BT-Drucksache 16/11827

Verkehrsprognose 2025 als Grundlage der Überprüfung der Bedarfspläne für Bundesfernstraßen und Schienenwege des Bundes

Vom 3. Februar 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/11827
16. Wahlperiode 03. 02. 2009

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dorothee Menzner, Heidrun Bluhm, Eva Bulling-Schröter,
Lutz Heilmann, Hans-Kurt Hill und der Fraktion DIE LINKE.

Verkehrsprognose 2025 als Grundlage der Überprüfung der Bedarfspläne
für Bundesfernstraßen und Schienenwege des Bundes

Grundlage des Bundesverkehrswegeplans (BVWP) 2003 und der darauf basie-
renden derzeit geltenden Bedarfspläne für Bundesfernstraßen und Schienen-
wege des Bundes war die Verkehrsprognose 2015. Damals waren drei verkehrs-
politische Szenarien erarbeitet worden, das „Überforderungsszenario“, das
„Integrationsszenario“ und das „Laisser-faire-Szenario“. Diese drei Szenarien
unterschieden sich nach den darin unterstellten, bis 2015 zu realisierenden ver-
kehrspolitischen Maßnahmen, die in voneinander erheblich abweichenden Ver-
kehrsprognosen ihren Ausdruck fanden. So variierten die für 2015 prognosti-
zierten Personenkilometer auf der Straße zwischen 768 und 915 Milliarden und
die Tonnenkilometer auf der Schiene zwischen 99 und 169 Milliarden. Die Bun-
desregierung wählte seinerzeit das „Integrationsszenario“, das mit einer Vielzahl
konkret aufgelisteter verkehrspolitischer Maßnahmen – z. B. einer Lkw-Maut
von 21 Cent (40 Pfennig) pro Kilometer und einer Absage an das „Road Pricing“
für Pkw – Grundlage des Bundesverkehrswegeplans 2003 wurde.

Am 16. Oktober 2004 trat das 5. Änderungsgesetz zum Fernstraßenausbauge-
setz und damit der aktuell geltende Bedarfsplan für Bundesfernstraßen in Kraft.
Das erste Gesetz zur Änderung des Bundesschienenwegausbaugesetzes trat am
22. September 2004 in Kraft. Beide Gesetze sehen vor, dass das Bundesminis-
terium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) „spätestens nach dem
Ablauf von fünf Jahren“ zu prüfen hat, ob die Bedarfspläne der Verkehrsent-
wicklung anzupassen sind. Die Anpassung muss jeweils per Gesetz erfolgen.
Unter anderem aus diesem Anlass hat das Bundesministerium für Verkehr, Bau
und Stadtentwicklung die Verkehrsprognose 2025 in Auftrag gegeben, die mit
Datum 14. November 2007 veröffentlicht wurde. Darin werden allerdings keine
verkehrspolitischen Szenarien und auch keine konkreten verkehrspolitischen
Maßnahmen erwähnt. Allenfalls indirekt lässt sich daraus, dass für den Mineral-
ölsteuersatz aus finanz- und aus klimaschutzpolitischen Gründen eine weitere
reale Anhebung als wahrscheinlich zu betrachten sei und dass im Lkw-Verkehr
die tendenziell steigenden Sätze der Straßenbenutzungsgebühr ein größeres
Gewicht als steigende Kraftstoffpreise hätten, herauslesen, dass die Bundes-

regierung nicht gänzlich auf verkehrspolitische Maßnahmen verzichten will. Ein
verkehrspolitisches Gesamtkonzept mit einer strukturierten Auflistung geplan-
ter verkehrspolitischer Maßnahmen wie bei der Verkehrsprognose 2015 ist hin-
gegen nicht erkennbar. Es entsteht deshalb der Eindruck, bei der Verkehrsprog-
nose 2025 handele es sich um ein reines Trendszenario. Da aber die den Prog-
nosen zugrunde gelegten verkehrspolitischen Maßnahmen erheblichen Einfluss
auf die Vorhersage von Verkehrsmengen und die Verteilung auf Verkehrsträger

Drucksache 16/11827 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

haben, die wiederum maßgebliche Eingangsgrößen für die von der Bundesregie-
rung gewählte Art der Berechnung des Nutzens von Verkehrsinvestitionen sind,
ergeben sich Nachfragen.

Zudem gab es nach Erarbeitung der Verkehrsprognose 2025 tiefgreifende Ereig-
nisse, die deren Anwendbarkeit für die Fortschreibung der Bedarfspläne sehr in-
frage stellen. So wird in der Verkehrsprognose 2025 davon ausgegangen, dass
dauerhaft ausreichend Öl verfügbar sein wird, so dass für den Weltrohölpreis
„real entweder ein Rückgang oder höchstens ein leichter Anstieg“ zu erwarten
sein wird (Seite 54). Ursächlich dafür ist, dass die herangezogenen Studien für
das Jahr 2030 allesamt von nicht mehr als 60 US-Dollar für ein Barrel Öl aus-
gehen, die meisten liegen deutlich darunter. Angesichts des Preises für ein Barrel
Öl von fast 150 US-Dollar im Sommer 2008 scheint diese Annahme trotz des
aufgrund der derzeitigen Wirtschaftskrise wieder deutlich gesunkenen Öl-
preises, der mit zurzeit etwa 45 US-Dollar knapp unter den Prognosen für 2025
liegt, sehr gewagt. Somit ist eine der zentralen Annahmen zumindest mit großen
Unsicherheiten behaftet. Die Annahme, die Nutzerkosten im Straßenverkehr
(inklusive eventueller Erhöhungen der Treibstoffsteuern) würden nur um ein
Prozent pro Jahr ansteigen, erscheint äußerst fraglich.

Die aktuelle Wirtschaftskrise dürfte ebenfalls nicht in der Verkehrsprognose
2025 berücksichtigt worden sein. Sie wirft die Frage auf, ob das vorhergesagte
erhebliche Verkehrswachstum noch eine realistische Grundlage für Planung und
Entwicklung der Verkehrswege in der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Immerhin unterstellen die Gutachter einen durchschnittlichen Anstieg der Brut-
towertschöpfung von 1,7 Prozent pro Jahr von 2004 bis 2025. Dagegen rechnet
die Bundesregierung derzeit allein für das Jahr 2009 mit einem Rückgang von
mehr als zwei Prozent.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wurden vor Erarbeitung der Verkehrsprognose 2025 verschiedene verkehrs-
politische Szenarien untersucht?

Wenn ja, welche?

Wenn nein, warum nicht?

2. Welchen noch nicht beschlossenen konkreten verkehrspolitischen Maßnah-
men wurden der Verkehrsprognose 2025 zugrunde gelegt (bitte begründen)?

3. Beabsichtigt die Bundesregierung in absehbarer Zeit wesentliche verkehrs-
politische Beschlüsse zu fassen?

Wenn ja, in welchen Bereichen, und warum sind diese dann nicht in der Ver-
kehrsprognose 2025 berücksichtigt?

4. Wann genau werden die vollständigen Ergebnisse der Umlegung der Ver-
kehrsprognose 2025 auf die Netze von Straße, Schiene und Bundeswasser-
straße vorliegen?

5. Wird bzw. wurde dabei die regional voraussichtlich sehr unterschiedliche
verlaufende Bevölkerungsentwicklung berücksichtigt?

Wenn ja, wie?

Wenn nein, warum nicht?

6. Wann genau wird das Konzept zur Integration einer Strategischen Umwelt-
prüfung in die Bundesverkehrswegeplanung vorliegen?

7. Wie soll dies bei der Überprüfung der Maßnahmen der Bedarfspläne berück-
sichtigt werden?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/11827

8. Wann genau wird die Überprüfung der Maßnahmen der Bedarfspläne abge-
schlossen sein?

9. Werden auch Maßnahmen an Bundeswasserstraßen überprüft?

Wenn ja, warum, und welche?

10. Welche neuen Maßnahmen, die nicht in den Bedarfsplänen enthalten sind,
werden zusätzlich geprüft?

11. Wann wird die Überprüfung der Bedarfspläne voraussichtlich abgeschlos-
sen sein?

12. Beabsichtigt die Bundesregierung, einen Gesetzentwurf zur Änderung der
Bedarfspläne zu verabschieden?

Wenn ja, wann?

13. Soll die Verkehrsprognose 2025 unverändert Grundlage für die Fortschrei-
bung der Bedarfspläne für Bundesfernstraßen und Schienenwege des Bun-
des werden (bitte begründen)?

Wenn nein, welche Anpassungen sind wann geplant?

14. Sieht die Bundesregierung angesichts eines zwischenzeitlichen Rohölprei-
ses von fast 150 US-Dollar und der aktuellen Wirtschaftskrise einen Anlass,
die Verkehrsprognose 2025 zu überprüfen?

Wenn nein, warum nicht?

Wenn ja, wann, und wie?

15. Teilt die Bundesregierung die in der Verkehrsprognose 2025 vertretene Ein-
schätzung, dass der Rohölpreis im Jahr 2025 bei höchstens 60 US-Dollar je
Barrel liegen wird?

Wenn ja, warum?

Wenn nein, welchen Rohölpreis hält die Bundesregierung im Jahr 2025 auf-
grund welcher Annahmen und Szenarien für realistisch, und welche Kon-
sequenzen hätte dies für die Bewertung der Aussagekraft der Verkehrsprog-
nosen?

16. Ist die Bundesregierung weiterhin der Annahme, dass die Bruttowertschöp-
fung in der Bundesrepublik Deutschland bis 2025 durchschnittlich um
1,7 Prozent pro Jahr steigen wird, bzw. welchen durchschnittlichen Anstieg
der Bruttowertschöpfung in der Bundesrepublik Deutschland hält die Bun-
desregierung bis 2025 für realistisch, und welche Konsequenzen hätte ein
niedrigeres Wachstum für die Bewertung der Aussagekraft der Verkehrs-
prognosen?

17. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass für die maßgebliche Frage
der Auslastung des Bundesfernstraßennetzes die Fahrzeugkilometer von
Lkw eine wesentlich aussagekräftigere Maßeinheit wären als Tonnenkilo-
meter?

Wenn ja, warum?

Wenn nein, warum nicht?

Drucksache 16/11827 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
18. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass sich durch die Verwendung
der Maßeinheit Tonnenkilometer die Steigerung der durchschnittlichen
Auslastung von Lkw u. a. aufgrund der Einführung und Erhöhung der Lkw-
Maut – und daraus resultierend ein im Vergleich deutlich geringerer Anstieg
der Fahrzeugkilometer – nicht oder nur unzureichend in den Zahlen zur Ver-
kehrsentwicklung widerspiegelt?

Wenn ja, warum?

Wenn nein, warum nicht?

19. Werden neue, konkrete Prognosen zur Entlastung bestehender Ortsdurch-
fahrten durch geplante Ortsumfahrungen erarbeitet (bitte begründen)?

20. Werden neue gutachterliche Bewertungen städtebaulicher Wirkungen auf
Orts- bzw. Stadtkerne bei der Bewertung geplanter Ortsumfahrungen erar-
beitet?

Wenn ja, warum, und welche?

21. Welche naturschutzfachlichen Planungsaufträge des Bundesverkehrswege-
plans 2003 sind bislang vollständig abgearbeitet?

22. Welche naturschutzfachlichen Planungsaufträge des Bundesverkehrswege-
plans 2003 werden bis zum Beschluss der Bundesregierung über die Anpas-
sung der Bedarfspläne voraussichtlich vollständig abgearbeitet sein?

23. Bei welchen Projekten mit einem naturschutzfachlichen Planungsauftrag
wurde bislang entsprechend des Bundesverkehrswegeplans 2003 (Seite 19)
„auch untersucht, inwieweit bei den insofern noch nicht entscheidungs-
reifen Projekten […] Alternativenplanungen […] verwirklicht werden kön-
nen“?

24. Wie beurteilt die Bundesregierung die Erfahrungen mit den im Bundes-
verkehrswegeplan 2003 neu eingeführten naturschutzfachlichen Planungs-
aufträgen?

25. Plant die Bundesregierung Veränderungen am „umfassenden Planungsauf-
trag“ (Bundesverkehrswegeplan 2003, Seite 19) durch die naturschutzfach-
lichen Planungsaufträge?

Wenn ja, wann, und welche?

Berlin, den 29. Januar 2009

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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