BT-Drucksache 16/11508

Biometriestrategie und Biometrieprojekte der Bundesregierung

Vom 19. Dezember 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/11508
16. Wahlperiode 19. 12. 2008

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Jan Korte, Ulla Jelpke, Kersten Naumann
und der Fraktion DIE LINKE.

Biometriestrategie und Biometrieprojekte der Bundesregierung

Im Bundeshaushalt 2008, Einzelplan 06 wurde auf Nachfrage im Haushaltsaus-
schuss für „Biometrische Verfahren“ eine Gesamtsumme von 8 098 000 Euro
ausgewiesen. Dazu gehörten die Integration biometrischer Merkmale auf
hoheitlichen Dokumenten genauso wie Infrastrukturprojekte und Datenbanken.
Im Haushalt 2009 wurden allein zur Finanzierung der Zentralstellenfunktion des
Bundeskriminalamts (BKA) im Bereich der Informationstechnik bzw. -techno-
logie (IT) eine Summe von 5 140 000 Euro angesetzt; das ist ein gutes Viertel
des Gesamtetats in diesem Bereich.

Eine „Sachinformation“ vom 7. Oktober 2008 erläutert Begriff und Ziel der
„Biometriestrategie“ der Bundesregierung. Biometrische Erkennungsverfahren,
heißt es dort, bieten einen „zusätzlichen Sicherheitsgewinn. Der Einsatz biome-
trischer Identifikationssysteme reiche von Zutrittskontrollen in hochsensible
Bereiche über den Bedarf an einfachen und sicheren Authentifizierungsmög-
lichkeiten für elektronische Domänen bis hin zu den Maßnahmen zur Erhöhung
der Inneren Sicherheit nach den terroristischen Anschlägen aus dem Jahr 2001.
Soweit der Begriff „Biometriestrategie“.

Als Ziel dieser Strategie werden zunächst stetige Verbesserung der Sicherheit
deutscher und europäischer Identitätsdokumente, Identifizierung von Einreisen-
den, hier Aufhältigen, sowie Reiseerleichterung für Personen, „gegen die grenz-
polizeilich nichts vorliegt“ genannt. Soweit stehen die Ziele sinngemäß auch in
den Gesetzen zum elektronischen Reisepass und Personalausweis, zur Erweite-
rung von Visadaten um biometrische Komponenten im Visainformationssystem
(VIS), im Vertrag von Prüm und im Gesetz über das Schengen Informations-
system II und vielen anderen Gesetzen, Abkommen und Verordnungen mehr. In
diesem Sinne wurden und werden die jeweiligen Projekte Parlament und inter-
essierter Öffentlichkeit auch als Sicherheitsgewinn nahegebracht.

Bisher ist allerdings nicht klar geworden, worin dieser Sicherheitsgewinn denn
konkret bestehen könnte (vgl. Antwort auf die Kleine Anfrage des Abge-
ordneten Jan Korte, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. auf
Bundestagsdrucksache 16/7073 „Notwendigkeit biometrischer Reisepässe aus
Sicherheitsgründen“). Die angesprochene Sachinformation legt andere Gründe

für die Eile und Vehemenz bei der Einführung biometrischer Merkmale auf allen
möglichen Dokumenten nahe. Durch die frühzeitige Einführung biometrischer
Reisepässe habe „Deutschland damit eine Vorreiterrolle in der EU eingenom-
men“. Das Ergebnis sei ein erheblicher technologischer Vorsprung vor den an-
deren Mitgliedstaaten, der der deutschen IT-Wirtschaft zu Gute komme. Diese
Stellung solle „durch die Einführung biometrischer Merkmale auf weiteren
hoheitlichen Dokumenten ausgebaut werden“ („Sachinformation“ des Bundes-

Drucksache 16/11508 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

ministeriums des Innern (BMI) vom 7. Oktober 2008). Schrittmacher für den
Ausbau dieser Vormachtstellung seien „der geplante elektronische Aufenthalts-
titel sowie der elektronische Personalausweis“ (ebenda).

Eine erschöpfende Antwort auf die Frage, welche Projekte gefördert werden sol-
len, wurde in der genannten Sachinformation so wenig gegeben wie eine nach-
vollziehbare Darstellung verschiedener biometrischer Projekte und Forschungs-
vorhaben aus den Vorjahren.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Seit wann spricht die Bundesregierung von einer Biometriestrategie, und
wer ist federführend verantwortlich für deren Umsetzung, Kontrolle und
ggf. Korrektur?

2. Welche Projekte werden im Rahmen der Biometriestrategie der Bundes-
regierung mit Mitteln in welcher Höhe aus dem Bundeshaushalt gefördert
(bitte bei diesen Angaben jeweils auch Begleitkosten wie Forschungspro-
jekte und Kommunikationsstrategien u. Ä. angeben)?

3. Welche Projekte mit biometrischer Technik/Technologie werden seit 2001
von welchen Firmen entwickelt, und in welcher Höhe wurden dafür jeweils
Haushaltsmittel aus welchen Titeln und Ressorts eingesetzt?

4. Welche konkreten Biometrieprojekte, die sicherheitspolitisch relevant sein
können, werden im Rahmen der Hightech-Strategie des Bundesministe-
riums für Bildung und Forschung (BMBF) bzw. dem Programm der Bun-
desregierung „Forschung für die zivile Sicherheit“ derzeit betrieben, und
welchen Stand haben sie – gemessen an den Zielen – heute erreicht?

5. Für welches der in den Fragen 4 und 5 genannten Projekte wurde zuvor eine
sicherheitspolitische und sicherheitstechnische Defizitanalyse vorgenom-
men?

Wer hat sie jeweils mit welchen Kosten und Ergebnissen durchgeführt, und
wo wurden die Ergebnisse der parlamentarischen und allgemeinen Öffent-
lichkeit zur Verfügung gestellt?

6. Welchen Anteil haben diese Projekte an den 123 Mio. Euro, die das BMBF
für das Gesamtprogramm zur Verfügung gestellt hat?

7. Welche Firmen, Universitäten und Institute haben Mittel in welcher Höhe
aus diesem Programm seit seiner Vorstellung im Januar 2007 mit welchen
zeitlichen Perspektiven in Anspruch genommen?

8. Wie ist der Stand der Integration der INPOL-Anwendung der Bundespolizei
in das Visainformationssystem (VIS), und welchen Stand hat der Aufbau
der Public Key Infrastructure zur Berechtigung der Dokumentenlesegeräte
zum Auslesen der Fingerabdrücke aus den elektronischen Pässen?

9. Wie haben sich die Kontrollzeiten seit Einführung der E-Pässe entwickelt,
welche zusätzlichen Komponenten wurden eingesetzt, um „angemessen
kurze Kontrollzeiten“ zu ermöglichen (vgl. Sachinformation des BMI vom
3. September 2007 „Biometrische Verfahren“), und woran bemisst sich „an-
gemessen“?

10. Wie haben sich die Zahlen der ge- bzw. verfälschten Pässe seit Einführung
der elektronischen Pässe entwickelt?

11. Welche Projekte zur biometriegestützten Früherkennung von terrorverdäch-
tigen Personen werden seit wann mit welchem finanziellen Aufwand von
welcher Behörde in welchen Kooperationen durchgeführt?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/11508

12. Wann erreichen diese Projekte Praxisreife, und welche praktischen Einsätze
sind angestrebt?

13. Welche Ergebnisse hat die im Oktober 2008 zu Ende gegangene Erprobung
grenzpolizeilicher Kontrollverfahren für biometrische Visa im Zusammen-
hang mit dem EU-Projekt „Biometric Data Experimented in Visas/Bio-
DEV“), wer wertet diese Erprobung aus, und wann werden Ausschüsse und
parlamentarische Öffentlichkeit über die Ergebnisse unterrichtet?

14. Sind Auswahl und Vorbereitung der Pilotanwendungen für den elektro-
nischen Personalausweis abgeschlossen?

Wenn ja, welche Anwendungen sind konkret vorgesehen, welche Behörden
und Unternehmen sind beteiligt, und auf welche Weise werden die Kunden
aus allen Bereichen des eGovernment und eBusiness an der Einführung
einer elektronischen Identifizierungsfunktion auf Grundlage des elektroni-
schen Personalausweises einbezogen (vgl. Sachinformation des BMI vom
9. Oktober 2008 „Bericht zum elektronischen Personalausweis“)?

Wenn nein, wann ist mit Beginn der Pilotanwendungen zu rechnen, in wel-
cher Form sollen sie durchgeführt werden, wer begleitet sie wissenschaft-
lich, und wer wertet diese Phase aus?

Berlin, den 19. Dezember 2008

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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