BT-Drucksache 16/12284

Programm "Stadtumbau Ost" - Fortsetzung eines Erfolgsprogramms

Vom 18. März 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/12284
16. Wahlperiode 18. 03. 2009

Antrag
der Abgeordneten Volkmar Uwe Vogel, Dirk Fischer (Hamburg), Dr. Klaus W.
Lippold, Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof), Georg Brunnhuber, Renate Blank,
Wolfgang Börnsen (Bönstrup), Hubert Deittert, Enak Ferlemann, Peter Götz,
Bernd Heynemann, Klaus Hofbauer, Norbert Königshofen, Jens Koeppen,
Hartmut Koschyk, Dr. Norbert Röttgen, Dr. Andreas Scheuer, Ingo Schmitt
(Berlin), Wilhelm-Josef Sebastian, Gero Storjohann, Gerhard Wächter, Volker
Kauder, Dr. Peter Ramsauer und der Fraktion der CDU/CSU
sowie der Abgeordneten Ernst Kranz, Petra Weis, Sören Bartol, Uwe Beckmeyer,
Christian Carstensen, Annette Faße, Rainer Fornahl, Hans-Joachim Hacker,
Ute Kumpf, Thomas Oppermann, Heinz Paula, Steffen Reiche (Cottbus), Rita
Schwarzelühr-Sutter, Dr. Margrit Spielmann, Jörg Vogelsänger, Dr. Margrit Wetzel,
Andrea Wicklein, Heidi Wright, Dr. Peter Struck und der Fraktion der SPD

Programm „Stadtumbau Ost“ – Fortsetzung eines Erfolgsprogramms

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Evaluierung bekräftigt, dass sich das Programm „Stadtumbau Ost“ in der
Praxis bewährt hat. Das Deutsche Institut für Urbanistik GmbH (Difu) und das
IfS Institut für Stadtforschung und Strukturpolitik GmbH haben das Programm
im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
(BMVBS) bewertet. Parallel dazu hat das BMVBS eine 26-köpfige Lenkungs-
gruppe mit Vertretern von Bund, Ländern, Gemeinden, Kommunalen Spitzen-
verbänden, der Wohnungswirtschaft, der KfW Bankengruppe, der Wissen-
schaft, des Städtebaulichen Denkmalschutzes, der Verbände, der Wirtschaft,
der kommunalen Wohnungsunternehmen sowie Mieterorganisationen einge-
setzt. Im Juni 2008 wurden die Ergebnisse vorgestellt.

Für den Programmzeitraum 2002 bis 2009 haben Bund, Länder und Kommu-
nen insgesamt 2,5 Mrd. Euro zur Verfügung gestellt, um dem in den ost-
deutschen Bundesländern spezifischen Wohnungsleerstand zu begegnen und
die kommunalen Wohnungsgesellschaften und Wohnungsgenossenschaften
wirtschaftlich wieder zu stabilisieren. Damit wurden Innenstädte und erhaltens-
werte Stadtquartiere in besonders von Schrumpfungsprozessen betroffenen

Städten aufgewertet. In der Regel werden die Mittel je zur Hälfte für den Rück-
bau von dauerhaft leer stehenden Wohnungen und für die weitere Aufwertung
von Stadtquartieren eingesetzt.

Bis Ende 2007 konnten rund 220 000 der 350 000 geplanten Wohnungen ab-
gerissen werden. 390 Kommunen mit mehr als 820 Stadtumbaugebieten haben
sich beteiligt. Ein Großteil der Kommunen in Ostdeutschland und damit auch

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die dort wohnenden Menschen haben somit schon vom Stadtumbauprogramm
profitiert.

Die anfänglich vorrangig wohnungswirtschaftliche Programmumsetzung
wurde im Sinne des integrierten Ansatzes der Stadtentwicklungskonzepte
weiterentwickelt. Die sichtbaren Veränderungen im Wohnumfeld von Rück-
baugebieten und die Aufwertungsmaßnahmen in den Innenstädten haben die
Lebensqualität in den ostdeutschen Städten insgesamt verbessert.

Das Programm „Stadtumbau Ost“ war von Beginn an als „lernendes Programm“
angelegt. So flossen die Erfahrungen in die jeweils nächste Verwaltungsverein-
barung, die zwischen Bund und Ländern jährlich ausgehandelt wurde, mit ein.
Damit wurde im Rahmen der Städtebauförderung ein gutes Instrument geschaf-
fen, um auf aktuelle Entwicklungen angemessen reagieren zu können.

Gutachter und Lenkungsgruppe haben den Erfolg des Programms „Stadtumbau
Ost“ hervorgehoben. Viele leer stehende Wohnungen, überwiegend in Platten-
baugebieten, konnten vom Markt genommen werden. Es ist jedoch aufgrund
der Neubautätigkeit und des sich fortsetzenden Bevölkerungsrückgangs neuer
Leerstand entstanden. Entsprechend der Bevölkerungsprognosen müssen im
Zeitraum 2010 bis 2016 mindestens weitere 200 000 bis 250 000 Wohnungen
abgerissen werden. Bei der Sanierung von innerstädtischen Altbauten wurde
ein noch erheblicher Nachholbedarf ermittelt, genauso bei der Anpassung der
sozialen Infrastruktur, bei der Aufwertung von städtischen öffentlichen Räu-
men, Grün- und Verkehrsflächen sowie der Stadtbildpflege. Gutachter und Len-
kungsgruppe empfehlen deshalb die Fortsetzung des Stadtumbauprogramms
Ost als eigenständiges Programm im Bereich der Städtebauförderung mindes-
tens bis zum Jahr 2016.

Auf Grundlage der vorliegenden Daten ist es sinnvoll, darüber hinaus ergän-
zende Programme bzw. Instrumentarien, die bisher schon dem Stadtumbau in
den neuen Ländern maßgeblich unterstützt haben, wieder aufzulegen bzw. neue
flankierende Maßnahmen auf den Weg zu bringen.

II. Der Deutsche Bundestag begrüßt, dass die Bundesregierung eine flexible
Handhabung des Förderinstruments „Stadtumbau Ost“ ermöglicht hat:

So mussten in einigen Ländern zunächst entgegen der ursprünglichen Absicht
mehr als die Hälfte der zur Verfügung stehenden Mittel für den Rückbau ein-
gesetzt werden. Das ging zwar vorübergehend zu Lasten der Aufwertung, war
aber aufgrund differenzierter Ausgangslagen sinnvoll.

Private Immobilienbesitzer können häufig die Mittel für eine Sanierung nicht
vollständig selbst aufbringen bzw. fehlt ein Anreiz für eine Sanierung. Anderer-
seits sind die Kommunen aufgrund ihrer Finanzsituation häufig nicht in der
Lage, ihren vollen Eigenanteil an der Städtebauförderung für private Investitio-
nen einzusetzen. Damit das Stadtbild insgesamt darunter nicht leidet, wurde
2007 eine praktikable Lösung gefunden. In besonders begründeten Einzelfällen
kann daher der kommunale Eigenanteil auf mindestens 10 Prozent reduziert und
im Übrigen vom Investor übernommen werden.

Für sanierungsbedürftige innerstädtische Altbauten, die aus stadtplanerischen
und Denkmalschutzgründen nicht abgerissen werden sollten, wurde eine Sofort-
hilfe eingerichtet, indem 2005 und 2006 bis zu 3 Prozent, 2007 bis zu 5 Prozent
und seit 2008 bis zu 15 Prozent des Fördervolumens des Bundes jetzt auch für
Sicherungsmaßnahmen an Altbauten ohne kommunalen Eigenanteil verwendet
werden können. Damit wird der Altbau vor dem Zerfall gerettet und Zeit ge-
geben, um eine geeignete Lösung zu finden.
Als ein spezielles Problem hat sich der Rückbau von technischer Infrastruktur
gezeigt, weil Rohr- und Leitungsnetze stets auf eine bestimmte Anzahl von

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Nutzern ausgerichtet sind. Eine Nichtnutzung von Teilnetzen durch Leerstand
bzw. Abriss führt zu höherem Betriebsaufwand und bedeutet häufig einen An-
stieg der Betriebskosten für die verbliebenen Einwohner. Eine optimale Netz-
reduzierung erfordert also ein langfristiges Planungskonzept. Die technische
Infrastruktur ist auch besonders im Rahmen der klima- und energiepolitischen
Ziele von außerordentlicher Bedeutung. Genauso sind soziale Einrichtungen in
Rückbaugebieten häufig nicht mehr ausgelastet und müssen dem geänderten
Bedarf angepasst werden. Weil für die stadtumbaubedingte Anpassung der
sozialen und technischen Infrastruktur zusätzliche Kosten anfallen, sollte der
Bund über das Jahr 2009 hinaus Mittel für diesen Zweck bereitstellen, auch um
die Gebühren in einem bezahlbaren Rahmen zu halten.

Die Bundesregierung hat die Abrissfrist bei der Altschuldenhilfe verlängert.
Für die bereits genehmigten Anträge sollten die Gebäude ursprünglich bis Ende
2010 abgerissen werden. Diese Frist wird nun bis zum 31. Dezember 2013 ver-
längert, um den Unternehmen die erforderliche Zeit einzuräumen.

Mit Änderung der Altschuldenhilfeverordnung ist jetzt auch der Abriss von
solcher Wohnfläche in die Entlastung mit einbezogen worden, die nach dem für
die ursprüngliche Altschuldenhilfe maßgeblichen Stichtag, dem 1. Januar 1993,
erworben wurde. Dabei geht es vor allem um Fälle, in denen das kommunale
Wohnungsunternehmen im Interesse und im Auftrag der Stadt Immobilien
erworben hat, die entsprechend dem integrierten Stadtentwicklungskonzept
abzureißen sind, deren Eigentümer aber hierzu nicht bereit oder in der Lage
waren. Die Unternehmen erhalten somit mehr Flexibilität bei der Anpassung
ihrer Abrissplanungen an den Stadtumbaubedarf.

III. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. das Programm wie von der Lenkungsgruppe empfohlen als eigenständigen
Bereich der Städtebauförderung bis zum Jahr 2016 fortzuführen;

2. das Programm mit einem finanziellen Förderrahmen auszustatten, mit dem
die genannten Aufgaben des für notwendig erachteten Rückbaus von
Wohnungen, der Aufwertung von innerstädtischer Altbaustruktur sowie der
Pflege des Stadtbildes bewältigt werden können;

3. die bisherigen Ansätze zur Flexibilisierung des Programms zu verstärken,
um mit regionalspezifischen Vorgehensweisen auf die jeweilige örtliche
Situation eingehen zu können und eine bedarfsgerechte Quote für die einzel-
nen Städte und Kommunen weiter zu ermöglichen;

4. einen stärker problemorientierten Verteilungsschlüssel festzulegen. Neben
den bisherigen Kriterien Wohnungsbestand und Einwohner sind Indikatoren
zu verwenden, die die Bevölkerungsentwicklung in geeigneter Weise ab-
bilden. Dabei ist stets die gesamte regionale Entwicklung mit einzubeziehen.
Die Stadtumbauziele sind im Rahmen einer überörtlichen Kooperation ab-
zustimmen und in den Planungen verbindlich zu berücksichtigen;

5. einen geeigneten Weg zu finden, den immer noch großen Nachholbedarf
bei der Sanierung innerstädtischer Altbauquartiere zu bewältigen. Ziel muss
es sein, die Identität der Gesamtstadt aufzuwerten. Das erhöht nicht nur die
Standortqualität für die Bewohner, sondern gibt auch der Wirtschaft wich-
tige Impulse;

6. dafür Sorge zu tragen, dass die Fördermittel möglichst effizient eingesetzt
werden. Die Kommunen sind anzuhalten, ein gut durchdachtes Umbau-
management zu schaffen. Die „Transferstelle Stadtumbau Ost“ sollte dies
aufmerksam begleiten;

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7. die „Experimentierklausel“, die die Übernahme des kommunalen Anteils
durch Dritte erlaubt, dauerhaft in die Verwaltungsvereinbarung mit auf-
zunehmen. Neben den Wohnungsunternehmen sind die privaten Investoren
künftig in geeigneter Weise hier stärker mit einzubeziehen;

8. die Länder anzuhalten, die Mittel im Rahmen der Wohnungsbauförde-
rungsprogramme so einzusetzen, dass innerstädtisches Wohneigentum in
Neubau und Bestand sowie generationengemischte Stadtquartiere gefördert
werden und ergänzend zum Stadtumbau wirken;

9. die Verbindlichkeit der Stadtentwicklungskonzepte insgesamt weiter zu
stärken, um die Planungssicherheit für alle beteiligten Akteure, insbeson-
dere auch für die privaten Grundstückseigentümer und die Träger der Infra-
struktureinrichtungen, zu erhöhen. Hierzu müssen die integrierten Stadt-
entwicklungskonzepte unter Beachtung der dauerhaft weiter benötigten
Wohnungsbestände und der Entwicklung der Städte insgesamt weiter fort-
geschrieben werden;

10. aufbauend auf den integrierten Planungsansatz, der dem Stadtumbau zu-
grunde gelegt wurde, geeignete Beteiligungsverfahren zu finden, um zum
einen den Bürgerinnen und Bürgern die Rückbaumaßnahmen frühzeitig zu
erläutern und zum anderen die unterschiedlichen Bedürfnisse von Bewoh-
nern, Gewerbetreibenden, Händlern, u. a. im Rahmen des Stadtumbaus
stärker berücksichtigen zu können;

11. den Einsatz ergänzender Programme bzw. Instrumente als flankierende
Maßnahmen zum Stadtumbau Ost zu nutzen bzw. zu prüfen:

– ob eine neue Antragstellung ähnlich der Härtefallregelung nach § 6a der
Altschuldenhilfeverordnung für eine befristete Zeit erforderlich und
finanzierbar ist. Die Wohnungsunternehmen werden sich anderenfalls
ohne eine flankierende Altschuldenregelung nur noch sehr einge-
schränkt an der Marktbereinigung und damit am Stadtumbau beteiligen
können,

– in welchen Fällen die bereits in 2002 bis 2004 existierende erhöhte
Investitionszulage für Modernisierungsinvestitionen im Altbaubestand
den Nachholbedarf bei der Sanierung innerstädtischer Altbauquartiere
ergänzen kann. Um die erwünschten Effekte zu erzielen, sollte die Lauf-
zeit künftig länger sein,

– ob und wie Eigentümer und Investoren über die Möglichkeiten steuer-
licher Abzüge besser informiert werden könnten, zum Beispiel im Rah-
men der Einkommensteuer (§§ 7h, 7i, 10f, 11a, 11b EStG) für Bestands-
investitionen im Altbau,

– über den Rahmen des „Stadtumbaus Ost“ hinaus, zusammen mit den
Finanzministerien der Länder steuerliche Probleme der Versorgungs-
unternehmen zu lösen. So gelten Rückbaumaßnahmen an technischer
Infrastruktur nicht als sofort abzugsfähige Betriebsausgaben, es dürfen
keine Rückstellungen für Netzanpassungsmaßnahmen gebildet werden,
in vielen Ländern werden keine Teilwertabschreibungen am Netz an-
erkannt. Hier sind klarstellende Regelungen bzw. Verfügungen durch
die Finanzverwaltung notwendig, anderenfalls führt die Stilllegung von
Anlagen oder Anlagenteilen zu dauerhaften Wertverlusten und damit
zur Gebührenerhöhung für die Verbraucher,

– ob die Förderprogramme der KfW Bankengruppe noch stärker mit den
Förderinstrumenten der Stadtentwicklung verzahnt werden können. Ins-
besondere gilt dies für das KfW-Wohneigentumsprogramm und das

Wohnraummodernisierungsprogramm sowie für die energetische Sanie-
rung,

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– ob und wie der Bund dazu beitragen kann, über neue Finanzierungs-
instrumente privates Kapital für den Stadtumbau zu mobilisieren;

12. eine Stärkung des „Monitorings Stadtumbau Ost“ durch die Zusammen-
arbeit von Bund, Ländern und Kommunen anzustreben und dem Ausschuss
für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung des Deutschen Bundestages im Jahr
2012 einen Zwischenbericht vorzulegen. Im Jahr 2015 sollte rechtzeitig
vor dem Auslaufen des Programms im Rahmen einer Evaluierung ein Be-
richt vorgelegt werden, in dem eine weitere Verlängerung geprüft wird.

IV. Der Deutsche Bundestag fordert gemäß Artikel 104b Absatz 3 des Grund-
gesetzes die ostdeutschen Bundesländer auf, einen Bericht über die Durch-
führung der Maßnahmen vorzulegen

Der Bericht über die Umsetzung der Maßnahmen aus dem „Programm Stadt-
umbau Ost“ ist nach Regionen zu gliedern. Dabei sind auch die Situation und
die Faktoren aufzuzeigen, die eine Umsetzung des Programms in der Region
behinderten oder verhinderten. Genauso ist ein nicht vollständiger oder zeitlich
verschobener Mittelabfluss zu begründen. Der Bericht soll zum Zeitpunkt des
Zwischenberichtes der Bundesregierung im Jahr 2012 dem Deutschen Bundes-
tag vorgelegt werden. Die Bundesregierung soll die einzelnen Länderberichte
in einem Bundesbericht zusammenfassen.

Berlin, den 18. März 2009

Volker Kauder, Dr. Peter Ramsauer und Fraktion
Dr. Peter Struck und Fraktion

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