BT-Drucksache 16/11984

zu dem Antrag der Abgeordneten Werner Dreibus, Dr. Barbara Höll, Ulla Lötzer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. -16/10828- Tarifflucht verhindern - Geltung des Günstigkeitsprinzips bei Betriebsübergängen nach § 613a BGB sicherstellen

Vom 13. Februar 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/11984
16. Wahlperiode 13. 02. 2009

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Werner Dreibus, Dr. Barbara Höll,
Ulla Lötzer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE.
– Drucksache 16/10828 –

Tarifflucht verhindern – Geltung des Günstigkeitsprinzips bei Betriebsübergängen
nach § 613a BGB sicherstellen

A. Problem

Nach Auffassung der antragstellenden Fraktion wird die derzeitige Regelung
des § 613a des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) bei Betriebsübergängen von
Unternehmen dazu genutzt, unter bestimmten Konstellationen mittels gesell-
schaftsrechtlicher Winkelzüge Tarifdumping zu betreiben. Das geltende Gesetz
ziele aber eigentlich darauf, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in die-
ser Situation nicht schlechter gestellt werden dürften. Das beruhe im Wesent-
lichen darauf, dass derzeit in solchen Fällen das Ablösungs- und nicht das Güns-
tigkeitsprinzip gelte.

B. Lösung

Der Deutsche Bundestag soll nach dem Willen der Antragsteller die Bundes-
regierung auffordern, durch eine Änderung der gesetzlichen Grundlage zu ver-
hindern, dass bei Betriebsübergängen die Ablösung vorhandener durch neue ta-
rifvertragliche Regelungen zu Verschlechterungen für die Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmer führe. Die Festlegung des Günstigkeitsprinzips im § 613a
BGB solle durch eine Konkretisierung im Bürgerlichen Gesetzbuch in der Form
erfolgen, dass Satz 3 nicht gelte, soweit die Anwendung dieser Regelung zu
einer Verschlechterung der Arbeitsbedingungen führen würde.

Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU,
SPD und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
C. Alternativen

Annahme des Antrags.

D. Kosten

Kosten wurden nicht ermittelt.

Drucksache 16/11984 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag auf Drucksache 16/10828 abzulehnen.

Berlin, den 11. Februar 2009

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales

Gerald Weiß (Groß-Gerau) Brigitte Pothmer
Vorsitzender Berichterstatterin

prinzip gelten. Damit würden zwei völlig unterschiedliche
nen und Arbeitnehmer führen würde. Ziel des Antrags sei es,
Sachverhalte vermengt. In Deutschland werde zwischen In-
dividual- und Kollektivarbeitsrecht unterschieden. Der Ge-
setzgeber habe sich daher im § 613a BGB hinsichtlich der

den Schutz des § 613a BGB sicherzustellen.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN stimmte der
antragstellenden Fraktion zu. Die ursprüngliche Intention
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/11984

Bericht der Abgeordneten Brigitte Pothmer

I. Überweisung

Der Antrag auf Drucksache 16/10828 ist in der 200. Sitzung
des Deutschen Bundestages am 22. Januar 2009 an den Aus-
schuss für Arbeit und Soziales zur federführenden Beratung
und an den Rechtsausschuss sowie den Ausschuss für Wirt-
schaft und Technologie zur Mitberatung überwiesen worden.

II. Voten der mitberatenden Ausschüsse

Der Rechtsausschuss und der Ausschuss für Wirtschaft
und Technologie haben den Antrag auf Drucksache
16/10828 in ihren Sitzungen am 11. Februar 2009 beraten
und mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU, SPD
und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE.
und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dem Deutschen Bundes-
tag empfohlen, den Antrag abzulehnen.

III. Wesentlicher Inhalt der Vorlage

Nach Einschätzung der Antragsteller wird die derzeitige Re-
gelung des § 613a BGB von Unternehmen genutzt, um unter
bestimmten Konstellationen durch Aufspaltung, Ausgrün-
dung, Verkauf oder Ähnlichem legal Tarifdumping zu betrei-
ben. Das geltende Gesetz ziele aber eigentlich darauf, dass
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in solchen Situatio-
nen nicht schlechter gestellt werden dürften. Begründet wer-
de das gegenteilige Vorgehen mit einer Spezialregelung in
§ 613a Abs. 1 Satz 3 BGB, welche die Anwendung des
Günstigkeitsprinzips ausschließe. Um Tarifdumping zu ver-
hindern, sei eine gesetzgeberische Klarstellung sinnvoll. Die
für die Beschäftigten negativen Folgen könnten durch eine
Konkretisierung im Bürgerlichen Gesetzbuch verhindert
werden. Klargestellt werden müsse, dass § 613a Abs. 1
Satz 3 BGB nicht gelte, soweit die Anwendung dieser Rege-
lung zu einer Verschlechterung der Arbeitsbedingungen füh-
ren würde.

IV. Beratung im federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat in seiner 116. Sit-
zung am 11. Februar 2009 den Antrag auf Drucksache
16/10828 beraten und mit den Stimmen der Fraktionen der
CDU/CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen der Fraktio-
nen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN be-
schlossen, dem Deutschen Bundestag die Ablehnung zu
empfehlen.

Die Fraktion der CDU/CSU bekräftigte, auch sie verfolge
das Ziel, Tarifflucht zu verhindern. Die im vorliegenden An-
trag vorgelegte Regelung sei aber in keiner Weise geeignet,
das Problem zu lösen. Danach solle in Zukunft in solchen
Fällen nicht mehr das Ablösungs-, sondern das Günstigkeits-

grund des kollektiven Charakters nicht einzelne, günstigere
Teile in einen anderen Tarifvertrag übernommen werden
könnten. Hier gelte das Tarifvertragsgesetz. Der Antrag
werde der verfassungsrechtlich geschützten Tarifautonomie
nicht hinreichend gerecht. Arbeitnehmerinnen und Arbeit-
nehmer würden gegebenenfalls über den § 613a BGB in
einen Tarifvertrag gezwungen, wodurch etwa die negative
Koalitionsfreiheit außer Kraft gesetzt würde. Im Übrigen
würde der Antrag der Fraktion DIE LINKE. auch dem Geist
der EU-Betriebsübergangsrichtlinie entgegenstehen. So habe
der Europäische Gerichtshof in seiner Werhof-Entscheidung
noch einmal betont, dass § 613a BGB und die ihm zu Grunde
liegende Betriebsübergangsrichtlinie die Koalitionsfreiheit
des Arbeitgebers in besonderer Weise schützten. Die Frak-
tion der CDU/CSU werde den Antrag daher ablehnen.

Die Fraktion der SPD kritisierte, dass der Kern des § 613a
BGB durch den Antrag verändert würde. Er greife lediglich
eine sehr spezielle Problematik auf, die auf nur sehr wenige
Sachverhalte zutreffe. Die Tarifvertragsparteien hätten Re-
gelungsmöglichkeiten im Tarifvertrag, um Verschlechterun-
gen zu vermeiden. Im Fall des Betriebsübergangs gelte bei
verschiedenen Tarifverträgen nicht das Günstigkeits-, son-
dern das Ordnungs- und Ablöseprinzip. Darüber hinaus sei
die im vorliegenden Antrag gewählte Lösung fragwürdig;
denn damit würden unterschiedliche Regelungen verschie-
dener Tarifverträge unzulässig miteinander vermischt.
Schließlich bilde jeder Tarifvertrag für sich ein zusammen-
hängendes Ganzes, von dem nicht einzelne günstigere Teile
in einen anderen Tarifvertrag übertragen werden können.
Die Fraktion der SPD werde daher nicht zustimmen.

Die Fraktion der FDP führte aus, dass § 613a BGB in sei-
ner geltenden Form notwendige Betriebsübergänge behinde-
re. In nicht wenigen Fällen habe dies sogar zur Insolvenz von
Unternehmen geführt, bei denen eine Fortführung möglich
gewesen wäre. Auch die Fraktion der FDP sei für das Güns-
tigkeitsprinzip. Im Gegensatz zur Fraktion DIE LINKE. halte
sie aber auch die Schlechterstellung bei Arbeitszeit oder
Lohn für günstiger, wenn die einzige Alternative die Arbeits-
losigkeit sei. Daher werde die Fraktion der FDP den Antrag
ablehnen.

Die Fraktion DIE LINKE. verwies auf den Sinn des § 613a
BGB. Er solle ausschließen, dass Arbeitnehmer und Arbeit-
nehmerinnen innerhalb der ersten zwölf Monate nach einem
Betriebsübergang Verschlechterungen hinnehmen müssten.
Diese Intention werde im zunehmenden Maße von Unter-
nehmen bewusst umgangen, wie jüngst durch die Deutsche
Telekom AG. Möglich werde dies durch eine Lücke im
§ 613a BGB. Deshalb müsse die Norm mit einer Klausel ver-
sehen werden, wonach bei Anwendung des Günstigkeits-
prinzips Satz 3 nicht gelten solle, soweit dies zu einer Ver-
schlechterung der Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmerin-
Individualabrede bewusst für das Günstigkeitsprinzip ent-
schieden. Anders hingegen bei den Tarifverträgen, wo auf-

des Gesetzgebers, Arbeitnehmer bei einem Betriebsüber-
gang zu schützen, werde zunehmend von einzelnen Unter-

Drucksache 16/11984 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

nehmen ausgehöhlt. Diese Lücke müsse durch eine gesetz-
liche Regelung geschlossen werden. Wenn die Tarifparteien
ihren gesetzlichen Aufgaben nicht mehr gerecht werden
könnten, müsse der Staat unterstützend eingreifen. Ob der
vorgeschlagene Antrag juristisch die beste Lösung sei, müs-
se diskutiert werden. Nach Ansicht der Fraktion BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN gehe der Antrag jedoch in die richtige
Richtung. Man werde daher zustimmen.

Berlin, den 11. Februar 2009

Brigitte Pothmer
Berichterstatterin

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