BT-Drucksache 16/12009

Ungewöhnliche atmosphärische Strukturen im Radarbild

Vom 17. Februar 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/12009
16. Wahlperiode 17. 02. 2009

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Eva Bulling-Schröter, Lutz Heilmann, Hans-Kurt Hill,
Dr. Petra Sitte und der Fraktion DIE LINKE.

Ungewöhnliche atmosphärische Strukturen im Radarbild

„Geisterwolken über Deutschland“ lautete laut „Informationsdienst Wissen-
schaft“ (http://idw-online.de/pages/de/news182398) eine Schlagzeile, die im
Juli 2005 durch die Medien ging. Damals sei über Norddeutschland ein Phäno-
men aufgetreten, das Aufregung verursacht habe: Am 19. Juli des Jahres hätten
Radargeräte Echos gemeldet, die offensichtlich nicht von Wolken oder Nieder-
schlag haben kommen können. Ein Bericht in den Mitteilungen der Deutschen
Meteorologischen Gesellschaft Nr. 3/4 2005 habe daraufhin von „unbekannten
Flugobjekten im RADAR-Bild“ gesprochen. Der Autor Jörg Asmus habe ver-
mutet, das Phänomen sei auf so genannte Düppel (englisch „Chaff“) zurückzu-
führen. Diese metallummantelten Kunstfasern von der Dicke eines Haares setze
das Militär ein, um gegnerische Radargeräte zu täuschen.

Der ZDF-Wetterbericht innerhalb der „heute“-Sendung vom 14. Januar 2009
hat nun erneut auf vergleichbare Ereignisse in der Atmosphäre verwiesen: Der
Meteorologe und Moderator des ZDF Gunther Tiersch wörtlich: „dann haben
wir da noch etwas, was wir nicht als Regen oder Schnee identifizieren können.
Hier im Westen, diese Schlangenlinien – das haben wahrscheinlich am Nach-
mittag über der Nordsee ein paar Flugzeuge, Militärflugzeuge, rausgebracht, in
etwa fünf bis sechs Kilometer Höhe; hat mit Wetter so nichts zu tun“. Die be-
schriebene „Wolkenformation“ hatte ein geschätztes Ausmaß von zirka 300 Ki-
lometern Länge und 50 Kilometern Breite. Auf Nachfrage vermutete der
Meteorologe ebenfalls Chaff-Experimente für diese auch „Geisterwolken“
genannten Formationen.

Genannte Erscheinungen befeuern – vor allem im Internet – eine seit Jahren pa-
rallel geführte Debatte über angebliche geheime Versuche des US-Militärs bzw.
der Nato, mittels Eintrag von (giftigen) chemischen Stoffen in die Atmosphäre
(Barium, Aluminium, Kunststoffträger) künstliche Wolken zu erzeugen bzw.
das Kohlendioxid zu neutralisieren und so dem Klimawandel entgegenzuwir-
ken. Besorgte Bürgerinnen und Bürger verweisen in E-Mails an Abgeordnete
auf wiederkehrende Veröffentlichungen in einigen fachfernen Zeitschriften
(etwa „Die Zerstörung des Himmels“, Raum & Zeit Nr. 127) oder einschlägi-
gen Internetseiten (http://www.chemtrails.ch/), welche diese „Chemtrails“

genannten Spuren im Himmel, die Kondensstreifen ähneln sollen, jenen
vermeintlich geheimen Militär-Operationen zuordnen. Hingegen weisen in
Deutschland sowohl das Umweltbundesamt (www.umweltbundesamt.de/
uba- info-presse/hintergrund/chemtrails.pdf) als auch Umweltorganisationen wie
Greenpeace (www.chemtrails-info.de/chemtrails/greenpeace-erklaerung.htm)
solche Theorien strikt zurück. Sie vermuten hinter den Beobachtungen viel-

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mehr Kondensstreifen von Flugzeugen, die sich bei bestimmten Wetterlagen
besonders stark herausbilden und bei Windstille auch stundenlang halten.

Die Wissenschaftler Klaus Dieter Beheng und Ulrich Blahak vom Institut für
Meteorologie und Klimaforschung der Universität Karlsruhe/Forschungszent-
rum Karlsruhe haben unter dem Titel „Ungewöhnliche atmosphärische Struktu-
ren im Radarbild“ am 13. Oktober 2006 eine Stellungnahme zu den bereits von
Asmus beschriebenen atmosphärischen Strukturen in den Mitteilungen der
Deutschen Meteorologischen Gesellschaft veröffentlicht (www.dfld.de/Down-
loads/Uni_Khe_061013.pdf). Sie bestätigen nach Ausschluss einer Vielzahl an-
derer Hypothesen die Vermutung von Asmus. Die Erscheinungen seien mit
hoher Wahrscheinlichkeit Chaff zuzuordnen, das innerhalb von Übungen von
Militärflugzeugen in Größenordungen von maximal wenigen 100 Kilogramm
abgeworfen werde. Die Maschinen würden die Düppel ausstoßen, um Radaran-
lagen mit den daraus großflächig entstehenden Radar-Geisterwolken zu stören.
Entsprechende Radarreflexionen könnten von Wetterstationen erfasst werden.
Zudem seien die Chaff-Strukturen vom 19. Juli 2005 kein Einzelfall, solche
würden immer wieder in Radardaten entdeckt. Eine eindeutige Identifizierung
sei jedoch häufig schwierig. Vor allem wenn sich die Chaff-Partikel mit natür-
lichen Wolken mischten, sei ihr Nachweis fast unmöglich.

Die Autoren stellen fest, dass als „Verursacher“ der fraglichen Radarechos
eigentlich nur militärische Luftfahrzeuge in Betracht kämen, die vermutlich
den Umgang mit Chaff zur Störung feindlicher Luftüberwachungsradare geübt
oder aber Chaff als Ziele für Raketenabwehrsysteme freigesetzt hätten. Ab-
schließend klären ließe sich das allerdings nicht, „da aus diversen Gründen
keine offiziellen Statements seitens der Verantwortlichen erwartet werden dür-
fen“.

Aufgrund der wiederkehrenden Anfragen von Bürgerinnen und Bürgern, die
unter anderem auf die aktuelle ZDF-Berichterstattung verweisen, fragen wir die
Bundesregierung:

1. Hat die Bundesregierung Kenntnis von in- oder ausländischen Militärflug-
zeugen oder anderen Luftfahrzeugen, die so genanntes Chaff in der Atmo-
sphäre abwerfen?

2. Hat das Ausbringen des so genannte Chaffs die in der Karlsruher Studie ver-
muteten militärischen Funktionen, wenn nein, welche Funktion hat es?

3. Wurden am 14. Januar 2009 sowie an den in der Karlsruher Studie beispiel-
haft genannten weiteren Tagen 19. Juli 2006, 18. Juni 2003 und 6. Dezember
2001 Chaff-Versuche oder ähnliche Experimente durchgeführt, die über
deutschem Gebiet beschriebene Radarreflexionen auslösten?

Wenn ja, von wem, und mit welchem Ziel, wenn nein, wie erklärt sich die
Bundesregierung die an diesen Tagen festgestellten ungewöhnlichen atmo-
sphärischen Strukturen im Radarbild?

4. Sollten solche oder ähnliche Versuche an diesen Tagen durchgeführt worden
sein: Welche Stoffe wurden in welcher Menge in die Atmosphäre gebracht?

5. Wie viel Chaff-Versuche wurden in Deutschland insgesamt seit 1990 von
wem durchgeführt, und welche Mengen an welchen Materialien wurden da-
bei in die Atmosphäre gebracht?

6. Wie schätzt die Bundesregierung ggf. die Wirkung solcher Versuche auf
Mensch und Umwelt ein?

7. Wie bewertet die Bundesregierung den Sinn solcher Versuche, auf welcher
gesetzlichen Grundlage erfolgen sie, und unterliegen sie einem Genehmi-

gungsverfahren?

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8. Sollte sich nach Auffassung der Bundesregierung das Militär im Zusam-
menhang mit Chaff-Versuchen nicht zumindest mit den zuständigen staat-
lichen meteorologischen Diensten in Verbindung setzen, um die Interpreta-
tion von Wetterprognosen zu erleichtern?

9. Hat die Bundesregierung Kenntnisse, inwieweit im Ausland solche oder
vergleichbare Versuche durchgeführt werden?

10. Welche Haltung hat die Bundesregierung zu der Debatte um so genannte
Chemtrails?

Berlin, den 16. Februar 2009

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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