BT-Drucksache 16/1151

UN-Moratorium für die Grundschleppnetzfischerei auf der Hohen See durchsetzen

Vom 5. April 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/1151
16. Wahlperiode 05. 04. 2006

Antrag
der Abgeordneten Cornelia Behm, Undine Kurth (Quedlinburg), Ulrike Höfken,
Bärbel Höhn, Hans Josef Fell, Winfried Hermann, Peter Hettlich, Dr. Anton
Hofreiter, Sylvia Kotting-Uhl, Dr. Reinhard Loske, Rainder Steenblock
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

UN-Moratorium für die Grundschleppnetzfischerei auf der Hohen See
durchsetzen

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

sich in den internationalen Gremien vehement einzusetzen:

– für ein kurzfristig zu erlassendes weltweites UN-Moratorium der Grund-
schleppnetzfischerei auf der Hohen See,

– für die Entwicklung eines effektiven Fischereimanagements für die Hohe
See und

– für die Einrichtung von Schutzgebieten auf der Hohen See.

Berlin, den 5. April 2006

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

Begründung

Die Tiefsee gilt als eine der letzten unerforschten Regionen unseres Planeten.
Noch bis vor etwa 30 Jahren nahm man an, dass sich dort wenig Leben finden
ließe. Mittlerweile hat sich das Wissen über die Tiefsee jedoch grundlegend
geändert. Die Tiefsee ist sehr viel artenreicher als vorher vermutet. Forscher
schätzen mittlerweile, dass mehr als 10 Millionen Arten in der Tiefsee leben.
Heute sind gerade einmal ein Prozent aller Seeberge wissenschaftlich erforscht.
Die meisten der dort existierenden Lebewesen, von denen viele endemisch
sind, wurden bisher taxonomisch noch nicht erfasst.
Die Seeberge sind auch der Lebensraum mehrerer kommerziell genutzter,
bodennah lebender Fische wie Granatbarsch, Grenadierfisch, Blauleng, Spiegel-
Petersfisch und Schwarzer Degenfisch. Allerdings sind diese Arten, aufgrund
ihrer Langlebigkeit und ihrer sehr späten Geschlechtsreife besonders anfällig
gegenüber menschlichen Eingriffen wie der Fischerei. Sie erholen sich – wenn
überhaupt – äußerst langsam. Ihre Populationen können daher in kürzester Zeit

Drucksache 16/1151 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
vollständig überfischt und zerstört werden. Jüngstes Beispiel ist der Granat-
barsch: Er kann bis zu 150 Jahre alt werden und wird erst mit ca. 30 Jahren ge-
schlechtsreif. Seine Bestände sind durch die Grundschleppnetzfischerei bereits
innerhalb weniger Jahre überfischt worden.

Die Entwicklung neuer Grundschleppnetze ermöglicht heute sogar die Be-
fischung der Kies- und Steingründe und Canyons in der Tiefsee. Durch höhere
Motorenleistung, größere Netze und verbesserte Navigations- und Fischsonar-
elektronik sind Hochseetrawler heute in der Lage, ihre Netze bis in zwei Kilo-
meter Tiefe am Meeresboden entlang zu ziehen.

Dabei wird einer der letzten ökologischen Schätze auf unserer Erde zerstört.
Von allen legalen Fischereimethoden auf der Hohen See gilt die Schleppnetz-
fischerei als die schädlichste, da die mit schweren Eisenplatten und Vorlauf-
ketten bestückten Netze alles, was ihnen in den Weg kommt, in Stücke reißen
oder zermalmen. So zerstören sie einzigartige Ökosysteme bereits durch einen
einzigen Fischzug. Neben den Zielfischen werden durch die Grundschlepp-
netze große Mengen an weiteren Tierarten als Beifang gefangen, die meist tot
auf See entsorgt werden.

Auf der Basis des bestehenden Wissens muss befürchtet werden, dass die
Grundschleppnetzfischerei in der Tiefsee die sensiblen Fischbestände dauerhaft
schädigt, die Artenvielfalt reduziert und dass eine Regeneration wenn über-
haupt allenfalls in Jahrzehnten oder Jahrhunderten möglich ist. Dies ist Raub-
bau und das Gegenteil einer nachhaltigen Nutzung dieser Fischbestände.

Praktisch die gesamte Grundschleppnetzfischerei auf der Hohen See wird von
elf Industrienationen durchgeführt: Dänemark/Färöer Inseln, Estland, Island,
Japan, Lettland, Litauen, Neuseeland, Norwegen, Portugal, Russland und
Spanien. Die Entwicklung der Branche steht erst am Anfang und so ist zu
erwarten, dass die Anzahl der technisch hoch ausgerüsteten Tiefseetrawler und
der Umfang der zerstörerischen Grundschleppnetzfischerei in der Tiefsee noch
erheblich zunehmen werden.

Im Februar 2004 veröffentlichten 1 136 Wissenschaftler aus 69 Ländern eine
Petition gegen diese zerstörerische Praxis. Darin warnen sie eindringlich, dass
menschliche Aktivitäten und insbesondere die Grundschleppnetzfischerei eine
beispiellose Zerstörung der seltenen Tiefseekorallen und Schwammriffe an den
Kontinentalrändern, Seebergen und Ozeanrücken bedeuteten. Die Petition
wandte sich eindringlich an die Länderregierungen und die Vereinten Nationen,
sich für ein Moratorium dieser Form der Schleppnetzfischerei einzusetzen.

Mit einem Moratorium für die Grundschleppnetzfischerei auf der Hohen See
könnte kurzfristig ein Schutz dieser außerordentlich reichen, sensiblen und
überwiegend noch unentdeckten Artenvielfalt der Tiefsee erreicht werden.
Gleichzeitig würde ein Moratorium die notwendige Zeit für die Erforschung
und Entwicklung rechtsverbindlicher Schutz- und Managementmaßnahmen
schaffen. Langfristiges Ziel sollte ein effektives Management der Fischerei und
die Einrichtung von Schutzgebieten auf der Hohen See sein, um den Schutz der
seltenen Tiefsee-Ökosysteme und ihrer reichen Artenvielfalt zu garantieren.

Als erster und wesentlicher Schritt kann ein Moratorium der Grundschlepp-
netzfischerei auf der Hohen See durch die nächste UN-Generalversammlung
beschlossen werden.

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