BT-Drucksache 16/11723

Vorrang des baulichen Holzschutzes vor chemischen Holzschutz

Vom 23. Januar 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/11723
16. Wahlperiode 23. 01. 2009

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl, Peter Hettlich, Cornelia Behm,
Hans-Josef Fell, Bärbel Höhn, Bettina Herlitzius, Winfried Hermann,
Undine Kurth (Quedlinburg), Ulrike Höfken, Dr. Anton Hofreiter, Nicole Maisch
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Vorrang des baulichen Holzschutzes vor chemischem Holzschutz

Die statistische Zunahme von Umwelterkrankungen, wie z. B. die ansteigende
Zahl von Allergien, die durch anthropogene Umweltbelastungen hervorgerufen
werden, geben Anlass neu über die Verwendung von Bioziden nachzudenken.
Die Belastung der Umwelt mit Bioziden, die beim Bautenschutz gegen Pilze,
Algen und Bakterien eingesetzt werden übersteigt inzwischen sogar die Belas-
tung durch Pestizide aus der Landwirtschaft.1 Damit trägt der Bauten- und
Holzschutz in ganz erheblichem Maße zur diffusen und schleichenden Ver-
schmutzung von Umwelt und von Gewässern bei.

Viele der als Schutzmittel eingesetzten Chemikalien sind neurotoxisch. Bei
Insektiziden ist gerade das die gewollte Wirkung. Außerdem sind viele Chemi-
kalien immuntoxisch und können zu Allergien führen, insbesondere bei Lang-
zeitexposition. Daher ist für einen vorsorgenden Gesundheitsschutz die Redu-
zierung von bioziden Belastungen geboten.

Die Europäische Union hat am 13. Januar 2009 mit der neuen EU-Pestizidzu-
lassungsverordnung das Ende für einige hochgefährliche Pestizide beschlossen.
Pestizide, die Krebs erzeugen, das Erbgut verändern oder die Fortpflanzung
schädigen werden in der Europäischen Union vom Markt genommen. Aber
nicht nur als Pflanzenschutzmittel in der Landwirtschaft, auch beim Gebäude-
schutz werden lebensabtötende Stoffe in erheblichen Mengen verwandt.

Die Verwendung von weniger persistenten Chemikalien entspricht auch heuti-
gen Verbraucheransprüchen, wie die deutsche Fertighausindustrie bestätigt. Die
Fertighaushersteller haben ihre Lehren aus dem Holzschutzmittelskandal gezo-
gen und seit 1996 durch den Einsatz von technisch getrockneten Hölzern auf
eine chemisch vorbeugende Holzbehandlung verzichtet. Seither wurden ca.
500 000 Fertighäuser ohne chemischen Holzschutz errichtet. Um biozide Be-
lastungen im Lebensumfeld zu verringern, unterstützen auch Universitäten und
Institute für Holzforschungen einen Vorrang des baulichen Holzschutzes ge-
genüber dem chemischen.
1 Siehe hierzu: M. Burkhardt, T. Kupper, S. Hean, R. Haag, P. Schmid, M. Kohler and M. Boller:
Biocides used in building materials and their leaching behavior to sewer systems. In: Water Science &
Technology Vol 56 No 12 pp 63–67 Q IWA Publishing 2007

Drucksache 16/11723 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
Vor diesem Hintergrund fragen wir die Bundesregierung:

1. Sind der Bundesregierung Zahlen über die Menge der in Deutschland ver-
wendeten bioziden Bautenschutzmittel bekannt, und welche Erkenntnisse
liegen über die Belastung der Umwelt durch Biozide aus dem Bautenschutz
vor?

2. Hält es die Bundesregierung für richtig, dass nach der DIN 68800 der
Dachstuhl eines Gebäudes nicht „Innen vom Gebäude ist, sondern Außen“,
und somit Biozide, also lebensabtötende Substanzen, Anwendung finden
können, die im Innenbereich nicht eingesetzt werden dürfen?

3. Welche Folgen hat die Anwendung von Bioziden, wenn der Dachstuhl aus-
gebaut, zu Wohnzwecken genutzt, und somit zum Innenbereich wird?

4. Hält die Bundesregierung es weiterhin für sinnvoll, dass diese Regelung
der DIN 68800 ebenfalls für die Innenseiten von Außentüren und Außen-
fenster aus Holz gilt?

5. Wäre es nach Ansicht der Bundesregierung nicht sinnvoll, um das Defini-
tionsproblem „Innen und Außen“ und den damit verbundenen möglichen
Einsatz von Bioziden zu klären bzw. zu verhindern, dass zukünftig im all-
gemeinen Teil der Norm, der Vorrang des baulichen Holzschutzes vor dem
chemischen Holzschutz definiert wird?

6. Weshalb wird das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) nicht an der
Überarbeitung der Norm 68800 beteiligt, damit Fragen gesundheitlicher
Risiken für den Menschen durch biozide Substanzen der Holzschutzmittel
in der Ausschussarbeit stärkere Berücksichtigung finden?

7. Inwieweit finden in der Normung – in diesem Falle die zum „vorbeugenden
chemischen Holzschutz“ – auch die Risiken für die Gesundheit von Men-
schen Berücksichtigung, oder ist dessen Ziel nur der Schutz materieller
Güter?

8. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über die Verunreinigung
von Oberflächengewässern durch Bautenschutzmittel einschließlich Holz-
schutzmittel vor?

9. Sind der Bundesregierung Probleme durch Holzschutzmittel bekannt, die
den ökologischen Vorteilen einer dezentralen Regenwasserbewirtschaftung
entgegenstehen?

10. Welche Konzentrationen von Bautenschutzmitteln wurden in wissenschaft-
lich begleiteten Modellprojekten zur dezentralen Regenwasserbewirtschaf-
tung gemessen und welche Quellen sind diesen Schadstoffen zuzuordnen?

Berlin, 23. Januar 2009

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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