BT-Drucksache 16/11501

zu dem Antrag der Abgeordneten Irmingard Schewe-Gerigk, Markus Kurth, Brigitte Pothmer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN -16/9748- Kurs halten bei der Erwerbsintegration von älteren Beschäftigten - Teilrenten erleichtern

Vom 18. Dezember 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/11501
16. Wahlperiode 18. 12. 2008

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Irmingard Schewe-Gerigk, Markus Kurth,
Brigitte Pothmer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
– Drucksache 16/9748 –

Kurs halten bei der Erwerbsintegration von älteren Beschäftigten –
Teilrenten erleichtern

A. Problem

Nach Auffassung der antragstellenden Fraktion steht die Altersteilzeit dem Ziel
einer besseren Erwerbsbeteiligung Älterer und der Verlängerung der Lebens-
arbeitszeit entgegen. Dabei beruft sich die Fraktion auf die statistischen Anga-
ben des Jahres 2005, wonach nur 36 Prozent der Frauen und 19 Prozent der Män-
ner aus einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung in die Regelalters-
rente gegangen seien. Die fehlende Erwerbsintegration älterer Beschäftigter
erweise sich als Wachstumsbremse und belaste die Sozialsysteme.

Zur Vermeidung von Fehlanreizen habe der Deutsche Bundestag beschlossen,
die Altersteilzeit Ende des Jahres 2009 auslaufen zu lassen und nicht mehr über
die Bundesagentur für Arbeit zu fördern. Mit dem RV-Altersgrenzanpassungs-
gesetz habe man auf die längeren Rentenlaufzeiten reagiert und eine schrittweise
Anhebung der Regelaltersgrenze beschlossen. Inzwischen sei die Beschäfti-
gungsquote der über 55-Jährigen wieder gestiegen. Dieser Kurs müsse gehalten
und ausgebaut werden.

B. Lösung

Der Deutsche Bundestag soll die Bundesregierung nach dem Willen der Antrag-
steller auffordern,
1. einen Gesetzentwurf vorzulegen, mit dem das Instrument Teilrente verein-
facht und der Zugang nach folgenden Kriterien erleichtert wird:

– Wer seine Arbeitszeit reduzieren wolle, könne ab dem 60. Lebensjahr eine
Teilrente beantragen.

– Der Gesamtverdienst und die Teilrente dürfe nicht höher sein als der bis-
herige Verdienst und/oder der Verdienst der Vollzeittätigkeit.

Drucksache 16/11501 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

– Für die Teilrente würden versicherungsmathematisch korrekte Renten-
vorschläge erhoben.

– Mit der verbliebenen Arbeitszeit seien die Beschäftigten weiterhin unein-
geschränkt sozialversicherungspflichtig beschäftigt und könnten somit
weiterhin Rentenansprüche aufbauen.

2. In dem Gesetzentwurf sollten auch die Rahmenbedingungen zur Nutzung
von Langzeitkonten verbessert werden, die zum Beispiel neben der besseren
Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder der Qualifizierung auch für einen
flexibleren Übergang in die Altersrente genutzt werden könnten. Dazu seien
insbesondere die Lücken zum Insolvenzschutz zu schließen und die Über-
tragbarkeit der Konten beim Arbeitgeberwechsel mit der Möglichkeit der
kontinuierlichen Weiterführung sicherzustellen. Anders als in der Alters-
teilzeit solle jedoch von einer öffentlichen Förderung Abstand genommen
werden.

3. Die im RV-Altersanpassungsgesetz bereits beschlossene schrittweise Er-
höhung der Regelaltersgrenze für den abschlagsfreien Bezug einer Erwerbs-
minderungsrente von 63 auf 65 Jahre werde wieder zurückgenommen.

Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD,
FDP und DIE LINKE. gegen die Stimmen der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

C. Alternativen

Annahme des Antrags.

D. Kosten

Kosten wurden nicht ermittelt.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/11501

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag auf Drucksache 16/9748 abzulehnen.

Berlin, den 17. Dezember 2008

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales

Gerald Weiß (Groß-Gerau) Peter Weiß (Emmendingen)
Vorsitzender Berichterstatter

branchenspezifische Lösungen erarbeiten. Als Zwischen- mit einer Teilrente ab Alter 60 erhebliche zusätzliche Vorfi-

lösung für einen gleitenden Übergang vom Arbeitsleben in
die Rente biete sich eine reduzierte Arbeitszeit in Kombina-
tion mit einer Teilrente ab dem 60. Lebensjahr an. Der Deut-

nanzierungskosten für das solidarisch finanzierte gesetzliche
Rentensystem verbunden. Auch eine Rücknahme der Erhö-
hung des Referenzalters für den abschlagfreien Bezug einer
Drucksache 16/11501 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Bericht des Abgeordneten Peter Weiß (Emmendingen)

I. Überweisung und Voten der mitberatenden
Ausschüsse

1. Überweisung

Der Antrag auf Drucksache 16/9748 ist in der 172. Sitzung
des Deutschen Bundestages am 26. Juni 2008 an den Aus-
schuss für Arbeit und Soziales zur federführenden Beratung
und an den Haushaltsausschuss sowie den Ausschuss für
Wirtschaft und Technologie zur Mitberatung überwiesen
worden.

2. Voten der mitberatenden Ausschüsse

Der Haushaltsausschuss hat in seiner Sitzung am 5. Novem-
ber 2008 und der Ausschuss für Wirtschaft und Technolo-
gie in seiner Sitzung am 17. Dezember 2008 den Antrag be-
raten. Beide haben mit den Stimmen der Fraktionen CDU/
CSU, SPD, FDP und DIE LINKE. gegen die Stimmen der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dem Deutschen Bun-
destag die Ablehnung empfohlen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage

Nach Auffassung der antragstellenden Fraktion steht die
Altersteilzeit dem Ziel einer besseren Erwerbsbeteiligung
Älterer und der Verlängerung der Lebensarbeitszeit entge-
gen. Zur Vermeidung von Fehlanreizen habe der Deutsche
Bundestag beschlossen, die Altersteilzeit zum Ende des
Jahres 2009 auslaufen zu lassen und nicht mehr über die
Bundesagentur für Arbeit zu fördern. Mit dem RV-Alters-
grenzanpassungsgesetz habe man auf die längeren Renten-
laufzeiten der Rentnerinnen und Rentner reagiert und eine
schrittweise Anhebung der Regelaltersgrenze beschlossen.
Inzwischen sei die Beschäftigung Älterer wieder gestiegen.
Dieser Kurs müsse gehalten und ausgebaut werden. Neue
Anreize für eine Frühverrentung seien das falsche Signal, um
die Erwerbsintegration älterer Beschäftigter weiter auszu-
bauen. Die Erfahrung der letzten Jahre zeige: Solange der
bequeme Weg über die geförderte Altersteilzeit existiere,
würden andere Wege zu wenig genutzt. Ingesamt hätten im
letzten Jahr 416 000 Menschen das Instrument genutzt, da-
von über 80 Prozent nach dem Blockmodell. Die Altersteil-
zeit werde dabei regelmäßig zur Personalanpassung in den
Betrieben in Form von Arbeitsplatzabbau oder Verjüngung
der Belegschaft genutzt. Zudem werde die geförderte Alters-
teilzeit überwiegend von relativ gut verdienenden Facharbei-
tern, nicht aber von Geringverdienern genutzt. Letztere
könnten es sich nicht leisten, vorzeitig in Rente zu gehen.
Wenn erreicht werden solle, dass mehr ältere Arbeitnehmer
bis zur Regelaltersgrenze arbeiten könnten, müssten vor
allem die Tarifparteien tätig werden und gegebenenfalls

1. einen Gesetzentwurf vorzulegen, mit dem das Instrument
Teilrente vereinfacht und der Zugang nach folgenden
Kriterien erleichtert werde:

– Wer seine Arbeitszeit reduzieren wolle, könne ab dem
60. Lebensjahr eine Teilrente beantragen.

– Der Gesamtverdienst und die Teilrente dürften nicht
höher sein als der bisherige Verdienst und/oder der
Verdienst der Vollzeittätigkeit.

– Für die Teilrente sollten versicherungsmathematisch
korrekte Rentenvorschläge erhoben werden.

– Mit der verbliebenen Arbeitszeit seien die Beschäftig-
ten weiterhin uneingeschränkt sozialversicherungs-
pflichtig beschäftigt und könnten somit weiterhin
Rentenansprüche aufbauen.

2. In dem Gesetzentwurf würden auch die Rahmenbedin-
gungen zur Nutzung von Langzeitkonten verbessert, die
zum Beispiel neben der besseren Vereinbarkeit von Fa-
milie und Beruf oder der Qualifizierung auch für einen
flexibleren Übergang in die Altersrente genutzt werden
könnten. Dazu seien insbesondere die Lücken zum Insol-
venzschutz zu schließen und die Übertragbarkeit der
Konten beim Arbeitgeberwechsel mit der Möglichkeit
der kontinuierlichen Weiterführung sicherzustellen. An-
ders als in der Altersteilzeit solle jedoch von einer öffent-
lichen Förderung Abstand genommen werden.

3. Die im RV-Altersanpassungsgesetz bereits beschlossene
schrittweise Erhöhung der Regelaltersgrenze für den ab-
schlagsfreien Bezug einer Erwerbsminderungsrente von
63 auf 65 Jahre werde wieder zurückgenommen.

III. Beratung im federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat in seiner
109. Sitzung am 17. Dezember 2008 den Antrag auf Druck-
sache 16/9748 beraten und mit den Stimmen der Fraktionen
CDU/CSU, SPD, FDP und DIE LINKE. gegen die Stimmen
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dem Deutschen
Bundestag die Ablehnung empfohlen.

Die Fraktion der CDU/CSU trug vor, dass der Antrag der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zwar richtig beginne:
So werde darin zunächst festgestellt, dass die geförderte
Altersteilzeit lediglich als Vorruhestandsmodell diene und
damit dem Ziel der besseren Erwerbsbeteiligung älterer
Beschäftigter entgegenstehe. Es sei aber falsch, eine Teilrente
– wie vorgeschlagen – ab dem 60. Lebensjahr zu ermöglichen.
Alle Anstrengungen im Hinblick auf Weiterbildung und
Qualifikation älterer Beschäftigter wären hinfällig, würden
diese mit 60 in Rente oder Teilrente geschickt. Zudem wären
sche Bundestag soll nach dem Willen der Antragsteller die
Bundesregierung auffordern,

Erwerbsminderungsrente von 63 auf 65 Jahre komme nicht
Betracht, weil die Höhe der Erwerbsminderungsrente seit

zent.

Die Fraktion der FDP gestand zu, dass der Antrag der Frak-
tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in die richtige Richtung
ziele. Leider komme er zu spät und bleibe halbherzig. Die
Fraktion der FDP habe bereits vor mehr als einem Jahr ein
erheblich konsequenteres Konzept für den flexiblen Über-
gang vom Erwerbsleben in den Ruhestand vorgelegt. Es ge-
he im Grundsatz darum, eine möglichst lange Teilhabe der
Menschen am Erwerbsleben zu erreichen. Die bisherigen
Konzepte der Altersteilzeit hätten dazu geführt, dass viele
Beschäftigte vor dem 60. Lebensjahr aus dem Erwerbsleben
ausschieden. Einen wirklichen Übergang auf der Basis der
eigenen Entscheidung könne man aber nur schaffen, wenn
man Teil- und Vollrenten bei Wegfall aller Zuverdienst-
grenzen ermögliche. Dass die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN mit ihrem Antrag eben solche Grenzen willkür-
lich einführen wollten, sei einer der Hauptkritikpunkte der
Fraktion der FDP. Alles in allem reiche der Antrag nicht aus.
Die Fraktion der FDP werde ihn daher ablehnen.

Antrag ablehnen.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN begründete
ihren Antrag, man wolle die Regelung der Altersteilzeit
ablösen; denn diese wirke überwiegend als Stilllegungs-
prämie. Sie begünstige gutverdienende Beschäftige und vor
allem den Öffentlichen Dienst. Die am Arbeitsmarkt benach-
teiligten Gruppen hätten dagegen kaum die Möglichkeit zur
Altersteilzeit, müssten diese aber mitfinanzieren. Dies sei
unsozial. Die Frage sei doch, wie ältere Beschäftigte mög-
lichst bis zum gesetzlichen Rentenalter erwerbstätig bleiben
könnten. Die Tarifpartner müssten hierfür branchenspezi-
fische Lösungen entwickeln. Eine Zwischenlösung müsse
für Beschäftigte gefunden werden, die nicht bis zum Ren-
tenalter arbeiten könnten, aber auch noch nicht in die Er-
werbsminderungsrente aufgenommen würden. Wer sich für
eine Vollzeitstelle nicht mehr fit genug fühle, müsse außer-
dem ab 60 Jahren kürzer treten können und die Möglichkeit
erhalten, eine Teilzeittätigkeit mit einer Teilrente zu kombi-
nieren. Dafür werbe die Fraktion um Zustimmung.

Berlin, den 17. Dezember 2008

Peter Weiß (Emmendingen)
Berichterstatter
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/11501

dem Jahr 2001 an die Höhe der vorgezogenen Altersrente für
schwerbehinderte Menschen angepasst worden sei. Bei der
Altersrente für schwerbehinderte Menschen gelte langfristig
aber das 65. Lebensjahr. Aus diesen Gründen werde die
Fraktion der CDU/CSU den Antrag ablehnen.

Die Fraktion der SPD erklärte, auch sie wolle die Teilrenten
ausbauen. Die Fraktion der SPD werde den vorliegenden An-
trag trotzdem nicht unterstützen: Einerseits würden unnötige
Forderungen gestellt, die die Koalition längst erfüllt habe.
Dieses betreffe beispielsweise die Forderungen nach einem
besseren Insolvenzschutz von Langzeitarbeitskonten und
deren Übertragbarkeit bei Arbeitgeberwechsel. Andererseits
sei die verlangte Abschaffung der Altersteilzeit falsch. Diese
schaffe gerade eine wirksame Möglichkeit zum flexiblen
Übergang in die Rente. Das Ziel einer längeren Lebensar-
beitszeit werde dadurch keineswegs gefährdet. Im Gegen-
teil: Bei gesetzlich geförderter Altersteilzeit sei die Beschäf-
tigungsquote älterer Arbeitnehmer in den letzten Jahren
nachweislich deutlich gestiegen und zwar von 37 auf 52 Pro-

Die Fraktion DIE LINKE. räumte ein, man benötige in der
Tat flexible Übergänge in den Ruhestand. Dem werde der
Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN jedoch
nur einseitig gerecht. So gingen heute fast 50 Prozent der
Frauen und mehr als 60 Prozent der Männer in Rente, ohne
die Regelaltersgrenze erreicht zu haben und ohne durch eine
Altersteilzeit abgefedert zu werden. Das heiße: Jede zweite
Frau und mehr als jeder zweite Mann müssten mit Abschlä-
gen von bis zu 7,2 Prozent oder in 20 Jahren mit Abschlägen
von bis zu 14,4 Prozent in Rente gehen – bei obendrein deut-
lich sinkendem Rentenniveau. Bei einem Wegfall der Alters-
teilzeit würde sich diese Zahl weiter erhöhen, was steigende
Altersarmut zur Folge hätte. Außerdem greife das Argument
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nicht, Altersteil-
zeit komme den Schwerarbeitenden nicht und ganz überwie-
gend den Gutverdienenden und dem Öffentlichen Dienst zu
Gute. Auch der Öffentliche Dienst benötige Altersteilzeit,
auch dort gebe es Beschäftigte mit hoher Belastung. Und zu
bedenken sei außerdem, dass beispielsweise auch Schichtar-
beiter zu den Gutverdienenden gehörten. Man werde den

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