
gekommen (Bund und einzelne Länder getrennt aufführen)?

4. Wie viele Bedarfsgemeinschaften sind monatlich seit Februar 2005 (bis zum
April 2006) durch Erwerbslosigkeit ohne vorherigen Bezug von Arbeits-
losengeld nach dem SGB III zu der bestehenden Anzahl der Bedarfsgemein-
schaften hinzugekommen (Bund und einzelne Länder getrennt aufführen)?

5. Wie viele Bedarfsgemeinschaften sind monatlich seit Februar 2005 (bis zum
April 2006) durch den ergänzenden Anspruch von Erwerbslosen bzw. von
Menschen mit geringem Einkommen auf die Grundsicherung für Arbeit-
suchende nach dem SGB II, die aber gleichzeitig Anspruch auf Arbeits-
losengeld nach dem SGB III haben, zu der bestehenden Anzahl der Bedarfs-
gemeinschaften hinzugekommen (Bund und einzelne Länder getrennt
aufführen)?

6. Wie viele Bedarfsgemeinschaften sind monatlich seit Februar 2005 (bis zum
April 2006) durch den ergänzenden Anspruch von Haushalten mit geringem
Erwerbseinkommen auf die Grundsicherung nach dem SGB II zu der beste-
henden Anzahl der Bedarfsgemeinschaften hinzugekommen (Bund und ein-
zelne Länder getrennt aufführen)?

7. In wie vielen Fällen gibt es Überschneidungen der bisher genannten Ursa-
chen für den Anstieg der Anzahl der Bedarfsgemeinschaften?

8. a) Wie viele potenzielle Bedarfsgemeinschaften, die zwar einen Anspruch
auf finanzielle Leistungen nach dem SGB II (Regelleistungen, Kosten
der Unterkunft und Heizung, Mehrbedarfe bitte getrennt) hätten, diesen
Anspruch aus verschiedenen Gründen überhaupt nicht realisieren,
schätzt die Bundesregierung (Angaben bezogen auf einen Monat)?

b) Durch welche empirischen Grundlagen werden diese Schätzungen unter-
setzt?

9. Welche Ursachen hat nach Auffassung der Bundesregierung die Nichtinan-
spruchnahme der o. g. finanziellen Leistungen nach dem SGB II?

10. Wie hoch beziffert die Bundesregierung die nicht verausgabten o. g. finan-
ziellen Leistungen aufgrund der Nichtinanspruchnahme zustehender Leis-
tungen insgesamt (Angaben bezogen auf einen Monat)?

11. Wie viele Bedarfsgemeinschaften realisieren nach Schätzung der Bundes-
regierung ihren Anspruch auf o. g. finanzielle Leistungen nach dem SGB II
nur teilweise (Angaben bezogen auf einen Monat)?

12. Welche Ursachen hat nach Auffassung der Bundesregierung die teilweise
Nichtinanspruchnahme von o. g. Leistungen nach dem SGB II durch die be-
stehenden Bedarfsgemeinschaften?

13. Wie hoch beziffert die Bundesregierung die nicht verausgabten o. g. finan-
ziellen Leistungen aufgrund nur teilweiser Inanspruchnahme zustehender
Leistungen durch bestehende Bedarfsgemeinschaften (Angaben bezogen
auf einen Monat)?

14. a) Wie viele Bedarfsgemeinschaften sind nach Vermutung der Bundes-
regierung im derzeitigen Bestand der Bedarfsgemeinschaften nach dem
SGB II, die aufgrund der angenommenen Nichterwerbsfähigkeit des An-
tragstellers auf die Sozialleistungen in den Bereich des SGB XII gehören
(Angaben bezogen auf einen Monat)?

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b) Kann die Vermutung durch die Bundesregierung durch konkrete Fakten
untermauert werden, und wenn ja, durch welche?

15. a) Wie viele Bedarfsgemeinschaften sind nach Vermutung der Bundes-
regierung im derzeitigen Bestand der Bedarfsgemeinschaften nach dem
SGB II, die aufgrund der angenommenen eheähnlichen Partnerschaft
keinen eigenständigen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II hätten
(Angaben bezogen auf einen Monat)?

b) Kann die Vermutung durch die Bundesregierung durch konkrete Fakten
untermauert werden, und wenn ja, durch welche?

16. a) Wie viele Bedarfsgemeinschaften sind nach Vermutung der Bundes-
regierung im derzeitigen Bestand der Bedarfsgemeinschaften nach dem
SGB II, die aufgrund der angenommenen nicht vorhandenen Arbeitswil-
ligkeit der erwerbsfähigen Leistungsbeziehenden keinen Anspruch auf
Leistungen nach dem SGB II hätten (Angaben bezogen auf einen Monat)?

b) Kann die Vermutung durch die Bundesregierung durch konkrete Fakten
untermauert werden, und wenn ja, durch welche?

17. a) Wie viele Bedarfsgemeinschaften sind nach Vermutung der Bundes-
regierung im derzeitigen Bestand der Bedarfsgemeinschaften nach dem
SGB II, die aufgrund der angenommenen höheren als bei der Antragstel-
lung angegebenen Einkommen keinen oder einen geringeren Anspruch
auf Leistungen nach dem SGB II hätten (Angaben bezogen auf einen
Monat)?

b) Kann die Vermutung durch die Bundesregierung durch konkrete Fakten
untermauert werden, und wenn ja, durch welche?

Berlin, den 20. April 2006

Katja Kipping
Dr. Martina Bunge
Diana Golze
Inge Höger-Neuling
Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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