BT-Drucksache 16/11883

Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses ausbauen

Vom 11. Februar 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/11883
16. Wahlperiode 11. 02. 2009

Antrag
der Abgeordneten Marion Seib, Alexander Dobrindt, Michael Kretschmer,
Katherina Reiche (Potsdam), Helmut Brandt, Hartwig Fischer (Göttingen), Axel E.
Fischer (Karlsruhe-Land), Eberhard Gienger, Monika Grütters, Anette Hübinger,
Hartmut Koschyk, Carsten Müller (Braunschweig), Dr. Norbert Röttgen, Uwe
Schummer, Marcus Weinberg, Volker Kauder, Dr. Peter Ramsauer und der
Fraktion der CDU/CSU
sowie der Abgeordneten Jörg Tauss, Willi Brase, Ulla Burchardt, Dieter
Grasedieck, Klaus Hagemann, Petra Hinz (Essen), Christel Humme, Dr. Uwe
Küster, Ute Kumpf, Lothar Mark, Gesine Multhaupt, Thomas Oppermann, René
Röspel, Dr. Ernst Dieter Rossmann, Renate Schmidt (Nürnberg), Heinz Schmitt
(Landau), Swen Schulz (Spandau), Dr. Peter Struck und der Fraktion der SPD

Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses ausbauen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Deutschlands Stärke sind die Qualifikation und Kreativität der hier lebenden
Menschen. Der Innovationsstandort Deutschland braucht einen exzellenten wis-
senschaftlichen Nachwuchs und international wettbewerbsfähige Rahmenbe-
dingungen für die Qualifizierung und Karriereplanung in der deutschen Spitzen-
forschung. Der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses kommt eine
Schlüsselrolle zu bei der Sicherung unseres steigenden Bedarfs an hochqualifi-
zierten Fachkräften und damit der künftigen Innovationsfähigkeit Deutschlands
und unseres Wohlstands insgesamt. Ziel der Nachwuchsförderung ist es, die bes-
ten Bedingungen zu schaffen, damit die jungen Menschen ihre Potenziale opti-
mal entfalten können und hochqualifizierte Nachwuchskräfte ihre Chancen in
Wissenschaft und Forschung in Deutschland auch tatsächlich wahrnehmen kön-
nen. Auch die Juniorprofessur leistet hierbei einen wichtigen Beitrag. Dazu ge-
hört auch die Unterstützung des wissenschaftlichen Nachwuchses durch Pro-
gramme, die europäische und internationale Mobilität, Kooperation und Netz-
werkbildung fördern.

Die Schaffung eines europäischen Hochschul- und Forschungsraums ist gerade
für den wissenschaftlichen Nachwuchs aus Deutschland eine große Chance,
aber eben auch eine Herausforderung für unsere Hochschulen und Forschungs-

einrichtungen. In Deutschland wird auf höchstem Niveau geforscht und gelehrt.
Damit dies so bleibt brauchen wir Rahmenbedingungen für junge Forscherinnen
und Forscher, die im europäischen und internationalen Vergleich wettbewerbs-
fähig sind. Dies gilt für den finanziellen Vergütungsrahmen ebenso wie für die
konkreten Arbeits- und Lebensbedingungen oder die Verlässlichkeit der
Karriereplanung. Ebenso bildet sich Exzellenz heute vor allem in internationa-
len Forschernetzwerken. Der freien Mobilität junger Wissenschaftlerinnen und

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Wissenschaftler stehen aber bereits im europäischen Maßstab noch zahlreiche
rechtliche und bürokratische Barrieren entgegen, die nicht mehr zeitgemäß sind.

Im Zuge des weiteren Bologna-Prozesses wird zudem der Doktorandenausbil-
dung ein neuer Stellenwert zukommen. Im europäischen Vergleich liegt
Deutschland betreffend der Zahl der jährlich abgeschlossenen Promotionen kon-
tinuierlich an der Spitze. Vielfach sind die verschiedenen Promotionen Grund-
lage für hervorragende Karrieren in der Forschung oder der Wirtschaft. Ohne
diese Vielfalt der Promotionsmöglichkeiten einzuschränken, ist die strukturierte
Doktorandenausbildung weiter auszubauen und stärker zu fördern.

Wissenschaft und Forschung brauchen gerade in Anbetracht der Europäisierung
und Internationalisierung von Lehr-, Lern- und Arbeitsräumen weit in die Zu-
kunft reichende, klare und verlässliche Perspektiven. Daher spricht sich der
Deutsche Bundestag ausdrücklich für die verstärkte Förderung des wissen-
schaftlichen Nachwuchses aus.

Der Deutsche Bundestag begrüßt die Programm- und Projektförderungen und
die Förderung von Wissenschafts- und Mittlerorganisationen, wie

– die damit verbundene Steigerung des Stellenangebots für den wissen-
schaftlichen Nachwuchs durch die Exzellenzinitiative und den Hochschul-
pakt 2020, die auch als Jobmotor für das wissenschaftliche Personal an Hoch-
schulen wirken;

– die Mittelbereitstellung für die Begabtenförderung in Höhe von rund
164 Mio. Euro für das Jahr 2009, so dass u. a. zur Erreichung des 1-Prozent-
Ziels bei der Studienförderung wesentlich mehr junge Menschen in ihrem
Studium und darüber hinaus im Rahmen ihrer Promotion finanziell unter-
stützt werden können;

– die Erhöhung der Promotionsstipendien auf 1 050 Euro monatlich;

– das Programm „Zeit gegen Geld“, das dazu beiträgt, dass Familie und
Karriere für Begabte im Hochschulbereich besser vereinbar werden;

– das Wissenschaftszeitvertragsgesetz, das die Sonderregelungen für die Qua-
lifizierungsphase von jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern um
eine familienpolitische Komponente ergänzt, damit zur Familiengründung
ermutigt wird;

– die ins Leben gerufene Alexander von Humboldt-Professur, mit der auslän-
dische Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen für langfristige Forschung
in Deutschland und deutsche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im
Ausland mit hervorragenden Leistungen aller Fachgebiete zurückgewonnen
werden können;

– die internationalen Programme der Individualförderung sowie der projektbe-
zogenen Kooperation von Graduierten, Doktoranden und Nachwuchswissen-
schaftlern, insbesondere des Deutschen Akademischen Austauschdienstes
und der Alexander von Humboldt-Stiftung;

– die Marie-Curie-Maßnahmen im Rahmen des 7. Forschungsrahmenpro-
gramms der Europäischen Union.

Der Deutsche Bundestag begrüßt außerdem,

– dass die Bundesregierung mit dem im Bundesministerium für Bildung und
Forschung entwickelten Professorinnen-Programm ein nachhaltiges Instru-
ment zur Förderung von Spitzenwissenschaftlerinnen beschlossen hat, mit
dem Bund und Länder in den nächsten fünf Jahren 200 Stellen für Professo-
rinnen an den deutschen Hochschulen finanzieren werden;
– den Hochschulpakt, mit dem sichergestellt wird, dass bis 2010 insgesamt
über 90 000 zusätzliche Studienanfängerinnen und Studienanfänger an den

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/11883

Hochschulen aufgenommen werden können und damit die Basis für einen
exzellenten künftigen wissenschaftlichen Nachwuchs verbreitert wird;

– den Pakt für Forschung und Innovation, der den von Bund und Ländern auf
der Grundlage von Artikel 91b des Grundgesetzes gemeinsam finanzierten
Forschungs- und Wissenschaftsorganisationen bis zum Jahr 2010 einen jähr-
lichen Mittelzuwachs von mindestens 3 Prozent garantiert;

– ausdrücklich das Kommunikations- und Informationssystem „Wissenschaft-
licher Nachwuchs“ (KISSWIN), mit dem sich Interessierte aus dem In- und
Ausland schnell und problemlos über Karrierewege und Fördermöglichkei-
ten informieren können;

– die Exzellenzinitiative, durch die insgesamt bisher 39 Graduiertenschulen
mit jährlich rund 1 Mio. Euro gefördert werden. Die Nachwuchsförderung
wird damit nachhaltig gestärkt und ein derartiges Exzellenznetzwerk zwi-
schen den Hochschulen trägt dazu bei, dass die Hochschulforschung mit den
übrigen Säulen der deutschen Forschungslandschaft Schritt halten kann;

– neue Formen der Kooperation zwischen Universitäten und außeruniversitä-
ren Forschungseinrichtungen bei der Ausbildung und Förderung des wissen-
schaftlichen Nachwuchses.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. gegenüber den Ländern darauf hinzuwirken, dass dem wissenschaftlichen
Nachwuchs durch eine Ausweitung von Tenure-Track-Professuren frühzeitig
berechenbare und klare Karriereperspektiven angeboten werden können, da-
mit junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dadurch die Möglich-
keiten zur besseren Selbstorganisation in Forschung und Lehre – auch im
Hinblick auf Vereinbarkeit von Familie und wissenschaftlicher Karriere –
erhalten;

2. gemäß den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 8./9. März 2007
die Bemühungen zur Schaffung der notwendigen Bedingungen für einen
offenen europäischen Arbeitsmarkt für Forscher fortzusetzen, indem noch
bestehende Hürden in der geographischen und sektoralen Mobilität überwun-
den und die Arbeitsbedingungen für Forscher verbessert werden, u. a. durch
weitere Fortschritte bei der Umsetzung der Europäischen Charta für Forscher
und den Verhaltenskodex für die Einstellung von Forschern als freiwilliges
Instrument der Mitgliedstaaten, und dabei insbesondere die Wirtschaft in die-
sen Prozess verstärkt einzubeziehen;

3. das Kommunikations- und Informationssystem „Wissenschaftlicher Nach-
wuchs“ (KISSWiN) mit höchster Priorität zur zentralen Plattform und zum
unabhängigen Beratungsinstrument für die Wissenschaftlerinnen und Wis-
senschaftler von morgen auszubauen;

4. die Bemühungen der Länder und Hochschulen um eine Verbesserung der
Lehrqualität nachdrücklich zu unterstützen;

5. in den Beratungen mit den Ländern zur Fortsetzung des Paktes für Forschung
und Innovation, der Exzellenzinitiative und des Hochschulpaktes auf eine
nachhaltige Stärkung der Nachwuchsförderung hinzuwirken, insbesondere
Frauen stärker für eine wissenschaftliche Karriere zu gewinnen und der
Juniorprofessur eine Perspektive zu geben;

6. gegenüber den Ländern auf eine verstärkte Förderung und Betreuung von
Doktorandinnen und Doktoranden im Rahmen einer strukturierten, als erste
Phase eigenständiger wissenschaftlicher Arbeit aufzufassenden Promotions-
ausbildung hinzuwirken. Im Regelfall sollten hierfür Promotionsstellen vor-

gesehen werden, in denen mindestens die Hälfte der Arbeitszeit der eigenen
Qualifizierung dient;

Drucksache 16/11883 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
7. die Wirtschaft im Zuge der Umsetzung der Europäischen Charta für For-
scher dafür zu gewinnen, vermehrt und regelmäßig Ausbildungs- und Wei-
terbildungsplätze für Forscherinnen und Forscher zur Verfügung zu stellen,
um so die Attraktivität des Forscherberufes und die notwenige Durchlässig-
keit von Wissenschaft und Wirtschaft zu steigern;

8. die internationale Wettbewerbsfähigkeit und Attraktivität des deutschen
Wissenschafts- und Forschungssystems kontinuierlich weiter zu erhöhen,
um auch künftig deutsche und ausländische Spitzenkräfte aus dem Ausland
auf Dauer für Deutschland gewinnen zu können;

9. dafür zu werben, dass es im Zuge der Bemühungen um die Forcierung des
lebenslangen Lernens, der Flexibilisierung von Berufswegen und der Ver-
besserung beruflicher Entwicklungsmöglichkeiten Akademikerinnen und
Akademikern grundsätzlich möglich ist, auch zu einem späteren Zeitpunkt
im Berufsleben in eine wissenschaftliche Karriere überzuwechseln oder
eine Phase wissenschaftlicher Arbeit einzulegen;

10. auf eine verstärkte Gleichstellung der Geschlechter hinzuwirken. Hierbei ist
eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf ein wichtiger Baustein zur
Verwirklichung „familienfreundlicher“ Hochschulen und Forschungs-
einrichtungen;

11. die Rahmenbedingungen für einzelne Personengruppen – wie beispiels-
weise behinderte und chronisch kranke Nachwuchswissenschaftlerinnen
und -wissenschaftler – so zu optimieren, dass alle Talente für eine wissen-
schaftliche Karriere gewonnen werden können;

12. bei der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses ein Monitoring-
system zu entwickeln, damit die entsprechenden Programme und Maß-
nahmen auch tatsächlich zur Erreichung der geplanten Ziele beitragen und
die dafür eingesetzten Ressourcen effizient und effektiv eingesetzt werden;

13. insbesondere vor dem Hintergrund der Schaffung eines europäischen Hoch-
schul- und Forschungsraums die europäischen Förderprogramme im Rah-
men des 7. EU-Forschungsrahmenprogramms weiter zu unterstützen und
dem wissenschaftlichen Nachwuchs einen besseren bzw. einfacheren Zu-
gang zu den entsprechenden Maßnahmen zu verschaffen;

14. regelmäßig einmal pro Legislaturperiode mit wechselnden Schwerpunkten
über die Situation des wissenschaftlichen Nachwuchses in Deutschland zu
berichten.

Berlin, den 11. Februar 2009

Volker Kauder, Dr. Peter Ramsauer und Fraktion
Dr. Peter Struck und Fraktion

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