BT-Drucksache 16/12213

zu dem Antrag der Abgeordneten Cornelia Hirsch, Dr. Petra Sitte, Volker Schneider (Saarbrücken), weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. -16/847- Hochschulen öffnen - BAföG ausweiten

Vom 10. März 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/12213
16. Wahlperiode 10. 03. 2009

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung
(18. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Cornelia Hirsch, Dr. Petra Sitte, Volker Schneider
(Saarbrücken), weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE.
– Drucksache 16/847 –

Hochschulen öffnen – BAföG ausweiten

A. Problem

Das Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) bleibt nach Auffassung der
Antragsteller hinter seinem Anspruch zurück, allen Studieninteressierten eine
ihrer Neigung, Eignung und Leistung entsprechende Ausbildung zu ermög-
lichen. Dies führt in Verbindung mit den Auswirkungen des stark sozial selektiv
wirkenden mehrgliedrigen Schulsystems, der Einführung von Studiengebühren
und der Zunahme individueller Auswahlverfahren zu einer Benachteiligung von
Menschen aus sozial schlechter situierten Lebensverhältnissen bei der Hoch-
schulbildung.

B. Lösung

Es soll an die Bundesregierung appelliert werden, die Vergabe von Studien-
krediten durch die KfW Bankengruppe nicht im Sinne von Einschränkungen
beim BAföG zu instrumentalisieren. Die Bundesregierung wird aufgefordert,
das BAföG zu einer elternunabhängigen und bedarfsdeckenden Grundsicherung
als Vollzuschuss auszubauen. Die Grundsicherung soll auch Schülerinnen und
Schülern der Oberstufe, Auszubildenden in außerbetrieblichen oder vollzeit-
schulischen Ausbildungsgängen und Erwachsenen während ihrer Teilnahme an
Weiterbildungsmaßnahmen zur Verfügung stehen.

Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD,
FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktion
DIE LINKE.
C. Alternativen

Annahme des Antrags auf Drucksache 16/847.

D. Kosten

Wurden nicht erörtert.

Drucksache 16/12213 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag auf Drucksache 16/847 abzulehnen.

Berlin, den 2. März 2009

Der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung

Ulla Burchardt
Vorsitzende

Michael Kretschmer
Berichterstatter

Renate Schmidt (Nürnberg)
Berichterstatterin

Uwe Barth
Berichterstatter

Cornelia Hirsch
Berichterstatterin

Kai Gehring
Berichterstatter

ten auf mindestens drei Monate auszuweiten. Da alle Änderungen erst auf der Grundlage des nächsten
III. Stellungnahme des mitberatenden
Ausschusses

BAföG-Berichts entschieden werden sollten, lehne die Frak-
tion der SPD den Antrag ab.

Die Fraktion der FDP stimmt einigen Aussagen des vorlie-
genden Antrags zu. Es sei zu bedenken, dass es aufgrund
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/12213

Bericht der Abgeordneten Michael Kretschmer, Renate Schmidt (Nürnberg),
Uwe Barth, Cornelia Hirsch und Kai Gehring

I. Überweisung
Der Deutsche Bundestag hat den Antrag auf Druck-
sache 16/847 in seiner 26. Sitzung am 17. März 2006 beraten
und an den Ausschuss für Bildung, Forschung und Technik-
folgenabschätzung zur federführenden Beratung und an den
Finanzausschuss zur Mitberatung überwiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlagen
Die Fraktion DIE LINKE. erklärt, dass das Bundesausbil-
dungsförderungsgesetz (BAföG) hinter seinem Anspruch
zurückbleibe, allen Studieninteressierten eine ihrer Neigung,
Eignung und Leistung entsprechende Ausbildung zu ermög-
lichen. Dies führe in Verbindung mit den Auswirkungen des
stark sozial selektiv wirkenden mehrgliedrigen Schulsys-
tems, der Einführung von Studiengebühren und der Zu-
nahme von Auswahlverfahren zu einer Benachteiligung von
Menschen aus sozial schlechter situierten Lebensverhältnis-
sen bei der Hochschulbildung.

An die Bundesregierung solle daher appelliert werden, die
Vergabe von Studienkrediten durch die Kreditanstalt für
Wiederaufbau nicht im Sinne von Einschränkungen beim
BAföG zu instrumentalisieren. Die Bundesregierung wird
aufgefordert, mit einer Novelle das BAföG auf der Grund-
lage einer Anpassung an die aktuellen Studienbedingungen
zu einer elternunabhängigen und bedarfsdeckenden Grund-
sicherung als Vollzuschuss auszubauen. Die Grundsicherung
solle auch Schülerinnen und Schülern der Oberstufe, Auszu-
bildenden in außerbetrieblichen oder vollzeitschulischen
Ausbildungsgängen und Erwachsenen während ihrer Teil-
nahme an Weiterbildungsmaßnahmen zur Verfügung stehen.

Die Bundesregierung soll im Rahmen der Anpassung des
BAföG an die aktuellen Studienrealitäten unter anderem auf-
gefordert werden:

● Die Anpassung der Bedarfssätze und der Freibeträge des
anzurechnenden Elterneinkommens an die Entwicklung
der Lebenshaltungskosten und Einkommen im BAföG zu
verankern,

● einen Förderanspruch im Masterstudium zu garantieren
und die Altersgrenze von 30 Jahren bei Aufnahme des
Studiums aufzuheben,

● den Anspruchszeitraum an die durchschnittliche Studien-
dauer und nicht an die Regelstudienzeit anzupassen,

● den Freibetrag bei eigenem Vermögen auf mindestens
10 000 Euro und beim durchschnittlichen monatlichen
Einkommen auf 400 Euro anzuheben,

● den Förderanspruch zwischen zwei Ausbildungsabschnit-

DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE.
empfohlen, den Antrag auf Drucksache 16/847 abzulehnen.

IV. Beratungsverlauf und -ergebnisse
im federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgen-
abschätzung hat den Antrag in seiner 15. Sitzung am
20. September 2006 beraten und empfiehlt:

Ablehnung des Antrags auf Drucksache 16/847 mit den
Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Frak-
tion DIE LINKE.

Die Fraktion der CDU/CSU kritisiert, dass der Antrag in
eine falsche Richtung weise. Das BAföG habe finanziell mit
2,3 Mrd. Euro eine gewaltige Größe erreicht. Allein der
Bund stelle 1,5 Mrd. Euro pro Jahr zur Verfügung.

Die Behauptung der Antragsteller, dass der Kredit der KfW
Bankengruppe als Ersatz für das BAföG gesehen werden
könnte, wird zurückgewiesen. Nicht akzeptabel sei auch die
Forderung einer Grundsicherung mit Vollzuschuss in Anbe-
tracht des fortgeschrittenen Alters, in dem Studenten
durchschnittlich ihr Studium beendeten (28 Jahre) oder der
Semesterzahl, nach der ein Studium durchschnittlich abge-
brochen werde (sieben Semester). Demgegenüber müssten
Anreize für ein straffes und stringentes Studium geschaffen
werden. Daher lehne die Fraktion der CDU/CSU den Antrag
ab.

Von Seiten der Fraktion der SPD wird der Antrag aus
grundsätzlichen Erwägungen ebenfalls abgelehnt. Die Leis-
tungen nach dem BAföG seien kontinuierlich gestiegen. Es
gebe heute 544 000 Geförderte, davon 345 000 Studierende.
Die Quote der BAföG-Empfänger liege damit trotz steigen-
der Studentenzahlen konstant bei 25 Prozent. Daher sei die
Analyse der Fraktion DIE LINKE. nicht zutreffend. Es sei
auch nicht gerechtfertigt, die Kredite der KfW Bankengrup-
pe als potentiellen Ersatz für das BAföG zu beschreiben. Der
Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD sehe die
Kredite klar als Ergänzung der Leistungen nach dem BAföG
vor.

Im Hinblick auf notwendig werdende Änderungen müsse zu-
nächst der Bericht zum BAföG abgewartet werden. Im § 35
BAföG werde deutlich ausgeführt, dass nicht nur die Ein-
kommenssituation der Studenten, sondern auch die finanz-
wirtschaftliche Gesamtlage berücksichtigt werden müsse.
Dies bedeute, dass Anpassungen nicht für immer ausge-
schlossen würden.
Der mitberatende Finanzausschuss hat mit den Stimmen
der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/

einer fehlenden Anpassung des BAföG seit 2001 zu einer
realen Kürzung der Leistungen um 10 Prozent gekommen

Drucksache 16/12213 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

sei. Die Fraktion der FDP habe bereits in der letzten Legis-
laturperiode eine Anhebung der Freibeträge und Rechtferti-
gungspflicht der Hochschulen gefordert.

Der Antrag werde aber dennoch abgelehnt. Man teile nicht
die Ansicht, dass Studiengebühren zwingend zu einer sozia-
len Selektion führten, wie Erfahrungen in Österreich zeigten.
Nachgelagerte Studiengebühren werden als sozial gerecht
erachtet, da sich z. B. ein Chefarzt gemessen an seinem Ein-
kommen mehr an der Finanzierung seiner Ausbildung betei-
ligen müsse als eine Krankenschwester.

Die bedarfsdeckende Grundförderung mit Vollzuschuss wird
von Seiten der Fraktion der FDP als nicht realisierbar ange-
sehen. Der Grundbedarf liege zurzeit bei 4 000 Euro pro
Jahr. Wenn man alle 2 Millionen Studierende auf diese
Weise versorgen wolle, müsse man den BAföG-Titel im
Haushalt auf 8 Mrd. Euro erhöhen.

Die Fraktion DIE LINKE. hebt hervor, dass die Anpas-
sung der Bedarfssätze und Freibeträge an die gestiegenen
Lebenshaltungskosten bereits einige Jahre zurückliege. Da-
her bestehe ein dringender Handlungsbedarf, damit die
Lebenshaltungskosten der Studierenden abgedeckt werden
könnten.

Es wird betont, dass die Förderungshöchstdauer nach dem
BAföG nicht mehr der Situation an den Universitäten ent-
spreche. Die Seminare seien überfüllt und Studierende könn-
ten deshalb ihr Studium nicht so schnell wie gewünscht be-
enden. Dies führe häufig zu einer Förderung während der
Regelstudienzeit, jedoch nicht mehr in der Abschlussphase
des Studiums.

Der Antrag reagiere auch auf kleinere Mängel im BAföG vor
dem Hintergrund der Umstellung auf Bachelor- und Master-
studiengänge. Diese ließen sich ohne großen finanziellen
Aufwand beheben. Der Förderanspruch zwischen zwei Aus-
bildungsabschnitten sei zu gering. Außerdem werde ein
Wechsel aus einem Magister- oder Diplom- in einen Bache-
lor- oder Masterstudiengang oft als ein Fachrichtungswech-
sel angesehen. Die Antragsteller sind der Auffassung, dass
die vorgeschlagene kleine BAföG-Reform nicht dem Koali-
tionsvertrag widerspreche, der vorsehe, das BAföG in seiner
Struktur zu erhalten.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN schließt sich
der Auffassung an, dass es sinnvoller sei, auf den BAföG-

Bericht zu warten, um dessen Ergebnisse als Grundlage für
mögliche Änderungen nutzen zu können. Das BAföG sei aus
Sicht der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN kein Aus-
laufmodell, sondern die wichtigste Säule der Bildungs-
finanzierung in Deutschland. Die Kredite der KfW Banken-
gruppe seien zwar eine sinnvolle Ergänzung des BAföG,
langfristig dürfe das BAföG aber nicht durch diese Angebote
erodiert werden. Studierende aus ärmeren Haushalten könn-
ten sich unter Umständen nach dem Studium zwei Schulden-
bergen gegenübersehen.

Es wird gefragt, warum der Etat für das BAföG im Haushalts-
entwurf angesichts der steigenden Studierendenzahlen ge-
schrumpft sei. Es werde die Gefahr gesehen, dass das BAföG
immer stärker zu einer Quersubventionierung von Studien-
gebühren missbraucht werde. Die Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN bejahe, das BAföG wieder stärker an die Stu-
dienrealität anzupassen und die Bedarfs- und Regelsätze in
Anbetracht der steigenden Lebenshaltungskosten zu überprü-
fen. Dass ein Teil der Studienförderung künftig elternunab-
hängig erfolgen könne, werde grundsätzlich befürwortet,
allerdings werde ein von den Antragstellern gefordertes
Studierendengrundeinkommen für alle, das sogar einen Voll-
kostenzuschuss für Erwachsene in Weiterbildungsmaßnah-
men beinhalte, abgelehnt.

Aufgrund dieser Unschärfen könne man dem vorliegenden
Antrag nicht zustimmen.

Man befürworte neue Konzepte einer solidarischen und
modernen Bildungsfinanzierung, fordere die große Koalition
auf, die Regelsätze im BAföG zu erhöhen und die Übergän-
ge von einem BA- auf einen MA-Studiengang nicht als
Fachrichtungswechsel zu werten.

Von Seiten der Bundesregierung wird zugesichert, dass der
Haushaltsansatz des BAföG unmittelbar vor der Bereini-
gungssitzung für den Haushalt noch einmal überprüft und an
die aktuellen Zahlen angepasst werde. Der Bericht zum
BAföG werde spätestens Ende Februar, höchstwahrschein-
lich bereits zum Jahreswechsel, vorliegen, so dass auf dieser
Grundlage über eine notwendige Anpassung entschieden
werden könne. Es wäre z. B. in Anbetracht der steigenden
Zahl von Studierenden im Ausland eine Auslandsstudienför-
derung in Betracht zu ziehen.

Berlin, den 2. März 2009

Michael Kretschmer
Berichterstatter

Renate Schmidt (Nürnberg)
Berichterstatterin

Uwe Barth
Berichterstatter

Cornelia Hirsch
Berichterstatterin

Kai Gehring
Berichterstatter

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