BT-Drucksache 16/1208

a) zu dem Gesetzentwurf der Abgeordneten Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und der Fraktion DIE LINKE. -16/856- Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch b) zu dem Antrag der Abgeordneten Hartfrid Wolff (Rems-Murr), Jens Ackermann, Dr. Karl Addicks, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP -16/953- Innere Sicherheit durch Regelungen zum Arbeitskampfrecht gewährleisten

Vom 7. April 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/1208
16. Wahlperiode 07. 04. 2006

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss)

a) zu dem Gesetzentwurf der Abgeordneten Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine
und der Fraktion DIE LINKE.
– Drucksache 16/856 –

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch

b) zu dem Antrag der Abgeordneten Hartfrid Wolff (Rems-Murr), Jens Ackermann,
Dr. Karl Addicks, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
– Drucksache 16/953 –

Innere Sicherheit durch Regelungen zum Arbeitskampfrecht gewährleisten

A. Problem

Zu Buchstabe a

§ 146 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch bestimmt, dass Ausgesperrte kein
Kurzarbeitergeld erhalten, wenn streik- und aussperrungsbedingte Produktions-
ausfälle dazu beitragen, dass in einem nicht umkämpften Betrieb die Arbeit
ebenfalls ruhen muss. „Kalt ausgesperrte“ Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh-
mer, die bei einem Arbeitskampf daher mittellos dastehen, erschweren es den
Gewerkschaften, einen Arbeitskampf zu führen bzw. es verhindert der dadurch
ausgeübte Druck einen Arbeitskampf.

Zu Buchstabe b

Die ausgedehnten Streiks im öffentlichen Dienst in verschiedenen Bundes-
ländern haben zum Teil zu unverhältnismäßigen Beeinträchtigungen der öffent-
lichen Sicherheit und Ordnung geführt.
B. Lösung

Zu Buchstabe a

Die bis 1986 geltende Rechtslage wird wiederhergestellt, nach der bei „kalten
Aussperrungen“ Kurzarbeitergeld gezahlt wird.

Drucksache 16/1208 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Ablehnung des Gesetzentwurfs mit den Stimmen der Fraktionen CDU/
CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der
Fraktion DIE LINKE.

Zu Buchstabe b

Die antragstellende Fraktion verlangt von der Bundesregierung die Vorlage
eines Gesetzentwurfs zur Regelung des Arbeitskampfrechts, der sicherstellt,
dass die Notfallversorgung der Bevölkerung und die innere Sicherheit jederzeit
gewährleistet sind und das Gemeinwohl durch einen Arbeitskampf nicht unver-
hältnismäßig beeinträchtigt wird.

Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD,
DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der
Fraktion der FDP

C. Alternativen

Keine

D. Kosten

Zu Buchstabe a

Keine

Zu Buchstabe b

Kostenberechnungen wurden nicht angestellt.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/1208

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

a) den Gesetzentwurf – Drucksache 16/856 – abzulehnen;

b) den Antrag – Drucksache 16/953 – abzulehnen.

Berlin, den 5. April 2006

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales

Gerald Weiß (Groß-Gerau) Anette Kramme
Vorsitzender Berichterstatterin

künftig wieder Kurzarbeitergeld erhalten. In ihrem Gesetz-
der Vorlagen in seiner 16. Sitzung am 5. April 2006 aufge-
entwurf wird daher eine Rückkehr zu der bis 1986 gültigen
Regelung verlangt. Die damals beschlossene Änderung des
§ 116 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG), der als § 146 in

nommen und abgeschlossen.

Im Ergebnis der Beratungen hat der Ausschuss mit den Stim-
men der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS
Drucksache 16/1208 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Bericht der Abgeordneten Anette Kramme

I. Überweisung und Voten
der mitberatenden Ausschüsse

1. Überweisung

Der Gesetzentwurf auf Drucksache 16/856 ist in der 25. Sit-
zung des Deutschen Bundestages am 16. März 2006 an den
Ausschuss für Arbeit und Soziales zur federführenden Bera-
tung und an den Innenausschuss zur Mitberatung überwiesen
worden.

Der Antrag auf Drucksache 16/953 ist ebenfalls in der
25. Sitzung des Deutschen Bundestages am 16. März 2006
an den Ausschuss für Arbeit und Soziales zur federführen-
den Beratung und an den Innenausschuss, den Rechtsaus-
schuss, den Ausschuss für Wirtschaft und Technologie, den
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucher-
schutz, den Ausschuss für Gesundheit und den Ausschuss
für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung zur Mitberatung
überwiesen worden.

2. Voten der mitberatenden Ausschüsse

a) Gesetzentwurf auf Drucksache 16/856

Der Innenausschuss hat in seiner Sitzung am 5. April 2006
mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Frak-
tion DIE LINKE. empfohlen, den Gesetzentwurf abzuleh-
nen.

Der Ausschuss für Wirtschaft und Technologie hat in sei-
ner Sitzung am 5. April 2006 den Gesetzentwurf gutachtlich
beraten und mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU,
SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die
Stimmen der Fraktion DIE LINKE. empfohlen, den Gesetz-
entwurf abzulehnen.

b) Antrag auf Drucksache 16/953

Der Innenausschuss, der Rechtsausschuss, der Ausschuss
für Wirtschaft und Technologie, der Ausschuss für Er-
nährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, der
Ausschuss für Gesundheit und der Ausschuss für Ver-
kehr, Bau und Stadtentwicklung haben den Antrag auf
Drucksache 16/953 in ihren Sitzungen am 5. April 2006 be-
raten und mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD,
DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die
Stimmen der Fraktion der FDP empfohlen, den Antrag abzu-
lehnen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlagen

a) Gesetzentwurf auf Drucksache 16/856

Arbeitnehmer, die von „kalten Aussperrungen“ betroffen
sind, sollen nach dem Willen der Fraktion DIE LINKE.

mehr erhalten, wenn streik- und aussperrungsbedingte Pro-
duktionsausfälle dazu beitragen, dass in einem nicht um-
kämpften Betrieb die Arbeit ebenfalls ruhen muss. Solche
Arbeitnehmer stünden daher bei einem Arbeitskampf mittel-
los da. Die Streikkassen der Gewerkschaften wären inner-
halb weniger Tage leer, würden sie auch an „kalt ausgesperr-
te“ Mitglieder zahlen, heißt es in dem Gesetzentwurf. Dies
führe dazu, dass Gewerkschaften ein Arbeitskampf nur er-
schwert oder gar nicht möglich sei. Die jetzige Regelung
verhindere daher die Chancengleichheit der Tarifpartner. Die
Fraktion DIE LINKE. bezieht sich auch auf ein Urteil des
Bundesverfassungsgerichts vom 4. Juli 1995, wonach bei
einer Ungleichheit der Kampfstärke der Tarifvertragspartei-
en der Gesetzgeber aufgefordert sei, Maßnahmen zur Wah-
rung der Tarifautonomie zu treffen.

Wegen der Einzelheiten wird auf die entsprechende Druck-
sache verwiesen.

b) Antrag auf Drucksache 16/953

Vor dem Hintergrund des laufenden Streiks im öffentlichen
Dienst fordert die Fraktion der FDP Regelungen zum
Arbeitskampfrecht. In ihrem Antrag heißt es, das Gemein-
wohl dürfe durch einen Arbeitskampf nicht unverhältnis-
mäßig beeinträchtigt werden. Die Notfallversorgung der Be-
völkerung und die innere Sicherheit müssten jederzeit ge-
währleistet sein. Im Einzelnen fordert die Fraktion der FDP
von der Bundesregierung eine gesetzliche Ermächtigungs-
grundlage für den Ausschluss einzelner Streikmaßnahmen
bei einer konkreten erheblichen Gefahr für verfassungsrecht-
lich geschützte Rechtsgüter wie Leben, Gesundheit und Frei-
heit. Zudem müssten die zuständigen Stellen ermächtigt wer-
den, bei Arbeitskämpfen Maßnahmen zu ergreifen, die die
Notfallversorgung der Bevölkerung sicherstellen und den
Katastrophenschutz, die Einsatzfähigkeit der Rettungsdiens-
te und Feuerwehren sowie der Polizei gewährleisten. Die
Fraktion der FDP verweist darauf, dass der Streik im
öffentlichen Dienst in den vergangenen Wochen in einigen
Bundesländern zum Teil zu unverhältnismäßigen Beein-
trächtigungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung
geführt habe. In verschiedenen Orten seien trotz zum Teil ka-
tastrophaler winterlicher Wetterlagen die Winterdienste be-
streikt worden, was die Gefahr von Verkehrsunfällen erheb-
lich erhöht habe. Zudem habe das Bestreiken der Müllentsor-
gung angesichts der Seuchengefahr auch durch die Vogel-
grippe eine ernste Gefahrenquelle hervorgebracht.

Wegen der Einzelheiten wird auf die entsprechende Druck-
sache verwiesen.

III. Beratung im federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat die Beratung
das Dritte Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) übernommen
wurde, bestimme, dass Ausgesperrte kein Kurzarbeitergeld

90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktion DIE
LINKE. beschlossen, dem Deutschen Bundestag die Ableh-

Anette Kramme
Berichterstatterin
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/1208

nung des Gesetzentwurfs auf Drucksache 16/856 zu empfeh-
len.

Der Ausschuss hat zudem mit den Stimmen der Fraktionen
CDU/CSU, SPD, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktion der FDP be-
schlossen, dem Deutschen Bundestag die Ablehnung des
Antrags auf Drucksache 16/953 zu empfehlen.

Die Fraktion der CDU/CSU erklärte, die 1986 beschlosse-
ne Neuregelung des früheren § 116 des Arbeitsförderungs-
gesetzes habe nicht das Gleichgewicht zwischen Arbeitge-
berverbänden und Gewerkschaften im Arbeitskampf
verändern, sondern die neutrale Rolle des Staates und der da-
maligen Bundesanstalt für Arbeit sichern sollen. Niemand
könne einseitige Vorteile für sich in Anspruch nehmen und
ihre Durchsetzung anschließend vom Staat finanzieren las-
sen. Zu dieser Neutralität sei der Staat verpflichtet, sonst
wäre die Tarifautonomie bedroht.

Die Fraktion der SPD betonte, dass eine Rückkehr zum
ursprünglichen § 116 des Arbeitsförderungsgesetzes heute
nicht möglich sei, da es sich um grundrechtsrelevante Ein-
griffe in die Tarifautonomie und das Eigentumsrecht handeln
würde. Solche Entscheidungen dürfe man nicht der Verwal-
tung, hier also der Bundesagentur für Arbeit, überlassen. Das
Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Neuregelung des
§ 116 AFG impliziere den Auftrag an den Gesetzgeber, sehr
genau zu beobachten, ob das Kräftegleichgewicht der Tarif-

vertragsparteien noch gewahrt sei. Man überprüfe deshalb
jederzeit genau, ob eine Beeinträchtigung der Streikfähigkeit
der Gewerkschaften durch § 146 SGB III stattfinde.

Die Fraktion der FDP machte deutlich, dass die Streiks im
öffentlichen Dienst in den vergangenen Wochen zum Teil zu
unverhältnismäßigen Beeinträchtigungen der Sicherheit und
Ordnung geführt hätten. Daher fordere sie in ihrem Antrag
eine gesetzliche Ermächtigung zum Ausschluss einzelner
Streikmaßnahmen bei einer konkreten erheblichen Gefahr
für verfassungsrechtlich geschützte Rechtsgüter wie Leben,
Gesundheit, körperliche Unversehrtheit und Freiheit.

Die Fraktion DIE LINKE. betonte, durch die Möglichkeit
der kalten Aussperrung sei das in der Verfassung garantierte
Streikrecht der Gewerkschaften tendenziell gefährdet. Die
Wiedereinführung des alten § 116 des Arbeitsförderungsge-
setzes in das Dritte Buch Sozialgesetzbuch sei daher in der
Sache geboten, zeitlich gesehen überfällig und aktuell drin-
gend erforderlich.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erklärte, ein
Blick auf die Streikwirklichkeit und die Kampffähigkeit der
Gewerkschaften seit 1986 zeige, dass die Veränderungen
damals nicht zu dem geführt hätten, was die Fraktion DIE
LINKE. hier unterstelle. Der Antrag der Fraktion der FDP sei
sachlich genauso falsch, denn die ständige Rechtsprechung
gewährleiste bereits, dass bei einer Gefährdung der öffent-
lichen Sicherheit und Ordnung eingegriffen werden könne.

Berlin, den 5. April 2006

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