BT-Drucksache 16/122

Statt Ausbildungspakt - Für eine umlagefinanzierte berufliche Erstausbildung

Vom 30. November 2005


Deutscher Bundestag Drucksache 16/122
16. Wahlperiode 30. 11. 2005

Antrag
der Abgeordneten Cornelia Hirsch, Dr. Petra Sitte, Volker Schneider (Saarbrücken),
Dr. Lukrezia Jochimsen, Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und der Fraktion
DIE LINKE.

Statt Ausbildungspakt – Für eine umlagefinanzierte berufliche Erstausbildung

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Mit den Vereinbarungen des „Nationalen Pakts für Ausbildung und Fachkräf-
tenachwuchs in Deutschland“ vom Juni 2004 ist es nicht gelungen, die Wirt-
schaft ausreichend in die Verantwortung für die Berufsausbildung zu nehmen
und die Perspektiven für Jugendliche auf dem Ausbildungsstellenmarkt zu ver-
bessern. Stattdessen hat sich die Ausbildungsmisere in den letzten beiden Jahren
verschärft.

Im Interesse der Jugendlichen muss deshalb das am 7. Mai 2004 vom Deutschen
Bundestag verabschiedete, aber nicht in Kraft getretene Gesetz zur Ausbil-
dungsplatzumlage („Berufsausbildungssicherungsgesetz“) dringend reaktiviert,
überarbeitet und 2006 in Kraft gesetzt werden. Darüber hinaus muss die beruf-
liche Bildung auch qualitativ verbessert werden.

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

● durch Kabinettsbeschluss festzustellen, dass seit 2004 keine verbindliche
Vereinbarung, insbesondere mit den Spitzenverbänden der deutschen Wirt-
schaft, mit dem Ziel, alle jungen Menschen in Ausbildung zu bringen, zu-
stande gekommen ist und die aktuelle Situation auf dem Ausbildungsmarkt
im Interesse der Jugendlichen eine Umlagefinanzierung erfordert;

● dem Deutschen Bundestag das bereits verabschiedete Berufsausbildungs-
sicherungsgesetz als überarbeiteten Gesetzentwurf bis spätestens Ende
Februar 2006 vorzulegen;

● eine umfassende Einbeziehung der Gewerkschaften bei der Entwicklung
eines europäischen Berufsbildungsraums sicherzustellen und im Parlament

regelmäßig über Initiativen und Vorhaben der Bundesregierung zu diesem
Thema zu berichten;

● eine wissenschaftliche Auswertung über die Auswirkungen der Reform des
Berufsbildungsgesetzes – insbesondere die Anerkennung vollschulischer
Ausbildung nach § 43 Abs. 2 – in Auftrag zu geben und die Konsequenzen
im Parlament zu diskutieren;

Drucksache 16/122 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
● sowie Maßnahmen zu ergreifen, die allen Jugendlichen, die dies brauchen,
eine qualifizierte Berufsausbildungsvorbereitung ermöglichen, die bildungs-
politisch erheblich aufgewertet und qualitativ verbessert werden muss. Auch
die berufliche Benachteiligten- und Behindertenförderung muss neue Im-
pulse erhalten.

Berlin, den 30. November 2005

Cornelia Hirsch
Dr. Petra Sitte
Volker Schneider (Saarbrücken)
Dr. Lukrezia Jochimsen
Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

Begründung

Die Situation auf dem Ausbildungsstellenmarkt ist dramatisch: Auf einen unbe-
setzten Ausbildungsplatz kamen Ende September 2005 vier Ausbildungsplatz-
suchende. Neben den Bewerbern und Bewerberinnen, die in der Statistik der
Bundesagentur für Arbeit geführt werden, sind weitere rund 400 000 Jugend-
liche als nicht ausbildungsreif eingestuft, in berufsvorbereitenden Maßnahmen
verschiedener Anbieter geparkt worden oder haben sich nach mehreren erfolg-
losen Bewerbungsversuchen nicht zurückgemeldet und stattdessen z. B. ohne
Ausbildung einen Job aufgenommen. Die Ausbildungsplatzbilanz 2005 scheint
gegenüber 2004 nur deshalb optisch verbessert, weil ca. 5 000 ausbildungsplatz-
suchende Jugendliche „an die optierenden Kommunen abgegeben“ wurden.

Die tatsächliche Ausbildungslücke ist damit deutlich höher als die von der Bun-
desagentur für Arbeit in ihrer veröffentlichten Ausbildungsbilanz angegebene
Zahl von knapp 30 000 Jugendlichen.

Der Ausbildungspakt ist auch im zweiten Jahr wirkungslos geblieben: Im Ver-
gleich zu 2005 wurden sogar 8,9 Prozent weniger betriebliche Ausbildungsstel-
len gemeldet; weiterhin bilden nur noch 23 Prozent der Betriebe aus und nach
Befragungen des Instituts der deutschen Wirtschaft sagen über 70 Prozent der
Betriebe, dass sie ihr Ausbildungsverhalten aufgrund des Paktes nicht verändert
haben.

Im Interesse der Jugendlichen muss die Regierung deshalb handeln und eine
Umlagefinanzierung einführen. Tarifliche Vereinbarungen, wie sie z. B. in der
Bauwirtschaft bestehen, haben demgegenüber selbstverständlich weiterhin Vor-
rang.

Die Linksfraktion tritt dafür ein, in einem ersten Schritt das vom Deutschen
Bundestag bereits beschlossene Gesetz zur Ausbildungsplatzumlage (Berufs-
ausbildungssicherungsgesetz) erneut ernsthaft und gründlich zu beraten, es
durch weitere Maßnahmen zur Reform der beruflichen Bildung zu ergänzen und
es anschließend erneut in den Deutschen Bundestag einzubringen.
Antrag
Statt Ausbildungspakt – Für eine umlagefinanzierte berufliche Erstausbildung

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.