BT-Drucksache 16/11507

Beteiligung der Bundeswehr an Veranstaltungen zum Volkstrauertag 2008 (Nachfrage zu Bundestagsdrucksache 16/11006)

Vom 19. Dezember 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/11507
16. Wahlperiode 19. 12. 2008

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Paul Schäfer (Köln) und der Fraktion DIE LINKE.

Beteiligung der Bundeswehr an Veranstaltungen zum Volkstrauertag 2008
(Nachfrage zu Bundestagsdrucksache 16/11006)

An der Veranstaltung zum Volkstrauertag am 16. November 2008 auf dem alten
Garnisonsfriedhof in Berlin-Neukölln haben auch Vertreter von Reservisten-
vereinigungen der Bundeswehr teilgenommen. Kränze wurden unter anderem
vom Deutschen Marinebund (DMB) und dem Bund Deutscher Fallschirmjäger
(BDF) niedergelegt. RDS-Vertreter (RDS – Ring Deutscher Soldatenverbände
e. V.) nannten im „Aufruf der Delegationen“ zudem den Verband der Reservis-
ten der Deutschen Bundeswehr (VdRBw) als Teilnehmer. Auch rechtsextreme
Organisationen wie DVU, NPD und Stahlhelm sowie Gliederungen des Bundes
der Vertriebenen (BdV) waren vertreten (der Fraktion DIE LINKE. liegt Foto-
und Videomaterial vor, das Kränze von DMB, BDF, DVU, NPD, Stahlhelm,
BdV u. a. sowie die Ansprachen der RDS-Vertreter zeigt). Auch der Volksbund
Deutsche Kriegsgräberfürsorge (VDK) ist von den RDS-Vertretern als Teil-
nehmer genannt worden.

Inhaltlich war die Veranstaltung von Wehrmachtsverherrlichung und Ge-
schichtsrevisionismus gekennzeichnet. Redner beschimpften Soldaten der Anti-
hitlerkoalition als „Verbrecher“ und erklärten es zur Folge eines „kommunis-
tischen Sprachgebrauchs“ sowie „Gehirnwäsche“, dass die Wehrmacht heute
– bis auf Ultrarechte – nicht mehr als vorbildlich erkannt werde.

Das Bundeswehr-Teilnahmeverbot sowie das Verbot für Reservisten, zu diesem
Anlass Uniform zu tragen, sind zu begrüßen. Die Teilnahme von Reservisten-
vereinigungen hinterlässt jedoch einen faden Beigeschmack, da jene eine wich-
tige Funktion in der Reservistenarbeit der Bundeswehr einnehmen.

Im März 2007 hatte die Bundesregierung noch ausgeführt, es lägen ihr keine
Erkenntnisse darüber vor, dass VdRBw, BDF und DMB eine Traditionspolitik
betrieben, „die geeignet ist, die Wehrmacht zu glorifizieren, deutsche Kriegs-
verbrechen zu leugnen oder zu verharmlosen und ein rechtsextremistisches
Weltbild zu verbreiten“ (Bundestagsdrucksache 16/4675). Diese Aussage muss
nach Meinung der Fragesteller revidiert werden, da der rechtsextreme und ge-
schichtsrevisionistische Charakter dieser Volkstrauertagsveranstaltung offen zu-
tage tritt.

Ungeklärt ist, wie weit sich die Bundeswehr selbst an die von ihr erklärten Kon-
taktverbote hält. Die Bundesregierung führt aus, die „gleichzeitige Teilnahme
von Angehörigen der Bundeswehr und Rechtsextremisten an öffentlichen Ver-
anstaltungen“ könne nur dann verhindert werden, „wenn die Bundeswehr vor
der jeweiligen Veranstaltung Kenntnis von der Teilnahme von Rechtsextemisten
erhält“.

Drucksache 16/11507 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Dies war bei der Bochumer Volkstrauertagsveranstaltung der Fall. Bereits im
Vorjahr hatte dort der Verband Deutscher Soldaten (VDS) teilgenommen (zu
dem ein Kontaktverbot besteht), ebenso wie die Bundeswehr. Es bestand daher
Grund zur Annahme, dass der VDS auch in diesem Jahr wieder teilnehmen
werde. Dies geschah dann auch, und wieder war die Bundeswehr dabei. Dabei
hätte die Teilnahme des VDS leicht vorab recherchiert werden können.

Insgesamt ist nach Meinung der Fragesteller die Sensibilität der Dienststellen
der Bundeswehr in Sachen Abgrenzung zu Rechtsextremisten nicht ausgeprägt
genug.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welches Verhältnis hat die Bundeswehr zum Verband der Reservisten der
Deutschen Bundeswehr (VdRBw), und wie bewertet sie dessen Rolle in der
Reservistenarbeit?

2. Welches Verhältnis hat die Bundeswehr zum Deutschen Marinebund (DMB),
und wie bewertet sie dessen Rolle in der Reservistenarbeit?

3. Welches Verhältnis hat die Bundeswehr zum Bund Deutscher Fallschirm-
jäger (BDF), und wie bewertet sie dessen Rolle in der Reservistenarbeit?

4. Welches Verhältnis hat die Bundeswehr zum Volksbund Deutsche Kriegs-
gräberfürsorge (VDK), und wie bewertet sie dessen Rolle in der Reservisten-
bzw. Öffentlichkeitsarbeit der Bundeswehr?

5. Welche staatlichen Förderungen erhalten die vorgenannten Vereinigungen in
direkter oder indirekter Weise (bitte detailliert benennen)?

6. Trifft die Aussage der RDS-Vertreter zu, die den VdRBw im „Aufruf der
Delegationen“ als Teilnehmer genannt haben?

Falls ja, wieso hat die Bundesregierung dann (auf Bundestagsdrucksache
16/11006) angeführt, der VdRBw beteilige sich nicht offiziell an der Ver-
anstaltung?

Falls nein, ist der Bundesregierung bekannt, ob der VdRBw juristische
Schritte gegen die RDS-Vertreter einleiten wird, um eine Richtigstellung zu
erzwingen oder eine Wiederholung dieser Behauptung zu verhindern?

7. Welche Konsequenzen will die Bundesregierung aus der Teilnahme dieser
Vereinigungen an der Volkstrauertagsveranstaltung ziehen?

a) Beabsichtigt die Bundesregierung, die staatliche Förderung dieser Ver-
einigungen zurückzunehmen oder behält sie sich dies zumindest für den
Wiederholungsfall vor, und wenn nein, warum nicht?

b) Beabsichtigt die Bundesregierung, in Gesprächen mit Vertretern dieser
Vereinigungen auf eine Änderung der Vereinspolitik hinzuarbeiten, und
wenn nein, warum nicht?

8. Ergibt sich aus der Aussage der Bundesregierung, eine gleichzeitige Teil-
nahme von Bundeswehr und Rechtsextremisten an öffentlichen Veranstaltun-
gen könne nur verhindert werden, wenn die Bundeswehr zuvor von der Teil-
nahme der Nazis unterrichtet werde, eine Verpflichtung militärischer
Dienststellen, sich wenigstens in solchen Fällen vorab zu erkundigen, in de-
nen eindeutige Hinweise auf eine beabsichtigte Teilnahme von Rechtsextre-
misten vorliegen, beispielsweise wenn es in der Vergangenheit eine solche
Teilnahme regelmäßig gegeben hat, und wenn nein, warum nicht?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/11507

9. Warum hat die Bundeswehr sich, angesichts der Tatsache, dass der VDS be-
reits im Vorjahr bei der Veranstaltung in Bochum dabei war, nicht vor der
diesjährigen Feier beim Veranstalter danach erkundigt, ob der VDS wieder
eingeladen werde, und welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung
aus diesem Versäumnis der zuständigen militärischen Dienststellen?

10. Beabsichtigt die Bundesregierung, die für Bochum zuständigen Dienst-
stellen der Bundeswehr anzuweisen, im nächsten Jahr nicht wieder gemein-
sam mit dem VDS aufzutreten, und wenn nein, warum nicht?

11. Beabsichtigt die Bundesregierung, aufgrund der Tatsache, dass der VDK
mit dem extrem rechten VDS zusammenarbeitet, Konsequenzen hinsicht-
lich des Umfangs oder der Art der staatlichen Förderung des VDK sowie
der Zusammenarbeit der Bundeswehr mit diesem zu ziehen, und wenn ja,
welcher Art, und wenn nein, warum nicht?

Berlin, den 18. Dezember 2008

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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