BT-Drucksache 16/12265

1. zu dem Antrag der Abgeordneten Irmingard Schewe-Gerigk, Volker Beck (Köln), Britta Haßelmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN -16/8784- Durchsetzung der Entgeltgleichheit von Frauen und Männern - Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit 2. zu dem Antrag der Abgeordneten Ina Lenke, Sibylle Laurischk, Miriam Gruß, weiterer Abgeordneter und der Fraktion und der Fraktion der FDP -16/11175- Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit - Für eine tatsächliche Chancengleichheit von Frauen und Männern 3. zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Barbara Höll, Dr. Kirsten Tackmann, Klaus Ernst, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. -16/11192- Entgeltgleichheit zwischen den Geschlechtern wirksam durchsetzen

Vom 17. März 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/12265
16. Wahlperiode 17. 03. 2009

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (13. Ausschuss)

1. zu dem Antrag der Abgeordneten Irmingard Schewe-Gerigk, Volker Beck (Köln),
Britta Haßelmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
– Drucksache 16/8784 –

Durchsetzung der Entgeltgleichheit von Frauen und Männern – Gleicher Lohn
für gleichwertige Arbeit

2. zu dem Antrag der Abgeordneten Ina Lenke, Sibylle Laurischk, Miriam Gruß,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
– Drucksache 16/11175 –

Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit – Für eine tatsächliche
Chancengleichheit von Frauen und Männern

3. zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Barbara Höll, Dr. Kirsten Tackmann,
Klaus Ernst, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE.
– Drucksache 16/11192 –

Entgeltgleichheit zwischen den Geschlechtern wirksam durchsetzen

A. Problem

Die Anträge auf den Drucksachen 16/8784, 16/11175 und 16/11192 beklagen
die bestehende Verdienstungleichheit zwischen Frauen und Männern in
Deutschland von im Durchschnitt 22 bzw. 23 Prozent, obwohl Deutschland
durch eine Reihe rechtlicher Regelungen zur Herstellung von Entgeltgleichheit
verpflichtet sei. Deutschland nehme damit in der EU einen der hinteren Plätze
ein. Trotz höherer und besserer Schulabschlüsse und steigender Erwerbstätig-
keitsquote sei das Arbeitsvolumen von Frauen insgesamt gesunken, wobei auf
den zunehmenden Anteil von Frauen in Teilzeitbeschäftigung hingewiesen wird.
Hinzu komme, dass Berufe und Tätigkeiten, die überdurchschnittlich von
Frauen ausgeübt würden, häufig niedriger bezahlt seien. Alle Anträge enthalten
Kataloge mit Maßnahmen zur Verbesserung der Situation.

Drucksache 16/12265 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

B. Lösung

1. Ablehnung des Antrags auf Drucksache 16/8784 mit den Stimmen der
Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen der Frak-
tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion
DIE LINKE.

2. Ablehnung des Antrags auf Drucksache 16/11175 mit den Stimmen
der Fraktionen CDU/CSU, SPD, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktion der FDP

3. Ablehnung des Antrags auf Drucksache 16/11192 mit den Stimmen der
Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE.

C. Alternativen

Annahme der Anträge.

D. Kosten

Wurden nicht erörtert.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/12265

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

1. den Antrag auf Drucksache 16/8784 abzulehnen,

2. den Antrag auf Drucksache 16/11175 abzulehnen,

3. den Antrag auf Drucksache 16/11192 abzulehnen.

Berlin, den 4. März 2009

Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Kerstin Griese
Vorsitzende

Michaela Noll
Berichterstatterin

Caren Marks
Berichterstatterin

Sibylle Laurischk
Berichterstatterin

Jörn Wunderlich
Berichterstatter

Irmingard Schewe-Gerigk
Berichterstatterin

Drucksache 16/12265 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Bericht der Abgeordneten Michaela Noll, Caren Marks, Sibylle Laurischk,
Jörn Wunderlich und Irmingard Schewe-Gerigk

I. Überweisung der Vorlagen

Der Antrag auf Drucksache 16/8784 wurde in der 169. Sit-
zung des Deutschen Bundestages am 19. Juni 2008 dem
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zur
federführenden Beratung und dem Innenausschuss, dem
Rechtsausschuss sowie dem Ausschuss für Arbeit und
Soziales zur Mitberatung überwiesen.

Der Antrag auf Drucksache 16/11175 wurde in der 193. Sit-
zung des Deutschen Bundestages am 4. Dezember 2008 dem
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zur
federführenden Beratung und dem Ausschuss für Wirtschaft
und Technologie sowie dem Ausschuss für Arbeit und Sozia-
les zur Mitberatung überwiesen.

Der Antrag auf Drucksache 16/11192 wurde in der 193. Sit-
zung des Deutschen Bundestages am 4. Dezember 2008 dem
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zur
federführenden Beratung sowie dem Ausschuss für Arbeit
und Soziales zur Mitberatung überwiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlagen

1. Antrag auf Drucksache 16/8784

Der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hebt
hervor, dass es auch 51 Jahre nach den Römischen Verträgen
in jedem europäischen Land deutliche Unterschiede zwi-
schen den Löhnen von Frauen und Männern gebe. Der Lohn-
unterschied zwischen Frauen und Männern liege in Deutsch-
land bei 22 Prozent und sei damit deutlich höher als der
EU-Durchschnitt von 15 Prozent. Deutschland belege damit
einen traurigen Spitzenplatz – hinter der Slowakei, Estland
und Zypern. Die Lohnungleichheit nehme dabei in Deutsch-
land im Gegensatz zu den meisten anderen europäischen
Ländern sogar leicht zu. Durch eine Reihe rechtlicher Rege-
lungen sei Deutschland zur Herstellung von Entgeltgleich-
heit verpflichtet. Dazu gehöre vor allem der Gleichberechti-
gungsgrundsatz aus Artikel 3 Absatz 2 des Grundgesetzes.
Darüber hinaus verpflichte auch das Übereinkommen zur
Beseitigung jeder Form der Diskriminierung der Frau
(CEDAW) in seinem Artikel 11 Absatz 1, alle geeigneten
Maßnahmen zur Beseitigung der Diskriminierung der Frau
im Berufsleben zu treffen, wozu das Recht auf gleiches Ent-
gelt und auf Gleichbehandlung bei gleichwertiger Arbeit und
auf Gleichbehandlung bei der Bewertung der Arbeitsqualität
gehörten. Hingewiesen wird auch auf die einschlägigen
Regelungen im EG-Vertrag und in mehreren nationalen Ge-
setzen.

Der Antrag betont sodann, dass die Ursachen der ungleichen
Entlohnung von Frauen und Männern komplex seien; ge-
meinsam sei ihnen jedoch allen, dass sie wesentlich auf
traditionelle Geschlechterrollen zurückgingen. Hinzu kom-
me die horizontale und vertikale Segregation des Arbeits-
marktes, mit Branchen, Berufen und Hierarchiestufen, die
insbesondere Frauen oder Männern zugeschrieben würden.
Das Berufswahlspektrum von jungen Frauen sei trotz ihrer
besseren Schulabschlüsse weiterhin eng. Mehr als die Hälfte

wähle aus nur zehn Ausbildungsberufen im dualen Sys-
tem – darunter kein naturwissenschaftlich-technischer. Da-
mit schöpften sie weder ihre Berufsmöglichkeiten noch ihre
Fähigkeiten aus. Außerdem seien die überwiegend von
Frauen ausgeübten Berufe und Tätigkeiten zumeist niedriger
angesehen und bezahlt, auch wenn es dafür keine objektiven
Gründe gebe.

Der Antrag kritisiert, die bestehenden Gesetze hätten nicht
dazu geführt, dass sich der Entgeltunterschied zwischen
Frauen und Männern verringere. Auch andere Maßnahmen
wie die freiwillige Vereinbarung zwischen Bundesregierung
und Arbeitgeberverbänden oder der Girls’Day, der das
Berufswahlspektrum von Mädchen erweitern solle, hätten
keine Veränderungen gebracht. Bisher sei auch nicht zu er-
kennen, dass die Tarifparteien der Herstellung der Entgelt-
gleichheit einen hohen Wert beimäßen. Daher müsse die
Bundesregierung aktiv werden.

Der Antrag fordert die Bundesregierung auf,

– die Eingruppierungskriterien für den Tarifvertrag für den
Öffentlichen Dienst im Wirkungsbereich des Bundes auf
mittelbare und unmittelbare Diskriminierung zu überprü-
fen und diese unverzüglich abzubauen,

– zügig eine umfassende Mindestlohnregelung vorzulegen,
die die Voraussetzung für Mindestlöhne in allen Bran-
chen schaffe und damit auch einen Schutz vor Lohn-
dumping im Niedriglohnbereich herstelle, in dem vor-
wiegend Frauen beschäftigt seien,

– ein Verbandsklagerecht für Vereinigungen im Sinne von
Artikel 9 Absatz 3 des Grundgesetzes und rechtsfähige
Verbände einzuführen, die sich satzungsgemäß für die
Gleichstellung der Geschlechter einsetzten,

– dem Deutschen Bundestag alle drei Jahre einen Bericht
zur Berufs- und Einkommenssituation von Frauen und
Männern vorzulegen,

– der Nationalen Antidiskriminierungsstelle ausreichende
Mittel zur Verfügung zu stellen für die Erstellung eines
Gutachtens zu den Ursachen direkter Diskriminierungen
aufgrund des Geschlechts und für eine umfassenden
Kampagne für diskriminierungsfreie Entlohnung in den
Unternehmen,

– dem Deutschen Bundestag einen Entwurf zur europa-
rechtskonformen Ausgestaltung des Allgemeinen Gleich-
behandlungsgesetzes (AGG) vorzulegen und darin ins-
besondere eine Anhebung der Klagefristen sowie einen
Ausbau der Regelungen zu Schadenersatz und Entschädi-
gung vorzusehen,

– gemeinsam mit den Tarifparteien zu prüfen, ob die
Lohnstrukturerhebung des schweizerischen Statistischen
Bundesamts ein sinnvolles Instrument zur Feststellung
von geschlechtsspezifischen Lohnunterschieden sein
könne und übernommen werden sollte.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/12265

2. Antrag auf Drucksache 16/11175

Auch der Antrag der Fraktion der FDP betont, dass Deutsch-
land im europäischen Vergleich beim Verdienstunterschied
zwischen Männern und Frauen schlecht abschneide. In den
Wirtschaftszweigen, in denen viele Frauen tätig seien, falle
der geschlechtsspezifische Verdienstabstand überdurch-
schnittlich hoch aus. Der Abstand der durchschnittlichen
Bruttostundenverdienste von Männern und Frauen habe
2007 im früheren Bundesgebiet mit 24 Prozent wesentlich
höher gelegen als in den neuen Bundesländern mit sechs Pro-
zent. Während der Verdienstabstand beim Berufseinstieg
noch relativ gering sei, nehme er mit den Jahren zu.

Der Sechste Bericht der Bundesrepublik Deutschland zum
Übereinkommen der Vereinten Nationen zur Beseitigung je-
der Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW) verweise
darauf, dass die Erwerbstätigkeit von Frauen in Deutschland
seit 2002 weiter angestiegen sei. Trotz höherer und besserer
Schulabschlüsse und fachlich hervorragender Ausbildung
sei das Arbeitszeitvolumen bei Frauen nach wie vor deutlich
geringer als bei Männern. So sei die Teilzeitquote der abhän-
gig erwerbstätigen Frauen im Zeitraum von 1991 bis 2004
von 30,2 Prozent auf 42,1 Prozent angestiegen, während sich
die Teilzeitquote bei Männern nur um 4,2 Prozentpunkte auf
6,2 Prozent erhöht habe. Im öffentlichen Dienst liege der
Frauenanteil in den Dienststellen der Bundesverwaltung bei
rund 45 Prozent; Frauen fänden sich aber nach wie vor häu-
figer in Beschäftigungsverhältnissen mit einem geringen
Einkommen und schlechteren Karrieremöglichkeiten. Auch
Teilzeitbeschäftigung im Bundesdienst sei weiterhin über-
wiegend Frauensache.

Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände
halte als Ursachen für die Lohnunterschiede zwischen Frauen
und Männern in einem Positionspapier vom März 2008 fest,
dass häufigere Berufsunterbrechungen aufgrund familiärer
Verpflichtungen die Karrierechancen von Frauen verringer-
ten und damit die Verdienstunterschiede erhöhten und dass
das Berufswahlverhalten von Frauen nach wie vor einge-
schränkt sei. Frauen arbeiteten häufiger in Kleinbetrieben,
die ein im Vergleich zu Großbetrieben niedrigeres Verdienst-
niveau hätten. Frauen hätten insgesamt eine familiär bedingte
geringere Mobilität als Männer. Auch setze das Steuer- und
Sozialversicherungsrecht noch immer falsche Anreize für die
klassische Alleinverdienerehe, in der der Mann arbeitet und
die Frau zu Hause bleibt.

Der Antrag fordert die Bundesregierung auf,

– die vorhandenen Studien zu Entgeltgleichheit auszuwer-
ten, die Ergebnisse zusammenzuführen und Forschungs-
vorhaben zu unterstützen, die sich mit den Ursachen der
Entgeltungleichheit in Deutschland befassten, um auf
Grundlage dieser Analysen Vorschläge zur Behebung der
Lohnungleichheit vorzulegen,

– Stereotype bei Bildung, Ausbildung und Beschäftigung
zu bekämpfen und im Rahmen der Berufsberatung ge-
meinsam mit den Ländern darauf hinzuwirken, dass
Mädchen und junge Frauen auf Wirtschafts- und Ausbil-
dungszweige hingewiesen würden, in denen bislang vor
allem Männer tätig seien, und junge Männer auf beruf-
liche Tätigkeiten in Bereichen, in denen bislang vor allem
Frauen tätig seien,

– angesichts der Notwendigkeit lebenslangen Lernens eine
modularisierte Aus-, Fort- und Weiterbildung zu schaf-
fen, damit Frauen und Männer sich während und nach
Familienphasen weiterqualifizieren könnten,

– Geschlechtergerechtigkeit als Leitprinzip im öffentlichen
Dienstrecht, dem insoweit eine Vorbildfunktion und Vor-
reiterrolle zukomme, umzusetzen, um diskriminierungs-
freie und familiengerechte Arbeitsverhältnisse auch im
öffentlichen Dienst zu ermöglichen und Programme zu
entwickeln, damit Teilzeitbeschäftigung für Männer
selbstverständlich werde,

– Modelle für Teilzeitlösungen von Führungskräften zu
erarbeiten, damit Teilzeitbeschäftigte nicht vom beruf-
lichen Aufstieg ausgeschlossen würden,

– gemeinsam mit den Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern
und den Unternehmen Modelle für eine bessere Verein-
barkeit von Familie und Beruf für Frauen und Männer
u. a. durch Arbeitszeitkonten und eine andere Arbeits-
organisation zu erarbeiten und für diese gezielt zu wer-
ben,

– das Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz dahingehend
zu ändern, dass gemeinsame Teilzeit und Kinderbe-
treuung durch beide Eltern dadurch gefördert werde, dass
der gesamte Elterngeldanspruch und die Elternzeit nicht
bereits mit dem siebten Lebensmonat des Kindes, son-
dern erst mit dem 14. Lebensmonat endeten,

– das geltende System der Steuerklassen insbesondere in
Verbindung mit Steuerklasse V abzuschaffen, damit es
sich für Frauen auch finanziell lohne, nach einer fami-
lienbedingten Unterbrechung der Erwerbstätigkeit wie-
der in den Beruf zurückzukehren, und bei der Besteue-
rung von Ehegatten ein Anteilsverfahren einzuführen,
nach dem das Finanzamt den voraussichtlichen Durch-
schnittssteuersatz der Ehegatten ermittele; dieser könne
im Lohnsteuerabzugsverfahren für beide Ehegatten glei-
chermaßen berücksichtigt werden,

– sich gemeinsam mit den Unternehmen und Sozialpart-
nern wie auch im öffentlichen Dienst für eine Verdienst-
strukturerhebung und Überprüfung von Stellenbeschrei-
bungen einzusetzen, um auf dieser Grundlage etwa
Lohnfindungssysteme und gegebenenfalls unterschied-
liche Verfahren der Arbeitsbewertung mit Blick auf ihre
Auswirkungen auf die Entgeltgleichheit zu überprüfen.

3. Antrag auf Drucksache 16/11192

Der Antrag der Fraktion DIE LINKE. weist darauf hin, dass
durch Artikel 3 Absatz 2 des Grundgesetzes als staatlicher
Auftrag festgeschrieben sei, die tatsächliche Durchsetzung
der Gleichberechtigung von Frauen und Männern zu fördern.
Dazu gehöre als zentrale Aufgabe auch der Abbau der Lohn-
diskriminierung von Frauen. Zudem verpflichte der Vertrag
über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG-
Vertrag) die Bundesregierung seit 1957, die Anwendung des
Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen
bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit sicherzustellen. Die-
ser rechtlichen Garantie in Deutschland stehe eine Realität
gegenüber, die durch eine extreme Lohndiskriminierung von
Frauen geprägt sei: Nach Berechnungen der Europäischen
Kommission betrage das Lohngefälle zu Ungunsten von
Frauen in Deutschland im Durchschnitt 22 Prozent, während

Drucksache 16/12265 – 6 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

sie im EU-Durchschnitt bei 15 Prozent liege. Bei Vollzeitbe-
schäftigten seien es sogar 27 Prozent, da die Entgeltdiskrimi-
nierung mit steigendem Gehalt noch zunehme.

Der Antrag betont sodann, dass Analysen zum Thema
Entgeltdiskriminierung und ihre Ursachen ebenso vorlägen
wie neue diskriminierungsfreie Arbeitsbewertungssysteme
(Schweiz, Kanada). Diese Erfahrungen fänden in Deutsch-
land jedoch kaum Anwendung. Aufgrund des ausschließlich
individuell bestehenden Klagerechts gelänge es nur einzel-
nen Frauen und auch nur ausnahmsweise, diskriminierende
Entgeltsysteme oder Bewertungsverfahren durch Klagen zu
Fall zu bringen. Auch die Tarifvertragsverhandlungen der
Tarifparteien und Appelle, Aktionstage oder Förderprogram-
me der Bundesregierung hätten am Einkommensunterschied
zwischen Frauen und Männern nichts geändert. Der von den
Bundesregierungen im vergangenen Jahrzehnt massiv aus-
gebaute und geförderte Niedriglohnsektor sei überwiegend
weiblich und habe dadurch die Entgeltungleichheit zwischen
den Geschlechtern verstärkt. Deshalb sei nun der Gesetzge-
ber gefragt.

Der Antrag fordert die Bundesregierung auf,

– einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn von
8,71 Euro pro Stunde einzuführen, der zügig auf zehn
Euro angehoben werden solle,

– die Subventionierungen von geringfügiger Beschäfti-
gung und von Beschäftigung in der sog. Gleitzone einzu-
stellen und entsprechende Änderungen im Vierten Buch
Sozialgesetzbuch (§§ 8, 8a, 20 Absatz 2 SGB IV) vorzu-
nehmen,

– ein proaktiv wirkendes Gesetz zu erlassen, das die Tarif-
vertragsparteien verpflichte, diskriminierende Entgelt-
systeme abzubauen und dafür zeitliche und inhaltliche
Vorgaben zur konkreten Umsetzung zu machen,

– den Entgeltgleichheitsgrundsatzes im Tarifvertragsgesetz
(TVG) zu verankern und das Verbandsklagerecht des § 9
TVG dergestalt auszubauen, dass die Tarifvertragspar-
teien bereits bei Ungewissheit der Auslegung oder der
Rechtswirksamkeit einer tarifvertraglichen Regelung
bzw. eines Kriteriums eine gerichtliche Klärung herbei-
führen könnten,

– ein Gleichstellungsgesetz für die Privatwirtschaft zu ver-
abschieden, welches Betriebe so lange zu gleichstel-
lungspolitischen Maßnahmen und zur Förderung der Ver-
einbarkeit von Beruf und Familie verpflichte, bis u. a. das
Ziel erreicht sei, dass der Durchschnittsverdienst von
Frauen und Männern gleich sei und sie in allen Entgelt-
gruppen zur Hälfte vertreten seien,

– das AGG an europarechtliche Mindestvorgaben anzupas-
sen und in einigen Punkten darüber hinausgehend zu
erweitern. So solle u.a. ein echtes Verbandsklagerecht
eingeführt werden, das Verbände berechtige, sowohl im
Namen und mit Einverständnis der Betroffenen zu klagen
als auch ohne individuell klagewillige Betroffene Klage
zu erheben, weil eine tarifvertragliche Regelung diskri-
miniere,

– die Antidiskriminierungsstelle des Bundes vom Bundes-
ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
abzukoppeln, um ihre unabhängige Arbeit sicherzustel-
len und sie so umzustrukturieren, dass sie sowohl indivi-
duelle als auch institutionelle Unterstützung leisten

könne, mit Blick auf die Bekämpfung der Entgeltun-
gleichheit mit einem eigenen Klagerecht ausgestattet
werde und ein umfassendes Auskunftsrecht erhalte,

– eine hochwertige, flächendeckende und elternbeitrags-
freie ganztägige Betreuung für alle Kinder anzubieten
bzw. aufzubauen und diese als Rechtsanspruch zu veran-
kern,

– das Elterngeld sozial auszugestalten, indem jedem Eltern-
teil ein individueller und nicht übertragbarer Anspruch
auf zwölf Monate Elterngeld gewährt werde (für Allein-
erziehende 24 Monate), wobei die Lohnersatzrate von 67
Prozent bestehen bleiben, die Mindestleistung aber auf
450 Euro angehoben werden solle,

– einen Gesetzentwurf vorzulegen, nach dem die Steuer-
pflichtigen zukünftig mit ihren eigenen Einkünften indi-
viduell und unabhängig von ihrer Lebensweise zu veran-
lagen seien. Dazu sei das Ehegattensplitting in eine
Freibetragsregelung zur steuerlichen Berücksichtigung
von Unterhaltsleistungen bis zur Höhe des steuerfreien
Existenzminimums umzuwandeln.

III. Stellungnahmen der mitberatenden
Ausschüsse

1. Zu dem Antrag auf Drucksache 16/8784

Der Innenausschuss, der Rechtsausschuss und der Aus-
schuss für Arbeit und Soziales haben jeweils in ihren Sit-
zungen am 4. März 2009 mit den Stimmen der Fraktionen
der CDU/CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen der Frak-
tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der
Fraktion DIE LINKE. die Ablehnung des Antrags empfoh-
len.

2. Zu dem Antrag auf Drucksache 16/11175

Der Ausschuss für Wirtschaft und Technologie und der
Ausschuss für Arbeit und Soziales haben jeweils in ihren
Sitzungen am 4. März 2009 mit den Stimmen der Fraktio-
nen CDU/CSU, SPD, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktion der FDP
die Ablehnung des Antrags empfohlen.

3. Zu dem Antrag auf Drucksache 16/11192

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat in seiner
117. Sitzung am 4. März 2009 mit den Stimmen der Fraktio-
nen der CDU/CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen der
Fraktion DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Ablehnung des Antrags
empfohlen.

IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnis
im federführenden Ausschuss für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend

1. Abstimmungsergebnis

Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/
CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der
Fraktion DIE LINKE. die Ablehnung des Antrags auf
Drucksache 16/8784.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 7 – Drucksache 16/12265

Er empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU,
SPD, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen
die Stimmen der Fraktion der FDP die Ablehnung des
Antrags auf Drucksache 16/11175.

Er empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU,
SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die
Stimmen der Fraktion DIE LINKE. die Ablehnung des
Antrags auf Drucksache 16/11192.

2. Inhalt der Ausschussberatungen

Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat
zu den Vorlagen in seiner 76. Sitzung am 28. Januar 2009
eine öffentliche Anhörung durchgeführt und dabei folgende
Sachverständige angehört:

Dr. Achim Dercks (Deutscher Industrie- und Handelskam-
mertag), Petra Ganser (Verdi Bundesverwaltung), Dr. Hans-
Peter Klös (Institut der Deutschen Wirtschaft Köln), Doris
Liebscher (Antidiskriminierungsbüro Sachsen e. V.), Prof.
Dr. Friederike Maier (Harriet Taylor Mill-Institut der Fach-
hochschule für Wirtschaft Berlin), Prof. Dr. Sibylle Raasch
(Deutscher Juristinnenbund e. V.), Dr. Armgard von Reden
(IBM Deutschland), Silvia Strub (Büro für arbeits- und so-
zialpolitische Studien BASS) sowie Dr. Astrid Ziegler (Wirt-
schafts- und Sozialwissenschaftliches Institut (WSI) in der
Hans-Böckler-Stiftung).

Bezüglich der Ergebnisse der Anhörung wird auf das Wort-
protokoll der 76. Sitzung verwiesen.

Der Ausschuss hat sodann in seiner 80. Sitzung am 4. März
2009 die Vorlagen abschließend beraten. Dabei betonte die
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die hohe Aktualität
des Themas Entgeltgerechtigkeit. EU-Kommissar Vladimir
Spidla habe vor zwei Tagen noch einmal die beträchtliche
Differenz zwischen den Entgelten von Männern und Frauen
deutlich gemacht, die sich im Gegensatz zu den Erwartungen
noch weiter vergrößere und angeregt, gesetzliche Änderun-
gen auch auf der europäischen Ebene durchzusetzen. Ob-
wohl alle politischen Kräfte Handlungsbedarf sähen, sei die
Bundesregierung bisher untätig geblieben. Die drei Opposi-
tionsfraktionen hätten in ihren Anträgen demgegenüber kon-
krete Vorschläge unterbreitet. Heute hätten junge Frauen oft
eine bessere Ausbildung und bessere Abschlüsse, mit dem
Einstieg ins Berufsleben sähen sie sich jedoch plötzlich mit
Benachteiligungen konfrontiert und würden schlechter be-
zahlt als Männer. Die im Ausschuss durchgeführte Anhö-
rung habe deutlich gemacht, dass dies eine Vielzahl von Ur-
sachen habe, so dass man auch an vielen Punkten ansetzen
müsse. Da der öffentliche Dienst eine wichtige Vorbildfunk-
tion besitze, müsse beispielsweise der Tarifvertrag für den
öffentlichen Dienst (TVöD) auf mittelbare und unmittelbare
Diskriminierungen überprüft werden. Erforderlich sei wei-
terhin eine umfassende Mindestlohnregelung, von der jede
vierte Frau profitieren würde. Selbst ein Mindestlohn von
7,50 Euro wäre eine Aufwertung der Arbeit von Frauen und
trüge dazu bei, die Lohnlücke zu schließen. Natürlich müsse
darüber hinaus auch die Kinderbetreuung verbessert und
darauf hingewirkt werden, dass Frauen weniger in Teilzeit
und weniger in 400-Euro-Jobs arbeiteten. Die Vertreterin der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betonte, im Ver-
gleich zu anderen europäischen Staaten nehme Deutschland
bei der Lohngleichheit eine traurige Schlussposition ein. Mit

der Umsetzung der im Antrag ihrer Fraktion geforderten
Maßnahmen könnten jedoch die Voraussetzungen dafür ge-
schaffen werden, dass sich die Schere nicht weiter öffnete,
sondern schließe.

Mit Blick auf den Antrag der Fraktion der FDP kritisierte die
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, dieser enthalte zwar
eine richtige Analyse, jedoch keine konkreten Vorschläge
zur Abhilfe. Er begnüge sich vielmehr damit, Studien und
Werbung für Vereinbarkeitsmodelle zu fordern. Der Antrag
der Fraktion DIE LINKE. wiederum enthalte viele Forderun-
gen, die auch die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
teilte, insbesondere die Forderungen zum tarif- und arbeits-
rechtlichen Bereich, aber auch die Forderung, das AGG end-
lich europarechtskonform umzusetzen. Kritisch zu betrach-
ten sei jedoch, dass die Fraktion DIE LINKE. die soziale
Staffelung bei den Kosten für die Kindertagesbetreuung
aufgeben und von jetzt auf gleich eine elternbeitragsfreie
Betreuung für alle Kinder einführen wolle. Die Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hingegen könnte einer sol-
chen Gießkannenlösung nicht zustimmen und wollte zu-
nächst das erste Kindergartenjahr beitragsfrei stellen. Mit
Blick auf das Elterngeld teilten die Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN und DIE LINKE. die Kritik, dass Studieren-
de nur den Mindestsatz des Elterngeldes bezögen und dies
ebenso wie Arbeitslosengeld-II-Empfängerinnen und -Emp-
fänger lediglich für zwölf bzw. maximal 14 Monate. Nun-
mehr wolle die Fraktion DIE LINKE. die Bezugsdauer für
das Elterngeld jedoch insgesamt verdoppeln, was aus Sicht
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu weitgehend
sei.

Die Fraktion der CDU/CSU führte aus, wesentliches Er-
gebnis der zum Problem der Entgeltungleichheit durchge-
führten Anhörung sei es, dass die Chancengleichheit für
Frauen vom Kinderbetreuungsangebot abhänge. Deshalb
erstaune der Vorwurf, die Bundesregierung bleibe untätig,
denn gerade bei der Kinderbetreuung habe die Bundesminis-
terin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Dr. Ursula
von der Leyen große Fortschritte erzielt. Eine weitere Ana-
lyse aus der Anhörung sei, dass sehr viele Frauen für die
Kindererziehung eine berufliche Auszeit nähmen oder Teil-
zeit arbeiteten und auch ein anderes Berufswahlverhalten
hätten. Auf viele dieser Punkte gingen jedoch die vorliegen-
den Anträge nicht ein. Das dort geforderte Verbandsklage-
recht hingegen hätten viele Sachverständige für nicht ziel-
führend gehalten. Erforderlich sei vielmehr ein anderes
Berufswahlverhalten der Frauen, so dass diese sich auch in
technischen und anderen naturwissenschaftlichen Berufen
engagierten und eine definitive Verkürzung der Auszeiten.
Auch die Forderung nach einem allgemeinen Mindestlohn
lehne die Fraktion der CDU/CSU bekanntermaßen ab. Dies
würde im Endeffekt den Frauen nicht weiterhelfen. Soweit in
den Anträgen die Sicherstellung der Diskriminierungsfrei-
heit im öffentlichen Dienst gefordert werde, sei auf das AGG
hinzuweisen, dessen Regelungen für die Bekämpfung von
Diskriminierungen maßgebend seien und auch für den öf-
fentlichen Dienst gälten. Ebenso sei die Forderung nach Un-
abhängigkeit der Antidiskriminierungsstelle verfehlt, da die
Stelle nach den Bestimmungen des AGG bereits unabhängig
sei.

Die Fraktion der CDU/CSU betonte, gegenüber diesen
wenig zielführenden Forderungen seien die von der Bundes-

Drucksache 16/12265 – 8 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

regierung unternommenen Schritte, der Ausbau der Kinder-
betreuung, die Förderung des Wiedereinstiegs in den Beruf
und das Hinwirken auf kürzere Auszeiten der Weg zu mehr
Chancengleichheit für Frauen und damit auch zu einer An-
passung bei den Löhnen und Gehältern. Am gestrigen Tag
habe die Fraktion der CDU/CSU darüber hinaus ein Posi-
tionspapier verabschiedet, das die in der Anhörung fest-
gestellten Ursachen der Entgeltungleichheit aufgreife.
Wesentliche Punkte seien die Familienfreundlichkeit der
Unternehmen, die als Wirtschaftsfaktor begriffen werden
müsse, ein Ausbau der Partnermonate, zielführende Weiter-
bildungsangebote und eine Reduzierung der Erwerbsunter-
brechungen. Dies seien die besseren Antworten mit denen es
gelingen werde, die eigentlichen Ursachen der Entgeltun-
gleichheit zu bekämpfen.

Die Fraktion der FDP teile mit der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN die Zielsetzung für mehr Entgeltgerechtig-
keit zwischen Männern und Frauen. Im Antrag der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN stehe allerdings das Thema
Mindestlohn im Vordergrund, was aus Sicht der Fraktion der
FDP nicht der Weg sei, um die Entgeltgleichheit zu errei-
chen. Der Antrag der Fraktion der FDP zeige demgegenüber
eigene Lösungswege auf. Erforderlich sei ein Umdenken,
um einen gesellschaftlichen Konsens darüber herbeizuführen,
dass der jetzt noch herrschende Zustand in Deutschland nicht
länger akzeptabel sei. Insofern müssten aus einem wissen-
schaftlichen Denkansatz heraus im Rahmen der Forschung
Möglichkeiten entwickelt und Vorgehensweisen empfohlen
werden. Ebenso wichtig sei es, Berufsbilder nicht ge-
schlechtsspezifisch auszurichten. Junge Frauen müssten sich
auch in solchen Berufen engagieren, die bisher klassischer-
weise von Männern ausgewählt würden, wie insbesondere die
technischen Berufe. Damit erschlössen sich Frauen auch bes-
sere Verdienstmöglichkeiten und letztendlich eine berufliche
Gleichstellung. Ebenfalls notwendig sei das lebenslange Ler-
nen, so dass gerade auch Familienphasen zur Fortbildung
genutzt werden könnten und nicht zu einer schlechteren be-
ruflichen Situation für Frauen führen müssten.

Im öffentlichen Dienstrecht müsse die Geschlechtergerech-
tigkeit als Leitprinzip eingeführt werden, wobei auch Teil-
zeitlösungen für Führungskräfte stärker erarbeitet und in der
Arbeitsrealität als eine Möglichkeit für Frauen aufgenom-
men werden müssten. Außerdem wolle die Fraktion der FDP
den Eltern während der ersten 14 Lebensmonate des Kindes
gleichzeitig Elternzeit und Teilzeitbeschäftigung ermögli-
chen und die Steuerklasse V abschaffen. Das geltende Steu-
errecht führe zu einer Ungleichheit in der Bezahlung sowie
zu dem falschen Signal an die Frauen, ihre Arbeit sei nicht
so viel wert wie die der Männer und könne deswegen stärker
besteuert werden. Solange es die Steuerklasse V gebe, werde
diese Benachteiligung der Frauen bestehen bleiben, weshalb
die Fraktion der FDP entschieden die Abschaffung dieser
Steuerklasse fordere.

Die Fraktion der SPD erklärte, zweifelsohne habe man
durch das von ihr initiierte Elterngeld und durch die Initia-
tive für mehr Bildung und Betreuung bei den Kleinsten be-
reits einen Sprung nach vorne gemacht. Die Vereinbarkeit
von Familie und Beruf sei jedoch nur ein Aspekt von Gleich-
stellungspolitik. Frauen seien nicht ausschließlich als Mütter
zu sehen, sondern umfassend mit ihrer gesamten Persönlich-
keit und all ihren Potenzialen. Deshalb betrachte die Fraktion

der SPD die Anträge der Opposition mit Sympathie, wobei
die größten Schnittmengen zu dem Antrag der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bestünden. Anlässlich des In-
ternationalen Frauentages habe die Fraktion der SPD einen
umfassenden Beschluss zum Thema „Gleiche Chancen im
Beruf verwirklichen“ gefasst, der deutlich mache, dass die
ungleiche Bewertung der Arbeit von Frauen und Männern
beendet werden müsse. Dieses Thema wolle man nicht nur in
Gesprächszirkeln, sondern mit konkreten Maßnahmen ange-
hen. Man könne und wolle nicht länger hinnehmen, dass der
Lohnunterschied in der Bundesrepublik Deutschland mit
ca. 23 Prozent innerhalb der EU mit am größten sei. Die
Ursachen der Entgeltdiskriminierung seien vielfältig; dazu
gehörten beispielsweise die schlechtere Bewertung von so
genannten typischen Frauenberufen, die unterschiedliche
Beurteilung von Kompetenzen in der Berufswelt und auch in
Tarifverträgen, die weiterhin bestehende Dominanz des
Familienernährer-Zuverdienerin-Modells sowie das Steuer-
system. Zielführende Maßnahmen zur Bekämpfung der Ent-
geltungleichheit seien aus Sicht der Fraktion der SPD die
Quote für Aufsichtsgremien, gesetzliche Regelungen für die
Privatwirtschaft, die Einführung eines gesetzlichen, flächen-
deckenden Mindestlohns, die Weiterentwicklung des All-
gemeinen Gleichbehandlungsgesetzes und des Steuersystems,
der weitere Ausbau der Kinderbetreuung und die Förderung
von Partnerschaftlichkeit. Bei der Arbeitsbewertung in den
Tarifverträgen seien rechtlich verbindliche Diskriminierung-
schecks erforderlich. Man habe nunmehr über zehn Jahre
gewartet, jedoch hätten freiwillige Vereinbarungen mit der
Privatwirtschaft keinen wirklichen Fortschritt gebracht.

Die Vertreterin der Fraktion der SPD erklärte abschließend,
aus Gründen der Koalitionsdisziplin werde ihre Fraktion die
vorliegenden Anträge der Oppositionsfraktionen ablehnen,
auch wenn man inhaltlich in vielen Punkten mit diesen An-
trägen übereinstimme, insbesondere mit dem der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Die Fraktion DIE LINKE. bemerkte, eine Übereinstim-
mung mit Positionen der Koalition könne bereits deswegen
nicht festgestellt werden, weil entsprechende Anträge fehl-
ten. Obwohl die Bundesregierung selbst mit dem am
29. Oktober 2008 beschlossenen Fortschrittsbericht zur
nationalen Nachhaltigkeitsstrategie ihr Ziel bekräftigt habe,
den Verdienstabstand zwischen Frauen und Männern zu
reduzieren, seien Koalition und Regierung untätig geblieben,
während die Opposition entsprechende Anträge vorlege.
Allerdings sei bereits ausgeführt worden, dass der Antrag
der Fraktion der FDP die Situation zwar richtig analysiere,
mit seinen Forderungen nach Studien und Modellen jedoch
keine zielführenden Maßnahmen vorschlage. Um tatsäch-
lich Entgeltgleichheit herbeizuführen, seien vielmehr ge-
setzliche Regelungen erforderlich.

Mit Blick auf den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN hob die Fraktion DIE LINKE. hervor, zu
Recht werde darauf hingewiesen, dass Deutschland durch
eine Reihe rechtlicher Regelungen zur Herstellung von Ent-
geltgleichheit verpflichtet sei. Es sei deshalb an der Zeit, die
Vorgaben der EU zu erfüllen oder noch darüber hinaus zu ge-
hen. Mit ca. 22 Prozent liege der Lohnabstand in Deutsch-
land deutlich über dem EU-Durchschnitt, und die Tendenz
sei noch steigend. Die acht Forderungen im Antrag der Frak-
tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zielten auf die Ansatz-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 9 – Drucksache 16/12265

punkte Rechtsweg, Lohntarifverträge, Lohnregelungen in
den einzelnen Betrieben sowie Forschung und Berichtswe-
sen. Dieses gehe in die richtige Richtung, sei aus Sicht der
Fraktion DIE LINKE. jedoch noch nicht weitgehend genug.
Deswegen gingen die Forderungen in dem Antrag auf
Drucksache 16/11192 deutlich über die des Antrags auf
Drucksache 16/8784 hinaus. Soweit in diesem Ausschuss
insbesondere die Forderung der Fraktion DIE LINKE. nach
einer Ausweitung von Elterngeld und Elternzeit auf jeweils
zwölf Monate für Mütter und für Väter kritisiert werde, sei
auf die Notwendigkeit einer partnerschaftlichen Teilung der
Erziehungsverantwortung unter beiden Elternteilen hin-
zuweisen. Die Fraktion DIE LINKE. wolle außerdem die
Steuerpflichtigen grundsätzlich individuell nach ihren eige-
nen Einkünften besteuern und dazu das Ehegattensplitting in
eine Freibetragsregelung zur steuerlichen Berücksichtigung
von Unterhaltsleistungen bis zur Höhe des steuerfreien
Existenzminimums umwandeln. Für eine tatsächliche Unab-
hängigkeit der Antidiskriminierungsstelle sei schließlich
deren Abkoppelung vom Bundesministeriums für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend erforderlich, was sich auch aus
den Empfehlungen des CEDAW-Ausschusses ergebe.

Berlin, den 4. März 2009

Michaela Noll
Berichterstatterin

Caren Marks
Berichterstatterin

Sibylle Laurischk
Berichterstatterin

Jörn Wunderlich
Berichterstatter

Irmingard Schewe-Gerigk
Berichterstatterin

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