BT-Drucksache 16/12306

UN-Dekade "Bildung für nachhaltige Entwicklung" konsequent umsetzen

Vom 18. März 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/12306
16. Wahlperiode 18. 03. 2009

Antrag
der Abgeordneten Cornelia Hirsch, Dr. Petra Sitte, Volker Schneider (Saarbrücken)
und der Fraktion der DIE LINKE.

UN-Dekade „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ konsequent umsetzen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag begrüßt,

1. dass Deutschland vom 31. März bis zum 2. April 2009 Gastgeber der
UNESCO-Weltkonferenz (UNESCO: United Nations Educational, Scientific
and Cultural Organization) „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ ist, die
zur Halbzeit der UN-Dekade stattfindet. Eine nachhaltige Entwicklung setzt
einen sozial-ökologischen Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft voraus.
Die UNESCO-Weltkonferenz bietet die Gelegenheit zu einem internationa-
len Austausch über die Frage, welchen Beitrag die Bildungssysteme hierzu
leisten können sowie über konkrete bildungspolitische Ziele und Strategien;

2. dass in Deutschland unter dem Dach der UN-Dekade „Bildung für nachhal-
tige Entwicklung“ bereits etwa 800 Teilprojekte ins Leben gerufen wurden,
in denen viele Menschen engagiert an bildungspolitischen Reformprojekten
in Kindertageseinrichtungen, Schulen, Hochschulen und in der Weiterbil-
dung arbeiten.

II. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

1. Nachhaltig ist nur: Gute Bildung für alle

Der Erfolg der UN-Dekade „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ in
Deutschland hängt nicht zuletzt davon ab, inwieweit es gelingt, über die
Schaffung von einzelnen Dekadeprojekten hinaus bildungspolitische Refor-
men systematisch in der Breite zu verankern. Es muss das zentrale Ziel der
zweiten Hälfte der UN-Dekade sein, dass die bisherigen Erfahrungen in
flächendeckende bildungspolitische Veränderungen münden. Nur so ist eine
nachhaltige Reform des Bildungssystems erreichbar.

2. Gute Bildung braucht bessere Rahmenbedingungen

Damit die Bildungseinrichtungen die Ansprüche erfüllen können, die mit
der UN-Dekade „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ verbunden sind,
brauchen sie deutlich verbesserte Rahmenbedingungen. Hierzu gehört ein
flächendeckender Ausbau der Kindertagesbetreuung. Die Schulen müssen
zu Ganztagsschulen ausgebaut werden, welche für forschendes Lernen so-
wie für soziale und ökologische Projekte Raum bieten. Bund und Länder
müssen gewährleisten, dass genug Lehrerinnen und Lehrer ausgebildet wer-
den, und dass es umfassende Möglichkeiten der Fortbildung gibt, um sich
mit neuen Lehr-/Lernmethoden und mit den Grundlagen einer sozial, ökono-
misch und ökologisch nachhaltigen Entwicklung auseinanderzusetzen. Die
Erwachsenenbildungsförderung muss ausgebaut werden, damit alle Men-
schen die Möglichkeit haben, sich auch nach der Erstausbildung kontinuier-

Drucksache 16/12306 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
lich weiter zu qualifizieren. Die öffentlichen Ausgaben für die Bildung müs-
sen deutlich gesteigert werden.

3. Demokratische und soziale Entwicklung muss erlebbar sein

„Bildung für nachhaltige Entwicklung“ will die Lebenswelt der Menschen
verändern. Ihr Erfolg hängt nicht zuletzt davon ab, welche gesellschaftlichen
Veränderungen tatsächlich möglich sind, inwieweit die gesellschaftlichen
Rahmenbedingungen Anreize für nachhaltiges Handeln schaffen und ob
Lerninhalte mit der Realität in Einklang zu bringen und erlebbar sind. Bil-
dung für eine soziale Entwicklung kann letztlich nur dann erfolgreich sein,
wenn sie in einem Bildungssystem Platz findet, welches sich selbst an sozia-
lem Ausgleich orientiert und Benachteiligungen nachhaltig entgegenwirkt.
Die Vermittlung demokratischer Bildung hängt in hohem Maße davon ab, ob
den Lernenden auch in ihrem Alltag umfassende Möglichkeiten der demo-
kratischen Beteiligung begegnen. „Bildung für nachhaltige Entwicklung“
lässt sich folglich nur im Zusammenhang mit weiteren Reformen des Bil-
dungssystems realisieren.

III. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. gemeinsam mit den Ländern eine verbindliche Erhöhung der öffentlichen
Bildungsausgaben auf mindestens 7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu
vereinbaren,

2. jedem Kind ab dem ersten Lebensjahr einen Rechtsanspruch auf einen ganz-
tägigen und elternbeitragsfreien Betreuungsplatz in einer Kindertagesein-
richtung einzuräumen und Länder und Kommunen beim Ausbau der Kinder-
tagesbetreuung finanziell zu unterstützen,

3. gemeinsam mit den Ländern Initiativen zur Überwindung des gegliederten
Schulsystems zu ergreifen mit dem Ziel, Gemeinschaftsschulen einzuführen,
in denen alle Kinder und Jugendlichen bestmöglich gefördert werden,

4. dafür Sorge zu tragen, dass inklusive Angebote für Menschen mit Behinde-
rung Vorrang haben und das durch Gesetzesbeschluss des Deutschen Bundes-
tages vom 4. Dezember 2008 in innerstaatliches Recht überführte Überein-
kommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behin-
derungen konsequent umgesetzt wird,

5. Bildung als Gemeinschaftsaufgabe von Bund und Ländern zu verankern und
so schnell wie möglich ein zweites Ganztagsschulprogramm auf den Weg zu
bringen mit dem Ziel, die Schulen flächendeckend zu Ganztagsschulen aus-
zubauen,

6. die Mitbestimmung der Lernenden und Eltern in den Bildungseinrichtungen
zu stärken, bundesweite Vertretungen von Schülerinnen und Schülern sowie
von Studierenden anzuerkennen und rechtlich abzusichern und insbesondere
Schulen und Hochschulen zu partizipatorisch mitgestalteten Lebensräumen
umzugestalten,

7. gemeinsam mit den Ländern dafür Sorge zu tragen, dass genug Lehrerinnen
und Lehrer ausgebildet werden, eine Reform der Aus- und Fortbildung von
Lehrerinnen und Lehrern voranzutreiben, die auf interdisziplinäres und pro-
blemorientiertes Lernen sowie auf kooperative Lernformen orientiert ist und
eine Anhebung der Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern auf Hoch-
schulniveau voranzutreiben.

Berlin, den 17. März 2009

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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