BT-Drucksache 16/11983

zu dem Antrag der Abgeordneten Katja Kipping, Klaus Ernst, Dr. Lothar Bisky, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. -16/11683- Angemessenheit der Leistungen für Unterkunft und Heizung im SGB II - Beschäftigung fördern statt Zwangsumzüge

Vom 13. Februar 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/11983
16. Wahlperiode 13. 02. 2009

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Katja Kipping, Klaus Ernst, Dr. Lothar Bisky,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE.
– Drucksache 16/11683 –

Angemessenheit der Leistungen für Unterkunft und Heizung im SGB II –
Beschäftigung fördern statt Zwangsumzüge

A. Problem

Nach Einschätzung der Antragsteller drohen Bürgern und Bürgerinnen, die Leis-
tungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) beziehen, nach gel-
tendem Recht bereits nach einem halben Jahr Wohnkostensenkung und Zwangs-
umzüge. Günstigere Regelungen wie in Berlin beurteile die Bundesregierung als
mit geltendem Recht nicht vereinbar. Damit werde eine arbeitsmarkt-, sozial-
und stadtentwicklungspolitisch bewährte Regelung ausgehebelt. Dies laufe dem
vorrangigen Ziel des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch – der Integration in den
Arbeitsmarkt – zuwider. Zumindest in dem ersten Jahr des Leistungsbezugs
müsse den Hilfeberechtigten die Rechtssicherheit gegeben werden, dass ihre
Wohnkosten übernommen werden. Hilfebedürftige müssten ihre Energien auf
die Integration in Beschäftigung konzentrieren können.

B. Lösung

Der Deutsche Bundestag soll die Bundesregierung nach dem Willen der Antrag-
steller auffordern, § 22 Absatz 1 SGB II zu verändern. Danach sollten Leistun-
gen für Unterkunft und Heizung für die Dauer eines Jahres ab Beginn des ersten
Leistungsbezugs nach dem SGB II in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen ge-
zahlt werden. Die Bundesregierung solle die durchführenden Instanzen der Leis-
tungen für Unterkunft und Heizung auf die „Ersten Empfehlungen des Deut-

schen Vereins zu den Leistungen für Unterkunft und Heizung (§ 22 SGB II)“
vom 18. Juni 2008 verweisen. Der Bund solle zudem seinen Anteil an den in
§ 46 Absatz 5 SGB II genannten Leistungen für Unterkunft und Heizung ent-
sprechend der tatsächlichen Ausgabenentwicklung ändern.

Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU,
SPD und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Drucksache 16/11983 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

C. Alternativen

Keine

D. Kosten

Kostenberechnungen wurden nicht angestellt.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/11983

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag auf Drucksache 16/11683 abzulehnen.

Berlin, den 11. Februar 2009

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales

Gerald Weiß (Groß-Gerau)
Vorsitzender

Karl Schiewerling
Berichterstatter

ziehungen, die zur sozialen Stabilisierung und beruflichen
IV. Beratung im federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat in seiner

Integration hilfreich seien. Wenn Bezieher von Leistungen
nach dem SGB II nur in bestimmten Wohnvierteln lebten,
drohe eine Ghettoisierung. Die Regelung im Land Berlin sei
Drucksache 16/11983 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Bericht des Abgeordneten Karl Schiewerling

I. Überweisung

Der Antrag auf Drucksache 16/11683 ist in der 203. Sitzung
des Deutschen Bundestages am 30. Januar 2009 an den Aus-
schuss für Arbeit und Soziales zur federführenden Beratung
und an den Innenausschuss, den Haushaltsausschuss sowie
an den Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
zur Mitberatung überwiesen worden.

II. Voten der mitberatenden Ausschüsse

Der Innenausschuss, der Haushaltsausschuss und der
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
haben den Antrag auf Drucksache 16/11683 in ihren Sitzun-
gen am 11. Februar 2009 beraten und mit den Stimmen der
Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP gegen die Stim-
men der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN dem Deutschen Bundestag die Ablehnung des
Antrags empfohlen.

III. Wesentlicher Inhalt der Vorlage

Nach Angaben der Antragsteller drohen nach geltendem
Recht Bürgern und Bürgerinnen, die Leistungen nach dem
SGB II beziehen, bereits nach einem halben Jahr Wohnkos-
tensenkung und Zwangsumzüge. Günstigere Regelungen
wie in Berlin würden von der Bundesregierung als mit gel-
tendem Recht unvereinbar betrachtet. Damit werde eine ar-
beitsmarkt-, sozial- und stadtentwicklungspolitisch bewähr-
te Regelung ausgehebelt. Dies laufe dem vorrangigen Ziel
des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch – der Integration in
den Arbeitsmarkt – zuwider. Zumindest im ersten Jahr des
Leistungsbezugs müsse den Hilfeberechtigten die Rechts-
sicherheit gegeben werden, dass ihre Wohnkosten übernom-
men würden. Hilfebedürftige müssten ihre Energie auf die
Integration in Beschäftigung konzentrieren. Rechtssicher-
heit bei der Übernahme der tatsächlichen Kosten von Unter-
kunft und Heizung für ein Jahr entlaste zudem die Verwal-
tung, da Einzelfallprüfungen administrativ aufwändig seien.
Auch die Gerichte würden entlastet, da die gesetzlichen Re-
gelungen zur Senkung der Wohn- und Heizkosten häufig
Anlass zu Streit gäben. Der Deutsche Bundestag soll die
Bundesregierung nach dem Willen der Antragsteller auffor-
dern, § 22 Absatz 1 SGB II so zu ändern, dass Leistungen für
Unterkunft und Heizung für die Dauer eines Jahres ab Be-
ginn des erstmaligen Leistungsbezugs nach dem SGB II in
Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht werden. Die
Bundesregierung solle die durchführenden Instanzen auf die
„Ersten Empfehlungen des Deutschen Vereins zu den Leis-
tungen für Unterkunft und Heizung (§ 22 SGB II)“ vom
18. Juni 2008 verweisen. Darüber hinaus solle der Bund sei-
nen Anteil an den in § 46 Absatz 5 SGB II genannten Leis-
tungen nach Maßgabe der tatsächlichen Ausgabenentwick-
lung entsprechend anpassen.

der CDU/CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen der Frak-
tionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN be-
schlossen, dem Deutschen Bundestag die Ablehnung zu
empfehlen.

Die Fraktion der CDU/CSU erläuterte, Kosten für Unter-
kunft und Heizung würden bereits in tatsächlicher Höhe
übernommen, soweit diese Kosten angemessen seien. Unter-
kunftskosten über diese Angemessenheitsgrenze hinaus
würden so lange übernommen, wie es dem Hilfebedürftigen
beziehungsweise der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich
oder zumutbar sei, die Aufwendungen zu senken. Das seien
in der Regel längstens sechs Monate. Man müsse über die
Pauschalisierung der Unterkunftskosten unter Beachtung
von Wohnort und Größe der Bedarfsgemeinschaft nachden-
ken, um Verwaltungskosten zu senken und Eigeninitiative zu
fördern. Alle 16 Bundesländer hätten aber einhellig die Emp-
fehlungen des Deutschen Vereins abgelehnt. Daher werde
die Fraktion der CDU/CSU gegen den Antrag stimmen.

Die Fraktion der SPD kritisierte, dass der Antrag erneut die
Höhe der Bundesbeteiligung an den Kosten der Unterkunft
in Frage stelle. Die Entscheidung für die Berechnung mit
einer Anpassungsformel nach Anzahl der Bedarfsgemein-
schaften stamme erst aus dem Jahr 2007. Diese Methode sei
verständlich, nachvollziehbar und gebe Planungssicherheit.
Die Entwicklung der Bedarfsgemeinschaften als Berech-
nungsgrundlage sei richtig und solle nicht geändert werden.
Das primäre Ziel im SGB II sei es, durch Eingliederung in
den Arbeitsmarkt und Förderung von Beschäftigung die
Zahl der Hilfebedürftigen und damit die Zahl der Bedarfs-
gemeinschaften zu reduzieren. Die Chancen für den Erlass
einer verbindlichen Empfehlung des Bundes zu den Mieten
seien gering, da die Länder bereits abgelehnt hätten. Die
Fraktion der SPD werde daher gegen den Antrag stimmen.

Die Fraktion der FDP erklärte, es sei vertretbar, von jeman-
dem Arbeitsplatzsuche und Wohnungswechsel gleichzeitig
zu erwarten. Der zeitliche Aufwand und der psychische
Druck seien in Relation zur verfügbaren Arbeitszeit und der
Planungssicherheit von einem halben Jahr gerechtfertigt. Es
sei unlauter, bei den Arbeitslosengeld-II-Beziehern von ei-
ner Ghettoisierung zu sprechen. Selbst wenn es sie gebe,
könne bei Wiederbeschäftigung ein Umzug in eine größere,
teurere und besser gelegene Wohnung folgen. In dem Antrag
der Fraktion DIE LINKE. sei kein Vorschlag enthalten, wie
man Beschäftigung fördern könne. Aus diesen Gründen wer-
de die Fraktion der FDP gegen den Antrag stimmen.

Die Fraktion DIE LINKE. begründete ihren Antrag damit,
dass man großzügigere Regelungen für die Wohnkosten im
Bereich des SGB II brauche. Die tatsächlichen Kosten der
Unterkunft seien für die Dauer von einem Jahr zu tragen.
Verordnete Umzüge bedeuteten häufig den Verlust von Be-
116. Sitzung am 11. Februar 2009 den Antrag auf Druck-
sache 16/11683 beraten und mit den Stimmen der Fraktionen

im Bundesvergleich vorbildlich gewesen und müsse bundes-
gesetzlich verallgemeinert werden.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/11983

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN forderte eine
Regelung, die den tatsächlichen Kosten für Unterkunft und
Heizung entspreche. Zwangsumzüge müssten im Vorfeld
vermieden werden, Wohnkosten nach einem transparenten
Verfahren übernommen werden. Dieses müsse sich am
aktuellen örtlichen Mietspiegel und der tatsächlichen Ver-
fügbarkeit von Wohnraum orientieren. Die Bundesregierung
solle die Grundsicherungsträger auf die „Ersten Empfehlun-
gen des Deutschen Vereins zu den Leistungen für Unterkunft
und Heizung (§ 22 SGB II)“ vom 18. Juni 2008 verweisen.
Es entstünden ohnehin schon zu viele Armutsquartiere, die
im Widerspruch zu propagierten Zielen von Wohnungs-
politik und Wohngemeinschaft stünden. Die Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN werde dem Antrag daher zu-
stimmen, auch wenn die im Antrag ebenfalls enthaltene
Forderung nach Übernahme der nicht angemessenen Wohn-
kosten über die bisherigen sechs Monate hinaus als nicht not-
wendig erachtet werde.

Berlin, den 11. Februar 2009

Karl Schiewerling
Berichterstatter

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