BT-Drucksache 16/12311

zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Heinrich L. Kolb, Dr. Karl Addicks, Christian Ahrendt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP -16/8542- Flexibler Eintritt in die Rente bei Wegfall der Zuverdienstgrenzen

Vom 18. März 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/12311
16. Wahlperiode 18. 03. 2009

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Heinrich L. Kolb, Dr. Karl Addicks,
Christian Ahrendt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
– Drucksache 16/8542 –

Flexibler Eintritt in die Rente bei Wegfall der Zuverdienstgrenzen

A. Problem

Die antragstellende Fraktion verweist darauf, dass die Rentenbezugsdauer mit
der steigenden Lebenserwartung zunimmt. Diese Entwicklung führe zu steigen-
den Rentenbeiträgen. Die Anhebung des gesetzlichen Renteneintrittsalters auf
67 Jahre verkürze zwar die Rentenbezugsdauer, führe aber zu unterschiedlichen
Jahrgangsbelastungen. Zudem könnten oder wollten viele Menschen derzeit
nicht bis zum 67. Lebensjahr arbeiten. Aktuell seien nur 45 Prozent der über
55-Jährigen erwerbstätig. Darüber hinaus schränken aus Sicht der Antragsteller
verkrustete Strukturen die Chancen älterer Menschen am Arbeitsmarkt ein.

B. Lösung

Der Deutsche Bundestag soll nach dem Willen der Antragsteller die Bundes-
regierung auffordern, einen Gesetzentwurf mit folgenden Regelungen vorzule-
gen:

1. Für alle Versicherten werde die Möglichkeit eines flexiblen Rentenzugangs
ab dem 60. Lebensjahr geschaffen. Voraussetzung für den flexiblen Renten-
zugang sei, dass die Summe der Altersversorgungsansprüche des Versicher-
ten ab dem Renteneintritt über dem Grundsicherungsniveau liege.

2. Die Grenzen für Zuverdienst neben dem Rentenbezug ab 60 Jahren werden
aufgehoben.

3. Unter besonderen Voraussetzungen seien für den Zuverdienst neben dem
Rentenbezug Beiträge zur Sozialversicherung zu zahlen.

4. Die Rentenhöhe der Versicherten solle sich aus den erworbenen Entgeltpunk-
ten, dem aktuellen Rentenwert und einem individuellen Zugangsfaktor er-
rechnen.

Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD,
DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der
Fraktion der FDP

Drucksache 16/12311 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

C. Alternativen

Annahme des Antrags.

D. Kosten

Kosten wurden nicht ermittelt.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/12311

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag auf Drucksache 16/8542 abzulehnen.

Berlin, den 18. März 2009

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales

Gerald Weiß (Groß-Gerau) Anton Schaaf
Vorsitzender Berichterstatter

Drucksache 16/12311 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Bericht des Abgeordneten Anton Schaaf

I. Überweisung und Voten der mitberatenden
Ausschüsse

1. Überweisung

Der Antrag auf Drucksache 16/8542 ist in der 172. Sitzung
des Deutschen Bundestages am 26. Juni 2008 an den Aus-
schuss für Arbeit und Soziales zur federführenden Beratung
und an den Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Ju-
gend zur Mitberatung überwiesen worden.

2. Voten der mitberatenden Ausschüsse

Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
hat den Antrag auf Drucksache 16/8542 in seiner Sitzung am
18. März 2009 beraten und mit den Stimmen der Fraktionen
CDU/CSU, SPD, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktion der FDP dem
Deutschen Bundestag die Ablehnung empfohlen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage

Die antragstellende Fraktion will die Voraussetzungen dafür
schaffen, dass ältere Menschen länger am Erwerbsleben teil-
nehmen können und wollen. Dies soll mit der Möglichkeit
eines flexibleren Rentenzugangs ab dem 60. Lebensjahr ge-
schehen, bei dem zugleich alle Zuverdienstgrenzen wegfal-
len. Ein solches Rentenrecht werde den Bedürfnissen der
Versicherten nach individueller und abgesicherter Lebensge-
staltung im Alter einerseits und den Finanzierungsproble-
men der Deutschen Rentenversicherung aufgrund steigender
Lebenserwartung andererseits gerecht.

Hintergrund dieser Überlegungen ist, dass die Rentenbe-
zugsdauer mit steigender Lebenserwartung zunimmt. Diese
aus Sicht der Rentenbezieher positive Entwicklung belaste
die Rentenversicherung finanziell und führe zu steigenden
Beiträgen. Die Anhebung des gesetzlichen Renteneintrittsal-
ters auf 67 Jahre verkürze zwar die Rentenbezugsdauer, füh-
re aber zu unterschiedlichen Jahrgangsbelastungen. Zudem
könnten oder wollten viele Menschen derzeit nicht bis zum
67. Lebensjahr arbeiten. Aktuell seien nur 45 Prozent der
über 55-Jährigen erwerbstätig. Darüber hinaus schränken
aus Sicht der Antragsteller verkrustete Strukturen die Chan-
cen älterer Menschen am Arbeitsmarkt ein.

Ein System des flexiblen Übergangs in die Rente könne mit
folgenden Maßnahmen erreicht werden: Die Versicherten in
der Rentenversicherung sollen – ab dem 60. Lebensjahr –
den Zeitpunkt ihres Renteneintritts selbst bestimmen kön-
nen. Voraussetzung dafür sei, dass die Summe ihrer Alters-
versorgungsansprüche ab dem Zeitpunkt des Renteneintritts
über dem Grundsicherungsniveau liege. Ein Gesetzentwurf
der Bundesregierung soll nach dem Willen der Antragsteller
darüber hinaus berücksichtigen, dass vom Zuverdienst unter
bestimmten Voraussetzungen Sozialversicherungsbeiträge
zu entrichten sind.

III. Beratung im federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat in seiner
118. Sitzung am 18. März 2009 den Antrag auf Drucksache

16/8542 beraten und mit den Stimmen der Fraktionen CDU/
CSU, SPD, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
gegen die Stimmen der Fraktion der FDP dem Deutschen
Bundestag die Ablehnung empfohlen.

Die Fraktion der CDU/CSU kritisierte, dass der Vorschlag
der FDP nur für Menschen mit hohen Einkommen attraktiv
sei. Nur wer mit sehr hohem Zusatzeinkommen und Leistun-
gen aus zusätzlicher Vorsorge während des vorgezogenen
Rentenbezuges rechnen könne, werde diesen Weg wählen
können. Andere Bürger könnten sich dies schlicht und ein-
fach nicht leisten. Grundsätzlich müsse ein vorzeitiger Ren-
teneintritt mit Grenzen für den Zuverdienst verbunden blei-
ben. Ansonsten entstünden Ungerechtigkeiten. Außerdem
würde der Vorschlag der Fraktion der FDP zu mehr Bürokra-
tie und zu noch komplizierteren Rentenberechnungen füh-
ren. Alles in allem sei diese Lösung den Bürgern nicht er-
klärbar. Die Fraktion der CDU/CSU werde den Antrag
deshalb ablehnen.

Die Fraktion der SPD lehnte den Antrag als Frühverren-
tungsprogramm für Besserverdienende ab. Während sehr gut
Verdienende mit Aussichten auf lukrativen Zuverdienst dann
bereits mit 60 Jahren ohne Nachteile in Rente gehen könn-
ten, stehe Schwerarbeiterinnen/-arbeitern dieser Weg nur mit
hohen Abschlägen offen. Es bestehe außerdem die Gefahr,
dass 60-Jährige in die Frührente gedrängt werden könnten,
auch wenn ihr Einkommen nur gerade eben über dem Grund-
sicherungsniveau liege. Sie seien dann aber trotzdem arm.
Schon jetzt sehe das Gesetz den flexiblen Renteneintritt zwi-
schen 63 und 65 Jahren vor. Der Antrag der Fraktion der
FDP bedeute für den einzelnen Arbeitnehmer zusätzlich er-
heblich mehr individuelle Risiken.

Die Fraktion der FDP begründete ihren Antrag mit dem
Ziel, künftig mehr Menschen als heute länger in Beschäfti-
gung zu halten. Mit der Altersteilzeit habe das bislang nicht
funktioniert. Am besten sei dieses Ziel auf der Basis einer
freien Entscheidung des Einzelnen zu erreichen. Da das Mo-
dell der Fraktion der FDP an die Voraussetzung geknüpft sei,
dass die Bedarfsgemeinschaft nach dem Renteneintritt ein
Einkommen über Grundsicherungsniveau behalte, entstün-
den dem Staat keine zusätzlichen Ausgaben. Zur Sicherung
des Lebensstandards werde ein Zuverdienst zur Rente ohne-
hin für mehr Bürger als heute notwendig sein. Branchenbe-
zogen seien ergänzende Fondslösungen als Ausgleich für
Abschläge auch im Facharbeiterbereich denkbar. Die Frak-
tion der FDP werbe um Zustimmung.

Die Fraktion DIE LINKE. stellte fest, dass viele Menschen
die von der Fraktion der FDP propagierten Entscheidungsal-
ternativen über ihren Renteneintritt gar nicht hätten. Sie
könnten wegen ihres niedrigen Einkommens nicht eher auf-
hören zu arbeiten. Profitieren könnten von den angestrebten
Änderungen vorwiegend gutsituierte Akademiker, die aber
keineswegs etwa wegen körperlicher Beschwerden auf einen
früheren Rentenbeginn angewiesen wären wie beispielswei-
se Schwerarbeiter. Mit diesem Modell würde der Staat folg-
lich diejenigen fördern, die das nicht brauchten. Das lehne
die Fraktion DIE LINKE. ab.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/12311

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN kritisierte,
dass eine Verkäuferin mit Mindestlohn rund 50 Jahre
arbeiten müsste, um die Voraussetzungen für dieses Renten-
modell zu erfüllen. Die Fraktion der FDP fördere mit ihrem
Vorschlag allein den frühen Renteneintritt für Gutsituierte
zulasten derjenigen, die nach einem schweren Berufsleben
ausgebrannt und körperlich geschwächt seien. Auch für die
meisten Frauen käme es nicht in Frage. Außerdem würden in
Zukunft wegen der demographischen Entwicklung alle
Menschen auf dem Arbeitsmarkt und für das Renten-
versicherungssystem gebraucht. Der Vorschlag der Fraktion
der FDP sei unsolidarisch. Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN lehne ihn daher ab.

Berlin, den 18. März 2009

Anton Schaaf
Berichterstatter

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.